Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 9 WF 383/09 (PKH)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 12.01.2011
Aktenzeichen 9 WF 383/09 (PKH) ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 29.4.2009 – Az.: 21 F 164/07 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Auf das Beschwerdeverfahren ist das bis zum 31.8.2009 geltende Recht anzuwenden, weil der Antrag auf Prozesskostenhilfe am 10.10.2007, mithin vor dem Stichtag, beim Amtsgericht eingegangen ist und damit das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren eingeleitet worden ist, Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Etwaige Ansprüche gegen den Antragsgegner auf Zahlung nachehelichen Betreuungs- bzw. Aufstockungsunterhalts (§ 1570 BGB bzw. 1573 Abs. 2 BGB) bestehen jedenfalls wegen Verwirkung nicht mehr.

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Antragstellerin zur Höhe eines ihr etwa zustehenden Unterhaltsanspruchs ausreichend vorgetragen hat. Insoweit bestehen Bedenken hinsichtlich der Angaben zu ihrem eigenen Einkommen sowie zum Einkommen des Antragsgegners. Hinsichtlich ihrer eigenen Erwerbsunfähigkeitsrente hat die Antragstellerin lediglich einen Bescheid vorgelegt, der den Rentenzahlbetrag ab 1.7.2005 ausweist. Der Prozesskostenhilfe-Antrag datiert vom 10.10.2007, sodass davon auszugehen ist, dass zwischenzeitlich Rentenanpassungen eingetreten sind. Hinsichtlich des Einkommens des Antragsgegners verweist die Antragstellerin selbst darauf, ihr lägen diesbezüglich keine ausreichenden Unterlagen vor. Als Antragstellerin ist sie jedoch in vollem Umfang für die Höhe eines etwaigen Anspruchs darlegungs- und beweisbelastet. Sie kann sich nicht darauf zurückziehen, darauf zu verweisen, ihr stünde ein Auskunftsanspruch zu. Notfalls muss im Wege der Stufenklage zunächst hinreichende Auskunft verlangt werden.

Hierauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da das Amtsgericht zutreffend von einer Verwirkung aller etwaigen Ansprüche ausgegangen ist.

Hinsichtlich von Unterhaltsansprüchen für die Zeit von April bis August 2006 ergibt sich die Verwirkung bereits aus allgemeinen Gesichtspunkten (§ 242 BGB). Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf eingerichtet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BGHZ 105, 290; BGH, NJW 2008, 2254). Die Einwendung der Verwirkung hat der Antragsgegner erhoben. Er bezieht sich auf den Ablauf des Zeit- und Umstandsmoments. Lässt ein Unterhaltsgläubiger nach dem Unterhaltsbegehren längere Zeit verstreichen, ohne dass es zu einer erneuten Zahlungsaufforderung oder Klage gekommen ist, und kann sich der Unterhaltsverpflichtete hierauf einrichten, so ist der Unterhaltsanspruch verwirkt. Nach dem Rechtsgedanken der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist regelmäßig das Zeitmoment für Rückstände, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder dem erneuten Tätigwerden liegen, erfüllt (BGH, FamRZ 1988, 370; 2004, 531; 2007, 453). Zum anderen muss sich aus dem Verhalten des Bedürftigen ergeben, dass er auf seiner Unterhaltsforderung nicht mehr besteht. Das ist der Fall, wenn er sich trotz fehlender Reaktion des in Anspruch Genommenen nicht mehr bei diesem meldet und auf Zahlung besteht. Erfasst wird hinsichtlich der Verwirkung jedoch nur derjenige Rückstand, der vom Zeitmoment umfasst wird, d.h., die mehr als ein Jahr vor erneutem Tätigwerden zurückliegenden Ansprüche (Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. A., § 6 Rz. 135 ff).

Hier hat die Antragstellerin vorgetragen, den Antragsgegner mit Schreiben vom 13.4.2006 zur Auskunft aufgefordert zu haben. Ein erneutes Schreiben ist sodann erst am 17.8.2007 erfolgt, mithin über ein Jahr später. Der Prozesskostenhilfeantrag ist in der Folge nach wenigen Monaten eingereicht worden. Da der Unterhaltsanspruch von Anfang an streitig war, durfte sich der Antragsgegner bis zum Erhalt des Schreibens vom 17.08.2007 darauf einrichten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Damit sind die bei dem Schreiben vom 17.8.2007 seit mehr als einem Jahr fälligen Unterhaltsbeträge jedenfalls verwirkt, mithin diejenigen bis zum August 2006.

Es liegt aber auch insgesamt Verwirkung des nachehelichen Unterhalts gemäß § 1579 BGB vor. Hier greift möglicherweise zunächst die Nr. 1 der Vorschrift – kurze Ehedauer – ein, wovon wohl das Amtsgericht nicht ausgegangen ist. Maßgeblich ist insoweit die Zeit zwischen Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags, d.h., im vorliegenden Fall die Zeit vom 10.5.2003 bis zum 16.9.2005, mithin zwei Jahre und vier Monate. Nicht schematisch hinzuzurechnen, jedoch bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist nach dem zum 1.1.2008 neu gefassten Wortlaut des § 1579 Nr. 1 BGB die Zeit, in der der Berechtigte wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen kann (Wendl/ Gerhardt, a.a.O., § 4 Rz. 639 f; Palandt/Brudermüller, BGB, 70. A., § 1579 Rz. 8). Das ist hier mindestens für einen Zeitraum bis zum dritten Geburtstag des Kindes L… B… am ….7.2007 der Fall. Aber auch eine Ehedauer von mehr als zwei Jahren ist nur dann „kurz“ im Sinne der Vorschrift, wenn es noch nicht zu einer wechselseitigen Abhängigkeit und Verflechtung der Lebensverhältnisse der Partner gekommen ist (BGH, FamRZ 1981, 140). Eine derartige Verflechtung liegt hier eher fern (s. dazu weiter unten).

Im vorliegenden Fall bestehen allerdings wegen der Belange des Kindes L... Bedenken, noch von einer kurzen Ehedauer auszugehen, die zur Versagung von Unterhaltsansprüchen führt. Dies kann jedoch im Ergebnis offen bleiben, da der Verwirkungstatbestand von § 1579 Nr. 7 BGB n. F., nämlich schwerwiegendes Fehlverhalten der Antragsstellerin gegenüber dem Antragsgegner, vorliegt, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat.

Die Antragstellerin hat unstreitig Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann während der Ehe gehabt, woraus die am ….1.2006 geborene Tochter D… hervorgegangen ist. Während die Antragstellerin behauptet, es habe sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt, macht der Antragsgegner Gründe geltend, die auf eine andauernde Beziehung der Antragstellerin hindeuten. Allerdings ist der Antragsgegner für das Vorliegen des Ausschlussgrundes nicht nur darlegungs- sondern auch beweisbelastet, wobei er für seine Tatsachenbehauptungen keinen Beweis angetreten hat. Demzufolge kann der Ehebruch der Antragstellerin, der zur Geburt eines Kindes innerhalb der Ehe geführt hat, das von einem anderen Mann abstammt, nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung noch nicht als schwerwiegendes ehewidriges Fehlverhalten angesehen werden, wenn es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelt (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rz. 729). Es sind jedoch noch weitere Umstände zu berücksichtigen, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit ein schwerwiegendes eheliches Fehlverhalten der Antragstellerin darstellen, welche die eheliche Solidarität derart in Frage stellt, dass auch vom Antragsgegner keine nacheheliche Solidarität in Form der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung mehr verlangt werden kann.

So hat die Antragstellerin es zugelassen, dass während der bestehenden Ehe mit dem Antragsgegner nach der Geburt der Tochter D… ein Foto der Antragstellerin mit den beiden Töchtern L… und D… sowie dem Kindesvater von D… in der Ortspresse veröffentlicht worden ist, verbunden mit einem Text unter der Überschrift „Nun zu fünft“, der den vollen Namen der Kindesmutter, die Vornamen der Kinder und den vollen Namen des Kindesvaters von D… benennt. Insgesamt wird im Zusammenhang von Foto und Text der Eindruck erweckt, es handele sich um eine glückliche Familie und der abgebildete Mann sei der Vater beider fotografierter Kinder, mithin auch der Tochter des Antragsgegners. Durch die Nennung des Nachnamens der Antragstellerin, die damals noch B… hieß, ist für alle Bekannten des Antragsgegners ein äußerst beleidigender und belastender Anschein erweckt worden, der die häuslichen Verhältnisse der damals noch verheirateten Beteiligten in ein krasses Licht rückt. Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, hierfür nicht verantwortlich gewesen zu sein. Ohne ihre Mitwirkung wäre weder das Foto noch der Artikel erschienen. Es wäre ein leichtes gewesen, eine derartige Veröffentlichung zu verhindern.

Hinzu kommt, dass die Antragstellerin in der Folgezeit das Umgangsrecht des Antragsgegners mit seiner Tochter L… insgesamt unmöglich gemacht hat, was dem Senat aus dem Verfahren 9 UF 102/08 bekannt ist. Nach anfänglicher Zulassung von Kontakten hat sie, was dem Senat aus einem entsprechenden Umgangsverfahren bekannt ist, die Umgangswünsche des Kindesvaters völlig vereitelt. Der Kindesvater hat sich in jeglicher Hinsicht um seine Tochter bemüht und war bereit, auch sehr weite Wege in Kauf zu nehmen, um Umgang zu pflegen. Die Kindesmutter hat in unsäglicher Weise – häufig erst ganz kurzfristig und ohne Absage – Umgangskontakte unterbunden. Auch im Zuge gerichtlicher Verfahren unter Hinzuziehung eines Sachverständigen und unter Zuhilfenahme eines Umgangspflegers ist es aufgrund der Blockadehaltung der Kindesmutter, die durch nichts zu rechtfertigen ist, zu einer Trennung des Kindes L… von dem Antragsgegner gekommen, den allein die Kindesmutter aus egoistischen Interessen zu verantworten hat. Trotz unermüdlicher Versuche seitens des Kindesvaters, großen Einsatzes des Jugendamtes und der Gerichte ist es nicht gelungen, die Kindesmutter von ihrer sturen und durch nichts gerechtfertigten Haltung abzubringen, was letztendlich dem Kindeswohl L… schadet und das Elternrecht des Antragsgegners aus Artikel 6 Abs. 1 GG massiv schädigt. Damit liegt insgesamt ein allein der Antragstellerin anzulastendes grobes Fehlverhalten vor, das einen Verwirkungstatbestand darstellt (vgl.: BGH, FamRZ 2007, 882; OLG München, FamRZ 2006, 1605; OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 92; OLG Schleswig, FamRZ 2003, 688).

Die Abwägung aller Umstände führt sodann dazu, dass die Zahlung von nachehelichem Unterhalt durch den Antragsgegner als grob unbillig anzusehen wäre. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung kann auch berücksichtigt werden (wie es das Amtsgericht getan hat), dass die Ehezeit von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages nur kurz gewesen ist, auch wenn der Tatbestand von § 1579 Nr. 1 BGB nicht erfüllt sein sollte. Außerdem kann berücksichtigt werden, dass die Beteiligten während der Ehezeit nicht zusammen gelebt haben. Die Antragstellerin hat mit ihren Kindern stets, wie sie ausdrücklich betonte, in der auch jetzt bewohnten Wohnung gewohnt, während der Antragsgegner sein Haus in G… für die Familie hergerichtet hat und ansonsten wegen Montagetätigkeiten sich häufig anderen Orts aufgehalten hat. Zu einer familiären Gemeinschaft ist es nur an Wochenenden gekommen. Von einer Verflechtung der Lebensverhältnisse, wie dies für eine Ehe typisch ist, kann deshalb hier auch kaum ausgegangen werden.

Der Versagung des Unterhaltsanspruchs steht die Pflege und Erziehung des Kindes L… auch nicht entgegen. Seit dem ….7.2007 ist L… ohnehin drei Jahre alt, so dass nicht erkennbar ist, warum eine Fremdbetreuung ausscheiden sollte. Die Notwendigkeit der Betreuung von D…, die nicht das Kind des Antragsgegners ist, spielt insoweit keine Rolle. Im Übrigen liegt hier ein besonders krasses Fehlverhalten gerade im Bezug auf die Tochter L… gegenüber dem Antragsgegner vor, so dass sich die Antragstellerin nicht im Gegenzug gerade auf die Pflege dieses Kindes berufen kann. Die Pflege des Kindes L… ist durch die Versagung des Unterhaltsanspruchs nicht gefährdet. Die Antragstellerin kann ihren notwendigen Mindestunterhalt durch ihre Rente decken; im Übrigen dürften ihr Unterhaltsansprüche gemäß § 1615l BGB gegen die Väter ihrer Kinder D… und S… (geb. am ….05.2007) bzw. auf Erziehungsgeld zustehen bzw. zugestanden haben. Zu den allein in ihrer Sphäre liegenden Tatsachen hat sich die Antragstellerin nicht erklärt, was zu ihren Lasten geht (vgl.: Palandt/Brudermüller, a.a.O. Rz. 42). Der Antragsgegner zahlt Kindesunterhalt für seine Tochter.

Insgesamt ist angesichts der Schwere der Verfehlungen der Antragstellerin von einer vollständigen Versagung des Unterhaltsanspruchs spätestens ab dem Monat September 2006 auszugehen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.