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Entscheidung 6 Sa 1940/11


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 6. Kammer Entscheidungsdatum 13.01.2012
Aktenzeichen 6 Sa 1940/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 04.08.2011 – 1 Ca 277/11 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist gelernter Kfz-Mechaniker. Er steht seit dem 01.04.2006 als Mitarbeiter im feuertechnischen Dienst in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Auf dieses findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der Vereinigung der Arbeitgeberverbände vom 07.02.2006 Anwendung.

Im Rahmen seiner Ausbildung besuchte der Kläger sog. F-Lehrgänge. Neben 220 Stunden theoretischem Unterricht erhielt er eine praktische Ausbildung, die sich auf Abende und Wochenenden innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren verteilte. Demgegenüber werden Beschäftigte, die eine B-Ausbildung erhalten, dafür ein Jahr freigestellt. Die Qualifikation zum Gruppenführer besitzt der Kläger nicht. Aufgrund des Besuchs zusätzlicher Lehrgänge ist der Kläger als Maschinist an einem Löschfahrzeug oder einem Sonderfahrzeug (Drehleiter, Rüstwagen) einsetzbar.

Nach einer Tätigkeitsdarstellung und -bewertung der Beklagten mit Stand 30.06.2011 hat der Kläger folgende Aufgaben zu verrichten:

 lfd. Nr.

 Aufgabe

 Ausführliche Beschreibung der dabei anfallenden Arbeitsschritte und ggf. Angabe der anzuwendenden Vorschriften

 Anteil an der ges. Arbeitszeit

 1.    

 Einsatzdienst als Truppmann, Truppführer oder Maschinist (gem. FwDV 3 – Gliederung der Mannschaft in einer Staffel) nach Weisung eines taktischen Führers

 - Durchführung von Feuerwehreinsätzen (bei Bränden und technischer Hilfeleistung – Retten von Menschen, Tieren und Sachwerten):
- Erkunden und Freimachen des Angriffweges auf Anweisung
- Fahren der entsprechenden Fahrzeuge
- Bedienen der Geräte, Verlegen von Schlauchleitungen, Bedienen der wasserfördernden Armaturen, Einsatz der Löschmittel, Aufräumungsarbeiten
- Übermitteln von Meldungen
- Beseitigen von Hindernissen, Arbeiten zum Beseitigen von gefährlichen Stoffen, Sicherungsarbeiten, Lenzarbeiten
- Erstversorgung am Unfallort, Wiederbelebungsmaßnahmen

 30 % 

 2.    

 Innendienst nach Weisung des Schichtführers

 - Werkstattdienst, Pflege, Wartung und Reparatur von Fahrzeugen
- Pflege, Wartung und Reparatur von Geräten gem. Prüfkalender und Vorschriften
- Mitarbeit bei der Erfüllung von Terminen (SP, HU an Einsatzfahrzeugen)
- Teilnahme am Ausbildungs- und Übungsdienst sowie am Dienstsport
- Pflege der Außenanlagen der Feuerwehr, Durchführen von Kleinstreparaturen und Werterhaltung am Gebäude
- Teilnahme an Begehungen (soweit erforderlich)
- Verwaltungsarbeiten (soweit erforderlich, wie z. B. Zuarbeiten im Rahmen von Beschaffungsmaßnahmen, Bekleidung, Ausstattung und Ausrüstung – und Führen von Nachweisen zum Bestand Fahrzeuge und Geräte)
- Durchführung von Sicherheitswachdiensten (sofern erforderlich)
- Überprüfen von Hydranten, Brunnen, Feuermeldeanlagen und Feuerlöscheinrichtungen
- Mitarbeit im vorbeugenden Brandschutz (unterstützende Tätigkeiten bei Brandschutzübungen sowie bei Präventationsveranstaltungen, Brandschutzerziehung.

 60 % 

 3.    

 sonstige Aufgaben nach Weisung

 - unterstützende Tätigkeiten im Hausmeister-, Hausarbeiter- und Grünpflegebereich sowie im Winterdienst der Stadt Falkensee auf Anforderung und in Abstimmung mit den zuständigen Dienstvorgesetzten der Fachämter

 10 % 

Auf seinen Antrag wurde dem Kläger gemäß Schreiben der Beklagten vom 30.08.2010 (Abl. Bl. 5 – 7 GA) rückwirkend ab 01.12.2009 ein Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe (EG) 6 zuerkannt.

Das Arbeitsgericht hat die auf Vergütung nach EG 8 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger führe nicht zu 50 % seiner Arbeitszeit Tätigkeiten eines beamteten Oberbrandmeisters aus. Dieser führe selbständig technische Einheiten der Feuerwehr bis zur Gruppenstärke im Einsatzdienst. Dagegen seien die Tätigkeiten des Klägers als Truppführer/Maschinist lediglich solche eines Brandmeisters.

Gegen dieses ihm am 30.08.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.09.2011 eingelegte und am 30.11.2011 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung des Klägers. Er meint, dass seine Tätigkeit im Innendienst seiner Einsatztätigkeit völlig untergeordnet sei und mangels eines eigenen Arbeitsergebnisses davon nicht getrennt beurteilt werden dürfe. Der dabei auf Arbeiten nicht feuertechnischer Art entfallende Anteil liege bei etwa 10 %. Zu etwas mehr als zwei Drittel der Tage, an denen er nicht bloß als Truppmann zu 25 % dieser Zeit eingesetzt worden sei, habe er als Truppführer und im Übrigen als Maschinist gearbeitet. Mit Wegfall von Feuerwehrmann mit Besoldungsgruppe (BesGr) A5 und Oberfeuerwehrmann mit BesGr A6 in den Jahren 1990 bzw. 1992 sei das Amt des Brandmeisters mit BesGr A7 zum Eingangsamt des mittleren feuertechnischen Dienstes geworden. Dieser habe die Funktion des Truppmanns übernommen, während der Oberbrandmeister mit BesGr A8 nunmehr die Funktion als Truppführer oder Maschinist wahrzunehmen habe. Dementsprechend seien im Land Berlin alle angestellten Truppführer in EG 8 eingruppiert.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die beklagte Stadt verpflichtet sei, ihm ab dem 01.06.2009 Vergütung entsprechend EG 8 TVöD/VKA zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen und behauptet, dass der Anteil der Arbeiten nach Nr. 2 der Tätigkeitsdarstellung des Klägers, die nicht auf seine feuertechnische Aufgabe bezogen seien, bei etwa 20 % liege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und Protokollerklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die innerhalb der verlängerten Begründungsfrist ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers ist in der Sache unbegründet.

1.1 Die zulässigerweise gemäß §§ 264 Nr. 2, 525 Satz 1 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG von Leistung auf Feststellung umgestellte Klage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Der in seiner Höhe streitige Vergütungsanspruch kann als Teil des Arbeitsverhältnisses einer richterlichen Feststellung zugeführt werden.

1.2 Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach EG 8.

1.2.1 Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13.09.2005 gelten bis zum In-Kraft-Treten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD (mit Entgeltordnung) u.a. die §§ 22, 23 BAT/BAT-O einschließlich der Vergütungsordnung sowie die entsprechenden Regelungen für das Tarifgebiet Ost über den 30. September 2005 hinaus fort. In der Anlage 1a zum BAT/VKA ist geregelt:

Vergütungsgruppe VII

Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst, soweit nicht anderweitig eingruppiert.

Vergütungsgruppe VIb

1. Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst in der Tätigkeit von beamteten Brandmeistern.

2. Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst nach fünfjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VII einzige Fallgruppe.

Vergütungsgruppe Vc

Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst in der Tätigkeit von beamteten Oberbrandmeistern.

Vergütungsgruppe Vb

Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst in der Tätigkeit von beamteten Hauptbrandmeistern.“

Da nach der Anlage 1 zum TVÜ-VKA die VerGr Vc der EG 8 entspricht, müsste gemäß § 22 Abs. 2 BAT-O mindestens die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge die Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Dies ist jedoch beim Kläger nicht der Fall.

1.2.2 Allerdings war mit dem Kläger davon auszugehen, dass seine unter Nr. 2 der Tätigkeitsdarstellung vom 30.06.2011 aufgeführten Aufgaben zusammen mit seinen Aufgaben als Truppmann, Truppführer oder Maschinist nach Nr. 1 einen Arbeitsvorgang bilden, soweit sie auf diese bezogen sind.

1.2.2.1 Unter Arbeitsvorgang ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (BAG, Urteil vom 26.03.1997 – 4 AZR 489/85 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 223 zu II. 2.2 der Gründe). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können dementsprechend nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (BAG, Urteil vom 20.10.1993 – 4 AZR 45/93 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 172 zu III 2 a der Gründe).

1.2.2.2 Mit Ausnahme der Pflege der Außenanlagen, Durchführung von Kleinstreparaturen und der Werterhaltung am Gebäude der Feuerwache handelt es sich bei den übrigen Tätigkeiten des Klägers im Innendienst um solche, die zur Vor- und Nachbereitung von Einsätzen dienen, wozu auch Beschaffungsmaßnahmen sowie Fitness und Fähigkeiten erhaltende und fördernde Aktivitäten gehören. Auch wenn der Einsatzdienst des Klägers rein zeitlich nicht im Vordergrund steht, sind diese Tätigkeiten doch darauf bezogen und dienen zugleich der Überbrückung der Zeit zwischen zwei Einsätzen. Arbeitsergebnis sämtlicher diesbezüglicher Tätigkeiten des Klägers ist die Beseitigung von Gefahrenquellen und die Rettung gefährdeter Personen und Güter. Es spricht für einen Arbeitsvorgang, wenn einzelne Arbeitsleistungen zueinander in einem engen inneren Zusammenhang stehen (BAG, Urteil vom 10.12.1997 – 4 AZR 221/96 – AP §§ 22, 23 BAT 1975 Nr. 237 zu II 1b bb (1) der Gründe). Der Kläger wird nicht etwa tageweise getrennt für den Einsatzdienst und den Innendienst eingeteilt, was eine tatsächliche Trennung und rechtlich gesonderte Bewertung der damit verbundenen Tätigkeiten zuließe. Vielmehr befindet er sich in permanenter Bereitschaft, bei Alarm auszurücken. Dass er die Zeit zwischen zwei Einsätzen anders als im Falle von Bereitschaftsdienst mit darauf bezogenen Tätigkeiten auszufüllen vermag, lässt diese als bloße Zusammenhangstätigkeiten erscheinen und damit an deren Wertigkeit teilhaben (ähnlich LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.04.2006 – 16 Sa 96/05 – zu II 2 c der Gründe).

1.2.2.3 Da die unter Nr. 3 der Tätigkeitsdarstellung des Klägers aufgeführten Tätigkeiten auch nach Einlassung der Beklagten nur zu etwa 20 % keinen feuertechnischen Bezug aufweisen und der Kläger zu etwa 75 % bei seinen Einsätzen als Truppführer oder Maschinist verwendet wird, errechnete sich dafür ein Anteil von

        

30 % (Nr. 1)

        
        

60 x (100 ./. 20) = 48 % (Nr. 2)

        
        

78 % x 75 %

= 58,5 %.

1.2.3 Selbst wenn die nun Tätigkeit des Klägers als Maschinist aufgrund der dafür erforderlichen Zusatzausbildung seiner Tätigkeit als Truppführer, die nach eigener Darstellung des Klägers lediglich (58,5 % x 2/3 =) 39 % seiner Gesamtarbeitszeit ausmacht, gleichzustellen seien sollte, genügte dies doch nicht, um das tarifliche Merkmal „in der Tätigkeit von beamteten Oberbrandmeistern“ zu erfüllen. Dazu ist nämlich erforderlich, dass der Angestellte im feuertechnischen Dienst über einen vergleichbaren Bildungsstand wie ein Oberbrandmeister verfügt und dementsprechend eingesetzt wird (BAG, Urteil vom 22.07.1998 – 4 AZR 662/97 – BAGE 89, 246 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 254 zu II 3 b bb und d bb der Gründe). Dies ist beim Kläger gerade nicht der Fall, weil er die auch im F-Bereich mögliche Qualifikation als Gruppenführer nicht besitzt, die aber für eine Übertragung des Amtes eines Oberbrandmeisters mit BesGr A8 Voraussetzung ist. Dass Oberbrandmeister bei Bedarf auch als Truppführer eingesetzt zu werden pflegen, genügt dagegen ebenso wenig wie der Umstand, dass der Brandmeister mit BesGr A7 das Eingangsamt für den mittleren feuertechnischen Dienst bildet und dafür nach den von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Ausbildungsordnungen der Truppführer bzw. sogar der Gruppenführer als Laufbahnqualifikation vorgesehen ist, wie der vom Kläger in Ablichtung zur Akte gereichten Untersuchung (Bl. 167 – 212 GA) zu entnehmen ist. Der Kläger verrichtet zwar zum Teil gleiche Tätigkeiten wie ein beamteter Oberbrandmeister, befindet sich damit jedoch nicht im tariflichen Sinne in der Tätigkeit eines solchen, die gemäß dessen Ausbildung eben auch die selbständige Führung technischer Einheiten bis zur Gruppenstärke im Einsatzdienst umfasst.

2. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner Berufung zu tragen.

Die Kammer hat der Sache mit Rücksicht auf die vom Kläger für das Land Berlin angeführte und auch andernorts wie etwa Baden-Baden inzwischen herrschende Praxis der Eingruppierung angestellter Truppenführer in EG 8 grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beigemessen und deshalb die Revision zugelassen.