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Erstattung von Beiträgen selbstständiger Pflichtversicherter


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat Entscheidungsdatum 13.12.2011
Aktenzeichen L 16 R 358/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 210 Abs 1 SGB 6, § 210 Abs 3 SGB 6, § 26 Abs 2 SGB 4

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Verfahren bei dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) besitzende Klägerin wurde 1970 in S F (USA) geboren und erwarb während einer von 1988 bis Dezember 1995 dauernden Hochschulausbildung die akademischen Grade „Bachelor for Arts“ (1993) und „Master of Music“ (1995). Sie war nach eigenen Angaben in den USA von September 1993 bzw. September 1995 bis Juli 1998 als (Hilfs-)Lehrerin beschäftigt. Zum 1998 übersiedelte die Klägerin nach K und war aufgrund einer „Vereinbarung über freie Mitarbeiter“ vom 20. August 1998 bis 31. Mai 2003 als Sprachtrainerin für Englisch an einer B Sprachschule tätig. Nachdem die Klägerin zum 26. Juni 2003 auch ihre (Neben-)Tätigkeiten an der F M Schule L und an der P Hochschule K beendet hatte, verzog sie am 30. Juni 2003 nach Neuseeland.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht für Selbständige mit Bescheid vom 11. Juli 2000 ab und stellte mit Bescheid vom 2. August 2000 die Versicherungspflicht der Klägerin als Sprachlehrerin ab dem 20. Oktober 1998 unter Hinweis auf § 2 Nrn. 1 bis 3 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) fest. Beide Bescheide sind bestandskräftig geworden. In der Folge zahlte die Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1999 bis 26. Juni 2003 einkommensgerechte Pflichtbeiträge als versicherungspflichtige Selbständige. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2004 stellte die Beklagte das Ende der Versicherungspflicht durch die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit mit Ablauf des 26. Juni 2003 fest.

Am 23. Januar 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der von ihr entrichteten Beiträge. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 24. März 2006 die Erstattung von Beiträgen in Höhe von 4.312,99 €. Hierzu führte sie insbesondere aus, dass Beiträge in der Höhe zu erstatten seien, in der sie vom Versicherten getragen worden seien. Wegen der genauen Berechnung des Erstattungsbetrages wird auf den Inhalt des Bescheides verwiesen.

Mit dem unter dem 8. April 2006 von der Klägerin persönlich erhobenen (Eingang: 18. April 2006) Widerspruch machte sie insbesondere geltend, dass sie als Selbständige die Beiträge in voller Höhe getragen habe. Im Bescheid sei jedoch bei der Berechnung des Erstattungsbetrages nur von 50 % Eigenanteil ausgegangen worden. Sie erwarte daher einen Erstattungsbetrag von insgesamt 8.625,98 €. Mit Schriftsatz vom 21. September 2006 ließ die Klägerin sodann durch ihren Verfahrensbevollmächtigten vortragen, sie sei fehlerhaft als versicherungspflichtige Selbständige eingestuft worden und ihr müssten deshalb die gezahlten Beiträge vollständig erstattet werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2007 als unbegründet zurück. Sie führte zur Begründung aus: Die Erstattung der von der Klägerin in voller Höhe zu tragenden Pflichtbeiträge richte sich nach § 210 Abs. 3 SGB VI. Danach würden Beiträge in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. Beiträge aufgrund einer selbständigen Tätigkeit würden zur Hälfte erstattet.

Im dem auf Erstattung eines weiteren Betrages in Höhe von 4.312,99 € gerichteten Klageverfahren hat die Klägerin, die unter dem 30. Dezember 2009 einen Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheides vom 2. August 2000 gestellt hatte, vorgetragen: Aufgrund ihrer US-Staatsbürgerschaft bestehe gemäß § 2 Nrn. 1 – 3 SGB VI keine Versicherungspflicht. Der sachliche Anwendungsbereich des § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI sei vorliegend nicht eröffnet, so dass sämtliche Beiträge zu erstatten seien. Sie – die Klägerin - sei fehlerhaft als versicherungspflichtige Selbständige nach § 2 Nrn. 1 – 3 SGB VI eingestuft worden. Gemäß § 2 Nr. 1 SGB VI seien Lehrer Personen, die durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelten. Sie habe indes über keine Lehrerausbildung verfügt und lediglich als „Muttersprachlerin“ Sprachunterricht erteilt. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 210 Abs. 3 Satz 2 SGB VI verfassungswidrig sei. Es gebe keine gesetzliche Legitimation dafür, dass die Hälfte der gezahlten Beiträge bei Selbständigen der Beklagten ohne Rechtsgrund verbleibe. Insoweit würde es sich ansonsten um von vorneherein rechtsgrundlose Zahlungen handeln, da der Beitragszahler für die nicht erstattete Hälfte seiner gezahlten Beiträge keine Gegenleistung erhalte. Eine entsprechende Argumentation hinsichtlich der Arbeitnehmer, welche ohnehin nur die Hälfte der Beiträge selbst zahlen und die andere Hälfte durch den Arbeitgeber übernommen werde, verfange daher nicht. Insofern zahle der Selbständige keine Arbeitgeberanteile, sondern den Gesamtbeitrag selbst aus seinem Vermögen, so dass ein Verstoß gegen Artikel 14 Grundgesetz (GG) festzustellen sei. Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. März 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung weiterer 4.312,99 €. Die Beklagte habe zu Recht nur die Hälfte der für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 26. Juni 2003 gezahlten Pflichtbeiträge in Höhe von insgesamt 4.312,99 Euro erstattet. Gemäß § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI würden Beiträge zwar grundsätzlich in der Höhe erstattet, in der sie getragen worden seien. Seien jedoch Beiträge wie vorliegend aufgrund einer selbständigen Tätigkeit gezahlt worden, so würden diese gemäß § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nur zur Hälfte erstattet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestünden nicht. Denn bei der Beitragserstattung handele es sich um einen Rechtsanspruch, der wegen des auch in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Versicherungsgedankens nicht geboten sei und deshalb ohne ausdrückliche Regelung nicht aus dem Versicherungsverhältnis abgeleitet werden könne. Das Risiko, bei Nichterfüllung der zeitlichen und sonstigen Voraussetzungen den Versicherungsschutz zu verlieren, gehöre vielmehr zum Wesen der Versicherung. Da der Gesetzgeber zu einer Regelung der Beitragserstattung nicht verpflichtet sei, könne er sie, wenn er sie aus Gründen der Billigkeit dennoch treffe, auch begrenzen (vgl. Bundesverfassungsgericht SozR 2200 § 1303 Nr. 34 = NJW 1988, Seite 250 f.). Ein Anspruch auf Erstattung der vollen Beiträge bestehe daher nicht. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch nicht gemäß § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV), denn die Beiträge seien nicht zu Unrecht entrichtet worden. Für die von der Klägerin in dem entsprechenden Zeitraum geleisteten Beiträge bestehe eine Rechtsgrundlage in Gestalt des Bescheides vom 2. August 2000. Dieser nicht nichtige Bescheid sei bestandskräftig und damit rechtsverbindlich geworden. Die Beiträge seien so lange nicht zu Unrecht entrichtet, wie ihnen ein nicht nichtiger Verwaltungsakt zugrunde liege. Soweit die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 2. August 2000 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gestellt habe, ändere dies an der Bestandskraft nichts.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin hinsichtlich des zunächst neben ihrem erstinstanzlich verfolgten Begehren geltend gemachten Zinsanspruchs in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie diesen Zinsanspruch im vorliegenden Verfahren nicht weiter verfolge. Sie bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, sie sei „Angestellte“ einer Sprachschule gewesen und habe für diese als Muttersprachlerin Dienste erbracht. Insofern sei auch eine Putzfrau, welche für eine Sprachschule arbeite, nicht als Lehrerin im Sinne des Gesetzes anzusehen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2010 und unter Änderung des Bescheides vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 zu verurteilen, an sie 4.312,99 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Dabei war im Berufungsverfahren ausschließlich über die erstinstanzlich verfolgte und statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iSv § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen den Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 zu befinden, mit der die Klägerin die (weitere) Erstattung von gezahlten Rentenversicherungsbeiträgen i.H.v. 4.312,99 € begehrt. Über das im Berufungsverfahren erstmals erhobene Zinsbegehren war nicht mehr zu entscheiden, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung insoweit sinngemäß die Klage zurückgenommen hat.

Die Klage auf weitere Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ist unbegründet. Der Bescheid vom 24. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf eine über den ihr zuerkannten Betrag iH der Hälfte der gezahlten Beiträge (vgl § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI) hinausgehende Beitragserstattung. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Gerichtsbescheides (S. 4 Abs. 3 bis S. 5 Abs. 2 letzte Zeile) Bezug. Ergänzend ist lediglich auszuführen: Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf vollständige Erstattung der gezahlten Rentenversicherungsbeiträge gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV liegen nach wie vor nicht vor, weil der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 2. August 2000 über die Heranziehung der Klägerin zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 20. September 1998 bis zum 26. Juni 2003 bisher nicht aufgehoben worden ist. Er ist daher für die Beteiligten und das Gericht bindend (vgl § 77 SGG). Der unter dem 30. Dezember 2009 hinsichtlich des Bescheides vom 2. August 2000 gestellte Überprüfungsantrag ist nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Beklagten abschlägig beschieden und über die hiergegen angestrengte Klage ist noch nicht entschieden worden. Im Übrigen bestehen an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. August 2000 keine Bedenken. Insbesondere stand der Heranziehung der Klägerin zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung weder ihre US-Staatsangehörigkeit entgegen (vgl § 3 Nr. 1, 11 Abs. 1 SGB IV) noch bestehen Zweifel daran, dass die nach eigenen Angaben als „Sprachlehrerin für Englisch“ selbständig tätige Klägerin als „Lehrer“ iSd § 2 Nr. 1 SGB VI in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung einzustufen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.