Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.10.2013 | |
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Aktenzeichen | 23 Sa 977/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 611 BGB |
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.04.2013 - 54 Ca 15075/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin ist gemäß Vertrag vom 12.9.2000 von der Fa. E. Mobilfunk GmbH, der späteren E. Mobilfunk GmbH & Co KG (E.), zum 1.10.2000 eingestellt und in die Gehaltsgruppe C der Gesamtbetriebsvereinbarung „Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze“ (GBV GE) eingruppiert worden. Gemäß Schreiben vom 23.8.2004 und 20.12.2005 sollte sie als Akquisiteurin tätig sein. Seither war sie in der Gehaltsgruppe D eingruppiert. Zum 1.3.2007 übernahm die Beklagte den Betrieb des Mobilfunknetzes von E.. Die Standorte und die Technik sind bei E. verblieben. Aufgabe der Beklagten ist es, für das Funktionieren des Netzes zu sorgen, zu dem Mobilfunkstandorte im gesamten Bundesgebiet gehören, die in verschiedene Regionen aufgeteilt sind. Sie hat die Funkstandorte zu warten und neue Standorte zu errichten. Mit der Übernahme ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte über. Sie ist nunmehr in der Region Ost mit der Akquisition von Standorten für Mobilfunkanlagen, der Nachverhandlung bestehender Miet-, Nutzungs- und Gestattungsverträge und der Bearbeitung von Mängeln in Bezug auf die Standorte befasst. Die Aufträge für die Standortsuche erhält sie unmittelbar von E. mit einem vorgegebenen Suchkreis. Für die von ihr mit den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten zu verhandelnden Verträge gibt es Vertragsmuster. Die materiellen Vertragsbedingungen einschließlich der Entgelte und technischen Details sind ebenfalls von E. vorgegeben. Ihre Einstufung in die Gehaltsgruppe D der GBV GE blieb unverändert. In der GBV GE ist unter anderem folgendes geregelt:
„....
1. Geltungsbereich
Diese Gesamtbetriebsvereinbarung gilt für alle MA der E. Mobilfunk GmbH, ausgenommen sind leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs.3 BetrVG.
.....
3. Eingruppierung
Die Eingruppierung von MA wird anhand dieser Vereinbarung sowie der Funktionen und deren
- Tätigkeitsmerkmalen
- sowie Tätigkeitsbeispielen
durchgeführt (s. Anlagen 2-2.5).
......
Die Gehaltsfindung wird innerhalb der Gehaltsgruppen und deren Gehaltsbandbreiten unter Beachtung von
- Qualifikation
- Persönlicher Berufserfahrung
- Leistungsniveau
- Marktbedingungen
vorgenommen.
Leitfaden für die Gespräche zur Eingruppierung und Gehaltsfindung ist das Mitarbeitergespräch bzw. die Einstellungsunterlagen.
Die Vorgesetzten nehmen eine Abwägung zwischen der Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters und der Abteilungs- bzw. Gruppensituation vor.
....“
In der Anlage 2.4 zur GBV GE sind den Akquisiteuren der Funktionscode 432 und die Gehaltsgruppen D bis F zugeordnet, die wie folgt beschrieben werden:
„D
• | Bearbeitet selbständig mehr als ein spezielles Segment eines Systems / Netzes / Kundenkreises / Verwaltungsbereiches hieraus, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät |
• | Tätigkeiten qualifizierter Art, für die eine IHK-Ausbildung und einschlägige, nachweisbare Berufserfahrung oder eine erweiterte Ausbildung (z.B. Technikerabschluß) oder Studium erforderlich ist |
• | Einarbeitung als Studienabsolvent |
.....
FC | Funktionsbezeichnung | Tätigkeitsbeispiele und Funktionen |
432 | Akquisiteur | Akquise nach Anleitung |
.....
E
• | Bearbeitet selbständig mehr als ein spezielles Segment eines Systems / Netzes / Kundenkreises / Verwaltungsbereiches mit Entscheidungsverantwortung, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät |
• | Tätigkeiten erhöht qualifizierter Art, für die zusätzlich besondere Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen notwendig sind sowie Entscheidungsverantwortung |
• | ..... |
FC | Funktionsbezeichnung | Tätigkeitsbeispiele und Funktionen |
432 | Akquisiteur | Koordination EVU, Rahmenvertragspartner und Behörden, EMVU-Experte |
.....
F
• | Bearbeitet weitgehend selbständig ein gesamtes System /Netz / Kundenkreis / Verwaltungsteilbereich, d.h.: administriert, analysiert, plant, berät, -sowie Fähigkeit der fachlichen Unterweisung anderer Mitarbeiter |
• | Tätigkeiten erhöht qualifizierter Art, die weitgehend selbständig und verantwortlich gelöst werden und dabei gründliche Fachkenntnisse über mehrere Sachgebiete verlangen sowie die Fähigkeit der fachlichen Unterweisung anderer Mitarbeiter. |
.....
FC | Funktionsbezeichnung | Tätigkeitsbeispiele und Funktionen |
432 | Akquisiteur | Selbständige Akquise und Vertragshandling von Site Search bis Vertragsabschluss |
.....“
Laut Protokollnotiz ist die Erfüllung der Kriterien der vorhergehenden Gehaltsgruppe Mindestbedingung für die Eingruppierung in eine höhere Gruppe.
Seit dem 1.7.2012 vergütet die Beklagte ihre Arbeitnehmer nach einem Haustarifvertrag (HTV ALNS). Er sieht unter Nummer 4.4.3 vor, dass dann, wenn das bisherige Entgelt über dem Grundentgelt der neuen Entgeltgruppe liegt, der übersteigende Betrag in einen statischen Überschreiterbertrag umgewandelt wird.
Nach erfolgloser Geltendmachung gemäß Schreiben vom 2.4.2012 und 16.7.2012 begehrte die Klägerin mit der am 2.10.2012 eingegangenen Klage die vom 1.1.2009 bis zum 31.8.2012 aufgelaufenen Entgeltdifferenzen in Höhe von 84.276,72 Euro brutto und die Feststellung, dass die Beklagte sie ab dem 1.9.2012 nach der Gehaltsgruppe F in Höhe von 4.801,46 Euro brutto monatlich zu vergüten und die sich daraus ergebenden Differenzbeträge nebst Zinsen zu zahlen hat.
Das Arbeitsgericht hatdie Klage mit Urteil vom 24.4.2013 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Erfüllung der vorgegebenen Tätigkeitsmerkmale nicht dargetan sei. Die Klägerin schildere lediglich die einzelnen ihr übertragenen Aufgaben. Zu den Zeitanteilen und zur Heraushebung aus ihrer Gehaltsgruppe fehle jeglicher Vortrag. Der Zahlungsantrag sei rechnerisch nicht nachvollziehbar. Die dem Feststellungsantrag zugrunde gelegten Vergütungsdifferenzen würden nicht erläutert und gegenüber den im Zahlungsantrag für die Zeit ab Juli 2010 zurückfallen. Der Wegfall der GBV GE als Anspruchsgrundlage durch Einführung des Haustarifvertrages, die Entlohnung nach dem Tarifvertrag und die zwischenzeitliche Gehaltserhöhung blieben unberücksichtigt.
Gegen das am 30.4.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.5.2013 Berufung eingelegt und sie am 18.7.2013 begründet. Die Begründungsfrist ist durch Beschluss vom 3.6.2013 bis zum 30.7.2013 verlängert worden.
Die Klägerin führt aus, dass ihr entgegen der angefochtenen Entscheidung für die Zeit von Januar 2009 bis einschließlich Juli 2012 das Entgelt der Gehaltsgruppe F der GBV GE und ab Einführung des tarifvertraglichen Entgeltsystems die Differenz zwischen dem Tarifentgelt und dem durchschnittlichen Entgelt der Gehaltsgruppe F in Höhe von zuletzt 4.897,00 Euro brutto zusteht. Das Arbeitsgericht habe ihren Tatsachenvortrag weitgehend nicht beachtet, die Systematik der Eingruppierungsregelung nicht berücksichtigt und die Frage, ob die Erfüllung eines Tätigkeitsbeispiels für die Eingruppierung ausreichend sei, nicht behandelt. Ihr erstinstanzlicher Vortrag hätte es in Verbindung mit den vorgelegten Tagesberichten, der Arbeitsplatzbeschreibung und dem Leistungsverzeichnis Akquisition ermöglicht, sich ein umfassendes Bild von ihren Arbeitsaufgaben zu machen. Die Angabe von Zeitanteilen sei entbehrlich, da sie den gesamten Akquisitionsprozess bearbeite. Auch sei das Entgeltsystem der GBV GE in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale der Gehaltsgruppen nicht stringent aufeinander aufgebaut. Das zeige, dass es für die Eingruppierung ausreiche, wenn das Tätigkeitsbeispiel für die jeweilige Funktionsbezeichnung dargestellt und erfüllt sei.
Im Gegensatz zu der Wahrnehmung von Koordinierungsaufgaben bezüglich der externen Akquisiteure unter fachlicher Anweisung ihres Vorgesetzten bei E. bearbeite sie nunmehr den gesamten Akquiseprozess. Er lasse sich in die Bereiche 1. Neuakquise mit Auftragsannahme, Standortsuche, Vertragsverhandlungen inklusive Behördenmanagement und Standortbegehung mit dem Bauleiter, Vertragsabschluss, Abrechnung sowie Übergabe an Bauleitung,.2. Nachverhandlung inklusive Verhandlungen über Nutzungsänderungen und -erweiterungen, Laufzeitverlängerungen sowie Untervermietung und 3. Mängelbearbeitung unterteilen. Bei ihr handele es sich um die Durchsetzung von Ansprüchen in laufenden Vertragsverhältnissen.Auf die Neuakquise entfalle ein Arbeitsanteil von 25 %, auf die Nachverhandlung von 60 % und auf die Mängelbeseitigung von 15 %. Sie arbeite nicht mehr wie zuvor als Sachbearbeiterin im Büro, sondern nehme bei der Standortsuche, den Vertragsverhandlungen sowie Standortterminen mit Eigentümern, Funknetzplanern und Bauleitern Außentermine wahr.
Die Aufgaben erledige sie selbständig und eigenverantwortlich. Eine fachliche Anleitung oder Nachkontrolle finde nicht statt. Die Vorgaben von E. stünden dem nicht entgegen, da es sich nicht um Vorgaben der Beklagten handle. Nichts anderes gelte für Vorgaben der Funkplanung. Sie gehöre nicht zur Akquise, sondern sei ein eigenes System. Ihre Arbeitstätigkeit stelle sich damit als umfassende und selbständige Betreuung des gesamten Akquiseprozesses ohne fachliche Anweisung dar, bei der in Zusammenarbeit mit anderen Betriebsteilen der Beklagten, insbesondere der Funkplanung und den Bauleitern, komplexe Aufgabenstellungen im Kontakt mit Geschäftsführern und Mitarbeitern anderer Unternehmen und Behörden auf allen Ebenen und in verschiedenen Fachrichtungen zu bewältigen seien. Wegen der Vielfalt der Aufgaben habe sich der Schwierigkeitsgrad deutlich erhöht. Es würden Fachkenntnisse auf verschiedenen organisatorischen, juristischen und technischen Bereichen verlangt und hinreichende Erfahrung vorausgesetzt, um die umfassenden Sachverhalte zu bearbeiten. Da ihr Aufgabenbereich den vollständigen Akquiseprozess erfasse, bearbeite sie ein gesamtes System. Wegen seines Umfanges müsse sie in der Lage sein, den Überblick zu bewahren, in größeren Zusammenhängen zu denken und auch Anweisungen an andere Mitarbeiter oder externe Beauftragte zu geben. Damit hebe sie sich aus den Gehaltsgruppen D und E heraus und erfülle zudem die Tätigkeitsbeispiele der Gehaltsgruppe F.
Nach den Heraushebungsmerkmalen treffe die Gehaltsgruppe D auf einen einfachen Sachbearbeiter zu, der weitgehend nach Anleitung und ohne eigene Verantwortung intellektuell anspruchsvolle Aufgaben zu bearbeiten habe. Die Gehaltsgruppe E erfasse erfahrene Sachbearbeiter, die auch ohne Anleitung und mit Eigenverantwortung sehr komplexe Aufgaben bearbeiten. Die Gehaltsgruppe F sei für Arbeitnehmer mit weniger spezialisiertem Aufgabenbereich gedacht, die dafür ein gesamtes System in seinem vollen Umfang betreuen und dementsprechend in der Lage sein müssen, den Überblick zu behalten, in größeren Zusammenhängen zu denken und auch Anweisungen an andere Mitarbeiter zu geben. Die Gehaltsgruppen D und E könnten als aufeinander aufbauend angesehen werden, weil in den Bereichen des Schwierigkeitsgrades und der Verantwortlichkeit die Merkmale der Gehaltsgruppe E um eine Stufe über denjenigen für die Gehaltsgruppe D liegen. Zwischen den Entgeltgruppen E und F funktioniere das Aufbauprinzip nicht mehr. Die Gehaltsgruppe F verlange hinsichtlich des Grades der Selbständigkeit mit der nur weitgehend selbständigen Arbeitsweise ein Weniger an Selbständigkeit.
Die Klageforderung sei die Summe der Vergütungsdifferenzen die sich aus der Gehaltsgruppe F zur Gehaltsgruppe D und dem Überschreiterbetrag im Zeitraum 1.1.2009 bis 30.6.2013 ergeben. Weil in dem Entgeltsystem der GBV EG das Entgelt innerhalb eines bestimmten Rahmens anhand mehrerer, bewertungsoffener Kriterien festgesetzt werde und die Beklagte seit 2007 bis 2012 auch keine Mitarbeitergespräche mehr durchgeführt habe, könne sie das durchschnittliche Entgelt der Gehaltsgruppe verlangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.04.2013 - 54 Ca 15075/12 - abzuändern und
1. | die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 99.720,40 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 84.276,72 Euro brutto seit dem 24.7.2012, auf 1.685,23 Euro brutto seit dem 1.10.2012, auf 1.685,23 Euro brutto seit dem 1.11.2012, auf 1.685,23 Euro brutto seit dem 1.12.2012, auf 1.685,23 Euro brutto seit dem 1.01.2013, auf 1.450,46 Euro brutto seit dem 1.02.2013, auf 1.450,46 Euro brutto seit dem 1.03.2013, auf 1.450,46 Euro brutto seit dem 1.04.2013, auf 1.450,46 Euro brutto seit dem 1.05.2013, auf 1.450,46 Euro brutto seit dem 1.06.2013 und auf 1.450,46 Euro brutto seit dem 1.07.2013 zu zahlen; |
2. | festzustellen, dass die Klägerin am 31.7.2012 in die Entgeltgruppe F der Gesamtbetriebsvereinbarung Gehaltsstruktur und Entlohnungsgrundsätze vom 30.6.2000 einzugruppieren war und auch zukünftig gem. § 4.4.3 des Haustarifvertrages vom 13.10.2011 zwischen der Beklagten und der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Differenzbetrag zwischen dem zuletzt maßgeblichen Entgelt in Höhe von 4.897,00 Euro brutto und dem jeweils aktuellen Tarifentgelt als Überschreiterbetrag hat. |
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass die Klägerin die GBV GE falsch ausgehe und nicht hinreichend dargetan habe, inwiefern sie unter Berücksichtigung der Protokollnotiz zur Anlage 2.4 die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale und Tätigkeitsbeispiele erfüllt. Beide müssten kumulativ erfüllt sein. Bei der Höhergruppierung sei zu beachten, dass die Gehaltsgruppen aufeinander aufbauen. Die von der Klägerin behauptete „logische Inkonsistenz“ zwischen den Gehaltsgruppen E und F bestehe nicht.
Die Gehaltsgruppe F hebe sich gegenüber der Gehaltsgruppe E dadurch heraus, dass nicht nur einzelne Teilbereiche einer Gesamtaufgabe, sondern komplexe Aufgabenstellungenangesprochen werden, die zu überblicken und bei der Aufgabenlösung zu berücksichtigen seien. Die Betrachtung der jeweiligen Tätigkeit des Arbeitnehmers ermögliche noch keine Rückschlüsse darauf, ob sie sich entsprechend den jeweiligen Qualifizierungsmerkmalen heraushebt. Die Klägerin stelle aber nicht dar, wie sich ihre Tätigkeit von Akquisiteuren der Gehaltsgruppe E unterscheidet und warum sie im Gegensatz zu anderen Akquisiteuren eine besondere fachliche Verantwortung haben soll, die sie für die Gehaltsgruppe F qualifiziert. Ihr Tätigkeitsbericht ab 14.5.2012 lasse eher den Schluss zu, dass sie auch zum größten Teil mit Koordinierungsaufgaben befasst ist.
Es treffe nicht zu, dass sie bei E. lediglich reine Koordinierungsaufgaben wahrgenommen habe und nunmehr eine besonders qualifizierte Tätigkeit verrichte. Zwar habe sich ihre Aufgabenstellung teilweise geändert. Das sei jedoch nicht gleichbedeutend mit einer höheren Qualifizierung. Tatsächlich führe sie weiterhin eine Akquise nach strengen Vorgaben durch E. durch. Das sei mit einer „Akquise nach Anleitung“ gleichzusetzen. Sie könne Standorte weder selbst aussuchen noch sämtliche Vertragsinhalte selbst verhandeln. Die von der Klägerin nach strengen Mustervorgaben verhandelten Verträge würden nicht stets von E. freigegeben und unterzeichnet, sondern vor jedem Abschluss überprüft. Auch externe Vorgaben können die Entscheidungskompetenz und Selbständigkeit beeinflussen. Sie, die Beklagte fungiere durch die Akquisiteure zwar lediglich als Vermittlerin ohne eigenen Entscheidungsspielraum. Bei ihr gebe es aber selbstverständlich auch eine fachliche Leitung und Verantwortung für die Akquisiteure. Dies geschehe durch den Abteilungsleiter Rollout und den Akquisiteur Mützchen.
Die prozentuale Aufteilung der Tätigkeit werde bestritten. Sie sei unsubstantiiert und angesichts des vorgelegten Tätigkeitsberichts fragwürdig. Die Behauptung eines bestehenden Systems der „Akquise“ und seine Unterteilung in die Segmente „Neuakquise“, „Nachverhandlungen“ und „Mängelbearbeitung“ sei aus der Luft gegriffen und mit der Beschreibung der Entgeltgruppen in der GBV GE nicht vereinbar.
Die Anspruchshöhe sei ebenfalls nicht dargetan. Zu den Kriterien der Gehaltsfindung innerhalb der Entgeltgruppe, deren Entgeltbandbreitenund dem Leistungsniveau sei nichts vorgetragen. Die Unterlassung von Mitarbeiterentwicklungsgesprächen führe zu keiner Entlastung. Die Gehaltsfindung werde nicht ausschließlich aufgrund solcher Gespräche durchgeführt. Zu keinem Zeitpunkt sei ein solches Gespräch eingefordert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Ihre Klage ist zwar zulässig aber unbegründet.
1. Die Zulässigkeit der Klage gilt auch für die Erweiterung der Anträge durch die Berufung. Zwar führt die Klägerin mit dem HTV ALNS eine weitere und neue Anspruchsgrundlage ein, mit der ihr Zahlungsantrag und der Feststellungsantrag begründet werden sollen. Damit liegt eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO vor. Die Klageänderung ist aber gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich und auf ohnehin zu verwertende Tatsachen gestützt. Die Frage, inwieweit der mit dem erstinstanzlichen Feststellungsantrag geltend gemachte Anspruch auf künftige Vergütungszahlung mit dem HTV ALNS vereinbar ist, war bereits durch das erstinstanzliche Urteil aufgegriffen worden. Die Klägerin hatte sich mit ihr in der Berufung gemäß § 520 Abs. 3 ZPO auseinanderzusetzen. Die in Nummer 4.4.3 HTV ALNS getroffene Regelung zu dem Überschreiterbetrag steht im direkten Zusammenhang mit der GBV GE und der Eingruppierung in die dort aufgeführten Gehaltsgruppen. Mit der Zulassung der Klageänderung können somit der sich aus ihr ergebende Streitstoff im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits ausgeräumt und weitere Rechtsstreitigkeiten vermieden werden.
2. Die Klage ist jedoch mit ihrem Zahlungs- und Feststellungsantrag unbegründet. Der Klägerin steht die begehrte Entgeltgruppe nicht zu.
2.1 Die zur Eingruppierung heranzuziehende Anlage 2.4 der GBV GE sieht für Akquisiteure die Gehaltsgruppen D bis F vor. Die dort aufgeführten Funktionsgruppenmerkmale setzen sich neben der Funktionsbezeichnung aus allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen und Tätigkeitsbeispielen zusammen.
2.1.1 Der Klägerin ist zuzugestehen, dass dann, wenn Vergütungsgruppen neben allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen bestimmte Beispielstätigkeiten enthalten und der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt, die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe grundsätzlich gegeben sind. Durch die Tätigkeitsbeispiele wird regelmäßig festgelegt, dass diese Tätigkeiten auch die Voraussetzungen der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale erfüllen (vgl. BAG Urteil vom 19.5.2010 - 4 AZR 903/08 - in AP Nr. 46 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa). Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispieltatbestände aus zu erfolgen hat (vgl. BAG Urteil vom 25.2.2009 - 4 AZR 20/08 - in AP Nr. 310 zu §§ 22, 23 BAT 1975 ). Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale muss auch dann zurückgegriffen werden, wenn das Tätigkeitsbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können (vgl. BAG Urteil vom 15.6.1994 - 4 AZR 327/93 - in AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen). Allerdings kann sich aus dem Wortlaut oder dem Regelungszusammenhang ergeben, dass die genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung des abstrakten Tätigkeitsmerkmales dienen sollen und allein noch nicht ausreichen, den Anforderungen des abstrakten Tätigkeitsmerkmals zu genügen (vgl. BAG Urteil vom 18.4.2007 - 4 AZR 696/05 - in AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Telekom).
2.1.2 Die GBV GE bestimmt in Nummer 3. Absatz 1, dass die Eingruppierung anhand der Funktionen und deren Tätigkeitsmerkmalen sowie Tätigkeitsbeispielen erfolgt. Demnach genügt es nicht, wenn neben der Funktion schon eines der Tätigkeitsbeispiele erfüllt ist. Mit der Wendung „sowie“ kommt vielmehr zum Ausdruck, dass gleichzeitig auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale erfüllt sein müssen. Ein Vorrang gegenüber den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen wird den Tätigkeitsbeispielen nicht eingeräumt (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.2.2013 - 15 Sa 1469/12 - in juris, entgegen LAG Niedersachsen Urteil vom 14.12.2012 - 6 Sa 1782/11 - n.v.). Demnach kann sich die beweisbelastete Klägerin nicht auf die Darstellung beschränken, dass die Tätigkeitsbeispiele der begehrten Gehaltsgruppen auf sie zutreffen. Vielmehr hat sie auch darzulegen, dass die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind.
2.2 Nach der Protokollnotiz zu den Tätigkeitsmerkmalen verlangt die Eingruppierung in eine Gehaltsgruppe die Erfüllung der Kriterien der vorhergehenden Gehaltsgruppe als Mindestvoraussetzung. Die Gehaltsgruppen bauen demnach aufeinander auf. Das gilt auch im Verhältnis der Gehaltsgruppe F zur Gehaltsgruppe E. Die Gehaltsgruppe E hebt sich gegenüber der Gehaltsgruppe D durch das hinzugekommene Merkmal „Entscheidungsverantwortung“ heraus. Zudem werden Tätigkeiten erhöht qualifizierter Art verlangt, während für die Gehaltsgruppe D noch Tätigkeiten qualifizierter Art ausreichend sind. Es genügt auch nicht mehr das Erfordernis einer IHK-Ausbildung und einer einschlägigen Berufserfahrung oder einer erweiterten Ausbildung oder eines Studiums. Verlangt wird vielmehr die Notwendigkeit besonderer Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen. In der Gehaltsgruppe F wird die Bearbeitung eines gesamten Systems gegenüber der Bearbeitung von lediglich mehr als einem speziellen Segment eines Systems verlangt. Zwar muss die Bearbeitung nicht wie in der Gehaltsgruppe E gefordert „selbständig“ sein. Es genügt, dass sie „weitgehend selbständig“ ist. Das ist aber wegen der nunmehr komplexeren Aufgabenstellungen keine Einschränkung und Herabsetzung gegenüber der vorausgegangenen Gehaltsgruppe (vgl. LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 28.2.2013 (- 15 Sa 146/12 - a.a.O.). Zudem werden in Heraushebung zur Entgeltgruppe E gründliche Fachkenntnisse und die Fähigkeit zur fachlichen Unterweisung anderer Mitarbeiter gefordert.
Die Klägerin hat bereits nicht dargetan, dass die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe E erfüllt sind.
2.2.1 Es kann dahinstehen, ob die Klägerin vor dem Betriebsübergang lediglich reine Koordinierungsaufgaben bezüglich der externen Akquisiteure unter Anleitung ihres Vorgesetzten ausgeübt hat und ob sie mit dieser Tätigkeit überhaupt als Akquisiteurin in die Gehaltsgruppe D einzugruppieren war. Allein der Wechsel in ein weiter gefasstes Aufgabengebiet mit der Wahrnehmung von Außenterminen allein kann die Einstufung in eine höhere Gehaltsgruppe noch nicht begründen. Die Gehaltsgruppe D ist nicht auf reine Bürotätigkeit und Koordinierungsaufgaben beschränkt.
2.2.2 Weiterhin kann dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin beschriebene Tätigkeit als ein einheitlicher Arbeitsvorgang Akquise anzusehen ist oder ob die von ihr aufgeführten Tätigkeitsbereiche Neuakquise, Nachverhandlung und Mängelbeseitigung eigene Arbeitsvorgänge sind. In keinem Fall werden nach dem Vortrag der Klägerin die Voraussetzungen der Gehaltsgruppe E dargetan, so dass entsprechend der Protokollnotiz zu den Tätigkeitsmerkmalen auch die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe F nicht gegeben sind.
2.2.2.1 Nach dem Vortrag der Klägerin ist bereits das Heraushebungsmerkmal der Entscheidungsverantwortung nicht dargetan. Sei arbeitet unstreitig nach Vorgaben von E. sowohl hinsichtlich der Standortsuche als auch der materiellen Ausgestaltung der von ihr zu verhandelnden Verträge. Abweichungen von den Vorgaben bedürfen des Einverständnisses von E.. Ob der verhandelte Vertrag abgeschlossen wird, entscheidet ebenfalls E. nach Überprüfung. Die Klägerin ist damit für die Durchführung ihrer Tätigkeit von Anweisungen abhängig. Dass die Anweisungen nicht von der Beklagten, sondern von E. kommen, bei der dann auch die Entscheidungsverantwortung liegt, ist unerheblich. Dadurch ändert sich nichts an der Einschränkung in der Aufgabenwahrnehmung, die dem Tätigkeitsbeispiel der „Akquise nach Anleitung“ entspricht.
2.2.2.2 Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich auch nicht, dass für ihre Tätigkeit gegenüber der Entgeltgruppe D zusätzliche besondere Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen notwendig sind. Sie macht zwar Angaben zu funktechnischen und funkplanerischen, bau- und standortplanerischen, denkmalschutzrechtlichen und vertragsrechtlichen Kenntnissen, Kenntnissen zur Umweltverträglichkeit, umfangreichem Wissen, gründlichen Fachkenntnissen mehrerer Sachgebiete und Fachkenntnissen aus verschiedenen organisatorischen, juristischen und technischen Bereichen. Es ist aber schon der konkrete Inhalt der Kenntnisse nicht erkennbar, geschweige denn ein Hinausgehen der Kenntnisse über das, was durch die in der Gehaltsgruppe D geforderte Ausbildung und Berufserfahrung vermittelt wird. Die Klägerin verfügt über einen IHK-Abschluss als Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Das ist ein Abschluss, den die Tätigkeit der Gehaltsgruppe D erfordert.
2.2.2.3 Die Arbeitsplatzbeschreibung Akquisiteur/in (Blatt 39) macht keine Angaben zu den erforderlichen Kenntnissen. Dem „Leistungsverzeichnis Akquisition“ (Blatt 92 bis 106) ist der konkrete Inhalt der geforderten Kenntnisse und die Heraushebung über die Anforderungen der Gehaltsgruppe D ebenfalls nicht zu entnehmen. Nichts anderes gilt für die eingereichten Tagesberichte (Blatt 40 bis 73).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 ZPO. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung der GBV GE gemäß § 72 Abs. 2 Nummer 2 ArbGG zugelassen worden.