Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Ausgleichsleistungsrecht

Ausgleichsleistungsrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 14.03.2012
Aktenzeichen 1 K 28/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 4 AusglLeistG, § 104 Abs 3 S 2 VwGO, § 113 Abs 5 S 2 VwGO, § 173 S 1 VwGO, § 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 173 S 1 VwGO, § 418 Abs 1 ZPO, § 2 Nr 3 S 1 PUDLV, § 33 Abs 4 S 1 VermG, § 33 Abs 6 S 1 VermG, § 4 Abs 2 VwZG, § 444 ZPO, § 60 VwGO

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht dieser zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Ausgleichsleistung für 33.116 m² landwirtschaftliche Flächen in der Gemarkung N., die ehemals im Eigentum ihres Vaters, des am .... September 18... geborenen E. R. standen.

Den Unterlagen des Bundesarchivs nach ist E. R. 1930 – so ein Personalfragebogen vom 20. Juni 1938 - oder 01. Oktober 1930 – so ein Personalbogen - mit der Mitgliedsnummer ... in die NSDAP und 1930 in die SA eingetreten. Er wurde 1931 zum Sturmbannführer, 1932 zum Standartenführer, 1933 zum Oberführer, 1935 zum Brigadeführer und 1940 zum Gruppenführer befördert und erhielt mit Wirkung von diesem Tag die Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze. Von 1932 bis 1933 war E. R. als Stabsführer der Untergruppe ... in ..., seit 1933 als Stadtrat und von 1933 bis 1937 als Ortspolizeiverwalter in ... tätig. Mit Wirkung vom .... September 19... wurde er mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs des Amtes "Organisation und Einsatz" im Führungshauptamt der SA beauftragt und durch "Führerbefehl" Nr. 75 mit Wirkung vom .... Dezember 19... zum Amtschef ernannt. 1942 wurde E. R. durch "Führerbefehl" Nr. 79 der Hauptführung der SA zugeteilt, 1940 sowie 1943 erhielt er weitere Auszeichnungen. In einem von ihm 1938 unterzeichneten Personalfragebogen der SA gab E. R. an, politischer Leiter der Zellenorganisation der NSDAP in ... und 1933 Kassenverwalter gewesen zu sein und an den "Reichsparteitagen" 1931 sowie 1933 – 1936 und weiteren Gruppenaufmärschen 1933 und 1937 teilgenommen zu haben; seit 1937 sei er als hauptamtlicher SA-Führer tätig gewesen. Mit Entlastungs-Zeugnis von 1949 wurde E. R. nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 42 der Militärregierung entlastet.

Die ehemals im Grundbuchs von N. auf E. R. eingetragenen Parzellen der Flur Y in der Gemarkung N. wurden auf Grund des SMAD-Befehls Nr. 124 mit Übereignungsurkunde des Präsidenten der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg vom 28. November 1946 am 23. Januar 1948 auf die Stadtgemeinde ... eingetragen; unter März 1947 wurde der Grundbesitz zudem von der Provinzialkommission zur Durchführung der Bodenreform in Anspruch genommen. Ein Schreiben der Kreiskommission für die Durchführung der Bodenreform vom Februar 1947 bezieht sich auf einen Antrag der Gemeindebodenkommission N. auf Enteignung der Grundstücke und führt Folgendes aus:

"...Gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde R. als Polizeidezernent der Stadt ... eingesetzt. Er war einer der schlimmsten und übelsten Nationalsozialisten am Orte. Gleich im Jahr 1933 ließ er die frühe Tuchfabrik zu einem Polizeigefängnis ausbauen, in dem die inhaftierten Antifaschisten (Genossen aus ...) auf die furchtbarste Art und Weise misshandelt wurden. R. ist seit dem Zusammenbruch 1945 nach dem Westen geflüchtet. Die Kreisbodenkommission befürwortet den Antrag der Gemeindebodenkommission aufs wärmste und bittet die Provinzial-Bodenkommission demselben zuzustimmen und zu bestätigen..."

Am 20. September 1990 beantragte die Klägerin zugleich im Namen ihres Bruders die Wiederherstellung der früheren Eigentumsrechte nach ihrem Vater. Ihr Vater, der 1938 aus ... nach Z verzogen sei, sei 1971, ihre Mutter W. R. sei 1987 verstorben. Einer Ausfertigung eines Erbscheins des Amtsgerichts H. vom 19. Januar 1972 nach ist E. R. von W. R. beerbt worden; der Ablichtung einer Ausfertigung des Erbscheins des Amtsgerichts L. vom 20. Juli 1990 nach ist W. R. von der Klägerin und P. R. jeweils zur Hälfte beerbt worden.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 08. Dezember 2005 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg den Antrag auf Rückübertragung des Eigentums an den landwirtschaftlichen Grundstücken in der Gemarkung N. ab, weil auf das Vermögen nach § 1 Abs. 8 lit. a) 1. Hs. des Vermögensgesetzes auf besatzungshoheitlicher Grundlage zugegriffen worden ist. Der Antrag werde als Begehren auf Gewährung einer Ausgleichsleistung gewertet, das mit gesondertem Bescheid beschieden werde.

Im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung einer Ausgleichsleistung – das von dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des nach § 1 Abs. 2 S. 1, § 2 Abs. 2 S. 2 der 2. Vermögensgesetzdurchführungsverordnung vom 20. September 2005 (GVBl. II S. 478), nunmehr § 1 Abs. 2 S. 1, § 2 Abs. 2 der Vermögensgesetzdurchführungsverordnung vom 11. Januar 2010 (GVBl. II S. 1), zuständigen Beklagten durchzuführen war - gab die Klägerin am 28. September 2006 an, ihr Vater sei von 1931 bis 1941 Führer der SA für den Bereich Sport gewesen und habe von 1941 bis 1945 als Direktor die Z.- AG geleitet. Der Beklagte bat das Bundesarchiv um Auskünfte zu E. R. hinsichtlich seiner Mitgliedschaft in Parteien und politischen Organisationen, einer eventuellen Zugehörigkeit zur Gestapo und seinen Funktionen; er holte im Übrigen eine Auskunft der Stadt H. über einen gewährten Lastenausgleich ein. Einer Stellungnahme des E. R. vom 14. Februar 1969 im Lastenausgleichsverfahren nach sei ihm am 01. Dezember 1937 ein Arbeitsgebiet in Z. übertragen worden, für die Dauer dieser Tätigkeit sei er aus seiner Tätigkeit als Stadtrat unter Ruhen seines Gehaltes beurlaubt worden.

Auf die Mitteilung des Beklagten, es sei beabsichtigt, den Antrag nach § 1 Abs. 4 des Ausgleichsleistungsgesetzes abzulehnen, nahm die Klägerin im Wesentlichen dahingehend Stellung, der Ausschlussgrund liege "zweifelsfrei" nicht vor. Ihr Vater sei ein "unpolitischer Mensch" gewesen, der sich unter den schwierigen Bedingungen der Zwanzigerjahre als erfolgreicher Geschäftsmann und Unternehmer bewährt habe. Er sei 1930 in die NSDAP und in die SA eingetreten, sei 1933 in den Stadtrat der Stadt ... gewählt und zum Polizeidezernenten ernannt worden. In dieser Eigenschaft habe er sich "persönlich aktiv für die Unterstützung und Sorge von politisch Verfolgten und jüdischen Mitbürgern eingesetzt", denen er beispielsweise geholfen habe, ihr "bewegliches Eigentum mitzunehmen und Grundeigentum zu marktüblichen Preisen zu verkaufen"; er habe aber auch "nachweislich deportationsgefährdeten Mitbürgern", gerade auch "jüdischer Abstammung", bei ihrer Flucht geholfen. Im Jahr 1937 sei er nach Z. umgezogen, um bei der SA die Position des Amtsleiters für den Sportbereich zu übernehmen. Er habe 1939 in B. die Reichssportspiele sehr erfolgreich organisiert und sei aus diesem Grunde zum Amtschef und zum Gruppenführer, ausschließlich für den sportlichen Bereich, befördert worden. Die SA habe nach dem "Röhm-Putsch" ihre ursprüngliche Bedeutung im nationalsozialistischen System weitgehend verloren. Ende 1940/Anfang 1941 seien Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die weitere Verwendung bei der SA aufgetreten, weshalb ihr Vater seine Position als Amtschef für den Sportbereich aufgegeben, die "ihm zugedachten anderen Funktionen im staatlichen Bereich abgelehnt" und sich unter "Inkaufnahme erheblicher persönlicher Risiken" in sein Unternehmen zurückgezogen habe; auch dort habe er keinen Unterschied zwischen Deutschen und Fremdarbeitern gemacht. Er habe mehrere Jahre unter Beobachtung durch die Gestapo gestanden und habe aus diesem Grund nicht aus der NSDAP austreten können. Aufgrund der Aussagen emigrierter Mitbürger und anderer Personen sei ihr Vater nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 42 der Militärregierung entlastet worden.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung einer Ausgleichsleistung für den Verlust der bezeichneten Grundstücke mit Bescheid vom 01. Februar 2007 ab.

Der Antrag auf Rückübertragung vom 11. September 1990 gelte nach § 6 Abs. 1 S. 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes als ein Antrag auf Gewährung einer Ausgleichsleistung; die Leistung sei jedoch nach § 1 Abs. 4 dieses Gesetzes zu versagen, weil E. R. dem nationalsozialistischen System in objektiver und subjektiver Hinsicht erheblich Vorschub geleistet habe. Anhaltspunkte hierfür gebe die Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 26. Juli 1946. Als Gruppenführer der SA habe E. R. zur Gruppe der Hauptschuldigen gehört, ein erhebliches Vorschubleisten könne daher unterstellt werden. E. R. habe seit 1937 zu den aktiven SA- Führern gehört, denn er habe dem Stab des Obersten SA-Führers angehört und sei mit Wirkung von 1939 zum Amtschef ernannt worden. Der frühe Parteibeitritt unter stetigem Aufstieg innerhalb der SA bis zum Gruppenführer, der nur 2 Dienstränge unter dem höchsten Dienstgrad gelegen habe, spreche dafür, dass dem System erheblich Vorschub geleistet worden sei. Der Vortrag der Klägerin führe nicht weiter. Ausschlaggebend sei, dass ihr Vater der Gruppe der Hauptschuldigen zuzuordnen sei, auch wenn die SA nach 1934 keine besondere politische Rolle mehr gespielt habe. Die Entlastungsurkunde sei dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 1958 (BVerwG 2 C 98.57) nach ohne Bedeutung, wofür auch die unterschiedlichen Ziele des Anspruchsausschlusses nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG und der Entnazifizierung sprächen.

Der Bescheid wurde am 02. Februar 2007 durch Einschreiben mit Rückschein unter der Einlieferungsnummer RV 65 835 752 6DE 112 zur Post gegeben; er soll dem Rückschein nach am 22. Februar 2007 ausweislich der Unterschrift einer Person namens "…" als Empfangsbevollmächtigten der Klägerin ausgehändigt worden sein. Der Briefumschlag des Einschreibens mit der Einlieferungsnummer RV 65 835 752 6DE 112 befindet sich als Blatt 114 in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten, die Sendung ist am 22. Februar 2007 mit dem Vermerk "nach Ablauf der Lagerfrist zurück" bei dem Beklagten eingegangen. Ausweislich eines Vermerks "wurde" am 27. Februar 2007 darum gebeten, den Bescheid an die Adresse des Sohnes der Klägerin zuzustellen. Am 27. Februar 2007 gab der Beklagte den Bescheid nochmals per Einschreiben/Rückschein zur Post; die Sendung wurde am 02. März 2007 einer Person namens "..." unter der Anschrift des Vertreters der Klägerin übergeben.

Mit Schreiben vom 30. März 2007 legte die Klägerin ausweislich des Eingangsstempels des Amts 25 des Beklagten am 03. April 2007 Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid ein. Die Klägerin behauptet, der Bescheid sei ihr am 03. März 2007 zugestellt worden, und wiederholt und vertieft in der Sache im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Anhörungsverfahren; es werde durch "zahlreiche schriftliche eidesstattliche Versicherungen" belegt, dass ihr Vater politisch Verfolgten bzw. deportationsbedrohten jüdischen Mitbürgern geholfen habe, so in den Fällen der Familien B., C., F., W., S. sowie des Herrn W.. Dem Schreiben war eine Vollmacht vom 29. März 2007 beigefügt, wonach der Vertreter der Klägerin gegenüber dem Landkreis bevollmächtigt wird. Der Briefumschlag, mit dem die Klägerin das Widerspruchsschreiben übersandt hat, findet sich in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten nicht. Der Beklagte bestätigte dem Vertreter der Klägerin unter dem 18. April 2007 daraufhin, dass der Widerspruch der Klägerin bei der Behörde am 03. April 2007 eingegangen sei.

Der Widerspruchsausschuss bei dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03. Dezember 2008 – der am 08. Dezember 2008 per Einschreiben zur Post gegeben und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 09. Dezember 2008 ausgehändigt wurde - als unzulässig zurück. Die Klägerin habe die Frist des § 36 Abs. 1 S. 2 des Vermögensgesetzes versäumt, denn der Bescheid sei ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 02. März 2007 zugestellt worden, so dass die Monatsfrist am 02. April 2007 abgelaufen sei. Wiedereinsetzungsgründe ergeben sich weder aus der Akte noch seien sie vorgetragen worden.

Die Klägerin hat am 09. Januar 2009 Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, der Widerspruch sei zulässig gewesen. Am 22. Februar 2007 sei der Ausgangsbescheid nicht wirksam zugestellt worden, da "ein Herr ..." nicht bekannt und zur Entgegennahme des Schriftstücks auch nicht berechtigt sei. Weder sie noch ihr Verfahrensbevollmächtigter habe den Bescheid erhalten; an diesem Tag hätten sich weder sie noch ihr Bevollmächtigter unter ihrer Adresse aufgehalten. Selbst wenn sie, wie der Beklagte meine, in einem relativ kleinen Ort wohne, folge daraus nicht, dass sie eine Person namens "..." kennen müsse.

Der streitgegenständliche Bescheid sei ihrem Verfahrensbevollmächtigten auch erst am 03. März 2007 zugegangen, wie der Zeuge J., der die Sendung in Empfang genommen und das Datum auf dem Briefumschlag notiert habe, bekunden könne. Unabhängig hiervon sei der Widerspruch am 30. März 2007 bei der Post als Einschreiben unter der Einlieferungsnummer RV 59 391 619 2DE aufgeben worden, wie die in Ablichtung beigefügte Einlieferungsquittung belege. Der Widerspruch sei auch bereits am 02. April 2007 - nämlich innerhalb der regulären Postlaufzeit - bei dem Beklagten eingegangen; nachdem der Beklagte "erstmals" im Widerspruchsbescheid und damit 21 Monate nach Einlegung des Widerspruchs zu dessen Zulässigkeit Stellung genommen habe, könne der Nachweis allerdings nicht mehr geführt werden, denn die Einzeldaten würden von der Deutschen Post AG bereits nach 13 Monaten gelöscht. Auf die substantiierten Ausführungen aus der Widerspruchsbegründung vom 30. März 2007 habe der Beklagte im Einzelnen nicht erwidert.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich:

"Der Bescheid der Beklagten vom 01.02.2007 (Az:1206-CBL-14126-A S) sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 03.12.2008 (Az: WAE-107999/07/No/Ste) per Einschreiben/Rückschein am 10.12.2008 zugestellt, werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen."

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig. Maßgeblich sie die Zustellung vom 22. Februar 2007. Der Bescheid sei dem Empfangsbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden und etwaige Ungereimtheiten fielen in deren Sphäre. Die Behauptung, eine Person namens "..." nicht zu kennen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass eine mittlerweile 87-jährige Frau nicht wisse, wer sich in ihrer Wohnung aufhalte. Auch mit Blick auf die Postleitzahl sei davon auszugehen dass die Klägerin in einem verhältnismäßig kleinen Ort lebe, so dass die Anonymität wenig überzeugend sein. In der Sache lasse sich die behauptete Distanziertheit des Vaters der Klägerin zum NS-Regime aktenkundig nicht belegen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 04. April 2011 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Widerspruchsbehörde (2 Hefter) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

I.

Das Gericht konnte am 02. März 2012 verhandeln und am 14. März 2012 entscheiden, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht durch ihren Betreuer vertreten war, denn dieser ist ordnungsgemäß und unter Hinweis auf die Rechtsfolgen eines Ausbleibens geladen worden, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Dem Antrag des Betreuers der Klägerin auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2012 war nicht zu entsprechen, weil ein erheblicher Grund im Sinne von § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 S. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht hinreichend dargetan wurde. Die Vorschrift dient unter anderem dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess durch einen schriftlichen oder mündlichen Vortrag zu ermöglichen, so dass ihre Verletzung den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör berührt (BVerwG, etwa Beschl. v. 21. Dezember 2009 – BVerwG 6 B 32.09 – juris Rn. 3 m. w. N.). Sofern ein erheblicher Grund für eine Verlegung der mündlichen Verhandlung vorliegt, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts regelmäßig zu einer entsprechenden Verpflichtung; allerdings kann sich ein Beteiligter, der von der Möglichkeit, sich im Rahmen des Zumutbaren rechtliches Gehör zu verschaffen, keinen Gebrauch macht, nicht später darauf berufen, ein solches sei ihm versagt worden. Es obliegt daher dem Beteiligten, dem Gericht die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, so schlüssig und substantiiert darzulegen, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes von sich aus zu beurteilen und gegebenenfalls eine (weitere) Glaubhaftmachung nach § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 2 ZPO zu verlangen (BVerwG, Beschl. v. 21. Dezember 2009 – BVerwG 6 B 32.09 – juris Rn. 3 und 4). Zwar kann eine plötzliche Erkrankung einen Beteiligten unverschuldet hindern, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, auch in diesem Fall ist die aus der Erkrankung resultierende Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit jedoch so genau zu schildern, dass sich das Gericht unmittelbar ein Bild von der Erheblichkeit der Krankheit machen kann. Ein ärztliches Attest, welches dem Beteiligten eine krankheitsbedingte Verhinderung bescheinigt – nicht eine bloße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - ist grundsätzlich ausreichend, die Verhinderung zu entschuldigen (BVerwG, Beschl. v. 09. August 2007 – BVerwG 5 B 10.07 – juris Rn. 4; Beschl. v. 29. April 2004 – BVerwG 1 B 203.03 – juris Rn. 4; Beschl. v. 02. November 1998 – BVerwG 8 B 162.98 – juris Rn. 2; Beschl. v. 24. Januar 1996 – BVerwG 1 B 149.95 – juris Rn. 12).

Diese Voraussetzungen lagen in dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Verlegungsgesuch des Vertreters der Klägerin am 01. März 2012 bzw. in dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Der Betreuer der Klägerin hat am 29. Februar 2012 die Verlegung der mündlichen Verhandlung vom 02. März 2012 beantragt und sich maßgeblich auf die "Arbeitsunfähigkeit des Unterzeichners" in der Zeit vom 29. Februar bis zum 02. März 2012 berufen, die durch die beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Universitätsklinik vom 29. Februar 2012 belegt werde. Ergänzend teilte der Betreuer ausschließlich mit, er befinde sich "fortlaufend in medizinischer Behandlung" und könne daher die "Anreise zum Verhandlungstermin nicht antreten". Insoweit kann dahinstehen, ob das Schreiben des Vertreters der Klägerin vom 29. Februar 2012 dahingehend zu verstehen ist, dass dieser noch am Tage der mündlichen Verhandlung am 02. März 2012 (schwerwiegend) erkrankt sei, oder – worauf die letztgenannte Formulierung auch deuten könnte – am 02. März 2012 jedenfalls einer erneuten ärztlichen Begutachtung bedurfte. In jedem Fall hätte es der Betreuer dem Gericht ermöglichen müssen, die Schwere der Erkrankung und die Frage einer Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit eigenständig zu beurteilen. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29. Februar 2012 ist insoweit nicht aussagekräftig, weil die "Differenzialdiagnose Cholangitis" - die zudem noch im Zeitpunkt der Bescheidung des Gesuchs auf Grund der schwer leserlichen Handschrift des Arztes nicht nachvollzogen werden konnte - für sich genommen keine Rückschlüsse auf eine Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit zulässt. Für das Gericht bestand am darauffolgenden Tag mithin ein hinreichender Anlass, den Betreuer der Klägerin in einem Telefonat – eine Telefaxnummer wurde nicht mitgeteilt – zu der Erkrankung und gegebenenfalls ihren Auswirkungen auf dessen Reisefähigkeit ergänzend zu befragen und unter Umständen ein aussagekräftiges ärztliches Attest anzufordern. Durch die Mitteilungen von Mitarbeitern in dem Unternehmen des Betreuers - insbesondere von dessen Sekretärin in dem zweiten Telefonat vom 01. März 2012, dieser befinde sich "in einer Besprechung" - ist die Erkrankung des Betreuers weiter in Zweifel gezogen und zudem die Überzeugungskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung minimiert worden. Der Umstand, dass der Betreuer der Klägerin weder auf die beiden Telefonate reagierte noch die Gründe für die behauptete Verhinderung im Anschluss an die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags und die Übersendung des Vermerks vom 01. März 2012 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 02. März 2012 um 12.31 Uhr schriftlich substantiierte, begründet die Überzeugung des Gerichts, dass es dem Vertreter der Klägerin nicht unverschuldet unmöglich war, rechtliches Gehör zu erlangen.

Entsprechendes gilt auch für den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Nach § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO kann das Gericht die mündliche Verhandlung wieder eröffnen. Das damit eingeräumte Ermessen verdichtet sich in der Regel zu einer Verpflichtung zur Wiedereröffnung, wenn ein entsprechender Grund vorliegt, insbesondere einem Beteiligten ansonsten das rechtliche Gehör genommen wäre. Das ist nach wie vor nicht der Fall. Die von dem Betreuer zum Beleg seiner Verhinderung am 02. März 2012 ausschließlich vorgelegte Bescheinigung der Universitätsklinik über eine "ambulante Behandlung" am 02. März 2012 ist nicht aussagekräftig und der Betreuer hat es ungeachtet wiederholter Hinweise des Gerichts weiterhin vermieden, die Frage seiner Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit zu substantiieren. Das rechtliche Gehör wird nicht verletzt, wenn der Beteiligte – wie offenbar vorliegend – meint, es bedürfe entgegen der Rechtsauffassung des Gerichts einer Substantiierung des Hinderungsgrundes nicht, und deshalb davon absieht, auch nur zu erläutern, aus welchen Gründen ihn eine Erkrankung hindert, die Fahrt zum Gerichtsort anzutreten bzw. an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, und es aus diesen Gründen unterlässt, sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

II.

Die Klage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

1. Zwar erscheint ein Bescheidungsbegehren i. S. v. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO nicht sachgerecht, wenn die Behörde – wie vorliegend – eine gebundene Entscheidung und keine Ermessensentscheidung zu treffen hat und auch sonstige Gründe der Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die Sache spruchreif zu machen, nicht entgegen stehen, so dass (weitergehend) auf die Verpflichtung zum Erlass des erfolglos beantragten Verwaltungsakts geklagt werden könnte. Die Statthaftigkeit des Bescheidungsantrags unterliegt jedoch keinen Bedenken. Unabhängig davon, dass auch ein Bescheidungsausspruch des Verwaltungsgerichts für die Klägerin von Nutzen wäre – so dass das Rechtsschutzbedürfnis schwerlich verneint werden kann - liegt es grundsätzlich in der Dispositionsbefugnis eines Klägers, statt eines "Mehr" ein "Weniger" einzuklagen (so etwa ausf. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 113 Rn. 201 ff., Rn. 204; i. E. auch Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 451; a. A. wohl BVerwG, Urt. v. 02. Mai 1984 – BVerwG 8 C 94.82 – juris Rn. 19).

2. Die Klägerin hat das Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt und die Widerspruchsfrist als Sachurteilsvoraussetzung (BVerwG, Beschl. v. 02. November 2011 – BVerwG 3 B 54.11) gewahrt. Nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz – AusglLeistG) gelten für die Durchführung der §§ 1, 2 und 5 dieses Gesetzes u. a. die Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) entsprechend; nach § 33 Abs. 4 S. 1 und Abs. 6 S. 1 VermG ist den Beteiligten über die Entscheidung ein schriftlicher Bescheid zuzustellen, der einen Monat nach Zustellung bestandskräftig wird, wenn kein Widerspruch eingelegt wird.

Die Widerspruchsfrist ist nicht bereits mit dem Versuch einer Zustellung an die Klägerin persönlich am 22. Februar 2007 in Lauf gesetzt worden. Eine den Anforderungen entsprechende Zustellung lässt sich ungeachtet des vorliegenden Rückscheins bereits deshalb nicht feststellen, weil die Sendung, wie der in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten befindliche Briefumschlag belegt, "nach Ablauf der Lagerfrist" an den Beklagten zurückgesandt worden ist, und sie daher nicht an dem bezeichneten Tag einem Empfangsbevollmächtigten der Klägerin übergeben worden sein kann.

Der mit einer den Anforderungen entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid des Beklagten vom 01. Februar 2007 ist vielmehr erst dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten und heutigen Betreuer der Klägerin am 02. März 2007 ordnungsgemäß durch Einschreiben zugestellt worden. Nach § 1 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Brandenburg (BbgVwZG) i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) können Zustellungen an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden; sie sind an ihn zu richten, wenn er – was am 27. Februar 2007 noch nicht der Fall war – eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat, § 7 Abs. 1 S. 2 VwZG. Nach § 1 Abs. 1 BbgVwZG i. V. m. § 4 Abs. 2 VwZG genügt zum Nachweis der Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein der Rückschein (Satz 1) und im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (Satz 2); im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen (Satz 3). Hiervon ausgehend gilt der angefochtene Bescheid am 02. März 2007 als zugestellt und er ist an diesem Tag dem vorliegenden Rückschein nach auch tatsächlich zugestellt worden. Die Klägerin hat allein mit der von ihr vorgelegten Ablichtung des Briefkuverts mit dem handschriftlichen Vermerk: "Eingang: Sa, 3.3.07 !" die Zustellung am 02. März 2007 nicht hinreichend in Frage gestellt und einer Vernehmung des von ihr benannten Zeugen J. bedürfte es auch deshalb nicht, weil der Bescheid ausweislich des Rückscheins einer Person namens "..." übergeben wurde, so dass ohne weitere Substantiierung nicht ersichtlich ist, welche Erkenntnisse die angeregte Beweisaufnahme ergeben sollte.

Die Widerspruchsfrist von einem Monat endete nach § 31 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBBg) i. d. F. der Bekanntmachung vom 09. März 2004 (GVBl. I S. 78) i. V. m. § 187 Abs.1, § 188 Abs. 2 BGB mithin am Montag, den 02. April 2007, so dass der Widerspruch vom 30. März 2007, der bei dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen erst am 03. April 2007 eingegangen ist, verfristet war. Die bloße Behauptung der Klägerin, der Widerspruch sei bereits am 02. April 2007 bei dem Beklagten eingegangen, ist nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen. Nach § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 418 Abs. 1 ZPO begründen öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in § 415 und § 417 ZPO bezeichneten Inhalt haben – so auch der Eingangsstempel eines Gerichts oder einer Behörde (BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 – VII ZB 19/97 - juris Rn. 6; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2009, § 418 Rn. 2) - den vollen Beweis der darin bezeichneten Tatsachen. Den Gegenbeweis indessen hat die Klägerin nicht geführt.

Der Klägerin war jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne Verschulden gehindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten, § 6 Abs. 2 AusglLeistG i. V. m. § 33 Abs. 6 S. 2 VermG und § 60 VwGO.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der anderen Obersten Gerichtshöfe des Bundes dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden. Der Bürger darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden; werden sie es nicht, darf eine ungewöhnlich lange Postlaufzeit dem Bürger im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als Verschulden zugerechnet werden, weil er auf die Laufzeiten keinen Einfluss hat. Im Verantwortungsbereich eines Beteiligten liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BGH, Beschl. v. 20. Mai 2009 – IV ZB 2.08 - juris Rn. 8; Beschl. v. 13. Mai 2004 – V ZB 62.03 - juris). Ein Beteiligter darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden, selbst dann, wenn - etwa vor Feiertagen - allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu rechnen ist (BGH, Beschl. v. 20. Mai 2009 – IV ZB 2.08 - juris Rn. 8; vgl. aber auch – so auch bei einer Einlieferung per Einschreiben am Sonnabend und einem Fristablauf am Montag: LAG Köln, Urt. v. 08. November 2011 – 11 Sa 1410/09 - juris und LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21. Dezember 2010 – L 8 SO 16.10 - juris; a. A. für diesen Fall: VG Hamburg, Urt. v. 04. Juni 2009 – 20 K 2787/08). Entsprechendes gilt nach In-Kraft-Treten der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999, die in § 2 Nr. 3 S. 1 bestimmt, dass von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen im Jahresdurchschnitt 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden müssen. Hiervon ausgehend kann ein Rechtsbehelfsführer ohne konkrete entgegenstehende Anhaltspunkte jedenfalls darauf vertrauen, dass ein Brief - mag er durch einfache Post, oder aber durch Einschreiben übersandt werden - spätestens am zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag den Empfänger erreicht. Die Behauptung der Klägerin, der Widerspruch sei unter der von ihr bezeichneten Einlieferungsnummer RV 59 391 619 2DE am Freitag, den 30. März 2007 zur Post gegeben worden, unterstellt, konnte sie mithin darauf vertrauen, dass das Einschreiben dem Beklagten spätestens am Montag, den 02. April 2007 zugestellt wird. Die Versäumung der Widerspruchsfrist um einen Tag beruht auf der unvorhergesehen verspäteten Auslieferung der Postsendung durch die Deutsche Post AG und ist der Klägerin nicht zuzurechnen.

Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Sendung am 30. März 2007 aufgegeben, ist der Entscheidung zu Grunde zu legen, obwohl die Klägerin lediglich die Ablichtung einer Quittung über die Aufgabe von 6 Einschreiben – darunter ein "Einschreiben National" mit der bezeichneten Nummer - auf der Post in B. am 30. März 2007 vorgelegt hat. Zwar beweist die Quittung nicht, dass es sich hierbei um das Widerspruchsschreiben vom 30. März 2007 handelte. Hiervon ist das Gericht jedoch überzeugt, weil die Anforderungen an die erforderliche richterliche Überzeugung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gemindert sind und die Klägerin in einem gewissen Umfange eine Beweiserleichterung in Anspruch nehmen kann. Der Briefumschlag des Widerspruchsschreibens, dem nicht nur Bedeutung für eine eventuelle Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zukommt, sondern der üblicherweise auch die Einlieferungsnummer der Deutschen Post AG aufweist und der damit geeignet wäre, eine sachliche Verbindung zu der auf der Quittung befindlichen Einlieferungsnummer herzustellen, befindet sich nämlich nicht bei den Akten, obwohl es den üblichen Gepflogenheiten einer geordneten Aktenführung entspricht, Briefumschläge, mit denen ersichtlich fristwahrende Schriftsätze versandt werden, zu Beweiszwecken ebenfalls zu den Akten zu nehmen. Zwar verlangt § 444 ZPO, wonach die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit oder den Inhalt der Urkunde unter den dort bezeichneten Voraussetzungen als bewiesen angesehen werden können, eine vorsätzliche Beweisvereitelung, für die vorliegend nicht ansatzweise etwas ersichtlich ist; der Vorschrift ist jedoch auch ein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen, der es dem Richter ermöglicht, zu Gunsten der beweisbelasteten Partei die Tatsache zu würdigen, dass eine Behörde Umschläge, mit denen erkennbar rechtserhebliche Schriftstücke übersandt worden sind, nicht zu den Akten nimmt und damit den Gegner in Beweisnot bringt (so bereits Urt. der Kammer vom 15. November 2006 – 1 K 1100/00 - juris Rn. 77; Nds. Finanzgericht, Urt. v. 26. November 2002 - 6 K 812/01 - juris; a. A. Hessisches FG, Urt. v. 23. Oktober 1984 – 10 K 106/84 - juris <nur LS>).

III.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch zu, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides vom 01. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2008 zu verpflichten, das Begehren auf Gewährung einer Ausgleichsleistung nach § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG erneut zu bescheiden.

Nach dieser Bestimmung erhalten natürliche Person, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in dem Beitrittsgebiet verloren haben oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe des Ausgleichsleistungsgesetzes. Die im Rubrum des Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 08. Dezember 2005 bezeichneten Grundstücke sind auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden und es spricht – ohne dass dieses entsprechend den Anforderungen der Kammer durch Erbscheine im Original belegt wäre (vgl. zuletzt ausf. Urt. der Kammer v. 05. November 2008 – VG 1 K 1334/06 - m. w. N. und – in Abgrenzung hierzu - Urt. der Kammer v. 26. August 2010 – VG 1 K 1620/02: Klage gegen die Festsetzung v. Verbindlichkeiten nach § 6 Abs. 6a S. 2 VermG) - viel dafür, dass die Klägerin neben ihrem Bruder P. R. Erbin ihres Vaters E. R. geworden ist.

Eine abschließende Klärung der Rechtsnachfolge kann auf sich beruhen, denn die Gewährung einer Leistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz ist, wie von Seiten des Beklagten im Ergebnis zutreffend angenommen, bereits nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung werden Leistungen nach diesem Gesetz nicht gewährt, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, u. a. dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet hat. Das ist hier der Fall.

Sinn und Zweck der Ausschlussregelung in § 1 Abs. 4 AusglLeistG ist es, zu verhindern, dass diejenigen, die die Hauptverantwortung für die zu revidierenden Unrechtsmaßnahmen tragen, das Ausgleichsleistungsgesetz zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen können; der Ausschlusstatbestand entspricht damit im Grundsatz den Ausschlüssen in anderen vergleichbaren Gesetzen (BT-Drs. 12/4887, S. 38), etwa in § 8 des früheren Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWGöD), in § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) und in § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Häftlingshilfegesetzes (HHG), so dass an die zu den entsprechenden Vorschriften ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden kann (BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - juris Rn. 12).

Das erhebliche Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems weist eine objektive und eine subjektive Komponente auf.

In objektiver Hinsicht ist Voraussetzung des Anspruchsausschlusses, dass vom Betroffenen nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu verbessern oder Widerstand zu unterdrücken, und dieses auch zum Ergebnis hatten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.03.2005 – BVerwG 3 C 20.04 - juris Rn. 12 m. w. N.). Ein Vorschubleisten hat nicht anders als ein "Fördern" im Sinne von § 8 BWGöD ein Unterstützen und Verbessern der Bedingungen für das entsprechende System zum Inhalt und das im Unterschied zu § 8 BWGöD von § 1 Abs. 4 AusglLeistG geforderte "erhebliche "Vorschubleisten setzt voraus, dass der Nutzen für das Regime nicht nur ganz unbedeutend gewesen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 - juris Rn. 17 und 19; Urt. v. 14. Dezember 2006 - BVerwG 3 C 36.05 - juris Rn. 21). Aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 4 AusglLeistG, wonach die Hauptverantwortlichen für die Unrechtssysteme von einer Ausgleichsleistung ausgeschlossen werden sollen (vgl. BT-Drs. 12/4887 S. 38), ergeben sich keine darüber hinausgehenden Anforderungen; eine Unterstützung, die den genannten qualifizierten Anforderungen an die Erheblichkeit des Vorschubleistens genügt, rechtfertigt es, den Betreffenden zugleich als Hauptverantwortlichen im Sinne dieser Regelung anzusehen. Dass insoweit eine engere Auslegung, etwa im Sinne einer Beschränkung auf die in Nürnberg verurteilten Hauptkriegsverbrecher, gemeint war, lässt sich weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung entnehmen (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - juris Rn. 17 und 19). Die unterstützende Tätigkeit muss sich auf spezifische Ziele des nationalsozialistischen Systems bezogen haben, eine Unterstützung nicht spezifisch von der nationalsozialistischen Ideologie geprägter Bestrebungen genügt nicht. Auf der anderen Seite ist die Mitgliedschaft in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen für ein Vorschubleisten im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht erforderlich (vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 - juris Rn. 18 m. w. N.) und der geforderte qualifizierte Nutzen für das nationalsozialistische System kann aus der bloßen Mitgliedschaft in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen nicht hergeleitet werden (BVerwG, Urt. v. 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - juris Rn. 22).

Der Umstand, dass konkrete Handlungen nicht nachgewiesen werden können, hindert jedoch nicht den Schluss, dass in der durch Archivunterlagen belegten engagierten Erfüllung von Parteiämtern und Funktionen ein erhebliches Vorschubleisten zu Gunsten der NSDAP liegt (BVerwG, Beschl. v. 13. November 2006 – BVerwG 5 B 33.06 - juris Rn. 7). Der Wahrnehmung herausgehobener Funktionen in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen, kommt, zumal wenn sie über einen längeren Zeitraum und im Sinne der Partei beanstandungsfrei ausgeübt worden sind, regelmäßig eine Indizwirkung für ein erhebliches Vorschubleisten zu Gunsten des nationalsozialistischen Systems im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu. So wird etwa bei einem Gauleiter oder einem führenden Funktionär auf Reichsebene in der Regel der Ausschlusstatbestand erfüllt sein (BVerwG, Urt. v. 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - juris Rn. 25; Beschl. v. 20. März 2007 – BVerwG 5 B 88.06 - juris, Rn. 7), ebenfalls bei einer hauptamtlichen Tätigkeit in der Gestapo (BVerwG, Urt. v. 26. Februar 2009 – BVerwG 5 C 4.08 - juris) und in der SS (BVerwG, Urt. v. 14. Mai 2009 - BVerwG 5 C 15.08 - juris), während ehrenamtlich ausgeübte Parteiämtern auf Kreisebene keine Indizwirkung besitzen (BVerwG, Urt. v. 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - juris Rn. 25; Beschl. v. 20. März 2007 – BVerwG 5 B 88.06 - juris Rn. 7) und auch der Schluss aus der Inhaberschaft eines kommunalen Mandats auf die Unwürdigkeit nicht zulässig ist, denn entscheidend ist, ob konkret durch die Amtsausübung dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet wurde (BVerwG, Urt. v. 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - juris Rn. 34 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 04. August 1958 – IV ZR 56.58 - RzW 1958, 405, 406 ).

Der Betreffende muss für die NSDAP oder eine ihrer Gliederungen jedoch nicht notwendigerweise hauptamtlich tätig gewesen sein; entscheidend sind vielmehr Umfang und Dauer der Tätigkeit, die mit einem Amt oder einer Funktion verbundenen Aufgaben und Befugnisse und der daraus resultierende Nutzen für das nationalsozialistische System. Dieses setzt eine umfassende Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles voraus, wobei die Hauptamtlichkeit (BVerwG, Beschl. v. 30. September 2009 – BVerwG 5 B 38.09 - juris Rn. 5; Urt. v. 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 - juris Rn. 21 - langjährige Tätigkeit als Gauredner) und der Umstand eines frühen Eintritts in die Partei (BVerwG, Beschl. v. 30. September 2009 – BVerwG 5 B 38.09 - juris, Rn. 5) lediglich zu berücksichtigende Gesichtspunkte sind. Auch aus der Kontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 zur Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen kann keine Vermutung der Unwürdigkeit hergeleitet werden kann (so BVerwG, Urt. v. 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - juris Rn. 37 ff.). Die Einstufung entsprechender Funktionen nach dem Anhang zur Kontrollratsdirektive Nr. 38 liefert vielmehr lediglich Anhaltspunkte für die Unwürdigkeit, kann eine Einzelbetrachtung und Bewertung aber nicht ersetzen (so BVerwG, Urt. v. 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - juris Rn. 41; Beschl. v. 20. März 2007 – BVerwG 5 B 88.06 - juris Rn. 9 ff.).

Für die subjektiven Voraussetzungen eines Anspruchsausschlusses nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG ist von Bedeutung, dass es sich bei dieser Regelung ebenso wenig wie bei § 8 Abs. 1 BWGöD um eine Strafvorschrift handelt oder nach der „Schuld“ der Betroffenen gefragt wird. Vielmehr werden diejenigen, die dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System erheblichen Vorschub geleistet haben, wegen der besonderen Zwecke des Wiedergutmachungsrechts von einer Ausgleichsleistung ausgeschlossen, weil sie ein erhebliches Maß an Mitverantwortung für die Errichtung oder spätere Maßnahmen des nationalsozialistischen oder des kommunistischen Systems tragen, mithin zu den „Hauptverantwortlichen“ im Sinne der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/4887 S. 38) zählen; die subjektiven Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die betreffende Person in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihr Verhalten könne diesen Erfolg haben, wenn ihr Handeln also hierzu bestimmt war. Da ein „Vorschubleisten“ dem Wortsinn nach ein intentionales Tätigwerden voraussetzt, also ein wissentliches und willentliches Handeln zugunsten eines Nutznießers - hier des nationalsozialistischen Systems -, genügt hierfür nicht bereits die Kenntnis der Ziele dieses Systems. Andererseits ist es nicht erforderlich, dass die Errichtung oder Festigung des Systems in der Absicht des Betreffenden, dessen Verhalten zu würdigen ist, gelegen hat. Das Wissen und Wollen des Vorschubleistenden muss sich nur auf das eigene Tätigwerden und dessen Wirkung als Beitrag zur Errichtung oder zur Festigung des nationalsozialistischen Systems bezogen haben, wobei es in einem frühen Stadium des Systems nicht alle Einzelheiten der späteren Entwicklung des Systems einschließen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 - juris Rn. 21; Urt. v. 14. Dezember 2006 - BVerwG 3 C 36.05 - juris Rn. 21).

Eine Einstufung als "Entlasteter" oder "Unbelasteter " im Rahmen der Entnazifizierung ist für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für ein Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorliegen, ohne Bedeutung; hierfür spricht insbesondere das vom Anspruchsausschluss abweichende Ziel der Entnazifizierung, Gefahren abzuwehren, die sich durch die in den Nationalsozialismus Verstrickten für den Neuaufbau ergeben konnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 - juris Rn. 23/24).

Besteht eine Indizwirkung für ein erhebliches Vorschubleisten der betreffenden Person, kann sie ausnahmsweise dadurch entkräftet und erschüttert werden, dass der Betroffene positive Handlungen vorgenommen hat, welche die mit der gesamten übrigen Tätigkeit verbundene Unterstützung und Stabilisierung des nationalsozialistischen Systems in hohem Maße relativieren; die Notwendigkeit, in dieser Weise ein auf die Systemschädigung zielendes Verhalten in die Frage des Ausschlussgrundes einzubeziehen, besteht erst recht in den Fällen, in denen sich eine Indizwirkung nicht feststellen lässt. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, dass, je wichtiger die Förderungshandlung zu Gunsten des Systems gewesen ist, desto gewichtiger und bedeutsamer die auf eine Schädigung des Systems angelegten Handlungen sein müssen, um eine ausnahmsweise bereits eingetretene Unwürdigkeit relativieren zu können (vgl. zum ganzen ausf. BVerwG, Urt. v. 18. September 2009 – BVerwG 5 C 1.09 - juris; Urt. v. 30. Juli 2010 - BVerwG 5 C 9.09 - juris).

Hiervon ausgehend ist der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zu Recht von einer Indizwirkung ausgegangen, die sich aus der herausgehobenen Stellung des E. R. innerhalb der SA ergibt. Eine Indizwirkung für ein erhebliches Vorschubleisten zu Gunsten des nationalsozialistischen Systems folgt bereits aus dessen Stellung in der SA vor den Ereignissen des sogenannten "Röhm-Putsches". Dessen Bedeutung für den Nationalsozialismus vor der "Machtergreifung" am 30. Januar 1933 und in den Zeiten der Konsolidierung der Macht bis Juni/Juli 1934 lässt sich bereits dem Umstand entnehmen, dass E. R. schon nach etwas über einem Jahr nach der Aufnahme in die SA im Oktober 1930 als ein "alter Parteigenosse" (vgl. etwa Benz/Graml/Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. Aufl. 2007, S. 398 unter "Alte Kämpfer" ) zum Sturmbannführer (entspricht militärisch einem Major bzw. Korvettenkapitän), nach lediglich weiteren 7 Monaten - unter Umgehung der Beförderungsstufe des Obersturmbannführers - zum Standartenführer (entspricht militärisch einem Obersten bzw. Kapitän zur See) und nach etwas über einem Jahr zum Oberführer (entspricht militärisch einem Generalmajor bzw. Konteradmiral, zu den Rängen vgl. etwa Benz/Graml/Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. Aufl. 2007, S. 642 "Militärische/paramilitärische Ränge") befördert wurde und die entsprechenden Aufgaben, so als Stabs-, Standarten und Brigadeführer, tatsächlich wahrnahm. Der zügige Aufstieg innerhalb der paramilitärischen Kampfgruppe der NSDAP wird in Ermangelung eines entgegenstehenden Vortrags von Seiten der Klägerin nur durch ein besonderes Engagement für die Sache des Nationalsozialismus erklärlich.

Unabhängig hiervon und insbesondere wird das Tatbestandsmerkmal eines erheblichen Vorschubleistens auch durch den letzten Rang als Gruppenführer, den E. R. innerhalb der SA ab 1940 innehatte, und seine Beförderung zum Chef eines Amtes des Führungshauptamtes der SA indiziert. Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei einem Gruppenführer der SA (vergleichbar der SS und Waffen-SS) um den dritthöchsten Offiziersrang nach dem Stabschef SA und dem Obergruppenführer handelte, dem bei der Polizei und in der Wehrmacht der Generalleutnant bzw. der Vizeadmiral entsprach (vgl. etwa Benz/Graml/Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. Aufl. 2007, S. 642 "Militärische/paramilitärische Ränge") und der eine von lediglich 25 SA-Gruppen in Deutschland führte (Benz/Graml/Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. Aufl. 2007, S. 819 unter "Sturmabteilungen < SA >"). Seine herausgehobene hauptberufliche Stellung innerhalb der Gliederung der Partei folgt schließlich aus dem Umstand, dass der Vater der Klägerin zum Chef eines Amtes des Führungshauptquartiers der SA befördert wurde, selbst wenn es sich – wie die Klägerin lediglich behauptet – um das für den Bereich des Sports zuständige Amt gehandelt haben sollte.

Die Indizwirkung wird insoweit nicht durch die Auffassung der Klägerin relativiert, dass die SA ihre Bedeutung für das nationalsozialistische System nach dem "Röhm-Putsch" weitgehend verloren hat. Zwar ist richtig, dass die SA als stärkste und schlagkräftigste NS-Organisation und als eine Gliederung der NSDAP vor und in dem ersten Jahr nach der Machtergreifung 1933/34 die zentrale Rolle bei Terroraktionen gegen politische Gegner und Juden spielte und dass sie im Zuge der Ermordung des Obersten SA Führers Stabschef Ernst Röhm und anderer SA Führer im Juni/Juli 1934 als Machtfaktor im nationalsozialistischen Staat weitgehend ausgeschaltet und von der SS abgelöst worden ist (vgl. etwa Benz/Graml/Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. Aufl. 2007, S. 312). Das ändert jedoch nichts daran, dass die SA auch weiterhin in die nationalsozialistische Terrorherrschaft einbezogen war, was sich unter anderem bei dem Pogrom gegen jüdische Bürger am 09./10. November 1938 - der "Reichskristallnacht" - zeigte, die maßgeblich auch von der SA durchgeführt worden ist (vgl. etwa Benz/Graml/Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5. Aufl. 2007, S. 742 unter "Reichskristallnacht" und S. 819 ff. unter "Sturmabteilungen <SA>").

Die langjährige, ab 1937 hauptamtliche und – soweit ersichtlich – bis 1945 entgegen der Behauptung der Klägerin auch nicht beendete stark herausgehobene Tätigkeit des Vaters der Klägerin in der SA deutet darauf, dass mit ihr mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen verbunden waren, die für die Errichtung, die Entwicklung und Festigung des Nationalsozialismus günstig und geeignet waren, Widerstand gegen dieses System zu unterdrücken. Dass es zu Beanstandungen dieser Tätigkeit gekommen ist, liegt fern und wird auch für die Zeit nach Ernennung zum Gruppenführer nicht von der Klägerin substantiiert dargelegt, obwohl die Ausführungen des Beklagten Veranlassung für einen entsprechenden Vortrag boten. Die tatsächliche Vermutungswirkung kennzeichnet gerade, dass regelmäßig ein beanstandungsfrei (im Wesentlichen reibungslos) durchgeführtes Handeln eines Einzelnen, welches mit den gewöhnlichen Erkenntnismitteln nicht mehr zu belegen ist, hinreichend gewiss aus zeithistorisch belegbaren Erkenntnissen und Erfahrungstatsachen abgeleitet werden darf. Hier folgt dies aus der Erfahrungstatsache (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 25. Juni 2008 - BVerwG 8 C 12.07 – juris), dass alle, die sich nicht nur in unbedeutender Weise einer Aufgabe innerhalb eines der Terrorsysteme der NS-Zeit widmeten, dies zum erheblichen Nutzen und Vorteil für den NS-Staat getan und sich damit objektiv als "willige Vollstrecker" der übergeordneten NS-Ideologie betätigt haben.

Auch die subjektiven Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des § 1 Abs. 4 AusglLeistG liegen vor. Es ergibt sich vorliegend das Gesamtbild eines der NS-Ideologie subjektiv anhängenden und eines langjährig, auch hauptamtlich, tätigen Vertreters der nationalsozialistischen Sache. Es ist weder vorgetragen worden noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass E. R. nicht wissentlich und willentlich zugunsten des nationalsozialistischen Systems tätig geworden ist, insbesondere seinen Beitrag zum "Gesamterfolg" nicht hätte bewerten können.

Auch im Übrigen behauptet die Klägerin lediglich, dass ihr Vater "nachweislich" positive Handlungen vorgenommen, etwa sich für jüdische Mitbürger eingesetzt habe, ohne diese Behauptung ungeachtet der offensichtlichen Entscheidungserheblichkeit zu belegen oder auch nur weitere Aufklärungsmöglichkeiten für das Gericht aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund des Eintritts von E. R. in die NSDAP mehr als zwei Jahre vor der Machtergreifung und seines zügigen Aufstiegs innerhalb der paramilitärischen Truppe der Partei ist die Behauptung der Klägerin, ihr Vater sei ein "unpolitischer Mensch" gewesen, schlicht nicht nachvollziehbar, und auch ihre Behauptung, ihr Vater habe in seiner Tätigkeit als Ortspolizeischef von ... vom Nationalsozialismus Bedrängten, so auch jüdischen Bürgern, geholfen, erscheint vor dem Hintergrund der historischen Tatsachen, aber auch des Umstandes, dass E. R. nur drei Monate nach der Machtergreifung zum Polizeichef ernannt wurde und dieses Amt über vier Jahre ausübte, bevor er im Rahmen seines weiteren Aufstiegs nach Z. verzog, als nicht nachvollziehbar. Die Klägerin hat es ungeachtet der offensichtlichen Entscheidungserheblichkeit zudem daran fehlen lassen, konkrete Umstände für diese Behauptung vorzutragen, Beweismittel für diesen "nachweislichen" Sachverhalt aufzuzeigen oder aber dem Gericht zumindest weitere, über die Bemühungen des Beklagten hinausgehende Aufklärungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 i. V. m. § 709 S. 1 und 2 ZPO. Die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 135 i. V. m. § 132 Abs. 2 VwGO.