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Entscheidung 9 UF 181/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 02.04.2020
Aktenzeichen 9 UF 181/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:0402.9UF181.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bernau bei Berlin vom 23.07.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf bis 4.477,50 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. In der Sache bleibt das Rechtsmittel aber ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Recht den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 27, 220 FamFG in schwerwiegender Weise nicht nachgekommen ist.

Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Eine solche grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa BGH, FamRZ 2016, 35 m.w.N.).

Das persönliche Fehlverhalten eines Ehegatten in der Zeit nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann - selbst wenn es ohne wirtschaftliche Relevanz geblieben ist - den Ausschluss des Versorgungsausgleichs unter Billigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen. Dies gilt aber nur dann, wenn das Fehlverhalten besonders krass ist oder sonst unter den anderen (ausgleichspflichtigen) Ehepartner belastenden Umständen geschieht und die Durchführung des Versorgungsausgleichs deshalb unerträglich erscheint (vgl. BGH, FamRZ 2014, 105; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl., § 27 VersAusglG Rn. 38). In außergewöhnlichen Fällen kann auch die Verletzung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten (§§ 27, 220 FamFG) zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit führen (vgl. hierzu OLG Naumburg, FamRZ 2007, 1748; Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., § 27 Rn. 63; Borth, Versorgungsausgleichsrecht, 8. Aufl., Kapitel 6 Rn. 56). So liegt der Fall hier.

Der Antragsgegner hat in schwerwiegender Weise gegen seine Mitwirkungspflichten im Versorgungsausgleichsverfahren verstoßen.

Gemäß § 220 Abs. 1 FamFG kann das Gericht bei den nach § 219 FamFG zu beteiligenden Personen, also auch bei den Ehegatten, Auskünfte über Grund und Höhe der Versorgungsanrechte einholen. Es kann die Ehegatten gemäß § 220 Abs. 3 FamFG gegenüber dem Versorgungsträger zu Mitwirkungshandlungen verpflichten, die für die Feststellung der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte erforderlich sind. Die Ehegatten haben gerichtliche Ersuchen und Anordnungen zu befolgen (§ 220 Abs. 5 FamFG). Dies hat der Antragsgegner vorliegend beharrlich nicht getan. Das Versorgungsausgleichsverfahren läuft bereits seit fast sechs Jahren.

Mit Schriftsatz vom 20.05.2014 stellte die Antragstellerin Antrag auf Scheidung der Ehe der Beteiligten. Die Formulare zum Versorgungsausgleich übersandte das Amtsgericht den Ehegatten am 18.08.2014. Der ausgefüllte Fragebogen des Antragsgegners zum Versorgungsausgleich ging am 02.02.2015 bei Gericht ein. Vorausgegangen war eine gerichtliche Erinnerung vom 19.09.2014; die gesetzte Frist war - auf Antrag des damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners - allerdings nur bis zum 17.11.2014 verlängert worden. Mit Schreiben vom 13.02.2015 und 16.03.2015 forderte die Deutsche Rentenversicherung Bund den Antragsgegner auf, näher bezeichnete Lücken im Versicherungsverlauf zu klären und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Der Antragsgegner reagierte darauf nicht. Es erfolgte sodann unter dem 19.03.2015 eine entsprechende gerichtliche Auflage. Nach fruchtlosem Fristablauf setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.04.2015 ein Zwangsgeld fest. Gleiches geschah nochmals unter dem 02.09.2015. Der Antragsgegner zahlte das (zuletzt) festgesetzte Zwangsgeld, ohne die geforderten Mitwirkungshandlungen vorzunehmen. In der Folgezeit beraumte das Amtsgericht einen Anhörungstermin im Versorgungsausgleichsverfahren auf den 09.03.2016 an; der Antragsgegner erschien nicht. Zu dem neuerlich, auf den 20.04.2016 festgesetzten Termin wurde die Vorführung des Antragsgegners durch den Gerichtsvollzieher angeordnet. Die Vorführung scheiterte, weil der Antragsgegner weder Schreiben des Gerichtsvollziehers beantwortete noch zu Hause anzutreffen war. Mit Verfügung vom 23.11.2016 bestimmte das Amtsgericht sodann Termin zur Anhörung auf den 18.01.2017 und erteilte bestimmte Auflagen. Nachdem der Antragsgegner zu diesem Termin nicht erschienen war, ordnete das Amtsgericht am 16.02.2017 gegen ihn Zwangshaft an. Mit Schriftsatz vom 15.12.2017 stellte die Antragstellerin Antrag, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit gemäß § 27 VersAusglG auszuschließen. In dem hierzu anberaumten Anhörungstermin vom 08.08.2018 versprach der Antragsgegner, die fehlenden Unterlagen beizubringen. Die bis zum 15.08.2018 verlängerte Beibringungsfrist hielt er nicht ein. Der Sozialversicherungsausweis der DDR und die Kopie eines Aufhebungsvertrages wurden erst mit Schreiben vom 29.08.2018 zu den Akten gereicht. Das Amtsgericht hob daraufhin mit Beschluss vom 20.09.2018 die Zwangsmaßnahmen (Haftbefehl vom 16.02.2017) auf. Mit Schreiben vom 27.11.2018 und 03.01.2019 forderte die Deutsche Rentenversicherung Bund den Antragsgegner erneut vergeblich auf, Angaben zu bestimmten Lücken im Versicherungsverlauf (01.01.1992 bis 19.07.1993 und 01.10.1995 bis 31.12.1998) zu machen sowie das Abiturzeugnis und ggfs. die Gehaltsbescheinigung für August 2000 vorzulegen. Unter dem 08.02.2019 erging eine entsprechende Anordnung des Amtsgerichts, der der Antragsgegner - trotz mehrerer stillschweigend gewährter Fristverlängerungen - nicht nachkam.

In Anbetracht dieser Gegebenheiten bleibt nur festzustellen, dass der Antragsgegner seinen Mitwirkungswirkungspflichten im Versorgungsausgleichsverfahren (§§ 27, 220 FamFG) in besonders schwerwiegender Weise nicht nachkommt. Er entzieht sich seit nunmehr fast sechs Jahren der Aufklärung seiner in der Ehezeit (01.10.1977 bis zum 31.07.2014, § 3 Abs. 1 VersAusglG) erworbenen Versorgungsanrechte. Das Amtsgericht hat diverse Anordnungen getroffen, Zwangsmaßnahmen angeordnet und auch zahlreiche Anhörungstermine anberaumt, um das Versorgungsausgleichsverfahren zu fördern und zu einem Abschluss zu bringen. Der Antragsgegner zeigte bzw. zeigt sich hierdurch wenig beeindruckt, obwohl er selbst davon ausgeht, ausgleichsberechtigt zu sein. Dies ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift vom 08.08.2018. In diesem Termin wurde der Antrag der Antragstellerin, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG auszuschließen, erörtert und durch das Gericht - ausweislich des Protokolls - auch rechtliche Hinweise erteilt. Der Antragsgegner hat in dem Termin Verständnis für den Antrag seiner geschiedenen Ehefrau geäußert und versprochen, nunmehr die erforderlichen Unterlagen beizubringen. Der Antragsgegner wusste also um die rechtlichen Konsequenzen einer fehlenden Mitwirkung im Versorgungsausgleichsverfahren. Ungeachtet dessen hat er weiterhin nicht im erforderlichen Umfang mitgewirkt. Außer der mit Schreiben vom 29.08.2018 erfolgten Vorlage des Sozialversicherungsausweises der DDR und der Kopie eines Aufhebungsvertrages ist er weiterhin untätig geblieben. Unter dem 03.07.2019 hat das Amtsgericht den Antragsgegner nochmals auf die rechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens (Untätigkeit) hingewiesen und einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit angekündigt. Der gerichtliche Hinweis ist seiner Verfahrensbevollmächtigten auch zugegangen, wie der Beschwerdebegründung vom 23.09.2019 entnommen werden kann. Entgegen der Ansicht der Beschwerde war eine Zustellung des Hinweises an den Antragsgegner persönlich bei anwaltlicher Vertretung - die Vertretungsanzeige datiert vom 07.09.2018 - nicht geboten. Abgesehen davon ist der geschiedene Ehemann in der Sitzung vom 08.08.2018 - wie bereits ausgeführt - bereits hinlänglich belehrt worden. Wie seine Einlassung im Termin und auch sein späteres Verhalten, das Übersenden von Unterlagen, zeigt, hatte er durchaus die Brisanz der Lage erkannt. Für das Vorliegen kognitiver Einschränkungen gibt der Akteninhalt nichts her.

Der gerichtlichen Anordnung vom 08.02.2019, Angaben zu bestimmten Lücken im Versicherungsverlauf (01.01.1992 bis 19.07.1993 und 01.10.1995 bis 31.12.1998) zu machen sowie das Abiturzeugnis und die Gehaltsbescheinigung für August 2000 vorzulegen, ist der Antragsgegner bis heute nicht nachgekommen. Er ist offenbar nicht gewillt, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Anderenfalls hätte er spätestens in der Beschwerdeschrift oder auch noch im laufenden Beschwerdeverfahren die erforderlichen Angaben zu den oben näher bezeichneten Lücken im Versicherungsverlauf gemacht und die fehlenden Unterlagen vorgelegt. In Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht zu Recht von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesehen. Dieser wäre aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses grob unbillig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) sind nicht gegeben.