Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 07.08.2013 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 75/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 14. Februar 2013 abgeändert:
Nr. IV der Entscheidungsformel wird aufgehoben. Das Verfahren, das den Antrag des Antragsgegners betrifft, die Antragstellerin zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung zu verpflichten, wird abgetrennt. Diese Sache wird an das Amtsgericht Senftenberg zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner 81 Prozent. Die Entscheidung, wer restliche 19 Prozent der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat, bleibt der Kostenentscheidung vorbehalten, die in der abgetrennten und zurückverwiesenen Sache zu ergehen hat.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 16.004,80 Euro festgesetzt.
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Scheidung seiner Ehe.
I.
Aus der im Oktober 1977 geschlossenen Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners gingen zwei inzwischen erwachsene Kinder hervor. Als Ehewohnung überließ die Mutter der Antragstellerin den Eheleuten durch Einräumen eines lebenslangen Wohnrechts Räume im oberen Stockwerk des Elternhauses. Im Jahre 2008 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner ihre Scheidungsabsicht mit. Seit November 2010 lebten die Eheleute in der Ehewohnung getrennt voneinander. Jeder führte seinen Haushalt selbst. Die Antragstellerin betreute in dem Elternhaus ihren pflegebedürftigen Vater.
Die Antragstellerin hat die Ehe für zerrüttet und gescheitert gehalten. Der Antragsgegner sei Alkoholiker. 2008 sei er ihr gegenüber handgreiflich geworden. Seitdem habe er kein Interesse an gemeinsamen Unternehmungen mehr. Um den Haushalt habe er sich nicht mehr gekümmert. Seit der Antragsgegner im März 2010 arbeitslos geworden sei, sei das Zusammenleben mit ihm unerträglich gewesen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die am …1977 vor dem Standesamt H… zur Heiratsregisternummer …1977 geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden,
ihr die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen; insoweit wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 22. Mai 2012 verwiesen (Bl. 1 f. WH).
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag, die Ehe zu scheiden und der Antragstellerin die Ehewohnung zuzuweisen, zurückzuweisen.
Für den Fall der Scheidung der Ehe hat der Antragsgegner beantragt,
ihm die Ehewohnung zuzuweisen; insoweit wird auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 30. August 2012 verwiesen (Bl. 1 f. GÜ).
Hilfsweise, nämlich für den Fall einer Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin, hat der Antragsgegner beantragt,
die Antragstellerin zu verpflichten, ab dem Zeitpunkt des Auszuges bzw. der Räumung des Antragsgegners aus der Ehewohnung, belegen im gesamten linken obersten Teil des Wohnhauses … in …, an den Antragsgegner eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 250,00 Euro, zahlbar jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats, zu zahlen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Anträge des Antragsgegners zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat gemeint, es sei nicht gerechtfertigt, die mittlerweile fast 35 Jahre bestehende Ehe zu scheiden. Nach Höhen und Tiefen sei die Ehe wert, erhalten zu werden.
2. Das Amtsgericht hat die Antragstellerin und den Antragsgegner persönlich angehört. Dazu wird auf das Protokoll vom 25. Januar 2013 verwiesen (Bl. 53 ff.).
3. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Ehe geschieden, Anordnungen zum Versorgungsausgleich getroffen, die Ehewohnung der Antragstellerin zugewiesen und den Antrag des Antragsgegners auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung zurückgewiesen.
Das Amtsgericht hat die Ehe für gescheitert gehalten. Es sei nicht zu erwarten, dass die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellten, weil die Antragstellerin dies verweigere. Sie habe dies mit übermäßigem Alkoholgenuss durch den Antragsgegner begründet, für den sich in der Anhörung Anhaltspunkte gezeigt hätten. Auch der Antragsgegner habe erklärt, die Beziehung zur Antragstellerin sei nicht gut. Zudem betrüge sie ihn mit einem anderen Mann.
Die Ehewohnung sei der Antragstellerin zuzuweisen, weil das Grundstück den Eheleuten von der Mutter der Antragstellerin überlassen worden sei und auch der pflegebedürftige Vater der Antragstellerin dort wohne. Der Antragsgegner habe sein Verhältnis zu seinem Schwiegervater als zerrüttet bezeichnet. Zudem beteilige sich der Antragsgegner nicht mehr an der Unterhaltung des Grundstückes.
Den Antrag des Antragsgegners auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung hat das Amtsgericht für unzulässig gehalten. Dieser Anspruch könne nicht auf § 1568 a BGB, sondern allenfalls auf § 745 II BGB beruhen. Das Verfahren richte sich überwiegend nach der Zivilprozessordnung und könne deshalb mit einem Überlassungsverfahren nicht verbunden werden.
4. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Scheidung der Ehe und gegen die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin. Er sei noch immer bereit, die Ehe fortzuführen. Dies scheitere lediglich am ablehnenden Verhalten der Antragstellerin. Er erwarte, dass die Antragstellerin zu ihm halte. Er sei auf ihre Hilfe und Unterstützung angewiesen.
Er sei zudem auf die Nutzung der Wohnung eher angewiesen als die Antragstellerin, die auch auf einem anderen Teil des Grundstückes wohnen könne. Gerade wenn der Vortrag der Antragstellerin zutreffen sollte, dass er Schwierigkeiten im alltäglichen Leben habe, könne es ihm nicht zugemutet werden, die Wohnung zu verlassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 14.02.2013 vollumfänglich aufzuheben,
den Antrag der Antragstellerin, die am …1977 vor dem Standesamt in H… zu Reg.-Nr. …/1977 geschlossene Ehe der Prozessparteien zu scheiden, zurückzuweisen,
für den Fall, dass die Ehe der Beteiligten gleichwohl geschieden werden sollte, die Ehewohnung dem Antragsgegner zuzuweisen; insoweit wird auf die Beschwerdebegründung des Antragsgegners vom 30. April 2013 (Bl. 113) verwiesen,
hilfsweise für den Fall der Ehescheidung und der Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin, diese zu verpflichten, ab dem Zeitpunkt des Auszuges bzw. der Räumung des Antragsgegners aus der Ehewohnung, belegen im gesamten linken obersten Teil des Wohnhauses … an den Antragsgegner eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 250,00 Euro, zahlbar jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats, zu zahlen.
Nach dem Hinweis des Senats, es komme eine Abtrennung des auf die Nutzungsentschädigung gerichteten Antrages in Betracht, beantragt der Antragsgegner
die Zurückverweisung dieses Antrages an das Amtsgericht.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie werde die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder aufnehmen. Der Antragsgegner habe sich in seiner Alkoholabhängigkeit nicht helfen lassen. Eheliche Solidarität könne er nicht mehr verlangen.
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Anlagen Bezug genommen.
5. Der Senat entscheidet, nachdem er auf diese Absicht hingewiesen hat (Bl. 135), ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 III, 68 III 2 FamFG). Das Amtsgericht hat die Eheleute angehört und darüber ein Protokoll erstellt, das ein durch den schriftlichen Vortrag gestütztes Bild der beiderseitigen Auffassungen vermittelt. Die Beschwerdeerwiderung lässt erkennen, dass insbesondere die Ansichten der Antragstellerin im Anhörungsprotokoll und in den Gründen des angefochtenen Beschlusses zutreffend referiert sind. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse in einer erneuten Anhörung gewonnen werden könnten.
II.
Die Beschwerde ist überwiegend unbegründet. Über den auf die Zahlung einer Nutzungsentschädigung gerichteten Antrag hätte das Amtsgericht in diesem Verfahren nicht entscheiden dürfen. Insoweit holt der Senat die Abtrennung nach und verweist diese Sache an das Amtsgericht zurück.
1. Die Ehe ist zu scheiden, weil sie gescheitert ist (§ 1565 I BGB).
Antragstellerin und Antragsgegner leben räumlich getrennt. Sie führen getrennte Haushalte. Keiner sorgt mehr für den anderen. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist damit aufgehoben, und es ist nicht zu erwarten, dass sie wiederhergestellt werden könnte.
Der Antragsgegner, der eheliche Solidarität einfordert und die Antragstellerin für verpflichtet hält, zu ihm zurückzukehren, muss hinnehmen, dass die Ehe allein deshalb gescheitert ist, weil sich die Antragstellerin eventuell einseitig, aber doch endgültig entschlossen hat, sich von dem Antragsgegner abzuwenden und die Ehe nicht fortzusetzen. Es ist nach allen ersichtlichen Äußerungen der Antragstellerin, zuletzt in der Beschwerdeerwiderung, nicht zu erwarten, dass sie ihre Meinung ändern könnte. Eine Chance zur Versöhnung liegt fern.
Der Senat wird nicht die Ansicht des Antragsgegners bewerten, er sei auf die Solidarität und den Beistand seiner Ehefrau gerade in der schwierigen Lebenslage angewiesen, in der er sich derzeit befinde. Dieser Beistand (§ 1353 I BGB) ist mit den Mitteln des Rechts nicht zu erzwingen (§ 120 III FamFG), auch nicht durch das Aufrechterhalten der Ehe gegen den einseitigen Scheidungsantrag. Das Aufrechterhalten einer Ehe ist – ebenso wie ihre Eingehung – vom dauernden Einverständnis beider Eheleute abhängig.
2. Es entspricht der Billigkeit, die Ehewohnung der Antragstellerin zu überlassen (§ 1568 a I BGB). Die umfassende Berücksichtigung aller beiderseitigen Belange und die gebotene Gesamtabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus. Die Herkunft der Wohnung aus ihrer Familie, die Wohnung ihres pflegebedürftigen Vaters auf demselben Grundstück und die von ihr übernommene Pflege des Vaters sind so gewichtige Gesichtspunkte, dass Belange des Antragsgegners dahinter zurückbleiben müssen, auch wenn er sich in einer für ihn schwierigen Lage auf die Suche nach einer neuen Wohnung begeben muss.
3. Über den Anspruch auf Nutzungsentschädigung hätte das Amtsgericht nicht entscheiden dürfen, und die dennoch getroffene Entscheidung führt zur Zurückverweisung dieser Sache.
a) Der Senat holt die vom Amtsgericht fehlerhaft unterlassene Abtrennung des auf die Nutzungsentschädigung gerichteten Antrages nach.
Da der Anspruch nicht auf § 1568 a BGB beruhen kann, sondern allenfalls auf § 745 II BGB (vgl. etwa BGH, NJW 1996, 2153; NJW-RR 2010, 1585), handelt es sich nicht um eine Ehewohnungssache (§ 200 I FamFG) und deshalb nicht um eine Folgesache (§ 137 II 1 FamFG). Andere als Folgesachen dürfen indes nicht mit einer Ehesache verbunden werden (§ 126 II FamFG), auch nicht durch objektive Antragshäufung (Musielak/Borth-Borth/Grandel, FamFG, 4. Aufl. 2013, § 126 Rdnr. 1). Das Amtsgericht hätte das Verfahren über den auf die Nutzungsentschädigung gerichteten Hilfsantrag abtrennen müssen, nachdem die innerprozessualen Bedingungen des Erfolgs des Scheidungsantrages der Antragstellerin und des Misserfolgs des Wohnungszuweisungsantrages des Antragsgegners eingetreten waren.
b) Die Entscheidung in der abgetrennten Sache wird aufgehoben, und diese Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil es den Antrag zu Unrecht für unzulässig gehalten hat und der Antragsgegner die Zurückverweisung beantragt (§§ 117 II 1 FamFG, 538 II 1 Nr. 3 ZPO). Die unzulässige Antragshäufung eröffnete dem Amtsgericht nicht das Ermessen, entweder das Verfahren abzutrennen oder den Antrag als unzulässig abzuweisen. Es hätte abtrennen müssen (vgl. Musielak/Borth-Borth/Grandel, § 126 Rdnr. 4; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 145 Rdnr. 3; Musielak-Stadler, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 145 Rdnr. 2), um dem Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners gerecht zu werden, eine seinen Anspruch betreffende, gegebenenfalls mit Rechtsmitteln anfechtbare Sachentscheidung zu erhalten.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 I, 150 IV 1 FamFG, 97 I ZPO, soweit die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen worden ist. Die anderen Beteiligten haben ein Interesse daran, über diesen mit diesem Beschluss abgeschlossenen Teil des Verfahrens schon jetzt eine Kostenentscheidung zu erhalten. Die Kostenlast ist nicht vom Erfolg des zurückverwiesenen Antrages abhängig. Soweit die Sache zurückverwiesen wird, bleibt die Kostenentscheidung dem Amtsgericht vorbehalten, das die Kostenlast nach dem Erfolg des Antrages zu verteilen haben wird (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 97 Rdnr. 8; BeckOK-ZPO-Jaspersen/Wache, Stand: April 2013, § 97 Rdnr. 23).
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 120 I FamFG, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 55 II, 42 I, 43, 48 I, 50 I 1, 44 I, 33 I 1 FamGKG. Dabei ist der Wert des Antrages auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung des § 41 I 1 GKG mit dem Jahreswert angesetzt worden.
4. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG), besteht nicht.