Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 03.12.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 N 8.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 68 AufenthG |
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das dem Beigeladenen am 12. Dezember 2012, der Beklagten am 13. Dezember 2012 und den Klägern am 17. Dezember 2012 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 10.000 Euro festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von den Klägern dargelegten Gründe, auf deren Grundlage das Zulassungsbegehren im Hinblick auf das Darlegungsgebot (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) zu beurteilen ist, ergeben keinen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt. Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
a) Ernstliche Richtigkeitszweifel haben die Kläger zunächst nicht dargelegt, soweit sie sich gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Zusammenhang mit dessen Feststellung wenden, für die Kläger sei keine Verpflichtungserklärung (§ 68 AufenthG) abgegeben worden.
Die Kläger beanstanden insoweit, dass ihnen das Verwaltungsgericht eine Verlängerung der dreiwöchigen Frist versagt habe, die ihnen zuvor in der mündlichen Verhandlung am 12. November 2012 eingeräumt worden war, um die Sicherung des Lebensunterhalts und des Krankenversicherungsschutzes bis zur Aufnahme in eine private Krankenversicherung zum Basistarif nachzuweisen. Nach den Angaben der Kläger in der Begründung des Zulassungsantrags haben sie sich nach der mündlichen Verhandlung wegen der beabsichtigten Abgabe einer Verpflichtungserklärung durch ihre Tochter an die Ausländerbehörde des Beigeladenen gewandt. Die Ausländerbehörde habe jedoch die Entgegennahme einer solchen Erklärung mit der Begründung abgelehnt, ein ausreichender Krankenversicherungsschutz sei nicht belegt. Mit dem Zulassungsantrag greifen die Kläger die Ausführungen des angefochtenen Urteils (UA S. 7) an, soweit sie sich darauf beriefen, der Beigeladene habe eine Entgegennahme der Verpflichtungserklärung abgelehnt und auf der Beibringung einer Bestätigung von Krankenversicherungsschutz bestanden, sei dies unerheblich, denn es bedürfe gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht der ausdrücklichen Aufnahme einer Verpflichtungserklärung durch die Ausländerbehörde, vielmehr reiche die Wahrung der Schriftform.
Soweit die Kläger unter Bezugnahme auf Renner (AuslR, Komm., 8. Aufl. 2005, § 68 AufenthG Rn. 4; ähnlich Dienelt in: Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 68 Rn. 4) geltend machen, die Verpflichtungserklärung bedürfe einer Entgegennahme durch die Behörde, greifen sie das angefochtene Urteil, welches auf die gesetzlich allein geforderte Schriftform (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) hinweist, nicht mit schlüssigen und nachvollziehbaren Gegenargumenten an. Auch der von Renner (a.a.O.) angeführte Aufsatz von Siehr und Bumke (ZAR 1998, 210) liefert dafür keine nachvollziehbare Begründung. Soweit sich die Autoren (a.a.O., S. 213 f.) auf eine Parallele zum Zivilrecht berufen, wo einseitige Verpflichtungen als Verträge ausgestaltet seien (vgl. §§ 765, 780 BGB), ergibt die Regelung in § 68 AufenthG gerade keinen Anhaltspunkt für eine dem entsprechende Ausgestaltung. Das Bundesverwaltungsgericht leitet deshalb aus einem Vergleich mit den Rechtsinstituten des Schuldversprechens und des Schuldanerkenntnisses (§§ 780, 781 BGB) im Gegenteil ab, dass eine Verpflichtungserklärung keiner vertraglichen Vereinbarung oder Annahme bedürfe (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 – 1 C 33.97 –, juris Rn. 26 ff.). Ebenso wenig überzeugt das Argument, die Behörde habe ein Interesse daran, sich vor „aufgedrängten Verpflichtungen“ zu schützen (Siehr/Bumke, a.a.O., S. 214). Das Vorliegen einer wirksamen Verpflichtungserklärung bedeutet nicht, dass damit die Sicherung des Lebensunterhalts als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ohne weiteres belegt wäre. Zwar ist die Ausländerbehörde gehalten, eine Verpflichtungserklärung bei der Prüfung der Lebensunterhaltssicherung im Rahmen pflichtgemäßer Überzeugungsbildung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 10.12 –, juris Rn. 29). Sie ist deshalb aber durch eine Verpflichtungserklärung nicht derart belastet, dass ihr zu ihrem Schutz die Möglichkeit eingeräumt werden müsste, durch Verweigerung der Entgegennahme die Abgabe einer wirksamen Verpflichtungserklärung zu verhindern.
Dass das Verwaltungsgericht gehalten gewesen wäre, den Klägern eine längere Frist für die Aufnahme einer Verpflichtungserklärung durch den Beigeladenen einzuräumen, ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Kläger, derartige Erklärungen würden von der entgegennehmenden Ausländerbehörde auf einem bundeseinheitlichen fälschungssicheren Formular beglaubigt. Weshalb aus einer solchen behördlichen Verfahrensweise unter Berücksichtigung der Grundsätze des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes und im Hinblick auf das gesetzlich allein bestimmte Schriftformerfordernis (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) verbindliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Abgabe einer Verpflichtung ableitbar sein sollten, legen die Kläger nicht dar. Ebenso wenig ergibt sich dies aus ihrem Argument, bei einem Verzicht auf eine behördliche Entgegennahme oder Beglaubigung könne eine Verpflichtungserklärung abgegeben werden, ohne die nötigen Mittel nachzuweisen, das im Übrigen bereits deshalb nicht überzeugt, weil eine Prüfung der Bonität des Verpflichtungsgebers auch nachträglich erfolgen kann.
Ernstliche Richtigkeitszweifel begründet ferner nicht der Einwand, § 68 AufenthG biete für eine mögliche Abgabe der Verpflichtungserklärung vor dem Notar keinen Anhaltspunkt. Mit der damit angesprochenen Aussage (UA S. 7), soweit mögliche Zweifelsfragen an der Wirksamkeit der Erklärung ausgeräumt werden sollten, biete sich die Abgabe der Erklärung vor einem Notar an, hat das Verwaltungsgericht ersichtlich nicht zugrundegelegt, eine notarielle Beglaubigung der Unterschrift bzw. eine notarielle Beurkundung sei gesetzlich vorgeschrieben. Vielmehr sieht es in der Abgabe der Erklärung vor einem Notar, durch die der in § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgeschriebenen Schriftform ebenfalls Rechnung getragen werden kann (vgl. § 129 Abs. 1 bzw. § 126 Abs. 4 BGB), wegen ihres gesteigerten Beweiswertes offenbar eine Möglichkeit, etwaigen Zweifeln an der Abgabe der Verpflichtungserklärung zu begegnen. Dies stellen die Kläger nicht überzeugend in Frage.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Tochter der Kläger sei nicht gezwungen gewesen, die beabsichtigte Verpflichtungserklärung durch den Beigeladenen beurkunden zu lassen, stellen diese schließlich nicht durch ihr Vorbringen in Frage, der Einräumung einer dreiwöchigen Frist hätte es nicht bedurft, wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hätte, dass auch eine von der Tochter selbst aufgesetzte oder eine bei einem Notar abgegebene schriftliche Erklärung ausgereicht hätte. Dieser Einwand überzeugt bereits deshalb nicht, weil die den Klägern eingeräumte Frist nicht allein die Vorlage einer Verpflichtungserklärung ermöglichen, sondern den Klägern zugleich Gelegenheit geben sollte, einen Krankenversicherungsschutz für die Dauer bis zur Aufnahme in ein Krankenversicherungsverhältnis nach dem Basistarif nachzuweisen. Soweit in dem Einwand der Vorwurf anklingt, das Verwaltungsgericht hätte auf die von ihm angenommene Möglichkeit der Abgabe einer Verpflichtungserklärung ohne förmliche Entgegennahme durch die Ausländerbehörde hinweisen müssen, legen die Kläger, die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertreten waren, nicht hinreichend dar, weshalb das Gericht einen Anlass für einen derartigen Hinweis hätte sehen müssen. Nach den Darlegungen der Kläger ist nicht ersichtlich, dass das Gericht hätte erkennen müssen, das sie der Auffassung waren, zum Nachweis einer den Lebensunterhalt sichernden Verpflichtungserklärung bedürfe es zwingend einer Entgegennahme durch die Ausländerbehörde. Dagegen spricht vielmehr, dass sich die Kläger unter solchen Umständen in ihrem wohlverstandenen Interesse nicht ohne weiteres damit einverstanden hätten erklären dürfen, dass über die Klage nach Ablauf der dreiwöchigen Frist ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden wird.
b) Ernstliche Richtigkeitszweifel am Ergebnis des angefochtenen Urteils legen die Kläger ebenso wenig mit ihrem Vorbringen dar, das Verwaltungsgericht habe in den mit 2.558,94 Euro veranschlagten Bedarf zu Unrecht einen Wohnkostenbetrag in Höhe von 550 Euro eingerechnet.
Die Kläger beanstanden insoweit, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass ihre Tochter ihnen ein Wohnrecht in ihrer Wohnung in der G... eingeräumt habe, die nicht vermietet sei. Demgegenüber sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, die Einräumung des Wohnrechts beziehe sich auf die in der K... Straße gelegene Wohnung, die vermietet sei und deshalb von den Klägern alsbald nicht bezogen werden könne.
Dieser Einwand vermag nicht durchzugreifen, weil die Kläger die Erheblichkeit der beanstandeten Tatsachenfeststellung für das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht dargelegt haben. Das Verwaltungsgericht hat die Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) mit der Begründung verneint, zur Deckung des auf 2.558,94 Euro veranschlagten Bedarfs reiche das weniger als 300 Euro betragende Renteneinkommen der Kläger nicht aus, und eine Bedarfsdeckung durch eine Verpflichtungserklärung hätten die Kläger nicht nachgewiesen. Es komme ferner kein Absehen vom Regelerfordernis der Lebensunterhaltssicherung in Betracht, da die Kläger vorgetragen hätten, eine Bedarfssicherung sei aus Vermögen und Einkommen ihrer Familienangehörigen möglich; unter diesen Umständen sei es ihnen zuzumuten, die zur Übernahme von Unterhaltsverpflichtungen bereiten Familienangehörigen zur Abgabe der notwendigen Erklärungen zu veranlassen. Weshalb sich an dieser ansonsten nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen Beurteilung etwas hätte ändern müssen, wenn das Verwaltungsgericht von einem Bedarf von 2.008,94 Euro statt 2.558,94 Euro ausgegangen wäre, legen die Kläger nicht dar.
3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so ist hierfür erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die Kläger formulieren als grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen, „ob beim Familiennachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG bei Personen, denen die Sicherung des Lebensunterhalts durch eigene Erwerbstätigkeit unmöglich ist und die damit nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind (§ 5 Abs. 10 Satz 1 SGB V), von der Regelerteilungsvoraussetzung des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes abgesehen werden kann“, bzw. „ob der Gesetzgeber bei der Einführung der (privaten) Krankenversicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1 a VAG ab 1. Januar 2009 noch im Ausland lebende Familienangehörige im Sinne von § 36 AufenthG erfassen wollte“. Sie legen indes nicht dar, dass diese Fragen für die angegriffene Entscheidung entscheidungserheblich waren.
4. Die Berufung ist nicht wegen eines der Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), zuzulassen. Die Kläger haben mit den Einwendungen gegen die Nichtverlängerung der in der mündlichen Verhandlung gesetzten Frist, in denen zugleich eine Verfahrensrüge zu sehen sein könnte, einen solchen Verfahrensfehler nicht substanziiert und schlüssig dargelegt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (unter 1. a) verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).