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Entscheidung 13 V 13127/10


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 29.07.2010
Aktenzeichen 13 V 13127/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich mit der am 11. Mai 2010 bei dem Finanzgericht -FG- erhobenen Klage, die bei dem Senat unter dem Aktenzeichen 13 K 13117/10 anhängig ist, gegen die von dem Antragsgegner am 11. September 2009 erlassenen Bescheide über die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer, den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für die Jahre 2004 und 2005 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2010. Er hält das angerufene FG im Klageverfahren allerdings für unzuständig und beantragt die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht -AG- M, welches den Antragsgegner zu verurteilen habe, die aufgrund ungültiger Steuergesetze ergangenen Steuerbescheide aufzuheben.

Zur Begründung der Klage trägt der Antragsteller vor, die Behauptung des Antragsgegners, er - der Antragsteller - habe in den Streitjahren auf eigene Rechnung und Gefahr Leistungen gegen bestimmte Einnahmen erbracht, sei zum einen falsch und zum anderen in der Sache unerheblich. Alle Maßnahmen des Antragsgegners seien schon einfach- gesetzlich nicht von einer Rechtsgrundlage gedeckt. Weder im Umsatzsteuergesetz -UStG- noch im Einkommensteuergesetz -EStG- noch in der Abgabenordnung -AO- sei Art. 19 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz -GG- beachtet worden. In diesen Gesetzen hätte der Grundrechtseingriff punktuell beachtet werden müssen. Dies hätte der Antragsgegner auch beachten müssen, ohne dass das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- die Ungültigkeit der Gesetze festgestellt habe. In den bezeichneten Steuergesetzen würden Grundrechtseingriffe vorgenommen. Die Folge sei, dass die betreffenden Gesetze ungültig sein. Die Missachtung der Art. 19 Abs. 1 und/oder Abs. 2 GG seien Umstände, die die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu verändern, auszulegen oder abzuschaffen suchten. Dabei handele es sich um einen schweren Straftatbestand.

Damit sei die Sache aber keine Angelegenheit, die gemäß § 33 Finanzgerichtsordnung -FGO- den Finanzgerichten zugewiesen sei. Auch sei der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- nicht eröffnet, da dort eine zu große Staatsnähe vorhanden sein könne. Zuständig sei nach Art. 19 Abs. 4 S. 2, 2. Hs. GG das ordentliche Gericht, mithin das AG. Es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art, die der einfach-gesetzlichen Betrachtung vorgeschaltet sei.

Mit dem zugleich bei dem FG gestellten Antrag auf unverzügliche Beseitigung der Grundrechtsverletzung begehrt der Antragsteller die Aufhebung jeglicher Vollstreckungsmaßnahmen. Dazu sei das FG trotz grundsätzlicher Unzuständigkeit zuständig, um der Unverletzlichkeitsgarantie des Art. 1 Abs. 2 GG zu entsprechen.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kann keinen Erfolg haben.

1. Nach dem Vorbringen des Antragstellers, es handele sich bei der von ihm angebrachten Klage um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bereits unzulässig.

a) Für verfassungsrechtliche Streitigkeiten ist der Finanzrechtsweg (§ 33 FGO) nicht eröffnet. Abweichend von der Regelung des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ergibt sich dies nicht aus dem Wortlaut des § 33 FGO. Allerdings ist dies aus Art. 93 GG sowie den dazu ergangenen Spezialvorschriften der §§ 10, 13 Nr. 5 bis 8 Bundesverfassungsgerichtsgesetz -BVerfGG- bzw. Art. 84 Abs. 2 Verfassung von Berlin -VvB- sowie der dazu ergangenen Spezialvorschrift des § 14 Gesetz über den Verfassungsgerichtshof Berlin -VerfGHG- zu ersehen (vgl. Gräber/Koch, FGO § 33 Rn. 1).

Diese für das Klageverfahren geltenden Erwägungen sind auf die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ebenfalls anzuwenden. Sowohl das Antragsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO als auch das Anordnungsverfahren nach § 114 FGO sind Nebenverfahren zu den Hauptsacheverfahren und unterliegen damit denselben Sachentscheidungsvoraussetzungen (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-, Beschluss vom 16. Juli 1985 -VII B 53/85-, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1985, 553; BFH, Beschluss vom 15. März 1994 -IX B 151/93-, BStBl II 1994, 519, 520; vgl. auch Gräber/Koch, FGO § 69 Rn. 26 sowie § 114 Rn. 3).

Diese Anforderungen verletzen den Rechtsschutzsuchenden auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Er kann auch in Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art effektiven einstweiligen Rechtsschutz erlangen. § 32 BVerfGG und § 31 VerfGHG sehen die Möglichkeit vor, auf den Erlass einstweiliger Anordnungen durch das jeweilige Verfassungsgericht hinzuwirken.

b) Eine Verweisung des Rechtsstreits an ein Verfassungsgericht kommt indessen nicht in Betracht.

Die §§ 17 bis 17 b Gerichtsverfassungsgesetz -GVG- finden keine Anwendung auf verfassungsrechtliche Streitigkeiten, da sie die Rechtswegentscheidung und Rechtswegverweisung regeln. Die Anrufung der Verfassungsgerichte ist jedoch kein Rechtsweg, wie etwa § 90 Abs. 2 BVerfGG zeigt, der gerade die Erschöpfung des Rechtsweges fordert. Im Übrigen gehen die genannten Normen von einer konkurrierenden Rechtswegzuständigkeit aus. Die Verfassungsgerichte stehen nicht neben, sondern über den sonstigen Gerichtsbarkeiten. Demgemäß ist eine Rechtswegverweisung der Verwaltungsgerichte an ein Verfassungsgericht unzulässig (vgl. Ehlers in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner VwGO, Vorbemerkung § 17 GVG Rn. 25 m.w.N.).

2. Aber auch, wenn man in rechtsschutzgewährender Auslegung (vgl. nur BFH, Beschluss vom 29. Januar 2007 -IX B 181/05-, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFH/NV- 2007, 1511 m.w.N.), die auch bei beraterlich vertretenen Betroffenen denkbar ist (vgl. BFH, Urteil vom 27. Mai 2004 -IV R 48/02-, BStBl II 2004, 964, 966 f.), von einem die o. a. Steuerbescheide betreffenden Klageverfahren als abgabenrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 33 FGO ausgehen will, ergibt sich daraus kein für den Antragsteller günstiges Ergebnis.

a) Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO ist gegenüber dem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO subsidiär (§ 114 Abs. 5 FGO). Das bedeutet, dass er nicht statthaft ist, wenn eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs.3 FGO in Betracht kommt (vgl. BFH, Beschluss vom 11.Januar 1984 -II B 35/83-, BStBl II 1984, 210).

Da die vom Antragsgegner angegebenen Steuerbescheide mit Ausnahme der Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerbescheide, die zu den Einkommensteuerbescheide in einem Folgeverhältnis stehen, vollziehbare Verwaltungsakte darstellen, ist vorläufiger Rechtsschutz, der auf die Rechtswidrigkeit dieser Steuerbescheide gestützt wird, im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO und nicht mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltend zu machen (vgl. BFH, Beschluss vom 25. November 1997 -VII B 188/97-, BStBl II 1998, 227, 229).

Ein so verstandener Antrag wäre unzulässig. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch das FG nach § 69 Abs. 3 FGO nur zulässig, wenn die Behörde einen bei ihr gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Es ist nach dem - angesichts der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung entscheidenden - Vorbringen der Beteiligten nicht ersichtlich, dass diese Sachentscheidungsvoraussetzung, die bei Stellung des Antrages bei Gericht bereits erfüllt sein muss (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Koch FGO § 69 Rz. 70 a.E.), erfüllt ist.

Er wäre jedoch auch unbegründet. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unklarheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken, wobei der Erfolg des Rechtsbehelfs nicht wahrscheinlicher sein muss als der Misserfolg (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Februar 1967 -III B 9/66-, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung).

Der Antragsteller hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich derzeit ernstliche Zweifel im vorbezeichneten Sinn ergeben. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch den Senat sind zumal gegenüber dem beraterlich vertretenen Antragsteller angesichts der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht erforderlich (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Februar 1989 -IV B 33/88-, BStBl II 1989, 516, 517). Insbesondere ist, da der Antragsteller die Einspruchsentscheidung, aus der sich etwa vorhergehender Vortrag ergeben könnte, nicht vorgelegt hat, nicht nachvollziehbar, in welchem der angeführten Gesetze bei welcher Bestimmung das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt worden sein soll. Dieses wäre jedoch notwendig gewesen, da der Gesetzgeber entgegen der Behauptung des Antragstellers etwa in § 413 AO eine entsprechende Regelung aufgenommen hat.

b) Schließlich hätte der Antragsteller auch keinen Erfolg, wenn man sein Begehren angesichts der vom Antragsgegner bestätigten Angabe, dass eine Zwangshypothek eingetragen worden ist, als einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO ansehen will.

Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BFH an, wonach ein Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Ablehnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 258 AO) nicht ausschließt, weil beide Verfahren nicht denselben Verfahrensgegenstand haben (vgl. nur BFH, Urteil vom 3. November 1970 -VII R 43/69-, BStBl II 1971, 114). Dem Vollstreckungsschuldner wird demnach - unabhängig von etwaigen Rechtsbehelfen gegen die der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsakte oder ihre Vollziehung - ein anerkennenswertes Interesse daran zugebilligt, sich gegen die Zwangsvollstreckung selbst mit der Begründung wehren zu können, dass diese unbillig i.S.d. § 258 AO sei. Sein auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung oder Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 258 AO gerichtetes Begehren kann der Vollstreckungsschuldner auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen (vgl. BFH, Beschluss vom 21. August 1990 - VII B 71/90-, BFH/NV 1991, 396 m.w.N.).

Ein so verstandener Antrag wäre jedoch jedenfalls unbegründet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung - hier zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO) - setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Es ist schon nicht erkennbar, dass ein Anordnungsgrund vorliegt. Der Antragsteller würde mit dem Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) eine Regelungsanordnung durch das Gericht i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO begehren. Die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Gründe ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt") setzen Maßstäbe für die Beurteilung der Frage, ob ein "anderer" Anordnungsgrund vorliegt. Er müsste so schwerwiegend sein, dass er die einstweilige Anordnung unabweisbar macht. Danach kommt eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände müssen über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei einer Vollstreckung zu erwarten sind (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschlüsse vom 4. April 1989 -VII B 35/85-, BFH/NV 1989, 714, und vom 25. Februar 1997 -VII B 231/96-, BFH/NV 1997, 428, 429 jeweils m.w.N.).

Der Antragsteller hat solche die Existenz bedrohenden wesentlichen Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Er hat nichts Substantielles dazu vorgetragen, geschweige denn präsente Beweismittel dazu vorgelegt, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang seine Existenzgrundlage durch die Steuerfestsetzungen beeinträchtigt würde.

Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, dass der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch nach § 258 AO weder schlüssig dargelegt noch glaubhaft gemacht hat. Schon bei Fehlen einer der beiden Voraussetzungen (Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund), kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (vgl. BFH, Beschluss vom 25. Februar 1997 -VII B 231/96-, BFH/NV 1997, 428, 429).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.