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Einziehung eines Jagdscheines; Widerruf von Waffenbesitzkarten; Widerruf einer Munitionserwerbsberechtigung; Unzuverlässigkeit; Regelvermutung; nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe durch Beschluss; Tatmehrheit: Vortäuschen einer Straftat und Insolvenzverschleppung; Gesamtgeldstrafe in Höhe von 110 Tagessätze; Ausnahme (keine)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 27.01.2012
Aktenzeichen OVG 11 N 30.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 4 Abs 1 Nr 2 WaffG, § 5 Abs 2 Nr 1a WaffG, § 45 Abs 2 S 1 WaffG, § 17 Abs 1 Nr 2 BJagdG, § 18 BJagdG, § 53 StGB, § 54 StGB, § 55 StGB, § 460 StPO, § 6 BZRG, § 32 Abs 1 S 1 BZRG, § 32 Abs 2 Nr 5a BZRG

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Februar 2010 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 16.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 widerrief der Beklagte gegenüber dem Kläger dessen Waffenbesitzkarte nebst Munitionserwerbsberechtigung und dessen andere Waffenbesitzkarte, erklärte dessen Jagdschein für ungültig, zog diesen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein und setzte für die Neuerteilung eines Jagdscheines eine Sperrfrist bis zum 31. Dezember 2011 fest. Weiter forderte er ihn auf, die Waffenbesitzkarte und den Jagdschein unverzüglich an ihn zurückzugeben und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung in Bezug auf die angeordnete Rückgabe des Jagdscheines ein Zwangsgeld in Höhe von 1000,00 Euro an. Weiter forderte er ihn auf, sechs näher bezeichnete Schusswaffen sowie die Munition innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Bescheides einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar machen zu lassen und dies unverzüglich nachzuweisen. Zur Begründung des auf §§ 45 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 2 des Waffengesetzes (WaffG) sowie §§ 18, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) gestützten Widerrufs führte der Beklagte an, dass nachträglich die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bzw. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG die Versagung der jeweiligen Erlaubnis begründende Tatsache der Unzuverlässigkeit eingetreten sei, da der Kläger mit seit dem 2. und 14. Dezember 2006 rechtskräftigen Urteilen wegen Vortäuschens einer Straftat bzw. Insolvenzverschleppung zu Geldstrafen in Höhe von 50 bzw. 70 Tagessätzen verurteilt worden sei, welche im Nachhinein zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zusammengefasst worden seien. Besondere Umstände, die die gesetzliche Vermutung der Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 1 a) WaffG entkräften könnten, lägen nicht vor. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 25. Februar 2010 abgewiesen. Der Kläger hat gegen das am 23. März 2010 zugestellte Urteil am 20. April 2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am 25. Mai 2010, dem Dienstag nach Pfingstmontag, begründet.

II.

Der gegen das Urteil vom 25. Februar 2010 gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Darlegungen zum zunächst geltend gemachten Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -) rechtfertigen die Zulassung nicht.

Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten angegriffen wird und im Ergebnis eine andere als die angegriffene Entscheidung ernsthaft in Betracht kommt (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rz. 15). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Das Vorbringen des Klägers, das die Prüfung des Gerichts, ob eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 a) WaffG vorliegt, angreift, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 a) WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel u.a. Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Nach der vom Verwaltungsgericht – insoweit vom Kläger unbeanstandet - in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 21. Juli 2008 - 3 B 12.08 -, juris Rz. 5 f. m.w.N.) kann die – vorliegend bejahte - Vermutung der Unzuverlässigkeit nur bei Vorliegen solcher Umstände als ausgeräumt erachtet werden, die einen Ausnahmefall kennzeichnen. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzes in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der für den Waffenbesitz vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen nicht gerechtfertigt sind. Die Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet ist, erfordert danach eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt.

Hiernach rechtfertigt das Vorbringen des Klägers keine Ausnahme von der Regelvermutung. Der Kläger macht insoweit geltend, es sei fehlerhaft, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, es handele sich um keine Bagatellen, obwohl es selbst festgestellt habe, dass sich die Verurteilungen des Klägers am unteren Rand des Strafmaßes bewegt hätten. Gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei den Straftaten des Klägers um keine Bagatellen gehandelt habe, ist bei summarischer Prüfung im Ergebnis nichts zu erinnern. Selbst bei 60 Tagessätzen handelt es sich im Fall einer Erstverurteilung um einen Mittelwert, der der Tatsache Rechnung trägt, dass in der Praxis der Gerichte 60 Tagessätze durchaus ein erhebliches Unwerturteil bei einer Geldstrafe darstellen, das einiges Gewicht der konkreten Tat voraussetzt; Bagatelltaten werden hier nicht erfasst (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Juni 2010 - OVG 11 S 73.08 -; S. 3 des E.A. und vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum WaffRNeuRegG, BR-Drucksache 596/01 S. 102). Außerdem ist der Kläger zweimal verurteilt worden (§ 5 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. WaffG).

Angesichts dieses Befundes fallen die weiteren Argumente des Klägers gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es liege keine Bagatelle vor, kaum noch ins Gewicht. Sie sind aber bei summarischer Prüfung auch jeweils nicht überzeugend. Soweit der Kläger meint, das Gericht habe es unterlassen zu berücksichtigen, dass an Zahlungsverbindlichkeiten beider Unternehmen (bei Tatbegehung) ausschließlich Darlehen an die kreditgebenden Banken zu bedienen gewesen seien, führt das aber nicht dazu, dass deswegen im Ergebnis die Richtigkeit der das Urteil tragenden Beurteilung, eine Ausnahme von der Regelvermutung liege nicht vor, ernstlich zweifelhaft wäre, da dieser Umstand – als gegeben unterstellt – nicht derart außergewöhnlich ist, dass er die Straftat in einem besonders milden Licht erscheinen lässt. Im Übrigen zeigt der Fall gerade, dass letztlich durch eine verschleppte Insolvenz doch mehr Gläubiger geschädigt sein können als nur diejenigen, denen man während der Tatbegehung Geld schuldet. Auch ist es ohnehin nicht näher dargelegt oder ersichtlich, warum die kreditgebenden Banken als weniger schutzwürdig anzusehen sein sollten als andere Gläubiger. Soweit der Kläger weiter geltend macht, dass sich die Gläubiger ausschließlich auf seinen angeschlagenen Gesundheitszustand bezogen und dementsprechend eine Darlehenskündigung vorgenommen hätten, so ist dieses Verhalten der Gläubiger nicht als außergewöhnlicher Umstand einzuschätzen, der das Absehen von seinen Pflichten als Geschäftsführer in anderem Licht erscheinen ließe. Offenbar waren beide Gesellschaften vom Gesundheitszustand des Klägers stark abhängig; in solchen Fällen ist es naheliegend und nicht ungewöhnlich, dass die Gläubigerbanken ihre Darlehen kündigen. Dass die Gläubigerbanken nicht von ihrem Recht auf Stellung eines Insolvenzantrages Gebrauch gemacht haben, entbindet den Kläger nicht von seinen Pflichten. Der Vortrag des Klägers hinsichtlich der möglicherweise durch schlüssiges Verhalten gegebenen Stundung von Zinszahlungen und Tilgung ist rein spekulativ und daher unbeachtlich. Der Vortrag, dass „das geschützte Rechtsgut einer Insolvenzverschleppung, namentlich der Schutz der rechtlichen Interessen der Gläubiger“ in keinem Moment gefährdet gewesen sei, ist schon nicht schlüssig, da unsubstantiiert und bereits durch die strafrechtliche Verurteilung des Klägers widerlegt und kann daher auch im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmefalls nicht berücksichtigt werden. Soweit der Kläger im Übrigen auf die Klagebegründung nebst Anlagen verweist, genügt dies den Darlegungserfordernissen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Soweit er in Bezug auf das Vortäuschen einer Straftat vorträgt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die charakterlichen Unzulänglichkeiten, welche durch die Verurteilung indiziert seien, hier nicht vorliegen könnten, da der Kläger aufgrund seiner körperlichen schweren Erkrankung und der Situation seiner Unternehmen in einem „Ausnahmezustand“ gewesen sei, überzeugt dies bei summarischer Prüfung nicht, da schon nicht schlüssig dargelegt wird, inwieweit der angebliche Ausnahmezustand des Klägers mit der Tat zusammenhängen soll, die der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landgerichts Berlin im Urteil vom 24. November 2006 vielmehr „aus Prinzip“ (Gliederungspunkt IV. des Urteils) bzw. nach den dort (unter Gliederungspunkt II.) festgestellten eigenen Angaben des Klägers begangen hat, um dem „System“ klarzumachen, dass es ausreicht sich zu entschuldigen und „dass man dann keine Strafe mehr zu zahlen braucht“. Zu diesen Feststellungen stehen seine jetzigen Ausführungen zu einem angeblichen Ausnahmezustand, der zur Tatbegehung geführt habe, im Widerspruch und erscheinen daher als reine Schutzbehauptung. Warum sich die „Fehlerhaftigkeit der Würdigung des Gerichts“ in Bezug auf die erste Verurteilung (wegen Vortäuschens einer Straftat) bereits daraus ergeben solle, dass das Gericht selbst zu dem Ergebnis gekommen sei, dass „im Hinblick auf die Insolvenz dem Kläger kein völlig unverantwortliches Verhalten vorzuwerfen sei“, erschließt sich dem Senat nicht und wird auch nicht weiter erklärt.

Die Kritik des Klägers an den folgenden hilfsweisen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung der Situation, „wenn man die beiden strafrechtlichen Verurteilungen jeweils für sich genommen als Ausnahmefall einstufen wollte“, kann ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteil schon deshalb nicht begründen, weil diese Ausführungen nicht tragend sind.

Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist schon nicht begründet dargelegt. Es genügt insoweit nicht, wenn der Kläger ohne weitere Erläuterung formelhaft behauptet, das tatsächliche Geschehen, dessen rechtliche Würdigung und die Bewertung durch das erkennende Gericht ließen diese Schwierigkeiten erkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).