Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 05.12.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 N 1.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 Abs 1 BauGB, § 134 Abs 1 BauGB, § 154 Abs 1 S 1 BauGB, § 159 Abs 5 BauGB |
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 2011 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 18.837,03 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin ist eine vom Land Berlin im Jahre 2000 gegründete landeseigene privatrechtliche Gesellschaft zur Verwertung von Grundstücken des Landes Berlin. Zur Erfüllung dieses Zwecks erhielt sie vom Land Berlin mit notariellem Vertrag vom 31. Oktober 2001 treuhänderisch und unentgeltlich u.a. das Eigentum an vier Grundstücken in Berlin-Lichtenberg (H..., S... und A...Flurstück ...) übertragen und wurde alsbald danach im Grundbuch eingetragen. Nach erstmaliger endgültiger Herstellung von Fahrbahn, Gehwegen, Beleuchtung, Entwässerung und Grünanlagen der Straße A... beschloss das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin am 27. Februar 2006 Kostenspaltung und zog die Klägerin mit Bescheiden vom 6. Oktober 2006, bestätigt durch Widerspruchsbescheide vom 18. Juni 2007, zu Erschließungsbeiträgen für ihre vier durch die Straße A... erschlossenen Grundstücke in Höhe von insgesamt 18.837,03 € heran. Mit ihrer Klage vom 19. Juli 2007 hat die Klägerin geltend gemacht, als bloße Treuhänderin sei sie nicht erschließungsbeitragspflichtig. Mit Urteil vom 9. März 2011 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin treffe als im Zeitpunkt der Zustellung der Beitragsbescheide im Grundbuch eingetragene Eigentümerin die Erschließungsbeitragspflicht. Zwar unterlägen gemeindeeigene Grundstücke nicht der Beitragspflicht. Die hier in Rede stehenden Grundstücke stünden aber nicht im Eigentum der Gemeinde. Der bundesrechtliche Begriff des (Grundbuch-)Eigentümers lasse ein Abstellen auf den wirtschaftlichen Eigentümer nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Kläger, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Maßgebend sind dabei allein die innerhalb der gesetzlichen Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe.
1. Auf der Grundlage der Darlegungen der Kläger sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht gegeben. Mit dem Zulassungsantrag werden schlüssige Gegenargumente, die einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung in Frage stellen würden, nicht vorgetragen (hierzu vgl. etwa Beschluss des Senats vom 31. August 2012 - OVG 5 N 1.10 -, juris Rn. 7; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15).
Das Verwaltungsgericht hat die Klägerin zu Recht als erschließungsbeitragspflichtig angesehen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Klägerin gehen fehl.
Soweit die Klägerin meint, sie könne mit den üblichen, mit der Gemeinde nicht identischen Schuldnern nicht gleichgestellt werden, sie sei nicht nur durch das gesellschaftsrechtliche Beherrschungsverhältnis, sondern auch durch den Grundstückübertragungs- und Treuhandvertrag so eng an den Beklagten gebunden, dass ihr keinerlei nennenswerte eigenständige Positionen und Rechtsstellungen verblieben, sie übe einzig und allein eine fremdnützige Treuhand zugunsten des Beklagten aus, eine abstrakte Beitragspflicht könne für sie nicht entstehen, trägt sie Umstände vor, die das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil unter Hinweis auf den bundesrechtlichen Eigentümerbegriff und den Ausschluss der Beitragspflicht nur bei einer Identität von Gläubiger und Schuldner - zu Recht - für nicht durchgreifend erachtet hat.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit der Anordnung der Beitragspflicht bei demjenigen, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist, aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf den - im Grundbuch eingetragenen [oder ihm kraft Gesetzes nachfolgenden] - Eigentümer, nicht aber auf den Begriff des „wirtschaftlichen Eigentümers" abstellt (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Mai 1979 - BVerwG IV C 25.76 -, juris Rn. 45). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - der „wirtschaftliche Eigentümer“ und die beitragserhebende Gemeinde identisch sind, denn auch in diesem Fall beanspruchen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Geltung. Träfe die Gegenansicht der Klägerin zu, würde über die u.a. für die Verjährung wichtige Frage des Zeitpunktes des Entstehens der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht nicht anhand des Grundbuchs, sondern anhand einer unter Umständen kontroversen Auslegung der Bestimmungen der Grundstücksübertragungs- und Treuhandverträge vom 9. November 2000 und vom 31. Oktober 2001 entschieden. Hindert ihre Treuhandstellung für die beitragserhebende Gemeinde die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag nicht, kann diese sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen, wonach im Hinblick auf § 133 Abs. 1 BauGB die abstrakte Beitragspflicht für ein gemeindeeigenes (nicht mit einem Erbbaurecht belastetes) Grundstück von vornherein nicht entstehen kann, weil - jedenfalls im bundesrechtlich geregelten Erschließungsbeitragsrecht - „niemand sein eigener Schuldner sein kann“ (vgl. Urteile vom 21. Oktober 1983 - BVerwG 8 C 29.82 -, juris Rn. 26, und vom 5. Juli 1985 - BVerwG 8 C 127.83, juris Rn. 25 f.). Denn - wie gesagt - handelt es sich um kein gemeindeeigenes Grundstück, die Gefahr einer Konfusion von Schuld und Forderung kann nicht bestehen, wenn die Klägerin als mit der Gemeinde nur wirtschaftlich identisch der persönlichen Beitragspflicht nach § 134 Abs. 1 BauGB unterliegt (zutreffend Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Dezember 2007 - VG 13 A 36.06 - S. 3 des amtl. BA, und im Ergebnis ebenso Beschluss des 10. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Juli 2008 - OVG 10 S 2.08 -, juris Rn. 10).
Das gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Eigentümerbegriff in § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB gerichtete Argument der Klägerin, im Sanierungsrecht würden auch Grundstücke im Treuhandvermögen eines Sanierungsträgers aus der Ausgleichszahlungspflicht wegen der Identität von Gläubiger und Schuldner herausfallen, überzeugt nicht. Dabei mag dahinstehen, ob die Ausgleichsbetragspflicht des Eigentümers nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB tatsächlich - wie die Klägerin meint - mit der Erschließungsbeitragspflicht in einem Maße vergleichbar ist, dass bezüglich des Begriffs des Eigentümers als Beitragsschuldner in beiden Rechtskreisen einheitliche Grundsätze gelten müssten. Denn jedenfalls vermag die von der Klägerin einzig zum Beleg der Richtigkeit ihrer Ansicht herangezogene Kommentarstelle bei Köhler in Schrödter, BauGB, 7. Aufl., 2006, § 154 Rn. 9, dass zu den gemeindeeigenen Grundstücken, bei denen die Ausgleichsbetragspflicht entfalle, weil Gläubiger und Schuldner identisch seien, auch Grundstücke im Treuhandvermögen des Sanierungsträgers zählten, da diese wirtschaftlich der Gemeinde gehörten, schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Ausgleichsbetragspflicht der Sanierungsträger in § 159 Abs. 5 BauGB eine ausdrückliche Regelung erfahren hat (vgl. hierzu Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2014, Rn. 44 zu § 154). Abgesehen davon taugt die Aussage der Kommentarstelle, dass die Grundstücke im Treuhandvermögen der Sanierungsträger wirtschaftlich der Gemeinde gehörten, als Anlass der Fragestellung, nicht aber als Begründung einer Antwort. Der Hinweis der Klägerin in ihrem Ergänzungsschriftsatz vom 15. August 2011, der Beklagte würde der im Kommentar von Schrödter vertretenen Auffassung im Sanierungsrecht folgen und habe regulatorische Maßnahme ergriffen, um die damit verbundene Rechtsfolge für Berlin abzuwenden, hilft über die Lückenhaftigkeit der Argumentation der Klägerin nicht hinweg. Der Inhalt des Begriffs des Eigentümers ist nicht den Verwaltungsanweisungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu sanierungsbedingten Ausgleichsbeträgen, sondern § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu entnehmen.
Der Hinweis der Klägerin auf den erschließungsbedingten Vorteil, der beim Beklagten in Form höherer Verkaufspreise erschlossener Grundstücke verbleibe, rechtfertigt ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die mit der Erschließung verbundene (bessere) Erreichbarkeit des Grundstücks wird sich zwar in der Regel tatsächlich in einem höheren Kauf- oder Pachtpreis für das Grundstück niederschlagen. Ob dieser Vorteil aber bei dem (im Grundbuch eingetragenen) Eigentümer verbleibt oder aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit dem wirtschaftlichen Eigentümer von diesem vereinnahmt wird, ist für die Frage des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht und für die persönliche Beitragspflicht ohne Belang. Bei der hier im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit anzustellenden formalen Betrachtung müssen die Regelungen der Grundstücks- und Treuhandverträge vom 9. November 2000 und vom 31. Oktober 2001 außer Betracht bleiben (so zutreffend VG Berlin, Beschluss vom 21. Dezember 2007, a.a.O.).
Zuzustimmen ist der Klägerin deshalb darin, dass § 4 Abs. 5 des Vertrages vom 31. Oktober 2001 mit der Unterscheidung in erschließungsbeitragsfrei übereignete Grundstücke und solche Grundstücke, bei denen die Klägerin wie jeder andere Anlieger zum Erschließungsbeitrag herangezogen werden kann, die Erschließungsbeitragspflicht dem Grunde nach unberührt lässt. Das hat das Verwaltungsgericht nicht anders gesehen. Es hat mit der genannten Vertragsklausel lediglich seine Ansicht begründet, dass der Heranziehung der Klägerin zu Erschließungsbeiträgen nicht die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden kann.
Gleiches gilt im Ergebnis für die vom Verwaltungsgericht angeführten Ansichten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Senatsverwaltung für Finanzen zur Erschließungsbeitragspflicht der Klägerin. Die Äußerungen von Vertretern der Senatsverwaltungen waren für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht tragend („Im Übrigen“), können mithin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auslösen. Denn hierfür kommt es auf das Ergebnis der Entscheidung an, nicht aber auf - zumal nicht tragende - Begründungsteile (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, juris Rn. 7 ff.).
Die zwischen den Verfahrensbeteiligten in § 6 Abs. 4 Satz 2 des Grundstücksübertragungs- und Treuhandvertrages vom 9. November 2000 i.V.m. § 3 des Grundstücksübertragungs- und Treuhandvertrages vom 31. Oktober 2001 vereinbarte Saldierung ist ein bloßer Abrechnungsmodus in Bezug auf die wechselseitigen Ansprüche (in Erfüllung des Vertrages) und lässt die öffentlich-rechtliche Beitragspflicht unberührt. Etwas anderes maßt sich die Vertragsklausel auch nicht an. Erst mit der Zahlung des Erschließungsbeitrages entsteht der Klägerin eine Aufwendung, deren Erstattung sie vom Land Berlin verlangen kann (vgl. § 6 Abs. 2 des Vertrages). Im Gegenzug ist die Klägerin verpflichtet, alles, was sie in Ausfüllung des Vertrages erhalten hat, an Berlin abzuführen. Nur der sich aus der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben am Ende des Geschäftsjahres entstehende Saldo ist abzuführen bzw. auszugleichen. Daraus lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin kein Anspruch darauf herleiten, nicht zu Erschließungsbeiträgen herangezogen zu werden.
2. Worin die besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache, die einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), begründet sein sollten, lässt sich weder der Antragsbegründung noch den Schriftsätzen der Klägerin vom 15. August 2011, vom 27. November 2013 und vom 22. April 2014 entnehmen. Dass die Stellung der Klägerin als mit der Vermarktung von Liegenschaften beauftragte Treuhänderin der Gemeinde einzigartig und in der erschließungsbeitragsrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung oder im Schrifttum nicht näher untersucht worden ist, mag zutreffen, ist aber für die Frage nach den besonderen Schwierigkeiten ebenso bedeutungslos wie die Zahl und die Komplexität der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Verträge. Bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens kann aus den unter 1. genannten Gründen sicher beurteilt werden, dass das Verwaltungsgericht richtig entschieden hat.
3. Die weiterhin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO läge nur dann vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwürfe, die sich auch in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte. Für die Darlegung dieses Zulassungsgrundes genügt der Hinweis auf eine größere Zahl von vergleichbaren Streitigkeiten zwischen den Beteiligten nicht. Vielmehr fordert die Darlegung prinzipiell die Formulierung einer konkreten, entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und im obergerichtlichen Verfahren klärungsfähigen Rechts- oder Tatfrage von fallübergreifender Bedeutung (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 10. Juli 2014 - OVG 5 N 27.12 -, juris Rn. 22). Daran fehlt es.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).