Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 25 TaBV 2219/10


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 25. Kammer Entscheidungsdatum 10.02.2011
Aktenzeichen 25 TaBV 2219/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 9 BetrVG, § 19 BetrVG

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. August 2010 - 13 BV 6779/10 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 16. April 2010.

Der Beteiligte zu 2) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin hatte in Spitzenzeiten ca. 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Zahl der Beschäftigten reduzierte sich dann von 44 Arbeitnehmern (im Zeitraum von 1994 bis 1998) auf noch 33 Arbeitnehmer im Jahr 2000. Danach reduzierte sich die Beschäftigtenzahl im Zeitraum von 2001 bis 2007 auf 23 bis 25 Arbeitnehmer. Seit dem Jahr 2008 werden 20 Arbeitnehmer bei ihr beschäftigt, darunter die Ehefrau des Geschäftsführers. Seit November 2010 beschäftigt die Arbeitgeberin einschließlich der Ehefrau des Geschäftsführers noch 18 Arbeitnehmer.

Aufgrund der rückläufigen Mitarbeiterzahl versuchte die Arbeitgeberin im Zeitraum von 2007 bis 2009 das Grundstück ihres Betriebssitzes zu veräußern, um einen der veränderten Betriebsgröße angepassten, kleineren Firmensitz zu erwerben. Hintergrund war auch das planmäßige, altersbedingte Ausscheiden des zweiten Geschäftsführers der Arbeitgeberin im Jahr 2010. Der geplante Verkauf war im Jahr 2008 Thema einer Betriebsversammlung.

Im Vorfeld der hier streitigen Betriebsratswahl forderte der Wahlvorstand von der Arbeitgeberin eine Liste aller beschäftigten Mitarbeiter an, die ihm von der Arbeitgeberin übersandt wurde und die insgesamt 20 Arbeitnehmer einschließlich der Ehefrau des Geschäftsführers auflistete.

Mit Wahlausschreiben vom 10. März 2010 setzte der Wahlvorstand u. a. den Zeitpunkt der Wahl und die zu wählende Anzahl von Betriebsratsmitgliedern auf drei fest. Sowohl die Arbeitgeberin als auch der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin wiesen den Wahlvorstand darauf hin, dass angesichts der Beschäftigtenzahl keine drei Betriebsratsmitglieder, sondern lediglich ein Betriebsratsmitglied zu wählen sei. Am 16. April 2010 fand die Betriebsratswahl mit drei zu wählenden Betriebsratsmitgliedern statt. Die 18 abgegebenen Stimmen wurden am 16. April 2010 ausgezählt, das Wahlergebnis im Betrieb veröffentlicht und die Arbeitnehmer Sch., F. und M. als gewählt bekannt gegeben.

Mit ihrer am 29. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Arbeitgeberin die Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 16. April 2010 begehrt. Sie hat gemeint, die Betriebsratswahl sei rechtswidrig, weil lediglich ein einköpfiger Betriebsrat habe gewählt werden dürfen. Sie beschäftige regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer. In der Wählerliste sei darüber hinaus auch Frau G. aufgeführt, die aber als Ehefrau des Geschäftsführers der Arbeitsgeberin analog § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nicht wahlberechtigt gewesen sein. Auszugehen sei daher von einer Beschäftigtenzahl von 19 Arbeitnehmern. Weitere Arbeitnehmer seien in ihrem Betrieb nicht beschäftigt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Wahl des Betriebsrates der A. E. Malermeister GmbH vom 16. April 2010 für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, für die Ermittlung der Beschäftigtenzahl sei nicht auf die aktuelle Beschäftigtenzahl, sondern auf die in der Regel im Betrieb Beschäftigten abzustellen. Er habe bei der anzustellenden Prognose unter Berücksichtigung der Entwicklung in der Vergangenheit berechtigterweise davon ausgehen dürfen, dass die Beschäftigtenzahl nicht dauerhaft unter 21 absinken werde. In der Vergangenheit seien deutlich mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Deshalb sei immer ein drei- oder mehrköpfiger Betriebsrat gewählt worden. Das Absinken der Beschäftigtenzahl sei auf Auftragseinbrüche in Folge der Weltwirtschaftskrise zurückzuführen, die aber nun überwunden sei. Aufgrund der zu erwartenden Steigerung des Auftragsvolumens sei auch mit einer Steigerung der Beschäftigtenzahl zu rechnen gewesen. Darüber hinaus sei von einer erheblich höheren Beschäftigtenzahl als von der Arbeitgeberin angegeben auszugehen. Durch den Arbeitnehmer M. seien zwei weitere Personen für Fliesen- und Verlegearbeiten im Betrieb beschäftigt worden. Daneben würden im Betrieb der Arbeitgeberin regelmäßig ca. 10 Leiharbeitnehmer über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten beschäftigt. Diese seien deshalb nicht nur wahlberechtigt, sondern bei der Größe des zu bildenden Betriebsrats mitzuzählen. Denn es mache für die Aufgaben und den Arbeitsumfang des Betriebsrats keinen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer oder als Angehöriger der Stammbelegschaft beschäftigt werde. Der Status der Ehefrau des Geschäftsführers sei unerheblich, weil gegen die Wählerliste kein Einspruch erhoben worden sei. Die Wahl eines aus drei Mitgliedern bestehenden Betriebsrates sei daher unter Berücksichtigung des dem Wahlvorstand einzuräumenden Ermessensspielraums nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit seinem Beschluss vom 05. August 2010 die Wahl zum Betriebsrat für unwirksam erklärt und dies im Wesentlichen mit einem Verstoß gegen § 9 BetrVG als wesentlicher Wahlvorschrift begründet. Es habe ausgehend von der Betriebsgröße nur ein einköpfiger Betriebsrat gewählt werden dürfen. Leiharbeitnehmer seien bei der Feststellung der Beschäftigtenzahl nach § 9 BetrVG nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu berücksichtigen. Der Vortrag des Betriebsrats zur Beschäftigung weiterer als der von der Arbeitgeberin angegebenen Arbeitnehmer sei unsubstantiiert. Die Wahl des Betriebsrats sei daher unwirksam. Die Beschäftigtenzahl im Betrieb der Arbeitgeberin sei seit 10 Jahren stark rückläufig. Die Prognose, dass die Beschäftigtenzahl zukünftig über 21 Arbeitnehmer liegen würde, sei nicht berechtigt gewesen; Anhaltspunkte dafür seien nicht ersichtlich. Dass der Betriebsrat noch bei der letzten Betriebsratswahl aus drei Mitgliedern bestanden habe, sei unerheblich.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 05. August 2010 ist dem Betriebsrat am 22. September 2010 zugestellt worden. Dieser hat am 18. Oktober 2010 Beschwerde eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung bis zum 22. Dezember 2010 am 20. Dezember 2010 begründet.

Der Betriebsrat greift die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen mit Rechtsausführungen an. Er meint, unter Berücksichtigung der Betriebsgröße in der Vergangenheit habe er prognostisch von einer Beschäftigtenzahl von mehr als 21 Arbeitnehmern ausgehen dürfen. Insoweit sei schon der Ansatz des Arbeitsgerichts falsch. Es habe sich vielmehr fragen müssen, ob es unvertretbar gewesen sei, von einer Betriebsgröße mit mehr als 21 Arbeitnehmern auszugehen. Dies könne vorliegend nicht angenommen werden. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht den Amtsermittlungsgrundsatz missachtet, als es den Vortrag zu den Scheinselbständigen für unsubstantiiert gehalten habe und ihm nicht weiter nachgegangen sei. Das Arbeitsgericht hätte dies aufzuklären gehabt. Im Übrigen seien auch die Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Die vom Arbeitsgericht zugrunde gelegte, entgegenstehe Auffassung des Bundesarbeitsgericht sei angesichts des Gesetzeswortlauts nicht überzeugend.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. August 2010 - 13 BV 6779/10 - abzuändern und den Antrag der Beteiligten zu 1.) zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss als richtig. Der Wahlvorstand habe nicht die Prognose aufstellen können, in Zukunft würden mehr als 21 Arbeitnehmer bei ihr beschäftigt. Sie habe ihm gegenüber bereits im November 2009 erklärt, dass keine neuen Arbeitnehmer eingestellt werden würden. Aktuell sei die Beschäftigtenzahl sogar auf 18 Arbeitnehmer gesunken. Bei ihr würden auch keine Scheinselbständigen beschäftigt. Sie habe lediglich für das Bauvorhaben am Schloss Charlottenburg befristet in der Zeit vom 15. bis zum 28. Februar 2010 einen Subunternehmer beauftragt. Der Arbeitnehmer M. habe bei ihr in Teilzeit mit 20 Wochenstunden gearbeitet und sei daneben ebenfalls in Teilzeit bei diesem Subunternehmer beschäftigt. Durch Auftragsspitzen und zur Vertretung seien Leiharbeitnehmer beschäftigt worden, davon im März 2010 insgesamt drei Leiharbeitnehmer. Von diesen sei jedoch keiner länger als drei Monate beschäftigt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen, insbesondere die Übersicht zum Leiharbeitereinsatz (Bl. 112,113 d. A.) und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Insbesondere ist sie formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 89 Abs. 1, 2, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519 Abs. 4, 520 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Denn der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig und begründet. Die Wahl zum Betriebsrat im Betrieb der Arbeitgeberin vom 16. April 2010 ist wegen Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften unwirksam. Das Vorbringen in der Beschwerde rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Das Arbeitsgericht hat die angefochtene Betriebsratswahl zu Recht für unwirksam erklärt, weil das Wahlausschreiben fälschlicherweise von drei zu wählenden Betriebsratsmitgliedern statt richtigerweise von einem zu wählenden Betriebsratsmitglied ausgegangen ist; dieser Umstand hat sich auf die Betriebsratswahl auch ausgewirkt.

1.

Zutreffend hat die Arbeitgeberin ihr Begehren im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, 80 ArbGG verfolgt. Es handelt sich um eine zwischen den Beteiligten streitige Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz.

Die für die Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 BetrVG erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Arbeitgeberin ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigt. Sie hat die am 16. April 2010 in ihrem Betrieb durchgeführte Betriebsratswahl, deren Ergebnis am 16. April 2010 bekanntgemacht worden ist, mit dem am 29. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangen Antrag, also innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG fristgerecht angefochten.

2.

Der Antrag ist auch begründet. Die am 16. April 2010 durchgeführte Wahl des Betriebsrats im Betrieb der Arbeitgeberin ist unwirksam, da bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und nicht auszuschließen ist, dass das Wahlergebnis bei einer ordnungsgemäßen Wahl anders ausgefallen wäre § 19 Abs. 1 BetrVG.

Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Bei der Betriebsratswahl vom 16. April 2010 wurde gegen § 9 Abs. 1 BetrVG verstoßen. Es wurde eine unrichtige Anzahl von Betriebsratsmitgliedern gewählt. Nach § 9 Abs. 1 BetrVG besteht der Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person, in Betrieben mit in der Regel 21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus drei Mitgliedern. Im Betrieb der Arbeitgeberin waren am 10. März 2010 zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens und auch am Wahltag nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Wahlvorstand hat die nach §§ 3 Abs. 2 Nr. 5, 31 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 WahlO von ihm festzulegende Zahl der zu wählenden Betriebsräte falsch und unter Missachtung der Staffelung des § 9 BetrVG bestimmt. Die Leiharbeitnehmer durfte der Wahlvorstand bei Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer nicht mitberücksichtigen (BAG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 ABR 49/03 – BAGE 110, 27 = AP Nr. 8 zu § 7 BetrVG 1972 = NZA 2004, 1340) und hat dies nach der Anzahl der als abgegeben bekannt gegebenen Stimmen (18 Stimmen) wohl auch nicht. Für die Zukunft konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschäftigtenzahl in der Regel über 21 liegen wird. Damit hätte ein nur aus einer Person bestehender Betriebsrat gewählt werden dürfen. Dies begründet einen Wahlverstoß. Geht der Wahlvorstand von einer zu großen Zahl zu wählender Betriebsratsmitglieder aus, so beruht das Wahlverfahren auf einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG; eine Korrektur scheidet aus und die Betriebsratswahl muss im Ganzen wiederholt werden (BAG, Beschluss vom 12. Oktober 1976 – 1 ABR 14/76 – BAGE 28, 212 = EzA Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972;BAG, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 7 ABR 67/90 – BAGE 68, 74 = NUZA 1992, 36).

3.

Die Zahl der Betriebsratsmitglieder ist gemäß § 9 Satz 1 BetrVG festzulegen. Maßgebend für die Betriebsratswahl ist die Zahl der "in der Regel" tätigen Arbeitnehmer. Im Betrieb der Arbeitgeberin waren zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl nicht mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Demnach war ein Betriebsrat mit nur einem Mitglied zu wählen.

"In der Regel" meint die Zahl der Arbeitnehmer, die normale Beschäftigtenzahl, also diejenige Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist (BAG, Beschluss vom 07. Mai 2008 – 7 ABR 17/07 – NZA 2008, 1142; Fitting, a. a. O. § 9 Rn. 11). Der Wahlvorstand hat bei der Ermittlung der für die Betriebsgröße maßgeblichen Arbeitnehmerzahl nicht nur einen Rückblick auf die Vergangenheit zu werfen, sondern auch die zukünftige, aufgrund konkreter Entscheidungen des Arbeitgebers zu erwartende Entwicklung des Beschäftigungsstandes des Betriebes zu berücksichtigen. Maßgebend sind die Verhältnisse bei Erlass des Wahlausschreibens (BAG, a. a. O.). Ändert sich die Zahl der Arbeitnehmer zwischen dem Erlass des Wahlausschreibens und der Wahl, so nehmen zwar hinzugekommene Wahlberechtigte Arbeitnehmer an der Wahl teil und ausgeschiedene wählen nicht mit (vgl. § 4 Abs. 3 WO), für die Mitgliederzahl des zu wählenden Betriebsrats bleibt es aber bei den Feststellungen über die Zahl der "in der Regel" beschäftigten Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens (LAG Hamburg, Beschluss vom 19. April 2010 – 7 TaBVGa 2/10 – NZA-RR 2010, 585; Fitting u. a., a. a. O. § 9 Rn. 38 m. w. N.). Das heißt, es muss von dem im „regelmäßigen Gang befindlichen Betrieb“ ausgegangen werden (Richardi/Thüsing, BetrVG, 12. Auflage 2010, § 9 Rn. 10). Dabei hat der Wahlvorstand dann einen Beurteilungsspielraum. Die zukünftige Entwicklung ist von ihm aber nur zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber konkrete Veränderungsentscheidungen getroffen hat. Ist das nicht der Fall muss für den Wahlvorstand die tatsächliche aktuelle Arbeitnehmerzahl maßgeblich sein (Richardi/Thüsing, a. a. O.). Bloße Erwartungen oder auch Hoffnungen und günstige Aussichten berechtigen ihn noch nicht dazu, die Zahl der regelmäßigen Beschäftigten abweichend anzusetzen. Ausgangspunkt ist grundsätzlich die aktuelle Zahl der Arbeitnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt. Da der Betriebsrat für die Zukunft gewählt wird, kommt der vergangenen Entwicklung nur untergeordnete Bedeutung zu.

Von diesen Grundsätzen ausgehend konnte der Wahlvorstand nicht davon ausgehen, dass im Betrieb der Beteiligten zu 1.) die Beschäftigungszahl künftig in der Regel bei 21 und mehr Beschäftigten liegen würde.

a)

Es kommt nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Ehefrau des Geschäftsführers der Beteiligten zu 1.) als wahlberechtigt anzusehen ist oder ob sie analog § 5 Abs. 2 Nr. BetrVG nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist (für eine analoge Anwendung: Fitting, a.a.O, § 5 Rn. 305; GK-Raab, § 5 Rn. 91; Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 5 BetrVG Rn. 16). Denn auch bei einer Berücksichtigung der Ehefrau waren im Zeitpunkt des Wahlausschreibens nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.

b)

Im Betrieb war bekannt, dass die Arbeitgeberin im Hinblick auf die veränderte Betriebsgröße versucht hatte, das Grundstück mit dem Firmensitz zu veräußern, um einen der Belegschaftsstärke angepassten und kleineren Betriebssitz zu erwerben. Zudem war auch bekannt, dass der weitere, zweite Geschäftsführer im Jahr 2010 altersbedingt aus dem Betrieb ausscheiden würde und der Betrieb der Arbeitgeberin dann mit nur noch einem Geschäftsführer weitergeführt werden sollte. Die Belegschaft hatte sich zudem in den vergangenen Jahren stetig verringert. Dies kann entgegen der Behauptung des Betriebsrats auch nicht auf konjunkturelle Schwankungen oder die Folgen der Weltwirtschaftskrise zurückgeführt werden. Die Verringerung der Belegschaft begann nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Arbeitgeberin seit 1994, also weit vor der Krise. Von ehemals 50 Arbeitnehmern ging die Beschäftigtenzahl im Zeitraum von 1994 – bis 1998 auf 44, bis zum Jahr 2000 auf 33 und sodann bis 2007 auf 25 Arbeitnehmer zurück. Seit 2008 lag sie bei nur noch 20 Arbeitnehmern. Konkrete Anhaltspunkte, aus denen der Wahlvorstand berechtigt die Annahme herleiten konnte, die regelmäßige Belegschaftsstärke betrage mehr als 20 Arbeitnehmer bestanden vor diesem Hintergrund nicht.

c)

Auch unter Berücksichtigung des vom Arbeitsgericht für unsubstantiiert gehaltenen Vortrags zur Beschäftigung von weiteren zwei Arbeitnehmern durch Herrn M. ergibt sich keine höhere Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder. In diesem Zusammenhang rügt der Betriebsrat zu Unrecht eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Zwar erforscht im Beschlussverfahren das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen, § 83 Abs. 2 ArbGG. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht zur Ermittlung „ins Blaue“ verpflichtet ist. Eine Ermittlungspflicht wird erst ausgelöst, wenn das Vorbringen der Beteiligten bei pflichtgemäßer Würdigung Anhaltspunkte dafür bietet, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Dies war jedoch hier nicht der Fall. Der Betriebsrat hat insoweit „ins Blaue“ hinein behauptet, der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1.), Herr M. habe zwei Mitarbeiter im Betrieb der Beteiligten zu 1.) beschäftigt. Es erschließt sich zunächst nicht, wieso ein in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer, der auch nach dem Vortrag des Betriebsrats ersichtlich nicht über irgendwelche Befugnisse zur Einstellung verfügt, dazu in der Lage sein sollte. Im Übrigen wäre dies auch nur dann entscheidungserheblich gewesen, wenn diese Beschäftigung regelmäßig („in der Regel“) erfolgt wäre. Dies hat der Betriebsrat nicht einmal behauptet. Von der bloßen und nicht recht nachvollziehbaren Behauptung war nicht auf eine Erheblichkeit für zu entscheidende Frage nach der Wirksamkeit der Betriebsratswahl auszugehen.

Zudem bedeutet der Untersuchungsgrundsatz auch nicht, dass über jegliche Behauptung Beweis zu erheben wäre. Soweit ein Sachverhalt entweder übereinstimmend vorgetragen wird oder das detaillierte Vorbringen eines Beteiligten von dem anderen Beteiligten nicht bestritten wird und sich auch keine Zweifel an dessen Richtigkeit aufdrängen, bedarf es weder weiterer Ermittlungen, noch einer Beweisaufnahme (Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Auflage 2009, § 83 Rn. 93 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Die Arbeitgeberin hatte auch schon erstinstanzlich den Vortrag zur Beschäftigung weiterer Mitarbeiter durch Herrn M. bestritten und diesbezüglich vorgetragen, dass Herr M. bei ihr lediglich in Teilzeit mit 20 Wochenstunden beschäftigt ist und daneben noch einer weiteren Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis in der Firma seiner Lebensgefährtin nachgeht. Die Firma dieser Lebensgefährtin ist nach dem Vortrag der Arbeitgeberin als Subunternehmer an einem einzigen Bauvorhaben im Schloss Charlottenburg bei der Verfliesung einer Fußbodenfläche mit mehreren eigenen Arbeitnehmern tätig geworden (Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 30. Juli 2010, Seite 2, Bl. 45 d. A.). Diesem Vorbringen ist der Betriebsrat nicht entgegengetreten und der Vortrag der Arbeitgeberin zu diesem Punkt wurde somit zu Recht als unstreitig und die Behauptung des Betriebsrats als widerlegt behandelt. Der Betriebsrat kann sich auf nicht mit Erfolg darauf berufen, er hätte hierüber keine Informationen erhalten und könne deshalb nicht weiter dazu vortragen. Es handelt sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin um einen Betrieb mit 20 Arbeitnehmern. Der Betrieb hat damit eine Größe, die ihn überschaubar macht und in dem der Betriebsrat aus eigener Anschauung und eigener Wahrnehmung Kenntnisse über einen Fremdpersonaleinsatz hat. Denn ihm war schließlich die Tätigkeit des Subunternehmens bekannt. Weiterer Ermittlungen bedurfte es somit nicht. Im Übrigen hat die Arbeitgeberin den Zeitraum der Tätigkeit dieses Subunternehmens - auch insoweit unstreitig - im Beschwerdeverfahren mit zwei Wochen in der Zeit vom 15. bis 28. Februar 2010 angegeben. Inwieweit hieraus auf eine regelmäßig höhere Beschäftigtenzahl geschlossen werden kann, selbst wenn es sich um Scheinselbständige oder Arbeitnehmer der Arbeitsgeberin gehandelt haben sollte, erschließt sich der Kammer nicht.

d)

Schließlich kann mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern vorliegend kein größeres Betriebsratsgremium gerechtfertigt werden. Denn Leiharbeitnehmer sind bei der Belegschaftsstärke nicht zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 16. April 2003 – 7 ABR 53/02 – BAGE 106, 64 = AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 2002 = NZA 2003, 1345; BAG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 ABR 49/03 – BAGE 110, 27 = DB 2004, 1836). Nach der Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 22. März 2000 – 7 ABR 34/98 – BAGE 94, 144 = NZA 2000, 1119) sind betriebszugehörig i. S. d. Betriebsverfassungsgesetzes nur die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebes stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen. Zu den konstitutiven Merkmalen der Betriebszugehörigkeit gehört somit ein Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsinhaber. Wird ein Arbeitnehmer von seinem Vertragsarbeitgeber einem anderen Betriebsinhaber zur Arbeitsleistung überlassen und von diesem in dessen Betriebsorganisation tatsächlich eingegliedert, so begründet dies grundsätzlich keine betriebsverfassungsrechtliche Zugehörigkeit zum Betrieb des fremden Betriebsinhabers. Dies zeigt § 14 Abs. 1 AÜG, wonach Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes des Verleihers bleiben. Im Falle der bei einem Leiharbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Entleiher eintretenden Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wird der Vertragsbeziehung zum Verleiher ein größeres Gewicht als der tatsächlichen Eingliederung in den Betrieb des Entleihers verliehen. Der tatsächlichen Eingliederung trägt das Gesetz Rechnung, als durch § 14 Abs. 2 und 3 AÜG den Leiharbeitnehmern einzelne betriebsverfassungsrechtliche Rechte im Entleiherbetrieb zugebilligt werden. Eine vollständige Betriebszugehörigkeit des Leiharbeitnehmers zum Entleiherbetrieb wird dadurch jedoch nicht begründet. Daran hat sich durch die geänderten Bestimmungen des BetrVG, insbesondere durch die Einräumung des aktiven Wahlrechts in § 7 Satz 2 BetrVG nichts geändert (BAG, Beschluss vom 16. April 2003 – 7 ABR 53/02 – BAGE 106, 64 = AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 2002 = NZA 2003, 1345; BAG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 ABR 49/03 – BAGE 110, 27 = DB 2004, 1836). Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, dass Leiharbeitnehmer keine Betriebsangehörigen des Entleihers seien. Die in § 9 BetrVG vorausgesetzte Betriebsangehörigkeit sei nur bei Vorliegen eines Arbeitsvertrags zum Entleiher zu bejahen (so auch BAG, Beschluss vom 07. Mai 2008 – 7 ABR 17/07 - NZA 2008, 1142). Dieser fehle im Fall der Arbeitnehmerüberlassung. § 7 Satz 2 BetrVG sei nicht als Ausnahmevorschrift zu § 9 BetrVG verstehen, die eine Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in die Belegschaft des Entleihers verlange. Weder die Gesetzesmaterialien noch der Zweck des § 7 Satz 2 BetrVG ließen eine derartige Auslegung zu. Der Gesetzgeber habe die Neufassung der Schwellenwerte in § 9 BetrVG nicht mit einem Arbeitsanstieg durch die Mitvertretung von Leiharbeitnehmern gerechtfertigt. Die Vorschrift des § 7 Satz 2 BetrVG diene nur dazu, das bestehende Legitimationsdefizit des Betriebsrats des Entleihers auszugleichen.

e)

Auch ein Grenzfall ist vorliegend nicht gegeben. Einen solchen hat die Rechtssprechung (BAG, Beschluss vom 12. Oktober 1976 – 1 ABR 1/76 – BAGE 28, 203 = AP Nr. 1 zu § 8 BetrVG 1972) angenommen, wenn es wegen der Größe des Betriebes und der regelmäßigen Beschäftigung von Aushilfen kaum möglich ist, die Beschäftigtenzahl zuverlässig zu ermitteln. Hiervon kann vorliegend jedoch keine Rede sein. Weder hat der Betrieb der Arbeitgeberin eine Größe, die die Ermittlung der Beschäftigtenzahl erschwert, noch werden oder wurden regelmäßig Aushilfen beschäftigt. Ein einfaches Abzählen wäre vorliegend möglich gewesen. Zudem hatte die Arbeitsgeberin dem Wahlvorstand vor der Wahlausschreibung eine aktuelle Liste der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt.

4.

Der Wahlvorstand hat somit die Anzahl der Betriebsratsmitglieder zu Unrecht auf drei festgesetzt. Wenn die richtige Anzahl von Arbeitnehmern (20) zugrunde gelegt worden wäre, wäre ein Betriebsrat mit einem Mitglied gewählt worden.

Die Verkennung der Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder führt zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der Wahl (vgl. Fitting u. a., BetrVG, 25. Auflage 2010, § 19 Rn. 22 mit Nachweisen auf die Rechtsprechung des BAG). Die Wahl ist allerdings wegen dieses Fehlers anfechtbar.

Nach alledem hat der Wahlvorstand vorliegend „sehenden Auges“ die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder fälschlicherweise zu hoch auf drei festgesetzt und damit die Anfechtbarkeit der Wahl billigend in Kauf genommen.

Die Beschwerdekammer folgt mit dieser Entscheidung der Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass für die Prognoseentscheidung des Wahlvorstands keine Anhaltspunkte vorlagen und auch kein Grenzfall anzuerkennen ist. Es hatte deshalb bei der Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 16. April 2010 zu bleiben. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. August 2010 unterlag daher der Zurückweisung.

III.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da in Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 2 Abs. 2 GKG Kosten nicht erhoben werden.

IV.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine Veranlassung; die Entscheidung betrifft keine Rechtsfragen, die nicht bereits höchstrichterlich geklärt sind.