Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 10.09.2012 | |
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Aktenzeichen | 5 L 258/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 22.952,43 € festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin ist gesetzliches Mitglied des Wasser - und Bodenverbandes „...“; sie begehrte im Verfahren VG 5 L ... vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Erhebung eines Beitrags durch den Antragsgegner, der die im Verbandsgebiet liegenden Gewässer zweiter Ordnung unterhält und bewirtschaftet. Mit Beschluss vom 05. Juni 2012, der Antragstellerin am 13. Juni 2012 und dem Antragsgegner am 11. Juni 2012 zugestellt, lehnte die Kammer den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab.
Unter dem 07. Juni 2012 erließ der Antragsgegner den Beitragsbescheid „Ber/37/2012/02 – Änderungsbescheid“ und setzte darin den von der Antragstellerin zu entrichtenden Jahresbeitrag für 2012 auf 91.920,46 € fest. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Antragstellerin hiergegen am 27. Juli 2012 Klage erhoben (5 K ...), über die die Kammer noch nicht entschieden hat.
Im Hinblick auf den zuvor erwähnten Änderungsbescheid erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22. Juni 2012 im Verfahren VG 5 L ... den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte zugleich unter Hinweis auf § 161 Abs. 2 VwGO, die Unwirksamkeit des Beschlusses vom 05. Juni 2012 festzustellen. Die Antragstellerin berief sich auf das – ihrer Ansicht nach – erledigende Ereignis durch Erlass des Änderungsbescheides und die noch nicht eingetretene Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 05. Juni 2012.
Der Antragsgegner hat der Hauptsachenerledigungserklärung der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 06. Juli 2012 widersprochen. Er meint, der (ursprüngliche) Beitragsbescheid vom 09. Januar 2012 und der Änderungsbescheid seien im Wesentlichen identisch. Lediglich über weitere 110,73 € treffe der Änderungsbescheid eine Regelung.
II.
Der wegen der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung sachgerechte Antrag der Antragstellerin,
festzustellen, dass das vorläufige Rechtsschutzverfahren VG 5 L ... in der Hauptsache erledigt und der Beschluss der Kammer vom 05. Juni 2012 unwirksam ist,
hat keinen Erfolg.
Grundsätzlich können die Beteiligten nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung gegenüber dem Erstgericht übereinstimmende Erledigungserklärungen abgeben, wenn noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist ein erledigendes Ereignis eintritt. Dies setzt aber voraus, dass es zeitlich möglich ist, noch innerhalb der Rechtsmittelfrist übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten herbeizuführen. Andernfalls kann (nur) das Rechtsmittel eingelegt werden, mit dem Ziel, die Erledigung in der nächsthöheren Instanz zu erklären (so Clausing in: Schoch/Schmidt-Aß-mann/Pietzner, VwGO, § 161, Rdnr. 19; ablehnend für das vorläufige Rechtsschut verfahren OVG Münster, Beschluss vom 31. Mai 2002 – 21 B 931/02 juris).
Vorliegend gibt sich aus der Dispositionsmaxime und dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach eine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden kann, dass jedenfalls der Antragsgegner eine Erklärung zur Hauptsachenerledigung nunmehr nicht mehr abgeben könnte (vgl. hierzu J.Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Auflage, § 161, Rdnr. 12). Denn ihm gegenüber ist der am 11. Juni 2012 zugestellte Beschluss der Kammer vom 05. Juni 2012 rechtskräftig geworden und unterliegt demzufolge nicht mehr seiner Disposition. Die an das Verwaltungsgericht gerichtete - einseitig gebliebene - Erledigungserklärung der Antragstellerin geht ins Leere.
Eine streitige Feststellung der Erledigung, die auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren möglich ist (s. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 161, Rdnr. 8, 29a), kommt somit auch nicht (mehr) in Betracht. Zwar stellt die einseitige Erledigungserklärung eine nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO unterliegende Klage- bzw. Antragsänderung dar. Ob sie als solche überhaupt nur wirksam abgegeben werden kann, solange über Klage bzw. Antrag noch nicht entschieden worden ist (so OVG Münster, Beschluss vom 29. August 2012 – 18 E 506/12 - juris Rdnr. 9), mag offen bleiben. Jedenfalls darf zur Überzeugung der Kammer nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung diese Klage- bzw. Antragsänderung gegebenenfalls nur noch im Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren erfolgen, wenn nicht die erstinstanzliche Entscheidung wegen Versäumung der Rechtsmittelfristen bereits rechtskräftig geworden ist.So liegt der Fall hier. Denn die - aufgrund der Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 05. Juni 2012 - statthafte Beschwerde hat die Antragstellerin innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht erhoben. Nach alledem kann dahin stehen, ob überhaupt ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, die Erledigungserklärung der Antragstellerin beachtlich gewesen wäre und für die Kammer Anlass zu einem Beschluss nach § 161 Abs. 2 VwGO geboten hätte, wenn der Antragsgegner sich ihr bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angeschlossen hätte.
Es sei schließlich darauf hingewiesen, dass auch eine Abänderung oder Aufhebung des Beschlusses vom 05. Juni 2012 in Anwendung von § 80 Abs. 7 VwGO nicht in Betracht kommt. Dieses Verfahren ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn eine Beschwerde – so wie hier – nicht statthaft wäre (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, §80 Rdnr. 191). Allerdings setzt die Zulässigkeit eines Änderungsantrags gemäß Satz 2 der Bestimmung voraus, dass der Antragsteller veränderte oder im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorträgt, die ein Abweichen von der vorherigen Entscheidung rechtfertigen könnten. Hierzu gehört in erster Linie eine Änderung der Sach- oder Rechtslage(s. Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80, Rdnr. 103). Zwar können auch Änderungsbescheide grundsätzlich zu einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage führen (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 07. September 2009 – 5 B 329/08 Rdnr. 7). Dass der Änderungsbescheid vom 07. Juni 2012 hier zu veränderten Umständen geführt hat und dadurch eine Änderung der maßgeblichen Sach- oder Rechtslage eingetreten ist, ist jedoch in Anbetracht der Ausführungen der Kammer im Beschluss vom 05. Juni 2012 weder von der Antragstellerin ausreichend dargelegt noch ersichtlich. Denn die „Änderung“ betraf ausschließlich den zu zahlenden Beitrag, hier die Festsetzung von weiteren 110,73 €, ohne dass der Antragsgegner eine Rechtsposition aufgegeben oder modifiziert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht wiederum auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes vom 05. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), wobei die Kammer in ständiger Spruchpraxis bei Anträgen auf Regelung der Vollziehung von Abgabenbescheiden ¼ der streitigen Geldleistung zugrunde legt (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004, NVwZ 2004, 1327, Ziff. 1.5).