Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 20. Senat | Entscheidungsdatum | 11.05.2012 | |
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Aktenzeichen | L 20 AS 647/12 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 172 Abs 3 Nr 1 SGG |
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 03. März 2012 und die Gegenvorstellung werden als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
I.
Der Antragsteller begehrt im Beschwerdeverfahren weiter die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Einstellung der monatlichen Verrechnung eines gewährten Darlehens.
Der Antragsteller bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -, derzeit seit Januar 2012 bis 30. Juni 2012 bewilligt in Höhe von 374,00 € zzgl. Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 378,56 € (Bescheid vom 29. November 2011).
Mit Bescheid vom 23. Juni 2011 hatte der Antragsgegner dem Antragsteller ein Darlehen in Höhe von 761,00 € zur Leistung einer Mietkaution gewährt und die monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 v.H. des maßgeblichen Regelbedarfs bis zur Tilgung des Darlehens verfügt, solange Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen werden.
Ab August 2011 wurden monatlich 36,40 € von den zuerkannten Leistungen einbehalten. Der Antragsteller machte mehrfach die Einstellung der Verrechnung bei dem Antragsgegner geltend, zuletzt mit Schreiben vom 17. Januar 2012, ohne dass der Antragsgegner die Verrechnung einstellte. Mit Bescheid vom 06. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2012 lehnte der Antragsteller die Berücksichtigung des erklärten Verzichts auf einen Aufrechnungsschutz ab.
Am 22. Februar 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von einer Verrechnung ab Februar 2012 in Höhe von 10 v.H. der Regelleistung mit dem gewährten Darlehen für die Mietkaution bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache Abstand zu nehmen und den für Februar 2012 einbehaltenden Betrag auszuzahlen.
Weiterhin hat der Antragsteller beantragt, ihm für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Mit Beschluss vom 05. März 2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hiergegen hat der Antragsteller am 19. März 2012 Beschwerde, „hilfsweise Beschwerde wegen greifender Gesetzeswidrigkeit“ eingelegt.
Er macht geltend, die Beschwerde gegen den Beschluss sei zulässig, da die Darlehensumme den Beschwerdewert von 750,00 € übersteige und der in der Hauptsache geltend gemachte Verzicht sich auf eine Verrechnung der Darlehenssumme insgesamt beziehe. Jedenfalls habe das Sozialgericht vor der Entscheidung mit dem angefochtenen Beschluss hinsichtlich der mit der Entscheidung verneinten Eilbedürftigkeit kein rechtliches Gehör gewährt, sodass die Beschwerde als außerordentliche Beschwerde, Gegenvorstellung wegen greifbarer Gesetzes-widrigkeit zulässig sei. Das Gericht habe mit der Entscheidung gegen §§ 20, 22 SGB II verstoßen, da eine Rückzahlung eines Darlehens für eine Mietkaution, die eindeutig zu den Kosten der Unterkunft zähle, aus der Regelleistung verlangt werde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. März 2012 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, von einer monatlichen Verrechnung des mit Bescheid vom 23. Juni 2011 gewährten Darlehens abzusehen und ihm, dem Antragsteller für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe zu gewähren und Frau Rechtsanwältin I M, G, B, beizuordnen
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist nicht statthaft.
Gemäß §§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Artikel 1 Nr. 29 b Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetztes vom 26. März 2008, BGBl. I Seite 444) sind Beschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes u. a. dann nicht mehr statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes in der Hauptsache bei einer eine Geldleistung betreffenden Klage 750,00 € nicht übersteigt. Der Beschwerdegegenstand in der Hauptsasche übersteigt vorliegend nicht 750,00 €.
Ausgehend von dem vom anwaltlich vertretenen Antragsteller vor dem Sozialgericht ausdrücklich gestellten Antrag ist die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, ab Februar 2012 eine Verrechnung des gewährten Darlehens in Höhe von 10 v.H. der Regelleistung zu unterlassen und den Verrechnungsbetrag für den Monat Februar 2012 auszuzahlen, begehrt worden. Dieser eindeutig formulierte Antrag war keiner anderen Auslegung zugänglich; im Übrigen entspricht er auch dem zulässigen Anliegen, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine vorläufige Regelung jedenfalls nicht für vergangene Zeiträume erwirken zu wollen.
Da bereits zum Januar 2012 das Darlehen jedenfalls in Höhe von 182,00 € getilgt war (Verrechnung ab August 2011 in Höhe von monatlich 36,40 €), konnte sich das ausdrückliche Begehren des Antragstellers nach seinem Antrag nur auf eine Summe richten, die 750,00 € nicht erreicht.
Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde geltend macht, sein Begehren richte sich in der Hauptsache auf eine Aufhebung der Bewilligung der Leistungen für die Mietkaution als Darlehen und er die gewährte Leistung als Zuschuss begehre, weicht sein Begehren in der Hauptsache von dem Begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ab. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat der Antragsteller lediglich die Einstellung der weiteren Verrechnung begehrt; über ein solches Begehren konnte das Sozialgericht auch nur im Einklang mit den prozessrechtlichen Vorschriften entscheiden. Bei einem Abweichen des Antrages im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von einem Antrag im Hauptsacheverfahren ist im Rahmen des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG auf das Begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und die Beschwer im dortigen Rechtsmittelverfahren (Beschwerdewert) abzustellen (vgl. LSG Baden-Württemberg v. 09.02.2010, L 11 KR 6029/09, juris, Rn. 22, m.w.N.).
Soweit der Antragsteller für den Fall der hier vorliegenden unzulässigen Beschwerde eine „außerordentliche Beschwerde“ eingelegt hat, ist auch diese unzulässig. Eine solche Beschwerde sieht das SGG nicht vor, die Regelung des § 172 SGG ist insoweit abschließend. Außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffene außerordentliche Rechtsbehelfe verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Jedenfalls seit Einführung der Anhörungsrüge in § 178a SGG zum 01. Januar 2005 ist dem Bedürfnis nach „Selbstkontrolle“ des Gerichts, welches eine mit der Beschwerde nicht mehr anfechtbare Entscheidung getroffen hat, ausreichend Rechnung getragen worden (BSG v. 07.04.2005, B 1 KR 5/04 S, juris).
Soweit sich die Beschwerde auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren richtet, war auch diese als unzulässig zu verwerfen, da der Beschwerdewert nicht erreicht wird (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG).
Für die hilfsweise erhobene Gegenvorstellung, die hier mit einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Sozialgericht begründet wird, ist - unabhängig davon, ob eine solche nach Einführung der Anhörungsrüge in § 178a SGG mit Wirkung vom 01. Januar 2005 überhaupt noch zulässig ist (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl., 2012, § 178a Rn. 13) – jedenfalls der Senat nicht zur Entscheidung berufen, da er sachlich nicht zuständig ist. Sie war ebenfalls als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und aus § 73 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.