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Entscheidung 5 O 154/13


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 20.02.2014
Aktenzeichen 5 O 154/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.415,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.7.2013 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Nichtabnahmeentschädigung aus einem Darlehensvertrag.

Im Jahr 2008 wandte sich die Beklagte über die Fa. xxx GbR an die Klägerin wegen einer Anschlussfinanzierung über 103.500 € für das Jahr 2013. Die Klägerin bereitete ein Darlehensangebot in zweifacher Ausfertigung vor, das die Beklagte am 10.11.2008 unterzeichnete und mit den weiteren für die Finanzierung erforderlichen Unterlagen an die Klägerin sandte. Eine Ausfertigung des Antrages verblieb bei der Beklagten. Der Darlehensantrag umfasste folgende Konditionen:

Zinssatz nominal: 5,58 % p.a.
Auszahlungskurs: 100%
anfänglicher effektiver Jahreszins: 5,73%
Sollzinsbindungsperiode: bis 30.6.2023
monatliche Rate: 653,78 €

Der Darlehensantrag enthielt eine von der Beklagten gesondert unterschriebene Widerrufsbelehrung. Wegen des Inhalts der Widerrufsbelehrung und der Finanzierungsbedingungen wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift verwiesen.

Die Klägerin erklärte mit dem Schreiben vom 25.11.2008 die Annahme des Darlehensantrages. Mit der Annahmeerklärung übersandte die Klägerin der Beklagten eine Zusammenfassung der Auszahlungsvoraussetzungen und ein Post-Ident-Coupon für die Legitimationsbestätigung.

Am 17.12.2008 bestätigte die Beklagte ihre Legitimation durch das Post-Identverfahren. Am 11.2.2009 besichtigte Dipl. Ing. Al xxxim Auftrag der Klägerin und in Anwesenheit der Beklagten die Immobilie. Mit dem weiteren Schreiben der Klägerin vom 16.2.2009 wies die Klägerin unter Bezugnahme auf die abgeschlossene Immobilienfinanzierung darauf hin, dass die Auszahlungsvoraussetzungen einzuhalten seien und die Auszahlung durch die xxx erfolgen werde. Am 13.7.2010 erkundigte sich die Klägerin bei der Beklagten schriftlich, ob sie umgezogen sei, da ihr die Schufa eine neue Anschrift mitgeteilt habe. Die Beklagte antwortete der Klägerin, dass sie nicht umgezogen sei und ihre bisherige Anschrift weiterhin bestehe.

Mit ihrem Schreiben vom 13.1.2013, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, widerrief die Beklagte den Darlehensvertrag und machte zudem geltend, dass sie die Annahmeerklärung nicht erhalten habe.

Aufgrund der Abnahmeverweigerung trat die Klägerin von dem Darlehensvertrag zurück und verlangt nun Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach den §§ 325, 280 BGB in Verbindung mit den Ziffern 12.1 und 12.3 der Finanzierungsbedingungen. Für die Nichtabnahmeentschädigung errechnete sie einen Betrag von 18.165,26 €. Des Weiteren verlangt sie eine Bearbeitungsgebühr von 250 € für die Ermittlung der Nichtabnahmeentschädigung.

Mit dem Schreiben vom 15.2.2013 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 31.3.2013 zur Zahlung auf.

Die Klägerin behauptet, dass die Annahmeerklärung der Beklagten auch zugegangen sei.

Sie meint, dass sich dies bereits darin zeige, dass die Beklagte ihre Identität im Post-Ident-Verfahren bestätigt habe. Die Klägerin ist zudem der Auffassung, dass ihre Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Vorgaben entspreche.

Mit der der Beklagten am 16.7.2013 zugestellten Klage beantragt die Klägerin,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.415,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass sie die Annahmeerklärung nicht erhalten habe. Aus der Teilnahme am Post-Ident-Verfahren ergebe sich nicht, dass die Annahme und eine Zustellung einer Widerrufsbelehrung mit der Annahmeerklärung erfolgt seien.

Sie ist außerdem der Auffassung, dass die Praxis, die Widerrufsbelehrung auf den Zeitpunkt der Antragstellung vorzuverlegen, rechtswidrig sei, weil der Verbraucher nicht wissen könne, innerhalb welcher Frist eine Annahme seines Antrages erfolgen werde. Außerdem beginne die Schutzfrist erst, wenn der Vertrag beidseitig zustande gekommen sei. Die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung sei unschlüssig.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht die geltend gemachte Nichtabnahmeentschädigung aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB in Verbindung mit ihren Finanzierungsbedingungen zu.

Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Darlehensvertrag zustande gekommen und die Beklagte hat ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen.

Mit dem Zugang der Annahmeerklärung der Klägerin bei der Beklagten ist der Darlehensvertrag auf der Grundlage des vorherigen Angebotes der Beklagten zustande gekommen.

Dass der Beklagten die Annahmeerklärung zugegangen ist, ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts zum einen aus der zwischen den Parteien unstrittigen Tatsache, dass die Klägerin die Annahmeerklärung mit dem Post-Ident-Coupon an die Beklagte versandt hat. Wenn die Beklagte danach aber ihre Identität im Post-Ident-Verfahren bestätigt hat, lässt dies nur den Schluss zu, dass ihr auch die Annahmeerklärung zugegangen ist. Soweit die Beklagte in ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, dass sie allein aufgrund des Hinweises ihres Vermögensberaters, nachdem der Sachverständige der Klägerin vor Ort gewesen sei, zur Post gegangen sei und mit einem dort vorhandenen Formular das Post-Ident-Verfahren durchgeführt habe, ist dies nicht überzeugend, da es dem weiteren unstrittigen Vortrag der Parteien widerspricht. Nach der vorliegenden Kopie des Post-Ident-Formulars hat die Beklagte das Formular am 17.12.2008 unterschrieben. Die Besichtigung durch den Sachverständigen hat aber erst danach im Februar 2009 stattgefunden hat. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte erst, nachdem der Sachverständige vor Ort war, das Post-Ident-Verfahren durchgeführt haben will. Auch die weitere Erklärung der Beklagten, dass Herr X – der Vermögensberater – sie, nachdem sie den Coupon für das Post-Ident-Verfahren nicht bekommen habe, zur Post zur Durchführung des Verfahrens geschickt hat, überzeugt nicht. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar darlegen können, wie Herr X wissen konnte, dass sie - die Beklagte - den Coupon für das Post-Ident-Verfahren nicht erhalten hat. Nach den Angaben der Beklagten müsste er von sich aus, bei der Beklagten angerufen und sie zur Post geschickt haben, obwohl er ihr zuvor gesagt hatte, dass sie von der Klägerin einen Post-Ident-Coupon erhält. Zudem bedarf es zur Durchführung des Post-Ident-Verfahrens zunächst immer eines Coupons der Klägerin, da die Klägerin mit der Deutschen Post AG zur Durchführung des Post-Ident-Verfahrens ein Vertragsverhältnis eingeht. Aus dem Coupon ergeben sich dann die Referenznummer und die Anschrift der Klägerin.

Zum anderen folgt auch aus dem weiteren Verhalten der Beklagten, dass sie die Annahmeerklärung erhalten haben muss Sie hat in der Folgezeit daran mitgewirkt, dass die Auszahlungsvoraussetzungen geschaffen werden. Sie hat die Besichtigung des Objektes durch den Sachverständigen zugelassen und nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin hat sich die Vermittlerin darum bemüht, die erforderliche Stillhalteerklärung der evangelischen Kirche beizubringen. Auch auf die Anfrage der Klägerin, ob sie umgezogen sei, teilte die Beklagte am 21.7.2010 mit, dass sie weiterhin unter der bekannten Anschrift wohne. Wenn die Beklagte davon ausgegangen ist, dass kein Vertragsverhältnis zustande gekommen ist, ist nicht erklärbar, warum sie auf die Anschriftenanfrage im Jahr 2010, also rund 1 ½ Jahre nach ihrem Angebot zum Abschluss des Vertrages, auf diese Weise antwortet. Wenn die Beklagte die Annahmeerklärung nicht erhalten hätte, wäre mit einer anderen Beantwortung der Anschriftenanfrage der Klägerin zu rechnen gewesen.

Die Beklagte hat ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Die Beklagte wurde ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht und die Folgen eines Widerrufs belehrt, so dass der mit dem Schreiben vom 13.1.2013 erklärte Widerruf nicht mehr rechtzeitig war.

Zunächst bedurfte es keiner erneuten Widerrufsbelehrung, nachdem die Klägerin den Darlehensantrag der Beklagten angenommen hat. Ein solches Erfordernis kann § 355 Abs. 3 S. 2 BGB in der damals gültigen Fassung nicht entnommen werden. Nach § 355 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. beginnt die Frist für den Widerruf, wenn der Vertrag schriftlich abzuschließen ist, § 492 Abs. 1 S. 1 BGB, nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages ausgehändigt wurde. Für den Beginn der Widerrufsfrist ist ausreichend, dass dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung mitgeteilt wird und er zumindest zeitgleich eine Abschrift seines Antrages erhält. Da die der Beklagten überlassene Ausfertigung ihres Darlehensantrages nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin alle nach § 492 BGB erforderlichen Angaben enthielt, bedurfte es für den Beginn der Widerrufsfrist keiner weiteren Belehrung durch die Klägerin mit der Übersendung der Annahmeerklärung.

Die von der Klägerin benutzte Widerrufsbelehrung ist wirksam, so dass der von der Beklagten erklärte Widerruf nicht mehr rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Frist erfolgt ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Januar 2012 – 19 W 4/12 –, juris). Die der Antragstellerin erteilte Belehrung über ihr Widerrufsrecht entspricht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB in der damals gültigen Fassung. Insbesondere verstößt die Widerrufsbelehrung nicht gegen das Deutlichkeitsgebot. Die Belehrung über den Fristbeginn entspricht der Formulierung des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.. Ihr ist eindeutig zu entnehmen, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass die Beklagte im Besitz einer ihre eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. Die von der Beklagten für ihre gegenteilige Auffassung herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 (IX ZR 33/08, juris) bezieht sich zwar auf eine nahezu wortgleiche Widerrufsbelehrung. Sie betrifft jedoch eine andere Fallgestaltung und ist deshalb nicht einschlägig. In der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fallkonstellation lag dem Verbraucher neben der Widerrufsbelehrung das Darlehensangebot der beklagten Bank vor. Deshalb konnte für den Verbraucher der Eindruck entstehen, es handele sich bei dem Vertragsangebot der Bank unabhängig von seiner eigenen Annahmeerklärung um die in der Widerrufsbelehrung genannte Vertragsurkunde. Ein solches Missverständnis ist im Streitfall jedoch ausgeschlossen. Der Beklagten lag kein Darlehensangebot der Klägerin vor. Vielmehr unterzeichnete sie ein eigenes Vertragsangebot, welches an die Klägerin gerichtet war, und die Widerrufsbelehrung. Hat aber der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben oder gibt er sie zumindest zeitgleich mit der Belehrung ab, bezieht sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers. In einem solchen Fall kann der Verbraucher die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht darauf an, ob ein Vertrag bereits zustande gekommen ist oder erst noch zustande kommen wird. § 355 BGB räumt dem Verbraucher nur das Recht ein, seine auf den Abschluss der Vertrages gerichtete Willenserklärung zu widerrufen. Dazu bedarf es aber keines bereits abgeschlossenen Vertrages oder der Kenntnis, dass die Klägerin das Angebot des Verbrauchers angenommen hat.

Soweit für einen Schadensersatzanspruch eine Fristsetzung erforderlich ist, § 281 BGB, hat die Klägerin bisher unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte sich geweigert habe, das Darlehen abzunehmen, so dass eine Fristsetzung entbehrlich war. Jedenfalls ist es spätestens im Zusammenhang mit dem prozessualen Verhalten der Beklagten in Form des Klageabweisungsantrages gerechtfertigt, eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung anzunehmen. Eine Fristsetzung durch die Klägerin würde jetzt nur noch eine sinnlose Förmelei darstellen.

Da die Klägerin konkret zur Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung auf die von ihr beigefügte Berechnung verwiesen hat, ist ihre Darstellung hinreichend schlüssig. Die Beklagte wäre nun in der Lage gewesen, Einzelheiten der Berechnung konkret zu bestreiten.

Soweit die Beklagte dagegen hinreichend substantiiert bestreitet, dass die Klägerin das Darlehen nicht refinanziert hat, kommt es darauf für die Berechnung einer Nichtabnahmeentschädigung nicht an. Bei der von der Klägerin angewandten Aktiv/Passiv-Methode wird die Zinserwartung des Darlehensgebers mit den Erträgen aus der Wiederanlage der nicht abgerufenen Darlehensbeträge in sicheren Kapitalmarkttiteln verglichen. Wenn die Beklagte nun geltend macht, dass die Klägerin eine Refinanzierung nicht vorgenommen hat, entspricht dies dem Vortrag der Klägerin und ist damit unerheblich.

Die Klägerin hat zudem Risikokosten von 0,06 % berücksichtigt und in dieser Höhe ihren Anspruch vermindert. Wenn die Beklagte vorträgt, dass die Risikokosten geringer seien (0,015%), würde dies nur zu einem höheren Anspruch der Klägerin führen.

Soweit die Beklagte die ersparten Verwaltungskosten (175 €), die die Klägerin von der Forderung abgesetzt hat, bestreitet, werden diese von der Kammer nach § 287 ZPO in dieser Höhe geschätzt. Dies gilt auch für die Bearbeitungsgebühr für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung. Diese konnten ebenfalls in der geltend gemachten Höhe geschätzt werden (vgl. BGH Urteil vom 3.2.2004, Az.: XI ZR 398/02).

Der Anspruch der Klägerin auf die Verzugszinsen folgt aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Beklagte ist mit der Zustellung der Klage in Verzug geraten.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.