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Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis; falsche Angaben über Staatsangehörigkeit; Verzögerung


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer Entscheidungsdatum 26.08.2010
Aktenzeichen 5 K 955/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 104 AufenthG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er reiste nach eigenen Angaben am 19. Februar 1999 nach Deutschland ein. Sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14. Oktober 1999 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Seine dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 14. April 2003 ab. Am 08. Juli 1999 wurde der Kläger in der Botschaft von Sierra Leone zur Feststellung seiner Staatsangehörigkeit vorgeführt. Das dort geführte Interview am 08. Juli 1999 bestätigte die von dem Kläger behauptete sierraleonische Staatsangehörigkeit nicht. Dem Schreiben der Grenzschutzdirektion vom 09. Juli 1999 an den Beklagten zufolge wiesen die Aussprache in Englisch und Pidgin-Englisch auf eine nigerianische Staatsangehörigkeit hin. Am 11. Juli 2000 wurde der Kläger in der nigerianischen Botschaft zum Zwecke der Feststellung seiner Staatsangehörigkeit vorgeführt. Dem Vermerk der Grenzschutzdirektion vom 25. Juli 2000 zufolge verhielt er sich während des gesamten Interviews wenig kooperativ und behauptete weiterhin, sierra-leonischer Staatsangehöriger zu sein. Anhand des geführten Interviews sei er im Hinblick auf seine Sprache und sein Aussehen eindeutig als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert worden. Um eine endgültige Zusage durch die Botschaft zu erhalten, seien jedoch Sachbeweise nötig bzw. eine freiwillige Erklärung des Klägers über eine nigerianische Staatsangehörigkeit erforderlich.

Mit Schreiben vom 07. Februar 2007 teilte die Bundespolizeidirektion dem Beklagten mit, dass der Kläger zum vereinbarten Anhörungstermin am 07. Februar 2007 bei der Botschaft von Nigeria nicht erschienen sei.

Ausweislich der Bestätigung der Botschaft der Republik Guinea in der Bundesrepublik Deutschland vom 22. Oktober 2007 konnte der Bitte des Klägers um Ausstellung eines Personaldokuments nicht entsprochen werden, da keine Identitätsnachweise vorlägen.

Am 24. Oktober 2007 bescheinigte die Botschaft der Republik Sierra Leone, dass der Kläger kein Staatsbürger Sierra Leones sei.

Mit Bescheid vom 09. April 2008 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 28. Februar 2008 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab, da die Voraussetzungen des § 104 a Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf dessen ungeklärte Staatsangehörigkeit und nicht erfüllte Passpflicht nicht gegeben seien. Da der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht eigenständig durch Erwerbsarbeit sichere, könne auch keine Aufenthaltserteilung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfolgen. Eine Erteilung nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht, da insoweit ebenfalls die fehlende Mitwirkung zur Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit entgegenstehe.

Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers vom 30. April 2008 wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 02. Juni 2008 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 04. Juli 2008 die vorliegende Klage erhoben.

Er trägt vor: Er sei sierra-leonischer Staatsangehöriger und habe nicht über seine Identität bzw. Staatsangehörigkeit getäuscht. Da er keine Dokumente darüber besitze, könne ihm dies nicht zum Nachteil gereichen. Deshalb sei er auch einer weiteren angeordneten Vorstellung in der nigerianischen Botschaft nicht mehr gefolgt. Da er sich bereits über acht Jahre geduldet und damit erlaubt in Deutschland aufhalte, habe er Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Seine Ausreise könne aus tatsächlichen Gründen nicht erfolgen. Dieser Umstand sei auch nicht von vorübergehender Dauer. Die Behauptung, die Unterhaltung bei der Vorführung in der sierra-leonischen Botschaft sei in Pidgin-Englisch erfolgt, stimme nicht. Vielmehr habe er sich mit dem Botschaftsmitarbeiter aus Sierra Leone in der Sprache Kriyo mit englischem Akzent unterhalten; dies sei typisch für Personen, die aus Sierra Leone aus der Umgebung der Hauptstadt Freetown kämen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 2008 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Bescheide und trägt ergänzend vor, dass ca. 10 % der Bevölkerung Sierra-Leones die Sprache Kriyo sprächen, wobei die Mehrheit der restlichen Bevölkerung Kriyo als Pidgin oder Zweitsprache nutze. Außerdem scheitere die begehrte Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG bereits an der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß  § 104 a Abs. 1 AufenthG (§ 117 Abs. 5 VwGO). Dem steht zwar entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen, weil diese bei solchen auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützten asylrechtlichen Ablehnungsbescheiden nicht eingreift, die bei Inkrafttreten der Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG am 01. Januar 2005 bereits bestandskräftig waren (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 – 1 C 20/08 -, NVwZ-RR 2010, 286). Denn der im Fall des Klägers ergangene Ablehnungsbescheid ist bereits im Jahr 2003 bestandskräftig geworden, so dass er keine Sperrwirkung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zum Nachteil des Klägers entfaltet.

Soweit der Kläger seinen Anspruch auf die gesetzliche Altfallregelung gemäß § 104 a Abs. 1 AufenthG gestützt hat, fehlt es jedoch an der tatbestandlichen Voraussetzung gemäß § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Danach soll einem geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn er die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat. Beide Bedingungen erfüllt der Kläger nicht.

Denn er hat falsche Angaben über seine Staatsangehörigkeit gemacht. Er hat nämlich erklärt, Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein. Die Botschaft von Sierra Leone hat jedoch bereits bei der ersten Vorführung am 08. Juli 1999 erklärt, der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, zu beweisen, dass er ein Bürger von Sierra Leone sei. Im weiteren Verwaltungsverfahren hat der Kläger dann mit Schreiben vom 28. Februar 2008 auch selbst eine Bescheinigung der Botschaft von Sierra Leone vom 24. Oktober 2007 vorgelegt, wonach er nicht Bürger von Sierra Leone ist.

Irgendwelche Belege für die vom Kläger dennoch aufrechterhaltene Behauptung hat er nicht vorgelegt. Es lässt sich seinem Vortrag und auch sonst kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Kläger sich auch nur ansatzweise um Nachweise für seine Staatsangehörigkeit bemüht hätte, obwohl ihm insoweit eine Mitwirkungspflicht gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG obliegt (vgl. BVerwG, Urteil 1 C 19/08 vom 10. November 2009). Dass solche Bemühungen von vornherein aussichtslos wären, steht keineswegs fest. Eine entsprechende Annahme bedürfte einer substantiierten Begründung. Die bloße Behauptung, es sei unmöglich, entsprechende Belege zu erlangen, genügt nicht.

Solange der Kläger aber seine Identität und Staatsangehörigkeit nicht in irgendeiner Form belegt, wird mit der Ausstellung von Reisepapieren kaum zu rechnen sein. Der vorsätzliche Verstoß gegen die genannte Mitwirkungspflicht verzögert und behindert somit die behördlichen Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung.

Hinzu kommt, dass der Kläger auch einer Aufforderung zur Vorführung vor die Botschaft Nigerias am 07. Februar 2007 nicht nachgekommen ist. Damit hat er behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich verzögert, denn die Klärung der Staatsangehörigkeit ist Voraussetzung für die Aufenthaltsbeendigung und die Vorführung sollte dieser Klärung dienen. Fehlende Erfolgsaussichten der Vorführung kann der Kläger nicht einwenden, denn es ist nicht seine Sache, zu entscheiden, welche Maßnahmen erfolgversprechend sind oder nicht. Im Übrigen hätte er entsprechende Einwendungen bereits gegen die Aufforderung zur Teilnahme an der Vorführung vorbringen können und müssen.

Dass der Kläger die angeordnete Vorführung am 07. Februar 2007 zur Botschaft Nigerias erhalten hat, ergibt sich aus seinem Klagevortrag, wonach er „um dem Quatsch denn nicht noch weiter zu unterstützen, ... einer wiederum angeordneten Vorstellung ... nicht mehr gefolgt“ sei, was sich erkennbar auf die Vorführung im Februar 2007 vor der nigerianischen Botschaft bezieht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. August 2010 – 3 M 44.10 –). Im Hinblick auf die eindeutige Aussage in der Bescheinigung der sierra-leonischen Botschaft vom 24. Oktober 2007, wonach er kein Staatsangehöriger Sierra Leones sei, vermag er auch mit seinem Einwand, er habe sich mit dem Mitarbeiter der Botschaft aus Sierra Leone nicht in Ridgin-Englisch, sondern in der landestypischen Kriyo-Sprache unterhalten, nicht durchzudringen.

Aus den genannten Gründen scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger unverschuldet an seiner Ausreise gehindert wäre (§ 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708   Nr. 11, 711 ZPO.