Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 24.01.2013 | |
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Aktenzeichen | L 3 U 198/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 56 SGB 7, § 73 SGB 7, § 48 SGB 10 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 07. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung einer Verletztenrente wegen der Folgen der bei ihm anerkannten Berufskrankheit Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen <einschließlich Rhinopathie>, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können – BK 4301).
Der 1964 geborene Kläger entwickelte unter seiner beruflichen Tätigkeit als Stationsarzt bei der W Krankenhaus Betriebs GmbH E eine asthmoide Bronchitis und rezidivierende Rhino-Konjunktivitis, vgl. ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit der Hautärztin Dr. K vom 08. Oktober 1997 und Anzeige der Arbeitgeberin des Klägers vom 27. Oktober 1997. Die Beklagte leitete ein BK-Verfahren ein und veranlasste u.a. eine Begutachtung durch Prof. Dr. S von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 08. Februar 1999 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 29. Oktober 1998 ein exogen allergisches Asthma bronchiale fest. Es bestehe ein Zwang zur Unterlassung von Tätigkeiten, die mit der Exposition gegenüber Latexproteinen verbunden seien. Es handele sich um eine BK 4301. Folgen dieser Erkrankung seien ein bronchiale Überempfindlichkeit mit entsprechenden Beschwerden und der Notwendigkeit der täglichen Therapie mit inhalativer Applikation von Kortikoiden und Symphatikomimetika. Eine manifeste Obstruktion und eine Störung der Blutgase in Ruhe liege nicht vor. Unter hoher körperlicher Belastung komme es zu einem leichten Abfall der arteriellen Sauerstoffspannung, was wahrscheinlich durch eine belastungsabhängige Obstruktion bzw. Verteilungsstörung infolge des Asthmas bedingt sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei jetzt bei zwar gebesserten, jedoch fortbestehenden Beschwerden in Form von Husten, Atemwegsbeklemmungen, Fließschnupfen und Nasenverstopfung, der im Zusammenhang mit der Sensibilisierung aufgetretenen unspezifischen bronchialen Überempfindlichkeit und der Notwendigkeit der inhalativen Behandlung mit 20 vom Hundert (v.H.) zu bewerten. Nach dem bisherigen Verlauf sei durchaus mit einer weiteren Besserung bei konsequenter Meidung latexhaltiger Stäube zu rechnen. Eine Nachuntersuchung werde deshalb bereits nach ein bis zwei Jahren empfohlen.
Zwischenzeitlich gab der Kläger seine Tätigkeit im Krankenhaus auf und ließ sich als Facharzt für Urologie nieder, wobei er seine Praxis komplett latexfrei ausstattete und auch beim Patientenumgang auf ein latexfreies Umfeld achtet, vgl. Arbeitsplatzanalyse des Präventionsdienstes der Beklagten in der Arztpraxis des Klägers vom 01. November 1999.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 07. Dezember 1999 wegen der Folgen der BK 4301 eine Verletztenrente unter Zugrundelegung einer MdE von 20 v.H. und stellte als BK(-Folge) ein exogen allergisches Asthma bronchiale bei Sensibilisierung gegenüber Latex fest.
Die Beklagte ließ den Kläger in der Folgezeit zweimal vom Pneumologen Dr. S begutachten. Während dieser in seinem nach einer ambulanten Untersuchung am 07. Juli 2004 erstellten Gutachten vom 23. Juli 2004 wegen dort näher ausgeführter fortbestehender bronchopulmonaler Beschwerden weiterhin eine MdE von 20 v.H. befürwortete, gelangte er in seinem auf einer ambulanten Untersuchung am 16. Januar 2008 beruhenden Gutachten vom 23. Januar 2008 zur Einschätzung, eine feststellbare MdE bestehe nicht mehr. Die serologische Sensibilisierung gegenüber Latex sei verschwunden. Es bestünden keine wesentlichen pulmonalen Beschwerden mehr. Der Kläger berichte lediglich über Husten beim Lachen. Eine Infektneigung wie zuvor sei nicht mehr zu erkennen. Die antiasthmatische Therapie habe vor eineinhalb Jahren eingestellt werden können. Die ventilatorische Funktion sei normal, und es bestehe auch keine unspezifische bronchiale Hyperreaktivität. Zwar sei es unter der konsequent durchgehaltenen Allergenkarenz zu einer Stabilisierung des Asthmaleidens gekommen; durch eine Reexposition oder gehäufte Infektexzerbation könne sich grundsätzlich eine Instabilität des Asthma bronchiale mit einer wieder auch notwendigen Therapie ergeben.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 06. Februar 2008 zur beabsichtigen Entziehung der Verletztenrente an. Der anwaltlich vertretene Kläger trat der angekündigten Entziehung mit Schreiben vom 26. Februar 2008 und dem Vorbringen entgegen, die Beklagte gehe fehl in der Annahme, dass die als BK anerkannte Latexallergie nicht mehr bestehe. Es sei zwischen der bestehenden Symptomfreiheit und der fortbestehenden Latex-Allergie als solchen zu unterscheiden.
Die Beklagte entzog die Rente mit Bescheid vom 04. März 2008 für die Zeit ab 01. April 2008, verwies auf eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Rentengewährung und bezog sich zur medizinischen Begründung der Sache nach auf das von Dr. S erzielte Begutachtungsergebnis.
Der Kläger erhob am 06. April 2008 Widerspruch und führte zur Begründung aus, er habe infolge der Latexallergie seine Beschäftigung im Krankenhaus aufgeben müssen. Er könne bis heute wegen des latexhaltigen Operationsmaterials keine Operationen durchführen. Hierdurch entstehe ihm finanzieller Schaden. Ihm entstünden auch durch die ausschließliche Verwendung einer latexfreien Praxisausstattung erhebliche zusätzliche Kosten. Es komme darauf an, dass bei einem Wegfall der Karenz eine Symptomatik erneut aufträte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08. Mai 2008 zurück.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 13. Juni 2008 zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und sein Vorbringen aus dem Vorverfahren vertieft. Er hat auf die Eigenbehandlung wegen akuter Bronchialerkrankungen im Januar, März, April, Oktober und Dezember 2008 und hierfür eine Lieferscheinzusammenfassung einer Apotheke verwiesen. Er ist der Meinung, ihm müsse schon deshalb eine Verletztenrente fortgewährt werden, weil seine derzeitige Erwerbsfähigkeit nur durch die Allergenkarenz erreicht werden könne und er im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schutzmaßnahmen eine rentenberechtigende MdE gehabt habe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 07. Oktober 2010 abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rentenentziehung lägen vor. Es sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Denn im Gegensatz zu den von Prof. Dr. S erhobenen, der Rentengewährung zugrunde liegenden Befunden hätten die im Rahmen der von Dr. S im Januar 2008 durchgeführten Begutachtung erhobenen Befunde keine rentenberechtigende MdE mehr erbracht. Die vom Kläger zu vage vorgetragene Eigenbehandlung wegen bronchialer Beschwerden lasse die Annahme einer fortbestehenden rentenberechtigenden MdE hingegen nicht zu.
Der Kläger hat gegen das ihm am 21. Oktober 2010 zugestellte Urteil am 25. Oktober 2010 Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen vertieft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 07. Oktober 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 08. Mai 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie behauptet, dass beim Kläger keine rentenberechtigenden Funktionsbehinderungen infolge der BK mehr vorlägen.
Der Senat hat aufgrund Beweisanordnung vom 04. April 2011 das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin Prof. Dr. H vom 10. Oktober 2011 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine fortbestehende bronchiale Hyperraktivität festgestellt. Der Kläger sei bei strikter Meidung eines Latexkontakts auch ohne Therapie beschwerdefrei. Lediglich im Zusammenhang mit Infekten der oberen Luftwege sei eine Therapie erforderlich. Ebenso sei das mögliche Auftreten von Atemnot bei stärkeren sportlichen Betätigungen vorstellbar. Die MdE sei dann auf 10 v.H. einzuschätzen. Aktuell liege die MdE ab 01. April 2008 unter 10 v.H. Es bestehe Übereinstimmung mit der Einschätzung von Dr. S in dessen Gutachten vom 23. Januar 2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht.
Rechtsgrundlage für die Entziehung, d.h. Aufhebung der Rentenbewilligung ist § 48 Abs.1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Hiernach ist für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes für die Zukunft Voraussetzung, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Gemäß § 73 Abs. 3 Hs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich bei der Feststellung der MdE, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt; nach § 73 Abs. 3 Hs. 2 SGB VII muss bei Renten auf unbestimmte Zeit die Veränderung der MdE länger als drei Monate andauern.
Zunächst handelt es sich beim Bescheid vom 07. Dezember 1999, mit welchem die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente unter Zugrundelegung einer MdE von 20 v.H. gewährte, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im vorstehenden Sinne. Dies ergibt sich bereits aus der unfallgesetzlichen Spezialregelung in § 73 Abs. 1 SGB VII, wonach, wenn sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrer Feststellung ändern, die Rente in neuer Höhe nach Ablauf des Monats geleistet wird, in dem die Änderung wirksam geworden ist, bzw. aus § 73 Abs. 2 SGB VII, wonach, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegfallen, die Rente bis zum Ende des Monats geleistet wird, in dem der Wegfall wirksam geworden ist. Dementsprechend nimmt § 73 Abs. 3 SGB VII – dem Gedanken folgend, dass es sich bei der Rentengewährung nach § 56 Abs. 1 SGB VII um einen Dauerverwaltungsakt handelt, dessen Voraussetzungen andauernd fortbestehen müssen – § 48 Abs. 1 SGB X ausdrücklich in Bezug.
Vorliegend erkennt der Senat ebenso wie bereits das SG in seiner angefochtenen Entscheidung im vollständigen Wegfall einer messbaren MdE, welche vor der Aufhebung mit dem angefochtenen Bescheid zuletzt mit Bescheid vom 07. Dezember 1999 auf 20 v.H. festgestellt worden war, die wesentliche Änderung im vorstehenden Sinn. Insofern änderten sich die tatsächlichen Verhältnisse, die beim vorgenannten Bescheid vorgelegen hatten. Das Vorliegen einer MdE ist nämlich wiederum Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 und 2 SGB VII.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Für eine Art „Risikozuschlag" oder „Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit ist in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Allerdings ist eine schon bestehende Rückfallgefahr, die bereits vor dem Eintritt des eigentlichen Rückfalls die Erwerbsfähigkeit mindert, bei der Bemessung der gegenwärtigen MdE zu berücksichtigen (BSG a.a.O., Rn. 18).
Dies zugrunde gelegt ist der Senat i.S.v. § 128 Abs. 1 S. 1 SGG davon überzeugt, dass keine rentenberechtigenden körperlichen Funktionsbehinderungen auf die von der Beklagten anerkannte BK 4301 zurückzuführen sind. Eben darin liegt die von § 48 Abs. 1 SGB X vorausgesetzte wesentliche Änderung gegenüber der bei Gewährung der Verletztenrente bestandenen Sachlage. Mit der von Dr. S in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 23. Januar 2008 und von Prof. Dr. Hin seinem gerichtlichen Sachverständigengutachten vom 10. Oktober 2011 festgestellten aktuellen Beschwerdefreiheit des Klägers lässt sich eine rentenberechtigende Funktionsbehinderung nicht mehr annehmen. Dies steht im Einklang mit dem einschlägigen unfallmedizinischen Schrifttum, wonach eine Beschwerdefreiheit wie beim Kläger erst dann mit einer – indes immer noch nicht rentenberechtigenden – MdE von 10 v.H. bewertet wird, wenn die Beschwerdefreiheit nur unter Therapie erreicht wird (Schöneberger/ Mehrtens/ Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 17.13.14, S. 1071 f.). Selbst eingedenk der anamnestisch erhobenen, jedoch nicht durch eine Funktionsmessung verobjektivierten gelegentlichen pulmonalen Beschwerden bei sportlicher Betätigung wäre allenfalls eine MdE von 10 v.H. gerechtfertigt (vgl. Schönberger u.a., a.a.O.). Schließlich rechtfertigt auch nicht die von Prof. Dr. H festgestellte fortbestehende bronchiale Hyperreagibilität die Annahme einer rentenberechtigenden MdE; hierfür sieht das unfallmedizinische Schrifttum – bei Symptomfreiheit wie beim Kläger – eine MdE von nur 10 v.H. vor (vgl. Schönberger u.a., a.a.O. S. 1073). Soweit Dr. S nachvollziehbar auf die Möglichkeit verweist, dass die Symptomatik bei einer erneuten Exposition gegen Latex oder Infekthäufung zurückkehren kann, ändert dies nichts am maßgeblichen gegenwärtigen Befund. Gegebenfalls muss bei Eintritt einer erneuten Verschlimmerung ein erneuter Rentenantrag gestellt werden. Die bloße Rückfallgefahr ist für die Bemessung der MdE unerheblich, solange mit ihr nicht aktuell messbare Funktionseinbußen verbunden sind.
Der vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommene Verweis auf zur Behandlung einer bronchialen Erkrankung im Jahr 2008 angeschaffte Medikamente vermag den spätestens mit dem schriftlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Hgeführten Beweis nicht zu erschüttern. Es fehlen bereits aussagekräftige Befunde, welche die Annahme eines Zusammenhangs mit der BK 4301 rechtfertigen könnten.
Der Kläger dringt auch nicht mit seinem Verweis darauf durch, ihm müsse schon deshalb die Verletztenrente weitergewährt werden, weil er jedenfalls im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schutzmaßnahmen bereits eine rentenberechtigende MdE aufgewiesen habe. Soweit er für diesen Standpunkt ausdrücklich auf die zu den Voraussetzungen der BK 5101 (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) ergangene Rechtsprechung des BSG Bezug nimmt, lässt sich hieraus nichts für die hier umstrittene Frage gewinnen, ob die auf die BK 4301 zurückzuführenden Funktionsbehinderungen einen fortbestehenden Anspruch auf Verletztenrente begründen bzw. ein rentenberechtigendes Maß erreichen.
Nach der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des BSG ist ein Unterlassungszwang im Sinne der einen solchen vorsehenden BK-Tatbestände zu bejahen, wenn zur Zeit des Wirksamwerdens von Schutzmaßnahmen die BK bereits die Erwerbsfähigkeit mindernde Folgen hatte. Sinn und Zweck des Gesetzes gebieten eine Einschränkung des geforderten Unterlassungszwangs dahin, dass die durch Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers ermöglichte Fortsetzung der bisherigen Berufstätigkeit der Anerkennung und Entschädigung einer beruflich bedingten Erkrankung als BK nicht entgegensteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch diese Erkrankung zuvor bereits in einem entschädigungspflichtigen Ausmaß gemindert war (BSG, Urteil vom 09. Dezember 2003 – B 2 U 5/03 R - zur BK 5101, zitiert nach juris Rn. 21). Der Unterlassungszwang hat zwei Funktionen: Zum einen soll damit eine typisierende Festlegung des Schweregrades der Krankheit erfolgen, um Bagatellerkrankungen, auch wenn sie kausal auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen sind, von einer Anerkennung und Entschädigung als BK auszuschließen. Vor allem aber soll ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz verhindert und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungspflicht verhütet werden. Der zuletzt genannte Zweck wird nicht nur dann erreicht, wenn der Versicherte seine Berufstätigkeit aufgibt, sondern auch dann, wenn die schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz durch geeignete Schutzmaßnahmen beseitigt werden und deshalb die Gefahr einer Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit durch Fortsetzung der Berufstätigkeit nicht mehr droht (BSG, a.a.O., Rn. 23). Keines der mit dem Unterlassungszwang verfolgten Ziele vermag es zu rechtfertigen, eine beruflich erworbene Erkrankung, die zu einer - unter Umständen erheblichen - Einschränkung der Erwerbsfähigkeit geführt hat, anders als vergleichbare Folgen eines Arbeitsunfalls nur deshalb nicht zu entschädigen, weil der Versicherte dank einer die Krankheitsursachen beseitigenden Änderung der Arbeitsbedingungen seine Berufstätigkeit weiter ausüben kann. Ein solches Ergebnis würde gegen das dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes <GG>) immanente Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Der Unterlassungszwang ist zwar als solcher ein geeignetes Instrument zur Verwirklichung der vom Verordnungsgeber angestrebten Zwecke und genügt auch sonst den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns. Für die Fälle, in denen bei erfolgreichen Schutzmaßnahmen die Tätigkeit fortgesetzt wird, trifft dies indessen nicht zu. Denn die Aufgabe der Berufstätigkeit ist in solchen Fällen weder zur Ausgrenzung von Bagatellerkrankungen noch zur Vermeidung weiterer Gesundheitsschäden erforderlich und geeignet, nachdem der Versicherte bei Fortsetzung seiner bisherigen Tätigkeiten infolge der Schutzmaßnahmen keiner weiteren Schädigung mehr ausgesetzt ist. Bei dieser Sachlage wäre es unverhältnismäßig, für die Anerkennung als BK gleichwohl die Aufgabe dieser Tätigkeiten zu verlangen (BSG, a.a.O., Rn. 24). Mithin steht dem Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK 5101 selbst der Umstand nicht entgegen, dass der an einer beruflich bedingten allergischen obstruktiven Atemwegserkrankung i.S.d. Vorschrift leidende Versicherte seine bisherige Tätigkeit infolge von Schutzmaßnahmen seines Arbeitgebers unter Bedingungen fortsetzt, die eine weitere Schädigung ausschließen, wenn die Erkrankung zur Zeit des Wirksamwerdens der Schutzmaßnahmen bereits eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß, also mindestens um 10 v.H. (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII), bedingt (vgl. BSG, a.a.O, Rn. 26).
Aus dieser wohl auf alle BK-Tatbestände, welche einen Unterlassungszwang enthalten, übertragbaren Rechtsprechung lässt sich zwar ableiten, dass im Fall des Klägers der nach dem Tatbestand der BK 4301 erforderliche Unterlassungszwang und damit das Vorliegen der BK nicht unter Hinweis darauf hätten verneint werden können, dass er ja weiterhin als Arzt nunmehr in einer latexfreien Umgebung – sei es nach entsprechenden Schutzvorkehrungen im Krankenhaus oder in der selbst geschaffenen latexfreien Umgebung – mithin beschwerdefrei tätig ist, also seine Tätigkeit letztlich nicht aufgeben bzw. unterlassen musste. Jedoch gibt diese Rechtsprechung, welche mit der Anerkennung der betreffenden BK zugleich die damit verbundene grundsätzliche Entschädigungspflicht des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung meint, nichts für die Annahme her, dass es für den an § 56 SGB VII zu messenden Rentenanspruch wegen der Folgen einer BK mit Unterlassungszwang aus § 56 Abs. 1 SGB VII bereits ausreiche, dass die rentenberechtigenden Funktionsbehinderungen allein schon nur bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schutzmaßnahmen fortbestehen müssten. Vielmehr handelt es sich bei der Gewährung von Verletztenrente – wie oben gezeigt - um einen Dauerverwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit bzw. Fortbestand vom Fortbestehen der tatsächlichen Voraussetzungen der in § 56 Abs. 2 SGB VII enthaltenen Merkmale abhängt.
Auch liegt nichts für eine besondere berufliche Betroffenheit i.S.v. § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII vor, welche eine (fortbestehende) höhere MdE-Einschätzung rechtfertigen könnte.
Die Vorschrift verlangt wie ihre Vorläuferbestimmung in § 581 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO), bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die Versicherte dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können. Bereits vor der Einfügung der Vorschrift durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl. I 241) entsprach es der ständigen Rechtsprechung des BSG, zur Vermeidung unbilliger Härten bei der Bemessung der MdE auch die Auswirkungen der Unfallfolgen auf den Lebensberuf des Verletzten im Einzelfall angemessen, nicht etwa ausschlaggebend, zu berücksichtigen. Seit dem Inkrafttreten des § 581 Abs. 2 RVO (heute § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII) sind die bis dahin entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung gesetzlich normiert. Allerdings lässt diese unfallversicherungsrechtliche Regelung keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit - etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - zu. Eine derartige Auslegung widerspräche der Systematik des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, das für die Bemessung der Verletztenrente anders als das Versorgungsrecht für Beschädigtengrundrenten nicht lediglich ohne Rücksicht auf Alter und Einkommen des Beschäftigten allein nach der Höhe der MdE zu gewährende Pauschalsätze vorsieht, sondern (auch) den individuelleren Maßstab des vom Verletzten während des letzten Jahres vor dem Versicherungsfall verdienten Arbeitsentgelts (§§ 56 Abs. 3, 81 ff. SGB VII) zugrunde legt. Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile liegen im Rahmen des § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII nur dann vor, wenn unter Wahrung des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Selbst wenn der Verletzte seinen erlernten Beruf in Folge des Versicherungsfalles nicht mehr ausüben kann, muss dies daher nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der MdE führen (BSG, Urteil vom 05. September 2006 – B 2 U 25/05 R -, zitiert nach juris Rn. 18). Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist, hat das BSG insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch den Umstand bezeichnet, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete sowie schließlich, dass der Versicherungsfall einen unzumutbaren sozialen Abstieg hervorgerufen hat (BSG a.a.O., Rn. 19).
Hieran gemessen ist für eine besondere berufliche Betroffenheit im vorstehenden Sinne nichts ersichtlich. Zwar musste der Kläger seine berufliche Tätigkeit als Krankenhausarzt wegen der dortigen Latexexposition aufgeben. Jedoch ist bei ihm kein sozialer Abstieg zu verzeichnen. Er ist weiterhin als Facharzt, mithin auf der höchsten der von ihm erworbenen Qualifikationsstufe tätig und stellt damit unter Beweis, dass er seine in einer komplexen und oftmals langwierigen Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nunmehr für seine Tätigkeit als niedergelassener Arzt fruchtbar machen konnte. Davon abgesehen weist der Senat aus der Kenntnis einer Vielzahl zur BK 4301 entschiedener Fälle darauf hin, dass es auch nicht ausgeschlossen ist, dass in Krankenhäusern latexfreie Arbeitsplätze geschaffen werden, mithin auch dem Kläger der Krankenhausarbeitsmarkt nicht von vornherein verschlossen ist.
Nach alldem hat der Senat auch keine Zweifel daran, dass mit dem Wegfall der MdE eine wesentliche Änderung i.S.v. § 73 Abs. 3 Hs. 1 SGB VII eintrat, wonach bereits eine Abweichung von nur 5 v.H. für eine wesentliche Änderung ausgereicht hätte.
Auch sind die spezialgesetzlichen Voraussetzungen aus § 73 Abs. 3 Hs. 2 SGB VII erfüllt. Bereits nach dem überzeugenden Ergebnis der zweiten von Dr. S vorgenommenen Begutachtung bestehen keine Zweifel daran, dass jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, d.h. des Widerspruchsbescheids vom 08. Mai 2008 die Veränderung der MdE länger als drei Monate andauerte. Die von Prof. Dr. S aufgrund einer Untersuchung im Oktober 1998 im von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten vom 08. Februar 1999 bestätigte Erforderlichkeit einer Dauertherapie ist nach den tatsächlichen Verhältnissen und durch die bei den späteren gutachterlichen Untersuchungen in den Jahren 2008 und 2011 verifizierten Ergebnisse nicht mehr gegeben. Dr. S führte in seinem Gutachten vom 23. Januar 2008 nachvollziehbar und im Einklang mit den erhobenen Befunden und der Anamnese aus, dass der Kläger letztmals eineinhalb Jahre vor dem Begutachtungszeitpunkt eine kombinierte antiasthmatische Dauertherapie durchführte. Die Begutachtung durch Prof. Dr. H hat keine hiervon abweichenden Anhaltspunkte erbracht. Vielmehr hat auch er aufgenommen, dass der Kläger nach dessen Angaben bei der Untersuchung die antiasthmatische Dauertherapie bereits frühzeitig, d.h. bereits ein halbes Jahr nach Beendigung der Latexexposition einstellen konnte und nur noch bedarfsweise bei Infekterkrankungen der oberen Atemwege eine Inhalationsbehandlung und manchmal auch die Gabe von oralen Steroiden erforderlich wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Revisionszulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zuzulassen.