Gericht | FG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 15.12.2011 | |
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Aktenzeichen | 7 K 7203/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 287 AO, § 309 AO, § 100 Abs 1 S 4 FGO |
Sind Pfändungs- und Einziehungsverfügungen in Bankkonten oder Versicherungsansprüche erledigt, besteht regelmäßig ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, die auf Erkenntnisse zurückgehen, die während einer Durchsuchung auf Grundlage einer aus formellen Gründen aufgehobenen Durchsuchungsanordnung gewonnen wurden, unterliegen keinem Verwertungsverbot.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.
Der Kläger war Geschäftsführer der B… GmbH. Über das Vermögen der GmbH wurde am 10.04.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihre steuerlichen Zahlungsverpflichtungen erfüllte die GmbH nicht mehr vollständig. Daher erließ der Beklagte am 09.11.2004 Haftungsbescheide betreffend Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Nebenleistungen über 16.013,06 € bzw. 1.157,10 €, gegen die der Kläger Einspruch einlegte. Die Haftungsbescheide enthalten jeweils die Aufforderung, den angegebenen Haftungsbetrag bis zum 10.12.2004 auf das Konto der Finanzkasse L… einzuzahlen. Die Einsprüche hatten nur in der Weise Erfolg, dass der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2006 die Haftungssumme für Lohnsteuer zuzüglich Nebenleistungen auf 1.061,69 € herabsetzte. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück, worauf der Kläger beim Finanzgericht - FG - des Landes Brandenburg unter dem Az. 3 K 1334/06 Klage erhob, über die schließlich am 17.08.2010 der 8. Senat des erkennenden Gerichts mündlich verhandelte. Als Ausfluss dieser Verhandlung wurden die Haftungssummen auf 4.747,27 € bzw. 703,61 € reduziert. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung beim FG wegen dieser Haftungsbescheide sind nicht ersichtlich.
Da der Kläger der Zahlungsaufforderung keine Folge leistete, erließ der Beklagte am 08.03.2005 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der … Sparkasse, die jedoch nicht zum Erfolg führte. Gleiches galt für eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der VR-Bank … e. G.
Am 14.09.2006 beantragte der Beklagte die Eintragung einer Sicherungshypothek auf einem Grundstück des Klägers in R…, dem das Amtsgericht - AG – L… entsprach.
Am 08.09.2006 suchten zwei Vollziehungsbeamte des Beklagten das vom Kläger bewohnte Grundstück auf, forderten den Kläger erfolglos zur Zahlung auf und forderten ihn weiter auf, freiwillig die Durchsuchung der Wohnräume zu gestatten. Dies verweigerte der Kläger, ebenso die Unterschrift auf der entsprechenden Niederschrift, die ihm vorgelesen und zur Durchschrift vorgelegt wurde (vergleiche Bl. 16 ff. der Gerichtsakte).
Am 15.09.2006 beantragte der Beklagte beim AG L… eine richterliche Durchsuchungsanordnung für das Wohngrundstück des Klägers. Diesem Antrag entsprach das AG mit Beschluss vom 12.10.2006 15 M …/06, ohne im Rahmen des Beschlussverfahrens den Kläger angehört zu haben.
Mit diesem Durchsuchungsbeschluss begaben sich am 24.11.2006 vormittags zwei Vollziehungsbeamte wiederum zum Wohngrundstück des Klägers, wo sie jedoch keinen Bewohner antrafen. Während einer der Vollziehungsbeamten als Zeuge fungierte, stieg der andere durch ein Kellerfenster in das Haus ein. Im Haus fand der Vollziehungsbeamte drei Versicherungspolicen und 28 € Bargeld vor, die er pfändete und mitnahm. Das Gericht nimmt auf die Pfändungsniederschrift (Blatt 19 ff. der Gerichtsakte) Bezug.
Am 27.11.2006 erließ der Beklagte Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den aus den gepfändeten Versicherungsscheinen ersichtlichen Versicherungsunternehmen, nämlich der Hamburg-Mannheimer Versicherungs AG - im Folgenden: H - und der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherungs-AG – im Folgenden: Z. Durchschriften dieser Verfügungen übersandte der Beklagte dem Kläger am 06.12.2006. Die Pfändung gegenüber H ging ins Leere, da bezugsberechtigt allein die Ehefrau des Klägers war. Demgegenüber erkannte Z die Pfändung als begründet an und erklärte sich bei Vorlage der Original-Versicherungspolice zur Zahlung bereit. Daraufhin kündigte der Beklagte unter Übersendung des Versicherungsscheins am 14.12.2006 die bei Z geführte Lebensversicherung.
Ebenfalls am 27.11.2006 legte der Kläger gegen die am 24.11.2006 durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen Einspruch ein und beantragte die Aufhebung der Vollziehung. Er rügte die Durchsuchung als rechtswidrig. Den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung lehnte der Beklagte mit Verfügung vom 12.12.2006 ab.
Einen weiteren Einspruch – nunmehr gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den Versicherungsunternehmen – legte der Kläger am 20.12.2006 ein. Gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der Vollziehung.
Ferner legte der Kläger beim AG L… Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein, dem das AG L… mit Beschluss vom 14.12.2006 stattgab, da der Beklagte keine Gegenäußerung abgegeben habe. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hob das AG L… den Abhilfebeschluss mit weiterem Beschluss vom 25.01.2007 (datiert auf den 25.11.2007) wieder auf und legte die Beschwerde dem Landgericht - LG – P… vor. Dieses hob mit Beschluss vom 11.01.2008 5 T 70/07 den Beschluss des AG vom 25.01.2007 wieder auf und wies die sofortige Beschwerde des Beklagten zurück. Der ursprüngliche Beschluss vom 14.12.2006 sei zu Recht aufgehoben worden, da dieser nicht erkennen lasse, dass das AG sein richterliches Ermessen hinsichtlich der Frage ausgeübt habe, ob der Beschluss ohne vorherige Anhörung des Klägers ergehen solle. Auch lasse der Beschluss nicht erkennen, dass das AG das Vorliegen der formellen allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen geprüft habe. Schließlich habe kein Rechtsschutzbedürfnis für die sofortige Beschwerde des Beklagten bestanden, da durch den Beschluss vom 14.12.2006 der Durchsuchungsbeschluss vom 12.10.2006 endgültig untergegangen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist das Gericht auf die Kopie des Beschlusses (Blatt 30 f. der Gerichtsakte).
Am 04.01.2007 richtete der Beklagte ein Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern, dem dieses am 17.01.2007 nachkam. Ausgehend vom Abfrageergebnis richtete der Beklagte am 07.03.2007 u. a. an die Union Investment Service Bank AG - im Folgenden: U - eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, auf die die Bank eine Drittschuldnererklärung abgab, nach der das Depot am 30.11.2004 aufgelöst worden sei und keine Forderung des Klägers mehr gegen sie bestehe. Dem Kläger wurde am 16.03.2007 eine Durchschrift der Verfügung übersandt.
Gegen diese Verfügung legte der Kläger am 16.04.2007 Einspruch ein, den er damit begründete, dass die Vollstreckungsmaßnahme ungeeignet und unnütz sei und lediglich unnötige Vollstreckungskosten verursache.
Im April 2007 leistete die Z auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung einen Betrag von 9.759,89 €. Weitere Zahlungen leistete der Kläger freiwillig bzw. wurden durch Umbuchungen erbracht, so dass Ende November 2007 keine Rückstände aus den Haftungsbescheiden mehr bestanden.
Der Beklagte verwarf die Einsprüche vom 20.12.2006 und 16.04.2007 gegen die am 27.11.2006 erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen mit Einspruchsentscheidungen vom 27.06.2008 als unzulässig, da der Kläger nicht (mehr) beschwert sei.
Darauf hat der Kläger am 30.07.2008 Klage erhoben.
Er macht geltend, er habe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, was sich aus dem Rehabilitierungsinteresse wegen der rechtswidrigen Durchsuchung ergebe. Aus der Verletzung von Vollstreckungsverboten ergebe sich ein besonderes rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ferner sei er durch diese rechtswidrigen Vollstreckungsmaßnahmen noch mit ungerechtfertigten Kosten der Zwangsvollstreckung belastet. Die Vollstreckung sei mangels wirksamer Leistungsgebote unstatthaft gewesen. Die Haftungsbescheide seien gefälscht worden. Jedenfalls sei die Durchsuchung am 24.11.2006, bei der drei Versicherungspolicen gepfändet worden seien, rechtswidrig gewesen, wie sich aus der Aufhebung der Durchsuchungsanordnung durch das LG P… ergebe. Ausgehend von den gepfändeten Versicherungspolicen seien die angegriffenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den Versicherungen ergangen. Die Kündigung des Versicherungsvertrages sei erfolgt, bevor der Beklagte über den gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden habe. Diese Vollstreckungsmaßnahmen seien unverhältnismäßig gewesen, weil bereits eine Sicherungshypothek auf das Grundstück des Klägers eingetragen worden sei. Es sei dem Beklagten auch verboten, erkennbar erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen oder solche ins Blaue hinein zu betreiben. Zu Unrecht habe der Beklagte gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern behauptet, dass sich der Kläger Vollstreckungsmaßnahmen entzogen oder die Aufklärung verweigert hätte.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 27.11.2006 gegenüber der Hamburg-Mannheimer Versicherungs AG und der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherungs-AG sowie vom 07.03.2007 gegenüber der Union Investment Service Bank AG rechtswidrig waren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält offenbar die Klage für zulässig, jedoch für unbegründet. Die beanstandete Durchsuchung sei aufgrund eines rechtmäßigen Durchsuchungsbeschlusses vorgenommen worden. Die spätere Aufhebung durch das LG P… sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Auch die übrigen Einwendungen seien unbegründet. Mit den Haftungsbescheiden sei jeweils ein Leistungsgebot verbunden gewesen. Die Sicherungshypothek habe lediglich der Rangsicherung der Rückstände gedient. Erst vor Beantragung der Zwangsversteigerung müsse festgestellt werden, dass der Geldbetrag durch die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen nicht habe beigetrieben werden können.
Dem Gericht haben die Streitakten des Verfahrens 7 K 7007/08 sowie 4 Bände Vollstreckungsakten und ein Heftstreifen mit Einspruchsvorgängen, die vom Beklagten für den Kläger als Haftungsschuldner unter der Steuer-Nr. … geführt werden, vorgelegen.
Die Klage ist teilweise zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 Finanzgerichtsordnung -FGO- zulässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, um einen Antrag nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO stellen zu können. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem der genannten Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers zu führen (BFH, Urteile vom 02.06.1992 VII R 35/90, BFH/NV 1993, 46; vom 22.07.2008 VIII R 8/07, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 222, 46, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2008, 941).
Ein solches Interesse ist dann anzuerkennen, wenn aufgrund eines erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre des Klägers dessen Rehabilitierung durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Behörde geboten erscheint (BFH, Urteile vom 17.01.1995 VII R 47/94, BFH/NV 1995, 737; vom 27.01.2004 VII R 56/05, juris). Diese Rechtsprechung betrifft zum einen Sachverhaltsgestaltungen, in denen der angefochtene, erledigte Verwaltungsakt einen diskriminierenden Bedeutungsgehalt hat, zum anderen Verwaltungsakte, die eine besondere Beziehung zum Recht des Klägers aufweisen, als Persönlichkeit mit einem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt zu werden, oder bei denen es sonst der Bedeutung betroffener elementarer Grundrechte entspricht, auch nach einer Erledigung der Hauptsache im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage eine Klärung darüber herbeizuführen, ob die betreffenden Grundrechte verletzt worden sind (BFH, Urteil vom 27.01.2004 VII R 56/05, juris). Dabei spricht für ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn hoheitliche Maßnahmen nicht unwesentlich in den Grundrechtsbereich des Betroffenen eingreifen, sich jedoch typischerweise kurzfristig erledigen und dadurch eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme und eine Beseitigung ihrer Folgen erschwert werden (BFH, Urteil vom 11.12.2007 VII R 52/06, BFH/NV 2008, 749).
Da sich Pfändungs- und Einziehungsverfügungen typischerweise relativ kurzfristig erledigen, ist bei diesen Verwaltungsakten im Interesse effektiven Rechtsschutzes die Schwelle zur Annahme des Fortsetzungsfeststellungsinteresse niedrig anzusetzen. Das FG des Landes Brandenburg hat ein solches Feststellungsinteresse wegen einer Wiederholungsgefahr angenommen (Urteil vom 16.05.2001 4 K 616/00, EFG 2002, 1277). Auf eine solche hat sich der Kläger selbst nicht berufen, zumal nach Tilgung des Haftungsbescheids nicht ersichtlich ist, woher neue Rückstände berühren könnten. Das FG Hamburg (Urteil vom 27.03.2009 5 K 102/08, juris) hat ein Feststellungsinteresse nach erledigter Kontenpfändung verneint, ohne insoweit ein Rehabilitierungsinteresse zu erwägen. Das erkennende Gericht bejaht ein solches Rehabilitierungsinteresse, da Kontenpfändungen typischerweise nachteilige Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit haben, da sie bei der SCHUFA vermerkt werden, ebenso bei den Kreditinstituten, die Adressaten solcher Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind. Soweit sich die Klage auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber H bezieht, ist unerheblich, dass die Pfändung insoweit ins Leere ging, weil der Kläger nicht bezugsberechtigt war. Denn er stand gleichwohl als Versicherungsnehmer in Geschäftsbeziehungen zu H, so dass die Pfändung dem Grunde nach geeignet war rufschädigend zu wirken.
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Vollstreckungsmaßnahmen waren nicht rechtswidrig.
Die Einwendungen gegen die Vollstreckung als solche sind unbegründet. Die Haftungsbescheide waren nach den vom Kläger im Verfahren 7 K 7008/08 vorgelegten Ablichtungen mit Zahlungsaufforderungen, mithin mit Leistungsgeboten i. S. des § 254 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung - AO -, versehen. Für die von der Vollstreckung ebenfalls umfassten Vollstreckungskosten bedurfte es keines Leistungsgebots (§ 254 Abs. 2 AO). Warum die Haftungsbescheide gefälscht sein sollen, bleibt unergründlich. Allein die Reduzierung des Haftungsbetrags durch eine der Einspruchsentscheidungen lässt die Haftungsbescheide nicht unwirksam werden. Vollstreckungstitel war der Haftungsbescheid vom 11.04.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung.
Es kann dahinstehen, ob dem Kläger Mahnungen zugegangen sind. Nachdem der Beklagte bereits im Jahre 2005 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen in Konten des Klägers ausgebracht hatte, bedurfte es der von einer Mahnung ausgehenden Warnfunktion nicht mehr.
Zu Unrecht rügt der Kläger, der Beklagte habe unter Missachtung seines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung den Versicherungsvertrag mit Z gekündigt. Den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung vom 27.11.2006 hatte der Beklagte mit Verfügung vom 12.12.2006 abgelehnt. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 20.12.2006 lag bei Absendung der Kündigungserklärung am 14.12.2006 noch nicht vor.
Ferner kann der Kläger nicht einwenden, die angefochtenen Vollstreckungsmaßnahmen seien unverhältnismäßig, weil der Beklagte bereits einen Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek gestellt hatte. Denn die Verwertung einer solchen Sicherungshypothek, insbesondere durch eine Zwangsversteigerung, stellt gegenüber den hier streitigen Vollstreckungsmaßnahmen kein milderes Mittel dar. Vielmehr ergibt sich aus § 322 Abs. 4 AO, dass die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen vor der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen im Regelfall vorrangig ist. Jedenfalls hätte eine Realisierung einen wesentlich längeren Zeitraum erfordert als die hier streitigen Vollstreckungsmaßnahmen.
Unbeachtlich ist, dass die Durchsuchung am 14.11.2006 auf einer später aufgehobenen Durchsuchungsanordnung beruhte. Denn die hier angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den Versicherungen sind bloße Fernwirkungen der bei der Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse. Diese unterlagen keinem Verwertungsverbot.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass im Besteuerungsverfahren, wozu auch das Erhebungsverfahren gehört, ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind, nicht besteht. Vielmehr kann lediglich im Einzelfall ein so genanntes qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot vorliegen, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt hat (BFH, Urteil vom 04.10.2006 VIII R 53/04, BFHE 115,12, BStBl II 2007, 227; Beschluss vom 26.02.2010 VIII B 239/09, BFH/NV 2010, 1084; FG München, Beschluss vom 17.02.2011 7 V 3363/10, Deutsches Steuerrecht 2011, 670). Diese Rechtsprechung entspricht weitgehend derjenigen, die für das Strafverfahren gilt (vergleiche Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 02.07.2009 2 BvR 2225/08, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 2009, 3225).
Im Streitfall litt die aufgehobene Durchsuchungsanordnung nicht an schwerwiegenden, qualifizierten Fehlern. Die fehlende Anhörung des Klägers vor deren Erlass erscheint schon deshalb nicht als schwerwiegender Fehler, weil diese dann fehlen kann, wenn bei einer vorherigen Anhörung eine Gefährdung des Vollstreckungserfolgs zu befürchten ist (BVerfG, Beschluss vom 16.06.1981 1 BvR 1094/80, Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 57, 346, NJW 1981, 2111; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 287 Rz 19; Kruse in Tipke/Kruse, AO, § 287 Tz 30 jeweils m. w. N.). Im Streitfall war eine solche Gefährdung des Durchsuchungserfolgs zu bejahen, da der Kläger keinerlei Zahlungs- und Kooperationsbereitschaft zeigte. Weder hat er auf die Zahlungsaufforderungen und bereits ausgeführten Vollstreckungsmaßnahmen Ratenzahlungen angeboten, noch hat er das Protokoll über die fruchtlose Pfändung am 08.09.2006 anforderungsgemäß unterzeichnet. Der Umstand, dass der Beklagte dies nicht in seinem Antrag auf Erlass der Durchsuchungsanordnung ausgeführt und dass dies demzufolge nicht vom AG L… bei Erlass der Durchsuchungsanordnung erkennbar in die Erwägungen einbezogen wurde, macht die Durchsuchungsanordnung nicht schwerwiegend fehlerhaft. Gleiches gilt für den Umstand, dass das AG L… bei Erlass der Durchsuchungsanordnung nicht ausgeführt hat, dass es das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen geprüft hat. Indessen lagen diese – wie oben ausgeführt – vor. Auch der im Verfahren 7 K 7008/08 festgestellte Fehler bei der Hinzuziehung der Durchsuchungszeugen stellt sich nicht als so schwerwiegend dar, dass daraus ein Verwertungsverbot für die bei der Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse folgen würde. Es handelt sich im Wesentlichen um eine verfahrenssichernde Vorschrift.
Der Kläger kann auch nicht einwenden, auch bei einer Sachprüfung hätte die Durchsuchungsanordnung als rechtswidrig aufgehoben werden müssen, da die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung i. S. des § 284 AO gegenüber der Durchsuchung seiner Wohnräume das mildere Mittel gewesen wäre. Zwar hätte der Beklagte den Kläger nach § 284 Abs. 1 Nr. 3 AO bereits zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auffordern können, jedoch wäre dies wegen der Publizität der abgegebenen eidesstattlichen Versicherung im Schuldnerverzeichnis (§ 284 Abs. 7 AO) keineswegs das mildere Mittel gewesen.
In die Erwägung einzubeziehen ist des Weiteren, dass der Kläger auf entsprechende Anforderung des Beklagten – spätestens im Rahmen der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses gemäß § 284 AO – verpflichtet gewesen wäre, das Bestehen der Versicherungen anzuzeigen. Im Falle einer Pfändung und Einziehung der Versicherungsansprüche wäre der Kläger überdies nach § 315 Abs. 2 Satz 1 AO zur Herausgabe der Versicherungspolice verpflichtet gewesen. Im Weigerungsfall hätte der Beklagte diese Verpflichtung nach § 315 Abs. 2 Satz 5 AO zwangsweise durchsetzen können. Dem entsprechend wurde durch die Durchsuchung keine Erkenntnis zu Tage gefördert, die der vor dem Zugriff des Beklagten uneingeschränkt geschützten Privatsphäre des Klägers entstammte. Auch diese Erwägungen sprechen dafür, dass von der Aufhebung der Durchsuchungsanordnung kein Verwertungsverbot für die bei der Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse und die gepfändete Versicherungspolice der Z ausging.
Im Widerspruch dazu steht nicht, dass der erkennende Senat im Urteil vom heutigen Tag 7 K 7007/08 die Pfändung der Versicherungspolice als rechtswidrig festgestellt hat. Denn im Hinblick auf den Anspruch auf Herausgabe nach § 315 Abs. 2 AO hätte der Beklagte einem Herausgabeverlangen des Klägers den Grundsatz des „dolo agit qui petit quod statim redditurus est“ (vergleiche Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 4 Tz 140) entgegenhalten können.
Schließlich ist die Klage unbegründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die gegenüber der U ergangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtswidrig sei.
Insoweit die Einwände des Klägers dahingehend zu verstehen sein sollten, dass er die Rechtmäßigkeit des Kontenabrufs in Frage stellt, ist ihm zu entgegnen, dass der Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO 2007 zulässig war. Danach konnte die Finanzbehörde bei den Kreditinstituten über das Bundeszentralamt für Steuern Daten abrufen, wenn dies zur Erhebung von Steuern erforderlich war und ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hatte oder keinen Erfolg versprach. Diese Vorschrift war verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2007 1 BvR 1550/03, BVerfGE 118, 168, NJW 2007, 2464). Im Streitfall war § 93 Abs. 7, letzte Alternative AO einschlägig. Nachdem der Kläger keinerlei Kooperations- und Zahlungsbereitschaft gezeigt und sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen mit Rechtsbehelfen angegriffen hatte, konnte der Beklagte ausschließen, dass der Kläger ihm auf Anfrage vollständige und zutreffende Auskunft über die bestehenden Bankverbindungen erteilen würde.
Entgegen der Auffassung des Klägers war die Pfändung des Kontos bei U auch keine Pfändung ins Blaue (vergleiche BFH, Urteil vom 18.07.2000 VII R 101/98, BFHE 192, 232, BStBl II 2001, 5). Denn angesichts der ihm zeitnah erteilten Auskunft aufgrund der Kontenabfrage durfte der Beklagte davon ausgehen, dass noch eine Geschäftsverbindung zwischen dem Kläger und U bestand. Ferner war nach der Bezeichnung der U, die auf eine Kapitalanlagegesellschaft oder Depotbank schließen lässt, nicht fernliegend, dass dort die Pfändung zum Erfolg führen würde. Dass dieser Erfolg letztlich nicht eintrat, war nach der Aktenlage, die dem Beklagten bekannt war, nicht zuverlässig vorhersehbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Das Gericht hält insbesondere die Frage, ob Erkenntnisse, die aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung gewonnen wurden, im weiteren Verlauf des Vollstreckungsverfahrens verwendet werden dürfen, nicht für abschließend höchstrichterlich geklärt.