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Entscheidung 5 T 205/12


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 18.12.2012
Aktenzeichen 5 T 205/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Oktober 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 253,50 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung eines Ordnungsgeldes und Nebenforderungen nach der Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO).

Gegen die Schuldnerin wurde nach dem Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie Unternehmensregister (EHUG) wegen der pflichtwidrigen Unterlassung der rechtzeitigen Offenlegung von Jahresabschlüssen und anderen Unterlagen (§§ 335, 340o, 341 HGB, § 21 PublG) von der Gläubigerin als Vollstreckungsbehörde nach § 2 Abs. 2 JBeitrO ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 € verhängt. Mit Vollstreckungsauftrag vom 10. Oktober 2011 beauftragte die Gläubigerin im Wege der Amtshilfe gemäß § 2 Abs. 4 JBeitrO den Gerichtsvollzieher im Amtsgerichtsbezirk Oranienburg mit der Zwangsvollstreckung dieser Geldforderung unter Hinweis auf Fälligkeit und Vollstreckbarkeit nach §§ 1, 5 JBeitrO und stellte zugleich den Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (Bl. 4 f. d.A.). Die Schuldnerin wandte sich mit an die Gläubigerin gerichteten Schreiben vom 20. Oktober 2011 unter Hinweis auf die Nichtgeltung der JBeitrO gegen die Zwangsvollstreckung (Bl. 10 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 forderte der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 10. November 2011 auf (Bl. 13 d.A.). Dagegen wandte sich die Schuldnerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens zur vermeintlichen Nichtigkeit der JBeitrO mit Schreiben vom 8. November 2011 (Bl. 16 ff. d.A.). Im anberaumten Termin erklärte die Schuldnerin ihren Widerspruch und gab die eidesstattliche Versicherung nicht ab.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Oktober 2012, welcher der Schuldnerin am 30. Oktober 2012 zugestellt worden ist (Bl. 44 d.A.), hat das Amtsgericht Oranienburg den Widerspruch der Schuldnerin verworfen und sich in den Beschlussgründen auch mit materiell-rechtlichen Einwänden der Schuldnerin auseinandergesetzt; darauf wird Bezug genommen (Bl. 22 ff. d.A.). Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin mit Schreiben vom 13. November 2012, die bei dem Amtsgericht Oranienburg am gleichen Tage eingegangen ist (Bl. 45 d.A.). Zur Begründung führt sie darin erneut aus, die in dem angefochtenen Beschluss für die Festsetzung des Ordnungsgeldes aufgeführten Rechtsnormen der JBeitrO seien nichtig. Daneben verstießen auch die einschlägigen Normen der ZPO gegen das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG und seien daher ebenfalls nichtig. Zudem sei die den Beschluss erlassende Rechtspflegerin für die Bescheidung des Widerspruchs nicht zuständig. Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift sowie das ergänzende Schreiben vom 6. Dezember 2012 (Bl. 53 f. d.A.) Bezug genommen. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 14. November 2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Neuruppin zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 47 d.A.). Gegen den Nichtabhilfebeschluss hat die Schuldnerin nochmals mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 Stellung genommen (nochmals als „sofortige Beschwerde“ bezeichnet); darauf wird verwiesen (Bl. 53 f. d.A.).

II.

Die von der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Oktober 2012 eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 900 Abs. 4 Satz 1, §§ 793, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO bei Gericht eingegangen. In der Sache ist sie unbegründet.

1. Nach § 900 Abs. 1 ZPO ist ein Schuldner auf Antrag des Gläubigers nach Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor dem Gerichtsvollzieher verpflichtet, wenn die formell-rechtlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung hierfür vorliegen. Dass dies vorliegend der Fall ist, insbesondere ein Vollstreckungstitel und dessen ordnungsgemäße Zustellung an die Schuldnerin gegeben sind, stellt diese nicht in Abrede; sie macht nicht geltend, wegen solcher Verfahrensmängel die eidesstattlichen Versicherung nicht abgeben zu müssen.

2. Zutreffend hat die die Sache bearbeitende Rechtspflegerin - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - zudem ihre Zuständigkeit gemäß § 20 Nr. 17 RPflG für die Bescheidung des im Termin erhobenen Widerspruchs bejaht (§ 900 Abs. 4 ZPO). Nach § 20 Nr. 17 RPflG sind dem Rechtspfleger die Geschäfte im Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Achten Buche der ZPO übertragen, wenn sie von dem hier örtlich zuständigen Vollstreckungsgericht zu erledigen sind. Soweit die Beschwerdeführerin dagegen mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 einwendet, ihrer Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung liege kein Gläubigerauftrag nach der ZPO zugrunde, sondern nach der JBeitrO, verkennt sie das systematische Verhältnis dieser Normen zueinander. Die JBeitrO regelt nicht das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, sondern die Beitreibung von Forderungen (vgl. hier § 1 Nr. 3: „Ordnungs- und Zwangsgelder“). Können solche Forderungen nicht beigetrieben werden, richtet sich das auf Antrag des Gläubigers gegebenenfalls einzuleitende Verfahren auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO nach den Vorschriften der §§ 899 ff. ZPO. Letztere regeln das zu beachtende Prozedere, und zwar grundsätzlich unabhängig von der Art der zugrundeliegenden Forderung.

3. Der weiterhin von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Einwand, die hier einschlägigen Verfahrensregelungen der ZPO verstießen gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist unzutreffend. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Beschlüssen vom 10. Februar 1953 (1 BvR 787/52, NJW 1953, 497) und vom 25. Mai 1956 (1 BvR 190/55, NJW 1956, 986) entschieden, dass sich Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf künftige Rechtsetzung bezieht und auf vorkonstitutionelle Gesetze - wie die am 1. Oktober 1879 in Kraft getretene ZPO - grundsätzlich nicht anwendbar ist. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG sollte nach dem Akt der Verfassungsgebung lediglich verhindern, dass neue, dem bisherigen Recht fremde Möglichkeiten des Eingriffs in Grundrechte geschaffen werden, ohne dass der Gesetzgeber sich darüber Rechenschaft ablegt und dies ausdrücklich zu erkennen gibt. Ebenso wenig gilt das Zitiergebot deshalb für nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Gesetze oder Gesetzesänderungen, die lediglich bereits geltende Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen. Auch insoweit ergeben sich keine Bedenken, weil die Regelungen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (heute: §§ 899 ff. ZPO) in allen wesentlichen Teilen zum überkommenen Bestand der ZPO gehören (bis 1970: „Offenbarungseid“; vgl. § 780 der Civilprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1877, RGBl. 1877, Nr. 6, S. 199 ff.).

4. Der von der Beschwerdeführerin ferner erhobene Einwand der vermeintlichen Nichtigkeit der JBeitrO, nach deren Regelungen das verfahrensgegeständliche Ordnungsgeld im Sinne des § 335 Abs. 1 Nr. 1 HGB von der Gläubigerin tituliert wurde und nunmehr nebst Kosten beigetrieben wird, ist in dem Verfahren über den Widerspruch des Schuldners gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht zu prüfen. Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Titels, die darauf gestützt werden, dass bereits die dem Vollstreckungstitel zugrundeliegenden Rechtsnormen - oder in anderen Fällen die individualvertragliche Vollstreckungsunterwerfung - nichtig seien, sind vielmehr mit der prozessualen Gestaltungsklage geltend zu machen, wobei es sich um eine besondere Form der Vollstreckungsabwehrklage im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO handelt („Titelgegenklage“; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, NJW 1994, 460, 461; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 767 Rn. 7 mwN). Allein mit einem solchen Klageverfahren kann im Erfolgsfalle die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt werden. Denn gegen die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels gerichtete materiell-rechtliche Einwendungen sind ausschließlich im Erkenntnisverfahren zu verfolgen. Im streng formalisierten Vollstreckungsverfahren dürfen sie nicht berücksichtigt werden. Das Vollstreckungsgericht hat die Zwangsvollstreckung nur einzustellen, zu beschränken oder aufzuheben, wenn ihm die Ausfertigung einer entsprechenden Entscheidung des Prozessgerichts vorliegt (vgl. § 775 Nr. 1 und 2, § 776 ZPO). Gleiches gilt, wenn der Schuldner nachweist, dass er vor dem Termin zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung die Vollstreckungsforderung als Sicherheit hinterlegt oder bezahlt hat (§ 775 Nr. 3, 4 und 5, § 776 ZPO). Diese Voraussetzungen sind nicht dargetan.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 788 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund im Sinne der § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO nicht gegeben ist.