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Gebührenerhebung durch den GBA - Antragsverfahren nach § 34 Abs. 6 SGB V - Gebührenzweck - Gebührenhöhe


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 27.02.2013
Aktenzeichen L 7 KA 114/11 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 6 EWGL 105/89, § 8 GebO GBA, § 34 Abs 6 SGB 5

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine ihr auferlegte Verwaltungsgebühr.

Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, beantragte im September 2007 die Aufnahme zweier nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in die sogenannte OTC-Liste der vom Beklagten beschlossenen Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL). Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 20. Mai 2008, Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2009). Klage wurde nicht erhoben. Der Bescheid vom 20. Mai 2008 enthielt u. a. folgenden Passus:

„Für das Antragsverfahren nach § 34 Abs. 6 SGB V werden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss Gebühren erhoben. Die Höhe der Gebühren wird nachträglich in einem gesonderten Bescheid mitgeteilt.“

Einen entsprechenden Passus, bezogen auf das Widerspruchsverfahren, enthielt der Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2009. Für die Durchführung des Antragsverfahrens erhob der Beklagte von der Klägerin eine Gebühr i.H.v. 10.394.- € (Bescheid vom 8. Dezember 2008, Widerspruchsbescheid vom 7. April 2011). Auch insoweit wurde keine Klage erhoben.

Mit weiterem Bescheid vom 7. April 2011 erhob der Beklagte „für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens […] nach § 8 Abs. 1 der GebO eine Gebühr i.H.v. 10.394,00 Euro.“ Weitere Ausführungen zur Höhe dieser Gebühr enthält dieser Bescheid nicht. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2011 zurück und führte zur Begründung u.a. aus: § 8 Abs. 1 der Gebührenordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GebO) biete zur Erhebung einer Widerspruchsgebühr eine Rechtsgrundlage, die sich – mit § 34 Abs. 6 Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auf eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage stützend – im Rahmen der Ermächtigung halte. Daran, dass § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V zur Gebührenerhebung für die Zurückweisung eines Widerspruchs ermächtige, könne angesichts des weit gefassten Wortlautes sowie des Zwecks der Vorschrift, den tatsächlichen Sach- und Personalaufwand des Widerspruchsgegners in den Verfahren über die Aufnahme von Arzneimitteln in die OTC-Liste nicht der Selbstverwaltung aufzubürden, keine Zweifel bestehen. Dass Gebühren nur für die den Widerspruch zurückweisende Amtshandlung erhoben würden, führe zu keinem anderen Ergebnis. Eine gesonderte Begründung oder Offenlegung der Kalkulation des mit einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren verbundenen Aufwandes bedürfe es nicht. Die für das Widerspruchsverfahren zu erhebende Gebühr in Höhe der für den Antrag angefallenen Gebühr entspreche dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Bereits der angefallene Personal- und Sachaufwand bei der Bearbeitung des Widerspruchs rechtfertige die erhobene Gebühr. Dass andere Verwaltungszweige wie etwa das behördlich organisierte Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vermeintlich geringere Gebühren erhöben, könne nicht entgegengesetzt werden. Im Übrigen entspreche die Höhe der Gebühr dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sei also insbesondere erforderlich und angemessen.

Gegen diesen der Klägerin frühestens am 19. August 2011 bekanntgegebenen Widerspruchsbescheid richtet sich deren Klage vom 19. September 2011, zu deren Begründung sie vorträgt: Weil nach § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V Gebühren nur „für das Antragsverfahren“ zu erheben seien, sei die Erhebung einer Gebühr für das Widerspruchsverfahren von dieser Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Wähle der Gesetzgeber einen im Wortlaut eng begrenzten Gebührentatbestand, könne nicht geltend gemacht werden, er habe noch weitere, ungenannte Gebührenzwecke verfolgen wollen, denn zur Normenklarheit gehöre auch die Normenwahrheit, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergebe. Vorliegend habe der Gesetzgeber ausdrücklich das Wort „Antragsverfahren“ und nicht „Verwaltungsverfahren“ oder generell „Verfahren“ gewählt. Die Gesetzesbegründung bestätige dies. Aus Art. 6 der Richtlinie 89/105/EWG ergebe sich, dass gegen ablehnende Entscheidungen Rechtsmittel – wie der Widerspruch – gegeben sein müssten, ohne dass dies extra Kosten verursache oder die adäquate Versorgung mit Arzneimitteln behindere. § 8 GebO sei daher auch europarechtswidrig. Dass je Antrag nur eine einheitliche Gebühr erhoben werden dürfe, zeige sich auch deutlich im Vergleich zu § 33 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG). Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) werde ausdrücklich angeregt.

Die für das Widerspruchsverfahren vorgesehene maximale Höchstgebühr von 10.394.- € sei auch rechtswidrig, weil sie eindeutig im Missverhältnis zum Wert der Verwaltungsleistung stehe und vielmehr Abschreckungs- bzw. Strafcharakter habe. Die Gebühren für den Erlass von Widerspruchsbescheiden im Rahmen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bzw. des AMG bewegten sich allenfalls im dreistelligen Bereich. Die Gebühr verstoße auch gegen das Äquivalenzprinzip. Das dem Beklagten durch § 8 Abs. 2 Satz 1 GebO eingeräumte Ermessen sei hier nicht pflichtgemäß ausgeübt und begründet worden. Für die Erhebung der Höchstgebühr bestünden im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte. Gerade weil das Widerspruchsverfahren mit dem Ausgangsverfahren eine Einheit bilde, sei auch das Widerspruchsverfahren mit der Antragsgebühr abgegolten. Die gesamte Struktur des Beklagten mit den bestehenden Sachausschüssen und Personalkosten sei aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung gemäß SGB V aufgebaut worden und habe nichts mit gesonderten Kosten für ein etwaig durchzuführendes Widerspruchsverfahren zu tun. Aus den beiden vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergebe sich, dass im Widerspruchsverfahren keinerlei irgendwie geartete Bearbeitung erfolgt sei. Der von der Beklagten behauptete Aufwand in der Sache werde daher ausdrücklich bestritten. Die Veröffentlichung der zusammenfassenden Dokumentation des jeweiligen Beratungsverfahrens, die insbesondere auch die Darstellung etwaiger abweichender Voten der Beteiligten und eine Auseinandersetzung mit den eingegangen Stellungnahmen enthalte, werde ausdrücklich beantragt. Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 der Geschäftsordnung des Beklagten (GO-GBA) seien jedenfalls Einladungen zu Sitzungen aktenkundig zu machen, sodass der Beklagte zumindest die Einladungen zu den Sitzungen vorlegen können müsse. Der in der Gesetzesbegründung zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz hervorgehobenen Verpflichtung zur Transparenz sei der Beklagte in keiner Weise nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zur Ermittlung des durchschnittlich erforderlichen Zeit- und Sachaufwandes unter Berücksichtigung des Personaleinsatzes unterschiedlicher Mitarbeitergruppen sei völlig unsubstantiiert. Dass in die vom Beklagten so bezeichnete Pauschalgebühr nach § 8 GebO auch die hypothetischen Kosten der Rechtsverfolgung einkalkuliert worden seien, bestätige die Vermutung, dass diese Art der Gebührenerhebung nur dazu dienen solle, Gebührenpflichtige von der Erhebung von Widersprüchen abzuhalten.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid des Beklagten vom 7. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2011 aufzuheben,

hilfsweise,

die Gebühr aus dem Gebührenbescheid vom 7. April 2011 gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 GebO herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Zweck der Gebührenerhebung und damit maßgebliche Determinante für die Gebührenbemessung sei die kostendeckende Durchführung des Verwaltungsverfahrens, dessen nähere Ausgestaltung ihm überlassen worden sei. Das Antragsverfahren im Sinne von § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V beschränke sich schon nach dem Wortlaut nicht auf die konkrete Entscheidung über den Antrag, sondern beziehe sich auf die Durchführung des Antragsverfahrens. Hierbei bilde das Antrags- mit dem Widerspruchsverfahrens eine Einheit und werde erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen. Nach der Gesetzesbegründung sei Zweck der Vorschrift, den tatsächlichen Sach- und Personalaufwand des Beklagten in den Verfahren über die Aufnahme von Arzneimitteln in die sogenannte OTC-Liste nicht der Selbstverwaltung aufzubürden. Auch verfassungsrechtlich sei die Kostendeckung ein legitimer Gebührenzweck. Mit den in § 4 Abs. 2 GebO genannten Gesichtspunkten zur Gebührenermäßigung bzw. deren Bemessung werde dem Äquivalenzprinzip genügt. Es sei zu beachten, dass Gebühren in der Regel in Massenverfahren erhoben würden, bei denen jede einzelne Gebühr nicht nach Kosten, Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet, sondern vielfach nur nach Wahrscheinlichkeit und Vermutung in gewissen Maß vergröbert, bestimmt und pauschaliert werden könne. Die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hier ergänzend vorgenommene Prüfung stehe auch im Hinblick auf die neu eingereichten Unterlagen der Klägerin in einem angemessenen Verhältnis zu den erhobenen Gebühren und decke sich insoweit in der Regel mit dem für das Ausgangsverfahren anfallenden Aufwand. Konkret sei dem Widerspruch der Klägerin neben einer 10-seitigen Begründung, in der auf die einzelnen Punkte des Bescheides eingegangen worden sei, eine gutachterliche Stellungnahme von 9 Seiten (mit insgesamt 52 zitierten Literaturstellen) beigefügt gewesen. Diese seien über die im Antragsverfahren vorgelegten Literaturstellen hinausgegangen. Er – der Beklagte – habe sich daher im Widerspruchsverfahren noch einmal mit allen Argumenten der gutachterlichen Stellungnahme und der weitergehenden Literatur auseinandergesetzt und seine Erwägung insoweit mit dem Widerspruchsbescheid offen gelegt. Auch wenn andere Verwaltungszweige, wie etwa das behördlich organisierte BfArM, vermeintlich geringere Gebühren erhöben, könne dies ihn – den Beklagten – hinsichtlich seiner Gebührenbemessung nicht binden. Schon die strukturellen Unterschiede seiner Organisation als Selbstverwaltungsgremium stünden einer solchen vergleichenden Betrachtung entgegen.

Seine Vorlagepflicht hinsichtlich der Übersendung von Verwaltungsvorgängen nach § 119 Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe er erfüllt. Ein darüber hinaus gehender Verwaltungsvorgang existiere nicht. Insbesondere würden den Verwaltungsvorgängen nach § 34 Abs. 6 SGB V nicht diejenigen Unterlagen beigefügt, die einen engen Bestandteil des Beratungsvorganges in nicht-öffentlichen Sitzungen darstellten und dem besonderen Vertraulichkeitsschutz nach § 91 Abs. 7 Satz 7 SGB V unterlägen. Diese Vorschrift entfalte Wirkungen auch für Unterlagen, welche vor der Einführung dieser Vorschrift in das SGB V zum 1. Januar 2012 erstellt worden seien. Unter den Tätigkeitsbereich der Geschäftsstelle fielen z.B. Aufgaben bezüglich der Vorbereitung von Sitzungen der Unterausschüsse und des Gremiums durch das Aufbereiten, Erstellen und Bereitstellen der Sitzungs- und Plenumsunterlagen, Auswertungen von Studien, Versenden der Einladung, Raumplanung und Organisation. Auch während der Sitzung leiste die Geschäftsstelle juristische und fachliche Unterstützung, wache über die Einhaltung der Verfahrensvorschriften und führe Protokoll. Im Nachgang zu den Sitzungen werde ebenfalls eine Beratung und Unterstützung durch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle gewährleistet, beispielsweise durch Erstellung und Abstimmung des Protokolls, Nachbereitung der Beratungs- und Entscheidungsunterlagen unter Berücksichtigung der ausgetauschten Argumente oder auch die Führung der Korrespondenz (vgl. § 22 GO-GBA). Nach seiner – des Beklagten – Kalkulation entfielen von der hier streitigen Gebühr auf Personalkosten 6.999,00 € und auf Sachkosten 3.395,00 €. Hierbei sei zunächst der zeitliche Aufwand berücksichtigt worden, der auf einen Referenten, auf einen Sachbearbeiter, auf das Sekretariat, auf die Mitarbeiter der Rechtsabteilung, der Abteilung Fachberatung Medizin und der Abteilung Verwaltung sowie auf den zuständigen Abteilungsleiter durchschnittlich bei der Bearbeitung eines Antrages bzw. Widerspruches entfiele. Dieser zeitliche Aufwand sei seinem Anteil nach ins Verhältnis zu den Personalkosten des Arbeitgebers unter Beachtung der jeweils den Mitarbeitergruppen zuzuordnende Gehaltsstufen gesetzt worden. Zu den sächlichen Kosten zählten beispielsweise Kosten für die Bereitstellung der Arbeitsräumlichkeiten der Mitarbeiter der Geschäftsstelle und der Sitzungsräumlichkeiten der Teilnehmer an den Sitzungen, die externe Beratung der Geschäftsstelle, der Geschäftsbedarf im Sinne von sächlichen Verwaltungskosten sowie auch Auslagen und Arbeitsentschädigungen der an den Sitzungen des Unterausschüssen des Plenums teilnehmenden Patientenvertreter. Hinzu kämen die Kosten der Rechtsverfolgung in dem Rahmen, in dem diese noch nicht durch die Personalkosten gedeckt seien. Hierbei habe der Beklagte, ausgehend von den Aufstellungen seines Haushaltes, differenziert nach Personal- und Sachkosten den Haushaltsschlüssel errechnet, wonach die Personalkosten etwa 2/3 der Gesamtkosten der Geschäftsstelle ausmachten.

Der Beklagte verweist auf eine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichte Aufstellung derjenigen Kosten, die in die Berechnung eingeflossen seien. Diese kalkulierten Kosten seien sowohl auf das Ausgangs- als auch auf das Widerspruchsverfahren zu beziehen, weil hierfür nach den Ermittlungen bei den betroffenen Mitarbeitern ein in etwa gleich hoher Arbeitsaufwand entstehe. Die in der Übersicht enthaltenen Arbeitstage beruhten auf Schätzungen, deren Grundlage eine Befragung der jeweiligen Mitarbeiter gewesen sei.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die vom Beklagten überlassenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsantrags unbegründet. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig, da die von ihm festgesetzten Gebühren weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden sind.

I) Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Beklagte bereits in seinen Bescheiden vom 18. Mai 2008 und 18. Juni 2009 ausführte, dass Gebühren für das Verfahren nach § 34 Abs. 6 SGB V erhoben würden. Hierin liegt noch keine Entscheidung über das „Ob“ einer Gebührenfestsetzung und somit keine Regelung i.S.v. § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Vielmehr handelt es sich bei den entsprechenden Passagen lediglich um den Hinweis bzw. die Ankündigung, dass zeitlich nachfolgend noch Gebühren erhoben würden.

II) Rechtsgrundlage für die vom Beklagten erhoben Gebühr ist § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V i.V.m. den Vorschriften der GebO in ihrer seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung.

1) Durch das im Wesentlichen zum 1. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) wurde § 34 SGB V um folgenden Absatz 6 ergänzt:

„Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.“

Im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 26. Oktober 2006 (Az.: C-317/05 – „Pohl-Boskamp“, veröffentlicht in Juris) soll mit dieser Regelung die Richtlinie 89/105/EWG betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (Transparenz-RL) umgesetzt werden. Die Gebühr soll es dem GBA ermöglichen, dieses Verwaltungsverfahren kostendeckend durchzuführen (Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drs. 16/4247 S. 32).

2) Auf dieser Grundlage traf der Beklagte in der GebO u.a. folgende Regelungen:

§ 1 Regelungsbereich

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss erhebt für seine Entscheidungen im Antragsverfahren nach § 34 Abs. 6 SGB V über die Anträge zur Aufnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und von Medizinprodukten in die Arzneimittel-Richtlinie nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V und § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V Gebühren nach dieser Gebührenordnung.

§ 2

Gebühren bei Ablehnung oder Rücknahme Wird ein Antrag abgelehnt oder wird ein Antrag zurückgenommen, nachdem mit der sachlichen Bearbeitung begonnen worden ist, so kann sich die Gebühr bis zu einem Viertel der vorgesehenen Gebühr ermäßigen oder es kann von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.

§ 3 Höhe der Gebühren

Für den Antrag ist eine Gebühr in Höhe von 10 394 € zu entrichten.

§ 4 Erhöhungen und Ermäßigungen

(1) Hat die Bearbeitung des Antrags im Einzelfall einen außergewöhnlich hohen Aufwand erfordert, so kann die Gebühr bis auf das Doppelte der vorgesehenen Gebühr erhöht werden. Der Gebührenschuldner ist zu hören, wenn mit einer Erhöhung der Gebühren nach Satz 1 zu rechnen ist.

(2) Die Gebühr kann bis auf die Hälfte der vorgesehenen Gebühr ermäßigt werden, wenn der mit der Prüfung des Antrags verbundene Personal- und Sachaufwand einerseits und die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Aufnahme des nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels oder des Medizinproduktes in die Arzneimittel-Richtlinie für den Gebührenschuldner andererseits dies rechtfertigen.

§ 8 Gebühren bei Widerspruchsverfahren

(1) Wird gegen eine Entscheidung über die Anträge nach § 34 Abs. 6 Satz 1 SGB V Widerspruch erhoben, so ist eine Gebühr zu erheben, wenn der Widerspruch zurückgewiesen wird.

(2) Die Gebühr beträgt höchstens die für die angefochtene Entscheidung festgesetzte Gebühr; § 4 Abs. 1 bleibt unberührt. Die Gebühr wird auch erhoben, wenn der Widerspruch nach Beginn der sachlichen Bearbeitung zurückgenommen wird.

III) Hieran gemessen gehen die zur Begründung ihrer Anträge erhobenen Angriffe der Klägerseite fehl.

1) Entgegen deren Rechtsauffassung ermächtigt § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V den Beklagten auch zur Erhebung einer Gebühr für die Zurückweisung eines Widerspruchs.

a) Allerdings ist der Wortlaut von § 34 Abs. 6 Satz SGB V auf den ersten Blick missverständlich. Der Begriff „Antragsverfahren“ könnte in der Tat den Schluss nahe legen, damit sei die Ermächtigung zu Gebührenregelungen und -erhebung auf den Teil des Verwaltungsverfahrens beschränkt, der durch einen Antrag des pharmazeutischen Unternehmers eingeleitet und durch die Bescheidung nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V beendet wird. Eine systematische und teleologische Betrachtung ergibt indessen, dass ein solcherart verengtes Verständnis des „Antragsverfahrens“ nicht überzeugt.

b) Dass der Gesetzgeber – anders als bei den ggf. eher zu erwartenden Begriffen „Verfahren“ oder „Verwaltungsverfahren“ – den Wortbestandteil „Antrag“ gewählt hat, liegt an der besonderen Bedeutung, die dem Antrag im Rahmen des Verfahrens nach § 34 Abs. 6 Satz 6 SGB V zukommt.

aa) Entscheidungen des GBA, die die Verordnung von Arzneimitteln betreffen, werden typischerweise Gegenstand der AM-RL nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. Es handelt sich hierbei um (untergesetzliche) Normgebung, da die Beschlüsse des GBA nach § 91 Abs. 6 SGB V (mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V) für alle Beteiligten des GKV-Systems, insbesondere für Versicherte, Krankenkassen und Leistungserbringer, verbindlich sind. Ob und ggf. mit welchem Inhalt Normen erlassen werden, entscheidet der jeweilige Normgeber von Amts wegen. Anträge von Personen oder Organisationen, die am Verfahren der Normsetzung nicht unmittelbar beteiligt sind, sind daher in der Regel gesetzlich nicht vorgesehen. Dies schließt in „Anträge“ gekleidete Anregungen der Normunterworfenen, eine Norm mit einem bestimmten Inhalt zu erlassen, nicht aus. Kommt der Normgeber einer solchen Anregung nach, erlässt er die Norm, ohne über das Begehren des Normunterworfenen per Verwaltungsakte (§ 31 SGB X) zu entscheiden. Will der Normgeber dieser Anregung jedoch nicht entsprechen, ist er zur Bescheidung nicht verpflichtet. Ein Recht der Normadressaten auf eine solche Bescheidung existiert demnach grundsätzlich nicht.

bb) Hiervon macht § 34 Abs. 6 SGB V eine Ausnahme. In Abkehr vom soeben geschilderten Grundsatz wurde ein Verfahren eingeführt, welches nicht nur ausdrücklich einen Antrag auf Normsetzung vorsieht, sondern für den Fall der Ablehnung auch eine Bescheidungspflicht des Normgebers. Die Besonderheit dieses Verfahrens besteht mithin gerade in der Konstituierung eines Antrags, der sich an einen Normgeber richtet und diesen zur Bescheidung im Ablehnungsfall zwingt. Die Bezeichnung als „Antragsverfahren“ bringt daher in erster Linie diese Besonderheit zum Ausdruck.

c) Dieses „Antragsverfahren“ ist, falls dem Antrag nicht entsprochen wird, mit dessen Bescheidung auf der Ebene des GBA nicht abgeschlossen. Vielmehr sieht § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V in Übereinstimmung mit Art. 6 Ziffer 2 Satz 2 Transparenz-RL ein „Rechtsmittel“-Verfahren vor. Da der Gesetzgeber insoweit nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG den Ausschluss des Vorverfahrens spezialgesetzlich anzuordnen (wie z.B. nach § 35 Abs. 7 Satz 3, § 36 Abs. 3, § 81 Abs. 5 Satz 4, § 92 Abs. 3 Satz 3 SGB V), ist mit dem Begriff des Rechtsmittels i.S. dieser Vorschrift der das Vorverfahren nach § 78ff SGG einleitende Widerspruch (§ 83 SGG) gemeint, auch wenn dem Widerspruch als Rechtsbehelf (§ 62 SGB X) der nach dem allgemeinen deutschen Prozessrecht für Rechtsmittel konstitutive Devolutiveffekt (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10.A., § 143 Rd. 1) fehlt. Dementsprechend hat der Gesetzgeber als Gebührenzweck auch die Kostendeckung für das „Verwaltungsverfahren“ (BT-Drs. 16/4247) insgesamt und nicht nur für das Ausgangsverfahren vorgegeben. Schon nach der europarechtlich vorgeprägten Systematik des § 34 Abs. 6 SGB V ist also das Vor- bzw. Widerspruchsverfahren vom „Antragsverfahren“ mit umfasst. Dies entspricht im Übrigen der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Dogmatik, wonach das Ausgangs- und das Widerspruchsverfahren eine Einheit bilden (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 8; BVerwGE 84, 178; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 77 Rd. 4a; jeweils m.w.N.).

2) Dass § 8 Abs. 1 GebO keine Gebühr für den Fall einer Stattgabe des Widerspruchs vorsieht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit ohne jede Bedeutung. Denn das Fehlen einer solchen Regelung tangiert die Rechtsposition der Klägerin, deren Widerspruch zurückgewiesen wurde, in keiner Weise. Unabhängig hiervon entspricht es einem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz, dass der erfolgreiche Widerspruchsführer nicht mit Kosten belastet wird (vgl. nur § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz).

3) Europarechtlich ist die GebO nicht zu beanstanden, auch soweit sie eine Gebühr für die Zurückweisung des Widerspruchs vorsieht. Entgegen der klägerischen Auffassung sind Art. 6 der Richtlinie 89/105/EWG keine gebühren- oder kostenrechtliche Vorgaben zu entnehmen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass das diesbezügliche Verfahren für den Antragsteller kostenfrei durchzuführen ist. Vielmehr bleibt es bei einem Schweigen des Unionsgesetzgebers zu bestimmten Regelungsmaterien bei der Kompetenz der Mitgliedsstaaten, insoweit eigene Bestimmungen zu schaffen.

4) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Erhebung für Gebühren werden durch § 8
GebO beachtet.

a) Die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben bedarf mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) und zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung. Dies gilt für die Abgabenerhebung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.

aa) Die finanzverfassungsrechtliche Verteilung der steuerbezogenen Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen verlöre ihren Sinn und ihre auch den Bürger schützende Funktion, wenn nichtsteuerliche Abgaben beliebig unter Umgehung dieser Verteilungsregeln begründet werden könnten. Die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe muss zudem berücksichtigen, dass der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe regelmäßig zugleich entweder Steuerpflichtiger oder Beitragsschuldner ist und bereits als solcher zur Finanzierung der Lasten herangezogen wird, die die Gemeinschaft treffen. Die Gleichheit der Abgabenbelastung wäre nicht gewahrt, wenn Einzelne daneben ohne besondere, die Abgabenerhebung – auch der Höhe nach – rechtfertigende Sachgründe zusätzlich herangezogen werden könnten.

Entsprechendes gilt, soweit der Gebührenschuldner als Arbeitgeber Beiträge nach dem SGB V für Beschäftigte getragen hat. Zwar finanziert sich der GBA vordergründig aus Zuschlägen im Zusammenhang mit der stationären und ambulanten (zahn-)ärztlichen Versorgung (§ 91 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 139c SGB V). Die Vergütung erfolgt in allen Leistungsbereichen jedoch durch die Krankenkassen, letztlich mithin durch die Beiträge, die Versicherte und Arbeitgeber zu entrichten haben (§ 3 Sätze 1 und 2 SGB V).

bb) Gebühren sind als öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die in Anknüpfung an eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung erhoben werden, um deren Kosten ganz oder teilweise zu decken, dem Grunde nach durch ihre Ausgleichsfunktion gerechtfertigt. Als sachliche Gründe, die die Bemessung der Gebühr rechtfertigen können, sind neben dem Zweck der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt. Daraus folgt allerdings nicht, dass zur Rechtfertigung der konkreten Bemessung einer gesetzlich vorgesehenen Gebühr jeder dieser Zwecke nach Belieben herangezogen werden könnte. Nur Gebührenzwecke, die von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen werden, sind geeignet, die jeweilige Gebührenbemessung sachlich zu rechtfertigen. Eine – ggf. im Wege der Auslegung gewinnbare – hinreichende Klarheit der Gebührenzwecke ist aus rechtsstaatlichen Gründen wie auch im Hinblick auf die Bedeutung der gesetzlichen Regelung im demokratischen Verantwortungszusammenhang erforderlich. Die gerichtliche Kontrolle einer (unter-)gesetzlichen Gebührenbemessung hat, nicht zuletzt weil maßgebliche Bestimmungsgrößen sich häufig nicht exakt und im Voraus quantifizieren lassen, einen Gestaltungsspielraum des Normgebers zu wahren. Eine Gebührenregelung ist erst dann als sachlich nicht gerechtfertigt zu beanstanden, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken steht. Der mit der Abgabenerhebung verbundene Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ist in einem solchen Fall unverhältnismäßig und läuft der Begrenzungs- und Schutzfunktion der grundgesetzlichen Finanzverfassung sowie dem Gleichheitsgrundsatz zuwider (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2012, Az.: 2 BvL 51/06, 2 BvL 52/06, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).

b) Der durch die GebO erfolgte Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Klägerin wahrt diese verfassungsrechtlichen Vorgaben.

aa) Der Zweck der Erhebung von Gebühren nach der GebO besteht in der Kostendeckung. Dies lässt sich zwar weder dem Wortlaut von § 34 Abs. 6 SGB V noch dem der GebO unmittelbar entnehmen. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/4247) benennt diesen Gebührenzweck jedoch mit hinreichender Deutlichkeit. Die GebO hält sich nach ihrem Wortlaut und ihrer Systematik innerhalb dieses Gebührenzwecks. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, die GebO dürfe keine weiteren Zwecke verfolgen, trifft dies zu. Allerdings ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen, welchen weiteren (und somit unzulässigen) Zweck die GebO verfolgen soll.

bb) Die ohne Anwendung von § 8 Abs. 2, 2. Halbsatz GebO für die Zurückweisung eines Widerspruchs höchstens zulässige Gebühr von 10.394.- € steht zu dem für eine Kostendeckung erforderlichen Aufwand in keinem grobem Missverhältnis. Die Gebühr setzt sich zusammen aus zwei Teilbeträgen: 6.999.- € entfallen auf Personalkosten, 3.395.- € auf Sachkosten. Seine zugrunde liegende Kalkulation hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar dargelegt.

Danach hat er im Vorfeld der Einführung des § 34 Abs. 6 SGB V eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt und auf dieser Grundlage eine Schätzung vorgenommen, wie viele Arbeitstage (AT) ein Mitarbeiter aus jeder beteiligten Vergütungsgruppe durchschnittlich mit einem Antrag nach § 34 Abs. 6 SGB V bzw. einem hieran anschließenden Widerspruch befasst ist. Die Anzahl der Arbeitstage wurde anschließend mit den dem Beklagten in den einzelnen Vergütungsgruppen entstehenden Kosten je Arbeitstag – ermittelt aus den jährlichen entstehenden Kosten (JK), dividiert durch die Zahl der durchschnittlichen tatsächlichen Arbeitstage eines Jahres (204) – multipliziert und ergab die in den einzelnen Vergütungsgruppen anfallenden Kosten je Antrag/Widerspruch (KAW). Dies entspricht der Formel AT x (JK : 204) = KAW. Die Summe von durchschnittlichen Personalkosten i.H.v. 6.999.- € je Antrag/Widerspruch beruht auf folgenden Werten:

        

durchschnittliche Arbeitstage je Antrag/ Widerspruch (AT)

Jahreskosten der einzelnen Vergütungsgruppen (JK)

Kosten je Antrag/ Widerspruch (KAW)

Referent/in (z.B. Apotheker/in)

12    

67.104 €

3.947 €

Sachbearbeitung/Sekretariat

4       

43.377 €

851 € 

Abteilungsleitung

0,5     

96.373 €

236 € 

Juristische/r Mitarbeiter/in

4       

78.522 €

1.540 €

Sachbearbeitung/Sekretariat im Justiziariat

2       

43.377 €

425 € 

        

22,5   

        

6.999 €

Den Sachkostenanteil von 3.395.- € ermittelte der Beklagte wie folgt: Der geplante Haushalt des Beklagten für das Jahr 2007 belief sich – die Beträge sind jeweils gerundet – auf 11,451 Mio €. Hiervon entfielen auf Personalkosten 4,595 Mio €, auf die – für die streitige Gebührenberechnung angesetzten – Sachkosten 2,229 Mio € und auf sonstige (Sach-)Kosten (wie z.B. für Sitzungen, Bundesanzeiger, Geschäftsbericht, Druckerzeugnisse, Dokumentenmanagementsystem, EDV, Programme, Reisekosten für Sachverständige, Literaturrecherche) 4,627 Mio €. Die sonstigen (Sach-)Kosten sollten nach dem Willen des Beklagten nicht in die Gebührenberechnung einfließen. Die berücksichtigten Sachkosten von 2,229 Mio € gliederten sich auf in 1,382 Mio € für Geschäftsbedarf, Literatur, Telefon, Schulungen, Bankgebühren, Miete und Nebenkosten, Gegenstände der beweglichen Einrichtung und 0,847 Mio € für Beratungsleistungen (Buchhaltung, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer u.ä.) und Reisekosten. An der Summe von Personal- und berücksichtigten Sachkosten (4,595 Mio € + 2,229 Mio € = 6,824 Mio €) haben erstere einen Anteil von 67,34 % und letztere einen Anteil von ca. 32,66 %, was nach der Darstellung des Beklagten dem Erfahrungssatz, dass im allgemeinen 2/3 der Gesamtkosten auf Personalkosten und 1/3 auf Sachkosten entfallen, sehr nahe kommt. Wenn der Beklagte auf der Grundlage dieses Aufteilungsschlüssels davon ausgeht, dass die o.g. Personalkosten von 6.999.- € einen Anteil von ca. 67,34 % an den je Antrag/Widerspruch entstehenden Gesamtkosten bilden sollen und der fehlende Anteil von 32,66 % auf Sachkosten entfalle (somit ein Betrag von 3.395.- €), ist dies aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden. Die Klägerseite hat hiergegen mit Recht keine Einwände erhoben, denn möglicherweise wäre der Beklagte auch berechtigt gewesen, auch einzelne der in den o.g. sonstigen (Sach-)Kosten enthaltenen Positionen in seine Gebührenberechnung einfließen zu lassen.

cc) Die Regelungen der GebO zur Höhe der Gebühr für die Zurückweisung eines Widerspruchs erweisen sich auch im Übrigen als verhältnismäßig.

(1) Im Zusammenhang mit der Erhebung von nicht-steuerlichen Abgaben, wie z.B. Gebühren und Beiträgen, besagt der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Gebühr bzw. der Beitrag nicht in einem Missverhältnis zu dem von der Verwaltung erbrachten Vorteil stehen darf. Dieses Äquivalenzprinzip ist indessen nur bei einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen Gebühr und dem durch das Handeln der Verwaltung erlangten oder erstrebten Vorteil verletzt (BSG, Urteile vom 12. Mai 1993, Az.: 6 RKa 33/92, und vom 3. September 1987, Az.: 6 RKa 1/87; für die Erhebung von Beiträgen zuletzt: Urteil vom 17. August 2011, Az.: B 6 KA 2/11 R; Bundesverwaltungsgericht – BVerwG –, NVwZ 88, 159; alle veröffentlicht in Juris, jeweils m.w.N.).

(2) Mit diesen Vorgaben steht das Regelwerk der GebO, soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung, in Einklang. Der finanzielle Vorteil eines pharmazeutischen Unternehmers, der die Aufnahme eines von ihm produzierten oder vertriebenen Arzneimittels in die Liste der ausnahmsweise innerhalb der GKV verordnungsfähigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V (OTC-Liste) anstrebt, ist erheblich. Nach den Erfahrungen des Senats eröffnet der Zugang eines Arzneimittels zur GKV-Versorgung regelmäßig Gewinnchancen im sechs-, teilweise auch sieben- oder achtstelligen Bereich. Hierzu steht eine Verwaltungsgebühr von rund 10.000.- € offenkundig in keinem Missverhältnis, sodass ihr auch keinerlei Strafcharakter o.ä. attestiert werden kann.

Dass für Verwaltungsdienstleistungen nach anderen Gesetzen, ggf. auch aus dem Gesundheitswesen, nach den klägerischen Angaben erheblich geringere Gebühren erhoben werden, ist unbeachtlich. Sollten für Verwaltungshandeln nach dem AMG nur Gebühren in dreistelliger Höhe geltend gemacht werden – der Senat kann dies zugunsten der Klägerin ohne eigene Prüfung unterstellen –, mag die Ursache hierfür in anderen Kostenstrukturen der betroffenen Behörden, in anderen Gebührenzwecken oder auch in der Absicht der Normgebers liegen, die Gebührenschuldner – etwa aus Gründen der Wirtschaftsförderung – nur sehr gering belasten zu wollen. Auf die Recht- und Verfassungsmäßigkeit der hier streitigen Gebührenforderung bleibt dies ohne Einfluss.

5) Auch die konkrete Anwendung von § 8 GebO im vorliegenden Fall ist nicht zu beanstanden.

a) Mit der Festsetzung der Gebühr für die Zurückweisung des Widerspruchs i.H.d. Regelgebühr für das Ausgangsverfahren (§ 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz i.V.m. § 3 GebO) hat der Beklagte zunächst den durch die GebO eröffneten Rahmen nicht überschritten. Soweit ihm durch die Formulierung „höchstens“ die Festsetzung auch einer geringeren Gebühr ermöglicht war, musste er von diesem Ermessensspielraum im Falle der Klägerin keinen Gebrauch machen. Mit dieser Formulierung in § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz GebO sollte dem Beklagten offensichtlich eine flexible Handhabung zur Ermäßigung der Gebühr im Widerspruchsverfahren eröffnet werden. Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung dürfte dabei weitgehend an die in § 4 Abs. 2 GebO aufgeführten Kriterien anzuknüpfen sein. Ob das Fehlen einer Verweisung auf diese Vorschrift in § 8 Abs. 2 GebO den Schluss erlaubt, dass auch unter geringeren bzw. anderen Voraussetzungen als den in § 4 Abs. 2 GebO genannten eine Gebührenermäßigung in Betracht kommt, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden. Denn solche anderen Umstände sind weder von der Klägerseite mitgeteilt worden noch sind sie anderweitig ersichtlich. Ob das Fehlen einer Verweisung darüber hinaus eine Gebührenreduzierung auf weniger als die Hälfte der vorgesehenen Gebühr erlauben würde, kann gleichfalls dahinstehen. Denn zum einen hat die Klägerin noch nicht einmal behauptet, dass die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Aufnahme ihres Arzneimittels in die Arzneimittel-Richtlinie dies rechtfertige. Zum anderen war der Beklagte nicht wegen eines besonders geringen Personal- oder Sachaufwandes zur Gebührenermäßigung verpflichtet.

Ein Aufwand, der vom Durchschnitt für die Bearbeitung eines Widerspruchs in Verfahren nach § 34 Abs. 6 SGB V erheblich abweicht – nur ein solcher könnte eine Gebührenermäßigung rechtfertigen –, ist schon nach dem Umfang von Widerspruchsbegründung und Widerspruchsbescheid nicht plausibel. So umfasst Erstere zum einen ein 12-seitiges Schreiben, in dem sich die Klägerin mit nahezu allen Punkten aus der Begründung des Bescheids vom 20. Mai 2008 en detail auseinandersetzt. Ergänzt wird das Widerspruchsschreiben zum anderen durch eine 11-seitige fachliche Stellungnahme zweier habilitierter Hygiene-Mediziner, die u.a. 52 Literaturstellen beinhaltet. Mit diesem umfangreichen Vorbringen hat sich der Beklagte in der 22-seitigen Begründung seines Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2009 intensiv auseinandergesetzt und hierbei zu jedem einzelnen Vorbringen der Widerspruchsbegründung Stellung genommen. Dass die im Widerspruchsbescheid genannte Bearbeiterin ( N), eine Fachapothekerin für Arzneimittelinformation (vgl. die Website des Beklagten, Pfad "Struktur, Mitglieder, Patientenbeteiligung", "Geschäftsstelle", "Mitarbeiter", recherchiert am 22. Februar 2013), diese ausführliche Begründung nicht allein, sondern nach Rücksprache und mit der Unterstützung anderer Mitarbeiter bzw. Abteilungen des Beklagten erstellt hat, liegt auf der Hand. Dieser zumindest nicht erheblich unterdurchschnittliche Aufwand wird nicht allein dadurch in Frage gestellt werden, dass auf die vermeintliche Unvollständigkeit des vom Beklagten zur Verfügung gestellten Verwaltungsvorgangs abgehoben wird.

IV) Ist die Höhe der festgesetzten Gebühr somit nicht zu beanstanden, bleibt auch der auf eine Reduzierung der Gebühr gerichtete Hilfsantrag ohne Erfolg.

V) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).