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FU/Tiermedizin; Wintersemester 2009/10; Studienanfänger; Deputat befristet beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter; Dauer der Befristung; (keine) Überprüfung der Arbeitsverträge; Deputatsreduzierungen; Vorsitzender der Promotionskommission; Studienrätin im Hochschuldienst mit besonderer Aufgabenzuweisung; nebenberufliche Frauenbeauftragte; unbefristet beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter ohne Lehrverpflichtung; pauschaler Krankenversorgungsabzug; (keine) Berücksichtigung von im Rahmen des Dienstrechts bereits individuell ermäßigter Deputate einzelner Stelleninhaber; Dienstleistungsbedarf; "bestrittene" Studienanfängerzahlen; konkrete Berechnung der curricularen Anteile; Schwundquote; Anzahl der einzubeziehenden Semesterkohorten; Hamburger Modell


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 09.07.2010
Aktenzeichen OVG 5 NC 101.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 9 KapVO BE, § 11 KapVO BE, § 14 KapVO BE, § 16 KapVO BE, § 5 Abs 1 LVerpflV BE, § 9 Abs 4 LVerpflV BE

Leitsatz


Kampagne WS 2009/10

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2009/10 vorläufig als Studienanfängerin zum Studium der Tiermedizin zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin einer rechtlichen Überprüfung standhalte. Über die in der Zulassungsordnung festgesetzte Zulassungszahl von 170 Studienplätzen und über die Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze (173) hinaus seien keine weiteren Studienplätze für Studienanfänger frei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie vertritt zunächst die Auffassung, dass die Arbeitsverhältnisse aller befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter daraufhin hätten überprüft werden müssen, ob der nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz höchstens zulässige Befristungszeitraum von sechs Jahren nach der Promotion eingehalten sei, da deren Deputat ansonsten mit 8 statt 4 LVS anzusetzen gewesen sei (1.). Sodann beanstandet sie die dem Vorsitzenden der Promotionskommission, der nebenberuflichen Frauenbeauftragten, der Studienrätin im Hochschuldienst Dr. H... und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. B... gewährten und vom Verwaltungsgericht gebilligten Deputatsreduzierungen (2.). Weiter rügt sie, dass die Antragsgegnerin den Dienstleistungsabzug für den Bachelorstudiengang Agrarwissenschaften und den Masterstudiengang Prozess- und Qualitätsmanagement nicht ausreichend begründet habe; insbesondere habe sie weder die jeweiligen Zulassungszahlen bzw. die Zahl der eingeschriebenen Studierenden nachgewiesen noch sei ersichtlich, dass für die betreffenden Studiengänge ein Curri-cularnormwert durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes festgesetzt sei (3.). Und schließlich beanstandet sie die Schwundquotenberechnung mit der Begründung als unzureichend, dass eine Berechnung anhand der Bestandszahlen von lediglich drei aufeinander folgenden Studienjahren kein verlässliches Bild vom Schwundverhalten der Studierenden während des neun Semester umfassenden Studienganges gebe (4.).

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Beschwerdeführers entscheidet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss hält einer auf das Vorbringen der Antragstellerin bezogenen Überprüfung stand.

1. Die Ausführungen, mit denen sich die Beschwerde gegen den Ansatz einer Lehrverpflichtung von 4 LVS für sämtliche mit befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzten Stellen ohne vorherige Überprüfung auf Einhaltung der Befristungsgrenzen wendet, sind schon vom rechtlichen Ansatz her verfehlt. Prägend für die Ermittlung des Lehrangebots ist das sog. Stellenprinzip des § 8 KapVO. Danach ist in die Kapazitätsberechnung die der Stelle der jeweiligen Stellengruppe aus ihrem Amt abgeleitete Regellehrverpflichtung einzustellen, wie sie normativ durch die Bestimmungen der Lehrverpflichtungsverordnung - LVVO - festgelegt ist, und zwar unabhängig von ihrer Besetzung oder der Qualifikation des konkreten Stelleninhabers. Nicht ohne Grund hatte der Senat deshalb bereits in seinem das Sommersemester 2009 betreffenden, der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bekannten Beschluss vom 20. November 2009 - OVG 5 NC 72.09 - (BA S. 7/ juris Rn. 10) darauf hingewiesen, dass es einer Befassung mit den Vorschriften des - nebenbei bemerkt allein arbeitsrechtliche Wirkung entfaltenden - Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nicht bedarf, solange die sich aus kapazitätsrechtlicher Sicht aufdrängenden Frage, aus welchen Gründen eine eventuelle Überschreitung der zulässigen Befristungsdauer zwangsläufig zum Ansatz eines Lehrdeputats von 8 LVS für die betroffenen Qualifikationsstellen führen sollte, nicht beantwortet wird. Diese Antwort bleibt die Beschwerde auch weiterhin schuldig. Dass es, wie sie behauptet, im Fach Tiermedizin keine Facharztausbildung gibt, ist im Übrigen unzutreffend (vgl. die Weiterbildungsordnungen der Landestierärztekammern, vgl. etwa die auf der Grundlage von § 9 des Gesetzes über die Weiterbildung von Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten und Apothekern [GVBl. 2004, S. 452] erlassene Weiterbildungsordnung der Tierärztekammer Berlin vom 4. April 2006 [ABl. 2007, S. 347]).

2. Die gegen einzelne Deputatsreduzierungen gerichteten Angriffe der Beschwerde genügen nicht den Darlegungsanforderungen und sind darüber hinaus substanzlos. Rechtsgrundlage der Lehrverpflichtungsermäßigung für den Vorsitzenden der Promotionskommission ist § 9 Abs. 4 LVVO (vgl. Genehmigungsbescheid vom 2. August 2007, Anlage 6 des Kapazitätsberichts; vgl. den - wie erwähnt - der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bekannten Senatsbeschluss vom 20. November 2009, a.a.O., BA S. 7/ juris Rn. 12). Die seit Jahren von Antragstellerseite problematisierte und vom Senat in ständiger Rechtsprechung gebilligte Lehrverpflichtungsermäßigung für Frau Dr. H... beruht auf § 5 Abs. 1 Satz 3 LVVO (vgl. Genehmigungsbescheid vom 18. Mai 2009, Anlage 8 des Kapazitätsberichts; vgl. auch hierzu den Beschluss vom 20. November 2009, a.a.O., BA S. 8/ juris Rn. 13, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Senats seit dem Studienjahr 2002/03). Rechtsgrundlage für die Freistellung der nebenberuflichen Frauenbeauftragten ist, wie ebenfalls bereits entschieden, § 9 Abs. 1 Satz 2 LVVO in Verbindung mit § 59 Abs. 10 Satz 1 BerlHG (vgl. Bescheid vom 2. September 2009, Anlage 7 des Kapazitätsberichts; vgl. Beschluss vom 20. November 2009, a.a.O., BA S. 8/ juris Rn. 14). Neu sind lediglich die gegen die „Deputats-verminderung“ für den unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. B... gerichteten Angriffe der Beschwerde. Sie gehen allerdings ins Leere, denn die Stelle von Dr. B... ist mit keiner Lehrverpflichtung verbunden (gewesen). Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die mit den Kapazitätsunterlagen eingereichte Stellenbeschreibung (vgl. Anlage 1 des Kapazitätsberichts) und den auf Anforderung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nachgereichten Arbeitsvertrag vom 30. April 2001 ausgeführt, dass die Streichung der Stelle nunmehr kapazitätsrechtlich zu billigen sei. Dass die Stellenbeschreibung „offensichtlich“ nicht Dr. B... betreffe, wie die Beschwerde behauptet, ist angesichts der bereits in den Stellenplänen vorangegangener Berechnungszeiträume zu findenden Stellenvermerke „keine Lehrverpflichtung“ bzw. „Angestellter ohne Lehrverpflichtung“ ersichtlich aus der Luft gegriffen.

Die Auffassung Beschwerde, dass jedenfalls für diejenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter, denen bereits eine Verminderung der Lehrverpflichtung zugebilligt worden sei, der Krankenversorgungsabzug gekürzt werden müsse, ist unzutreffend. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 30. Oktober 2009 - OVG 5 NC 22.09 - (Tiermedizin WS 2008/09, juris Rn. 4) ausgeführt hat, mag die Erwägung, den pauschalen Krankenversorgungsabzug bei solchen Stellen, deren Inhabern bereits im Rahmen des Dienstrechts wegen der Wahrnehmung bestimmter Funktionen oder Aufgaben bereits eine Verminderung oder Ermäßigung ihres Lehrdeputats gewährt worden ist, gesondert zu berechnen, auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Eine derartige konkrete Betrachtungsweise widerspricht jedoch den Vorgaben der Kapazitätsverordnung, sie vertrüge sich namentlich nicht mit dem abstrakten Stellenprinzip. Das ist im Grundsatz bereits durch Absatz 2 des § 9 KapVO vorgezeichnet. Danach ist - soweit im Rahmen des Dienstrechts die Regellehrverpflichtung einer Lehrperson vermindert wird - diese Verminderung bei der Berechnung des Deputats aus Stellen zu berücksichtigen; dabei bleiben Verminderungen für Zwecke der Krankenversorgung im Hinblick auf Absatz 3 jedoch unberücksichtigt. Zwar bestimmt § 9 Abs. 3 Satz 1 KapVO, dass der Wahrnehmung von Aufgaben in der unmittelbaren Krankenversorgung und für diagnostische Untersuchungen durch das in die Lehrdeputatberechnung eingehende Personal grundsätzlich (ebenfalls) durch eine Verminderung der Lehrverpflichtung nach Maßgabe des Dienstrechts Rechnung zu tragen ist. Dies gilt nach Satz 2 des Absatzes 3 allerdings nur, wenn Dienstrecht eine solche Regelung ländereinheitlich vorsieht. Da es eine solche ländereinheitliche Regelung bislang jedoch nicht gibt, wird die Wahrnehmung von Krankenversorgungsaufgaben eben nicht konkret-individuell durch die Gewährung einer (weiteren) Lehrverpflichtungsverminderung abgegolten, sondern abstrakt-pauschal über eine Verminderung der Zahl der Stellen , die Dienstleistungen für die Krankenversorgung zu erbringen haben (§ 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO), und zwar vor der Berechnung des Lehrangebots nach Anlage 1 der Kapazitätsverordnung.

3. In Bezug auf den Dienstleistungsbedarf lässt sich der Beschwerdebegründung nichts entnehmen, was den Vorwurf mangelnder Darlegung durch die Antragsgegnerin oder Aufklärung durch das Verwaltungsgericht rechtfertigen und dem Senat Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung geben könnte. Der Senat hat in dem bereits mehrfach zitierten Beschluss vom 20. November 2009 (a.a.O., BA S. 9/ juris Rn. 16) darauf hingewiesen, dass es nicht angeht, die dezidierten und durch Fundstellen für die maßgeblichen Studien- und Zulassungsordnungen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) belegten Angaben sowohl der Antragsgegnerin im Kapazitätsbericht als auch des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss mit bloßen Mutmaßungen in Frage zu stellen, für die es entweder keine Anhaltspunkte gibt oder die sich anhand allgemein zugänglicher Informationen wie Vorlesungsverzeichnissen, im Internet veröffentlichten Informationen über Studium und Lehre einschließlich Lehrpersonal und ähnlichem innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist ohne weiteres hätten klären lassen. Dem ist die Beschwerde angesichts ihrer sich in pauschalem Bestreiten erschöpfenden Ausführungen ersichtlich nicht nachgekommen.

Soweit die Beschwerde den Nachweis festgesetzter Curricularnormwerte für die Studiengänge Agrarwissenschaften (Bachelor) und Prozess- und Qualitätsmanagement (Master), für welche die Lehreinheit Tiermedizin Dienstleistungen erbringt, vermisst, hat sie offensichtlich auch die weiteren Ausführungen des Senats im Beschluss vom 20. November 2009 (BA S. 11, juris Rn. 20) nicht zur Kenntnis genommen, wo es heißt:

„… abgesehen davon, dass - wie die Beschwerde ebenfalls unschwer hätte feststellen können - für den Studiengang Agrarwissenschaften ein Normwert festgesetzt ist (vgl. KapVO Anlage 2 unter I. Buchst. a Nr. 4), kommt der in § 2 Abs. 1a BerlHZG, Art. 7 Abs. 3 Satz 6 des Staatsvertrages statuierten Pflicht zur normativen Festsetzung studiengangspezifischer Normwerte Bedeutung lediglich insoweit zu, als es um die Ermittlung der Aufnahmekapazität eines zulassungsbeschränkten Studiengangs als solchem - hier also des Studiengangs Tiermedizin - geht. Anderes als für den Curricularnormwert, der im Hinblick auf die angestrebte Bundeseinheitlichkeit aus vielen Studienordnungen bzw. -plänen abgeleitet und deshalb gesetzte (oder zu setzende) Norm ist, gilt jedoch für die Curricularanteile, die der Berechnung des Dienstleistungsbedarfs nach § 11 Abs. 1 KapVO zugrunde zu legen sind. Sie stellen im Gegensatz zum abstrakten Normwert nachvollziehbare Rechengrößen dar, die im Einzelfall anhand der konkreten Studien- und Prüfungsordnung eines der Lehreinheit nicht zugeordneten, unter Umständen sogar zulassungsfreien Studiengangs nach der Formel „v x f : g“ zu ermitteln sind.“

Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.

4. Schließlich sind entgegen ihrer Auffassung auch die in die Schwundberechnung einbezogenen Bestandszahlen der letzten drei Jahre (Wintersemester 2006/07 bis einschließlich Sommersemester 2009) nicht zu beanstanden. Es entspricht dem seit langem praktizierten und allgemein anerkannten Hamburger Modell, dass der Schwundausgleichsfaktor aus dem tatsächlichen Schwund in den letzten sechs Semestern vor dem Berechnungsstichtag zu berechnen ist (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Oktober 2009 - 3 Nc 82.08 -, juris Rn. 103). Ob eine Schwundberechnung, die die gesamte Studiendauer - hier also die Regelstudienzeit von neun Semestern - in den Blick nimmt, tatsächlich ein vollständigeres oder verlässlicheres Bild vom Schwundverhalten der Studierenden vermitteln würde, kann dahingestellt bleiben. Vom Kapazitätserschöpfungsgebot, dem ein bestimmtes Modell zur rechnerischen Erfassung des Schwundverhaltens der Studierenden im Verlauf des Studiums nicht zu entnehmen ist, ist sie jedenfalls nicht gefordert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).