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Öffentliche Anlage oder Einrichtung; öffentlich-rechtliche Sachherrschaft; Widmung; Abwasserbeseitigungskonzept; Herstellung; sachliche Beitragspflicht; altangeschlossenes Grundstück; Dauervorteil; rechtswirksame Satzung; keine Verjährung; Rückwirkung; Vertrauensschutz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 01.03.2012
Aktenzeichen OVG 9 S 9.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 8 Abs 2 S 1 KAG BB, § 8 Abs 2 S 2 KAG BB, § 8 Abs 7 S 2 KAG BB

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.004,70 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe geben keinen Anlass zur Aufhebung oder Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Der erkennende Senat geht in seiner Rechtsprechung zu Wasser- und Abwasseranschlussbeiträgen von Folgendem aus:

Spätestens aufgrund der Anordnung über die Bildung der VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung vom 23. März 1964 (GBl. III Nr. 20 S. 206) gab es auf dem Gebiet der damaligen DDR - rechtlich - keine kommunalen Wasser- bzw. Abwasseranlagen mehr. Erst infolge des Einigungsvertrages sind Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung wieder zu Aufgaben der durch die DDR-Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 neu konstituierten Kommunen geworden, so dass öffentliche Einrichtungen der Kommunen in diesem Aufgabenbereich neu entstehen konnten. Eine rechtliche Kontinuität der kommunalen Einrichtungen besteht daher selbst insoweit nicht, wie eine Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung schon vor der Neuentstehung der öffentlichen Einrichtung technisch gewährleistet worden ist (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 12. April 2001 - 2 D 73/00.NE -, S. 15 ff. m.w.N.). Vielmehr sind die alten technischen Anlagen in die neuen rechtlichen Einrichtungen eingegliedert worden und bildeten deren Anfangsbestand.

Für die Eingliederung ist nicht notwendig, dass die Kommunen das Eigentum an den technischen Anlagen erlangt haben. Es genügt, eine - nicht formgebundene - Widmung, durch die die Kommune die Zweckbestimmung der jeweiligen Anlage bzw. Anlagenteile und ihre öffentlich-rechtliche Sachherrschaft zum Ausdruck bringt (vgl. Beschluss des Senats vom 21. Februar 2011 - 9 S 92.10 -, S. 7 EA). Für den Fall, dass die Kommune ein (privates) Unternehmen einschaltet, ist dabei erforderlich, aber auch genügend, dass die Kommune einen hinreichenden verantwortlichen Einfluss auf das Unternehmen hat und damit Versorgungs- bzw. Entsorgungssicherheit gewährleisten kann (vgl. zum Anschluss- und Benutzungszwang: Urteil des Senats vom 22. Februar 2012 - 9 B 50.11 -, S. 8 EA).

Soweit die rechtliche Anlage, deren Bestandteil die technische Anlage ist, errichtet wird, entsteht der Kommune - unmittelbar oder gegebenenfalls vermittelt durch ein eingeschaltetes Unternehmen - Herstellungsaufwand solange, bis die rechtliche Anlage nach dem Willen der Kommune insgesamt fertiggestellt ist.Eine solche Gesamtfertigstellung ist nicht eher gegeben, als die Kommune sich mit einem Wasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungskonzept eine konkrete Vorstellung von der gesamten langfristig auf ihrem Gebiet zu errichtenden Anlage gemacht hat und der danach angestrebte Zustand überall realisiert worden ist. Wurde das Konzept vor Erreichung des (zunächst) angestrebten Ziels (wiederholt) fortgeschrieben, ist die öffentliche Anlage erst dann fertig, wenn alle Ziele erreicht worden sind. Dass ein solcher Zustand bereits im Zeitpunkt der Neuentstehung einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage zu Beginn der 1990er Jahre in Brandenburg bestanden haben könnte, namentlich weil die Kommune langfristig keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten hatte bzw. sah und dies in einem Konzept festgehalten hat, liegt regelmäßig fern.

Für die Herstellung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen erheben die Kommunen aufgrund des für das Land Brandenburg im Jahr 1991 in Kraft getretenen Kommunalabgabengesetzes Anschlussbeiträge (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KAG).Beitragsfähig ist dabei – neben aus früheren Zeiten übernommenen Verbindlichkeiten – ausschließlich Aufwand für Investitionen, der seit dem 3. Oktober 1990 neu entstanden ist (§ 18 KAG).

Die sachliche Beitragspflicht bezieht sich auf alle Grundstücke, die (zumindest) die Möglichkeit haben, die öffentliche Einrichtung oder Anlage in Anspruch zu nehmen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Sie stehen in einer solidarischen Gemeinschaft. Denn ihnen allen kommt der - aufgrund des Kommunalabgabengesetzes durch einen Beitrag (ganz oder teilweise) abzugeltende - Dauervorteil zugute, durch die rechtlich neu geschaffene öffentliche Einrichtung bzw. Anlage das Grundstück in gewissem Maße überhaupt oder jedenfalls besser nutzen zu können, als wenn es diese Einrichtung und mit ihr die wasser- bzw. abwasserseitige Erschließung nicht gäbe (vgl. Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007 - 9 B 45.06 -, Juris Rn. 53 m.w.N.; Beschluss des Senats vom 19. Oktober 2011 - 9 S 50.11 -, S. 5 f. EA).

Eine Privilegierung der sogenannten Altanschließer sieht das Kommunalabgabengesetz - abgesehen von der hier nicht einschlägigen partiellen Differenzierungsmöglichkeit für Kommunen gemäß § 8 Abs. 4a KAG - nicht vor. Auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich nicht, dass die seit einer längeren Zeit an die heutige öffentliche Einrichtung bzw. Anlage angeschlossenen Grundstücke beitragsfrei und damit besser gestellt werden müssten, als die Grundstücke, denen nunmehr die Anschlussmöglichkeit für dieselbe Anlage gewährt wird (vgl. Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007, ebd.).

Insbesondere können sich Altanschließer regelmäßig nicht darauf berufen, ihr Fall liege anders, weil von ihnen eine wiederholte Zahlung gefordert werde. Es liegt fern, dass bereits früher ein Anschlussbeitrag oder eine dem gleichstehende Zahlung an die heutige oder eine frühere Kommune geleistet worden ist. Bereits eine Entsprechung von heutigem Beitrag und etwaigen früheren Zahlungen oder Leistungen dürfte weder für die Zeit der DDR noch unter der Geltung des Preußischen Kommunalabgabengesetzes in Betracht kommen (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 12. April 2001 - 2 D 73/00.NE -, S. 15 ff. m.w.N.).

Gegen die Beitragspflicht kann auch nicht eingewandt werden, ein Grundstück sei bereits deutlich länger an die Schmutzwasserkanalisation oder zentrale Wasserversorgungsanlage angeschlossen als andere Grundstücke, mit der Folge, dass der Eigentümer eben auch schon länger Gebühren oder sonstiges Abwasser- bzw. Wasserentgelt gezahlt und bereits damit einen größeren Finanzierungsanteil in Bezug auf die Anlage getragen habe. Denn die längere Zeit der Gebühren- bzw. Entgeltzahlung ist Ausdruck einer entsprechend längeren Inanspruchnahme.

Die sachliche Beitragspflicht entsteht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der seit dem 1. Februar 2004 geltenden Fassung (n.F.) - gerade in Fällen, in denen es nach Schaffung der Anschlussmöglichkeit nur noch am Satzungsrecht fehlte - mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Neuregelung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Zwar entstand die sachliche Beitragspflicht nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. mit der Herstellung der Anschlussmöglichkeit, jedoch frühestens mit dem Inkrafttreten der Satzung, wobei mit dem „Inkrafttreten“ nicht an eine wirksame Satzung angeknüpft wurde, sondern an die erste Veröffentlichung mit formellem Geltungsanspruch (vgl. Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007 - 9 B 45.06 -, Juris Rn. 52 m. w. N.; OVG Brandenburg, Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, Juris Rn. 48). Dadurch war aber zunächst nur der Zeitpunkt festgelegt, zu dem allein nach damaligem Recht die sachliche Beitragspflicht für das jeweilige Grundstück hätte entstehen und nach dem die Festsetzungsverjährungsfrist hätte beginnen können. Da eine Abgabenpflicht generell ohne wirksame Abgabensatzung nicht entstehen kann (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG), musste desweiteren für die vollständige Erfüllung des Entstehungstatbestandes und für einen Beginn der Festsetzungsverjährungsfrist der - bereits festgelegte - Entstehungszeitpunkt durch eine gültige, gegebenenfalls mit Rückwirkung neu beschlossene Abgabensatzung gedeckt sein (vgl. Beschluss des Senats vom 1. September 2005 - 9 S 33.05 -, Juris Rn. 4). Daran fehlte es vielfach bis zum Ablauf des 31. Januar 2004.

Auch für diese Fälle hat der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung verlagert und durfte dies auch tun. Hierin hat keine echte Rückwirkung gelegen, insbesondere sind keine verjährten Forderungen wieder aufgelebt.

Die durch die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG bewirkte Rechtsfolge tritt für die Fälle, in denen bis zur gesetzlichen Neuregelung mangels wirksamer Beitragssatzung die sachliche Beitragspflicht noch nicht (rückwirkend) entstanden war, erst nach der Gesetzesänderung ein, nämlich mit dem Inkrafttreten der ersten rechtswirksamen Beitragssatzung. Hierin liegt kein „rückwirkender“ Eingriff in einen der Vergangenheit angehörenden („abgeschlossenen“) Tatbestand, vielmehr werden lediglich für die Zukunft neue abgabenrechtliche Folgerungen an die andauernde Vorteilslage geknüpft. Ein Eingriff in einen abgeschlossenen Sachverhalt liegt insbesondere deshalb nicht vor, weil § 8 Abs. 7 Satz 2 n.F. KAG Wirkung nur für solche Altfälle entfaltet, in denen vor Inkrafttreten der Neuregelung keine rechtswirksame Beitragssatzung erlassen worden war. Ohne rechtswirksame Satzung konnte indessen noch keine sachliche Beitragspflicht entstehen und daher auch keine Festsetzungsverjährung eintreten (vgl. zum Ganzen: Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007, a.a.O., Juris Rn. 55 m. w. N.; hierzu: BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 - 9 B 22.08 -, Juris).

Auch liegt in der gesetzlichen Neuregelung kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Einer grundsätzlich zulässigen sogenannten "unechten Rückwirkung", wie sie hier vorliegt, könnten nur ausnahmsweise Gründe des Vertrauensschutzes entgegen gehalten werden. Solche sind nicht ersichtlich. Denn für den Bereich des Abgabenrechts gilt, dass die bloße Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, grundsätzlich nicht geschützt wird (vgl. Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007, a.a.O. sowie hierzu: BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund führen die Rügen des Antragstellers - auch im Übrigen - nicht zum Erfolg. Das gilt nicht nur mit Blick auf das bereits Angesprochene, sondern auch im Übrigen.

Das Beschwerdevorbringen, die in den „Jahren und Jahrzehnten“ seit Übernahme der Aufgabe der Abwasserversorgung durch die Stadt Cottbus investierten Summen beträfen lediglich nicht beitragsfähige Modernisierungs- und Sanierungsaufwendungen, greift nicht. Die Beschwerde geht dabei vom unzutreffenden Ansatz aus, dass die öffentliche Einrichtung bzw. Anlage vor den neuen Investitionen bereits fertiggestellt gewesen sei. Demgegenüber spricht für das Gebiet der Stadt Cottbus alles dafür, dass weder im Zeitpunkt der Neuentstehung der rechtlichen Anlage noch seither später alle technischen Einrichtungen der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage errichtet worden sind, die nach dem Willen der Vertreter der Stadt langfristig geschaffen werden sollen. Überdies setzt sich die Beschwerde nicht mit den betreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts aus den von ihm insoweit ausdrücklich in Bezug genommenen und veröffentlichten eigenen Entscheidungen auseinander.

Dass bereits eine frühere oder eine weiter rückwirkende Abwasseranschlussbeitragssatzung für die Stadt Cottbus rechtswirksam gewesen sei als die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Kanalanschlussbeitragsatzung vom 26. November 2008 macht der Antragsteller nicht geltend.

Soweit der Antragsteller vorträgt, bei der Stadt Cottbus bestehe keine Übersicht über die Zahl der zu veranlagenden Altanschließergrundstücke, weil zunächst 9.000, dann nur 7.200 Grundstücke hätten veranlagt werden sollen und der Antragsgegner nunmehr von 8.000 betreffenden Bescheiden ausgehe, zeigt der Antragsteller - wie ihm bereits das Verwaltungsgericht vorgehalten hat -, rechtliche Konsequenzen namentlich für den Beitragssatz nicht auf.

Auch eine Ungleichbehandlung vermag die Beschwerde nicht mit Erfolg geltend zu machen. Sollten einige Altanschließer – zu Unrecht – dauerhaft nicht veranlagt werden, könnte sich der Antragsteller darauf nicht berufen, weil es einen Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ nicht gibt.

Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, ein anderes Grundstück an der G…Straße sei mit einem günstigeren Nutzungsfaktor veranlagt worden als sein eigenes Grundstück, obwohl es im selben Baugebiet liege, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die offene Tatsachenfrage der maßgeblichen Umgebungsbebauung dem Hauptsacheverfahren und dort gegebenenfalls einer Ortsbesichtigung vorbehalten bleiben müsse. Dies entspricht dem vom Verwaltungsgericht zutreffend angeführten Prüfungsmaßstab für das Eilverfahren, zu dem sich die Beschwerde nicht verhält und nach dem insbesondere offene Tatsachenfragen zulasten des Antragstellers gehen.

Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg mit dem Vorbringen, mangels wirksamer Beitragssatzung vor dem 1. Januar 2009 seien vor diesem Zeitpunkt von Neuanschließern erhobene Beiträge zu Unrecht gefordert und müssten zurückerstattet werden. Der Antragsteller übersieht dabei, dass einer Rückerstattung die wohl in den meisten Fällen eingetretene Unanfechtbarkeit solcher früheren Bescheide entgegenstehen dürfte und dass ein späteres Entstehen der sachlichen Beitragspflicht keine Befreiung von der Zahlungspflicht bedeutet. Überdies legt der Antragsteller nicht dar, dass er infolge der seiner Ansicht nach rechtswidrigen Heranziehung bestimmter Neuanschließer überwiegend wahrscheinlich in seinen Rechten verletzt würde.

Des weiteren hat der Antragsteller nicht dargetan, dass sich aus einer Anwendung des allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatzes von Treu und Glauben für ihn Günstigeres ergäbe, nachdem er sich – wie sich nach Obenstehendem ergibt – auf schutzwürdiges Vertrauen vorliegend nicht berufen kann. Auch hat er keine gewichtigen Interessen dargetan, die dem öffentlichen Interesse, Beitragsausfälle zu vermeiden, vorgehen würden.

Schließlich kommt es nicht darauf an, dass der Antragsteller beim Grundstückskauf davon ausgegangen sei, dass alle Beiträge und öffentlichen Lasten beglichen seien. Das zivilrechtliche Innenverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer hinsichtlich des Kaufpreises berührt die - öffentlich-rechtlich geregelte - Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und die Höhe des Beitrags nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).