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Umsatzsteuer 2009


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 06.09.2016
Aktenzeichen 5 K 5089/14 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tatbestand

Die Klägerin betreibt in C… in einem umgebauten denkmalgeschützten Heizkraftwerk den Techno-Klub B… . Die nutzbare Gesamtfläche von annähernd 2.000 m² ist dergestalt aufgeteilt, dass sich im ersten Obergeschoss der Veranstaltungsbereich „B…“ befindet und im zweiten Obergeschoss der Veranstaltungsbereich „D…“. In ihren Räumlichkeiten veranstaltet die Klägerin wöchentlich in der Zeit zwischen Freitagnacht und Samstagnachmittag sowie Samstagnacht und Montagmorgen die so genannten Klubnächte, bei denen auf beiden Geschossen bis zu 30 verschiedene Discjockeys (DJ’s) auftreten. Während im ersten Obergeschoss überwiegend Musik des Genres Techno gespielt wird, steht im zweiten Obergeschoss Musik des Genres House im Vordergrund der Darbietungen. In der D… stehen die DJ‘s auf Augenhöhe mit dem Publikum, im B… sind sie in einer Wandnische an einem nur leicht erhöhten Standort positioniert, gelegentlich wird aber auch eine Bühne mit einer Höhe von etwa einem Meter aufgebaut. Neben den Bühnen befinden sich Bars, Tanzflächen, Sitzmöglichkeiten sowie zwei sog. Darkrooms. Die Gäste können nahezu von jedem Platz aus die auftretenden DJ’s sehen, sie wegen der Lautstärke der abgespielten Musik in jedem Fall aber hören. Diese spielen Musik von Tonträgern ein und verändern diese mithilfe des Mischpults und anderen technischen Hilfsmitteln wie Computern, Filtern, Effektgeräten, Controllern und Synthesizern. Dabei werden im Unterschied zu herkömmlichen Diskotheken jeweils neue Klangfolgen und Musikstücke geschaffen.

Die so genannte Booking-Abteilung der Klägerin, die aus mehreren Mitarbeitern und einem der beiden Geschäftsführer besteht, organisiert das musikalische Programm. In den Verträgen mit den jeweiligen DJ’s werden die Modalitäten und die Abläufe des Auftritts sowie die erforderliche technische Ausstattung schriftlich geregelt. Für Künstlerhonorare, Reisekosten, Vermittlungsprovisionen sowie die Entlohnung der Mitarbeiter der Booking-Abteilung wandte die Klägerin im Streitjahr 955.310,40 € auf. Die auftretenden Künstler sind dem Publikum schon vor den Auftritten bekannt, da die Gäste im Vorfeld, unter anderem im Internet, das Programm (sog. Running Order) einsehen können. Darin werden die Künstler und deren Musik detailliert beschrieben. Sie wird nach Buchung der DJ‘s im Voraus festgelegt und kann im Internet, auf Werbeflyern sowie vor Ort eingesehen werden.

Der Erwerb von Eintrittskarten im Vorverkauf ist nicht möglich. Der Einlass zu den Veranstaltungen wird von Türstehern geregelt, die eine subjektive Auswahl unter den Besuchern treffen und zahlreiche potentielle Gäste abweisen. Im Durchschnitt besuchen 3.000 Besucher die Klubnächte eines Wochenendes. Eintrittskarten werden den Gästen nicht ausgehändigt, diese erhalten lediglich einen Stempelaufdruck.

Die Klägerin ging davon aus, dass es sich bei den Klubnächten aufgrund des künstlerischen Inhalts der musikalischen Darbietungen um Konzerte im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a Umsatzsteuergesetz – UStG – handele. In ihren Erklärungen berücksichtigte sie die Erlöse aus den Eintrittsgeldern für die Klubnächte im Streitjahr bei den Erlösen, die dem ermäßigten Steuersatz unterfallen.

Der Beklagte führte in der Zeit von Mai bis September 2010 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das Streitjahr durch. Dabei besichtigte der Prüfer auch die Örtlichkeiten und nahm den Veranstaltungsbetrieb der Klägerin in Augenschein. Er kam dabei zu der Auffassung, dass die musikalischen Darbietungen der DJ’s im Rahmen der Klubnächte nicht den eigentlichen Zweck der Veranstaltungen ausmachten. Vielmehr handele es sich aufgrund der Begleitumstände um typische Party- und Tanzveranstaltungen, bei denen es in erster Linie um das für eine Party typische Amüsement der Gäste gehe. Die Klubnächte seien nicht vergleichbar mit herkömmlichen Pop- und Rockkonzerten, da das Publikum – auch wegen der räumlichen Gegebenheiten – nicht auf den jeweiligen darbietenden Künstler fokussiert sei. Dafür, dass die musikalischen Darbietungen den Veranstaltungen nicht das wesentliche Gepräge gäben, spreche zudem die Reglementierung des Einlasses durch Türsteher. Diese führe zu einem willkürlichen Einlass von Gästen mit der Folge, dass nicht allein Besucher anwesend seien, die gezielt die Musik hören möchten, sondern zufällig ausgewählte Personen. Die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG seien daher nicht erfüllt.

Der Beklagte folgte dem und erließ am 02.02.2011 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem er die Eintrittserlöse aus den Klubnächten mit dem Regelsteuersatz versteuerte.

Mit ihrem Einspruch verwies die Klägerin unter anderem auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18.08.2005 (V R 50/04 – sog. Mayday-Entscheidung) und machte geltend, dass bei den Klubnächten – ebenso wie bei der vom BFH zu beurteilenden Technoveranstaltung – mehrere DJ’s musikalische Livekonzerte darböten. Die musikalischen Darbietungen stünden im Vordergrund und seien ausschlaggebend für den Besuch der Zuhörer. Das Tanzen der Gäste stehe dem nicht entgegen und habe untergeordnete Bedeutung, weil es sich nur um eine unter mehreren möglichen Reaktionen auf den Musikgenuss handele. Der Konzertbegriff habe sich in den letzten Jahrzehnten stetig entwickelt. Eine starre Definition des Ablaufs einer Konzertveranstaltung gebe es nicht. Ihre, der Klägerin, interne Organisation sei mit der anderer Konzertveranstalter vergleichbar.

Im Januar 2012 führte der Beklagte bei der Klägerin eine weitere Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum Oktober 2011 durch. In der Zeit von November 2012 bis März 2013 schloss sich eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2011 an. Der Prüfer folgte den Feststellungen aus den Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, dass die von der Klägerin veranstalteten Klubnächte trotz der künstlerischen Qualität der Darbietungen der DJ’s in vollem Umfang nicht als ermäßigt zu besteuernde Konzertveranstaltungen zu behandeln seien. Er verwies insoweit auf die ständige Fluktuation der Gäste, den späten Veranstaltungsbeginn sowie die vergleichsweise niedrigen Eintrittspreise. Von den Klubnächten abzugrenzen seien indes Sonderveranstaltungen, die aufgrund ihres organisatorischen Ablaufs den Konzertbegriff erfüllten und daher mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern seien.

In der Folge erließ der Beklagte am 24.07.2013 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr und wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21.02.2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass nach den Feststellungen der Außenprüfer und den eingehenden Recherchen über den Betrieb der Klägerin nicht der musikalische Auftritt der DJ’s den eigentlichen Zweck der Veranstaltungen ausmache, sondern dass es neben deren Darbietungen vor allem um das gemeinsame Feiern, Tanzen, Unterhalten und Sich-Vergnügen auf jedwede Art und Weise von musikalisch Gleichgesinnten gehe. Da die Gäste durch die Türsteher selektiert würden und es einen Ticketvorverkauf nicht gebe, sei es nicht möglich, den Auftritt bestimmter DJ‘s gezielt zu besuchen. Zudem habe die Darbietung bei Öffnung des Klubs bereits begonnen. Dies alles spreche dagegen, dass die Musik im Vordergrund stehe. Das Engagement bekannter DJ’s diene als Anreiz für den Besuch des Klubs. Zweck der Veranstaltungen sei aber auch angesichts mehrerer Bar- und Lounge-Bereiche sowie des Vorhandenseins zweier Darkrooms ein typischer Klub-/Diskothekenbetrieb, der zudem die Möglichkeit für ausschweifendes Amüsement biete.

Dass es sich bei den Klubveranstaltungen nicht um Konzerte handele, werde bereits durch die von der Klägerin selbst praktizierte unterschiedliche Behandlung der Klubveranstaltungen einerseits und der Sonderveranstaltungen andererseits deutlich. So unterscheide sie auf ihrer Internetseite die Veranstaltungen in den Kategorien „Dancefloor“ und „Stage“. Die Konzerte würden anders beworben als die Klubnächte. Zudem folgten die Konzertveranstaltungen einem anderen Ablauf als die Klubnächte. Während der Einlass zu den Konzerten bereits eine Stunde vor Konzertbeginn erfolge, fingen die DJ‘s bei den Klubnächten bereits mit Einlassbeginn an aufzulegen. Zu den Konzerten würden außer der Halle im ersten Obergeschoss und der unmittelbar angrenzende Barbereich alle anderen Bereiche abgesperrt. Während des normalen Klubbetriebs öffne die Klägerin hingegen alle Bereiche. Bei den Klubnächten würden im Unterschied zu den Konzerten laufend so viele Leute eingelassen wie der ganze Club fasse. Durch die Fluktuation des Publikums verkaufe die Klägerin an guten Tagen mehr als 1.500 Eintrittsberechtigungen, manchmal auch doppelt so viele.

Die von der Klägerin abgegebene Erläuterung, dass die Selektion durch die Türsteher notwendig sei, um den Konzertcharakter bzw. die Konzertatmosphäre durch den Besuch eines an dieser Art von Musik interessierten Publikums zu wahren, sei nicht glaubwürdig. Insbesondere sei nicht erkennbar, wie die Klägerin während der Konzertveranstaltungen, bei denen ein Karten(vor)verkauf stattfinde, den Konzertcharakter wahre und „fachfremdes" Publikum fernhalte. Auch sei fraglich, woran die Türsteher die „Fachfremdheit" eines in der Schlange Wartenden erkenne und weshalb gerade Reisegruppen pauschal als fachfremd beurteilt würden. Nach den Beobachtungen seiner, des Beklagten, Mitarbeiter vor Ort seien wohl eher ausgelassen feiernde Menschen die Zielgruppe der Klägerin.

Das ständige Kommen und Gehen der Gäste sei auch für ein Musikfestival kein typisches Merkmal. Zwar treffe es zu, dass dort Gäste, die gerade keinen der aktuell darbietenden Künstler sehen wollten, sich anderen Beschäftigungen widmeten oder früher gingen. Jedoch wechsele das Publikum vor den Bühnen typischerweise mit dem Auftritt anderer Künstler und nicht, wie bei den Veranstaltungen der Klägerin, laufend und ohne Bezug zu Beginn und Ende des jeweiligen DJ-Sets.

Gemessen an den Ticketpreisen für Open-Air-Festivals seien die Eintrittspreise der Klägerin deutlich niedriger und bewegten sich eher im Rahmen des für Party- und Tanzveranstaltungen Üblichen. Auch im Vergleich zu den von ihr veranstalteten Konzerten seien die Eintrittspreise für die Klubnächte deutlich niedriger und betrügen meist etwa nur die Hälfte oder zwei Drittel des für Konzertkarten zu entrichtenden Preises. Der Beginn der Veranstaltungen um 24 Uhr sei typisch für eine Tanzveranstaltung, wie etwa in dem von dem erkennenden Senat entschiedenen Fall (Az. 5 K 5226/10), und untypisch für eine Konzertveranstaltung oder ein Festival. Ungeachtet der künstlerischen Leistung sei es vornehmliches Ziel eines DJ‘s während des Clubbetriebs, die Musiktitel so auszuwählen und aneinanderzureihen, dass die Leute tanzten und „abgingen“ und nicht, seine Musikkreationen dem Publikum auf eine konzertante Art zu Gehör zu bringen.

Die von der Klägerin unterhaltene Booking-Abteilung sei nicht allein für die Buchungen der DJ’s zuständig. Sie beschäftige unterschiedliche Mitarbeiter für die Akquise der DJ‘s und der Konzertkünstler. Der mit der Buchung der Konzertkünstler befasste Mitarbeiter kenne sich nach eigener Aussage mit den DJ‘s nicht aus. Da die Klägerin in diesem Bereich auch Vermittlungsleistungen für andere Clubs und Konzertveranstalter ausführe, entfielen die von ihr genannten Kosten nicht in vollem Umfang auf die Buchung von DJ‘s und auch nicht allein auf Kosten für das eigene Haus. Die Beschäftigung eines für das Booking zuständigen Mitarbeiters stelle kein ausschlaggebendes Abgrenzungskriterium für eine Konzertveranstaltung dar, denn dies sei auch für Party- und Tanzveranstaltung erforderlich.

Die zeitliche Reihenfolge der auftretenden Künstler werde vorab ausschließlich auf der Homepage der Klägerin und dort in der Regel erst etwa anderthalb Tage im Voraus sowie vor Ort auf der Veranstaltung, nicht jedoch bereits auf den am Ende des Vormonats erscheinenden Flyern veröffentlicht. Auch würden nicht für alle Veranstaltungen Uhrzeiten im Internet veröffentlicht.

Schließlich spreche das Umsatzverhältnis zwischen Eintrittsberechtigungen und Gastronomie gegen die Annahme, dass es sich bei den Klubabenden um Konzerte handele. Die Eintrittserlöse hätten sich im Streitjahr auf 1,6 Mio €, und die Gastronomieumsätze auf 2,7 Mio € belaufen. In den Eintrittserlösen seien die Türeinnahmen aus den Klubnächten und sonstigen Partyveranstaltungen, mit Ausnahme der Eintrittserlöse für das E…, sowie die Erlöse aus dem Verkauf von Konzertkarten enthalten. Nach dem Umsatzverhältnis seien die Gastronomieleistungen der Klägerin nicht von nur untergeordneter Bedeutung, sondern überstiegen die Eintrittserlöse erheblich. Die Klubnächte würden in den regionalen Veranstaltungsmagazinen regelmäßig unter der Rubrik „Party" aufgeführt, wohingegen die Konzerte unter der Rubrik „Konzerte" vorangekündigt würden. Im Internet werde der Veranstaltungsort unter der Rubrik „Clubs & Party", "Diskotheken & Clubs" oder „Nachtleben in C… - Art: Bars/Clubs" geführt.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht geltend, dass unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BFH die musikalischen Auftritte der DJ’s isoliert betrachtet Konzertcharakter hätten. Die künstlerische Leistung bestehe darin, dass die DJ’s bei ihren Auftritten unter Verwendung verschiedener Geräte Musikstücke von vorhandenen Tonträgern einspielten, diese individuell mischten und dadurch eigene Klangfolgen und Musikstücke kreierten. Diese Musikstücke würden auf ihrem, der Klägerin, eigenen Plattenlabel „F…“ veröffentlicht. Dabei handele sich um künstlerische Eigenproduktionen. Im Übrigen habe der Beklagte in seinem Betriebsprüfungsbericht vom 22.03.2013 selbst festgestellt, dass die musikalischen Darbietungen der DJ’s isoliert betrachtet die Anforderungen des Konzertbegriffes erfüllten.

Diese musikalischen Darbietungen gäben den Klubnächten das wesentliche Gepräge. Einen wichtigen Beitrag leiste auch sie, die Klägerin, selbst, weil sie ihren Schwerpunkt auf die kulturelle Bedeutung des Programms lege. Durch die Fokussierung auf den künstlerischen Inhalt der Darbietungen einschließlich der umfangreichen Vor- und Nacharbeiten zur Entwicklung und Zusammenstellung des anspruchsvollen musikalischen Programms unterschieden sich die Veranstaltungen von einfachen Party- und Tanzveranstaltungen, bei denen sehr häufig Tänzer und begleitende Maßnahmen eine Partyatmosphäre sicherstellen sollten. Weiter verweist die Klägerin auf eine gutachterliche Stellungnahme des Musikjournalisten G… (Bl. 32 ff. der Gerichtsakte) zum Konzertcharakter der Technoveranstaltungen im C… B… sowie auf die Auszeichnungen, die sie für die künstlerische Wertigkeit und Bedeutung des Musikprogramms erhalten habe. So sei ihr im Jahr 2012 der „H…“, ein von der Presse gestifteter Kulturpreis, verliehen worden. Im Jahr 2014 habe ihr die Initiative Musik gGmbH den bundesweiten „Spielstättenprogrammpreis“ für ihr kulturell herausragendes Livemusik-Programm 2013 verliehen. Bei den Siegern handele es sich durchweg um Veranstalter und Clubbetreiber, die Konzerte organisierten sowie eine Plattform für Künstler aller Stilrichtungen anböten und diese unterstützten.

Entgegen der Annahme des Beklagten machten die so genannten Darkrooms weniger als 5 % der Gesamtfläche aus. Diese dominierten nicht die gesamte Lokalität. Die vom Beklagten angeführten Presseberichte seien nicht repräsentativ. Es sei auch nicht maßgebend, wie sich die Gäste während der musikalischen Auftritte verhielten. Ob sie tanzten, an der Bar stünden, in den Sitzecken der Musik zuhörten oder sich unterhielten, sei für ihre, der Klägerin, Intention, Konzerte zu veranstalten, nicht relevant. Für die Frage, ob es sich um Konzerte handele, sei nicht das Verhalten der Zuhörer maßgeblich, sondern die Absicht des Veranstalters. Sie, die Klägerin, biete ihren Gästen mit den vielfältig gestalteten Räumlichkeiten die Möglichkeit, sich kreativ zu entfalten und durch die Musik inspirieren zu lassen – in welcher Form auch immer.

Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass es bei den Klubnächten kein Davor und Danach gebe, lasse er die Dauer und Vielseitigkeit der musikalischen Darbietungen außer Acht. Allein weil diese nicht den traditionellen Konzertformen entsprächen, könne man ihnen nicht den Konzertcharakter absprechen. Im Übrigen gebe es durchaus ein „Davor und Danach“, da bei den Clubnächten zu Beginn und am Ende langsamere Musikstücke gespielt würden. Von einer hohen Fluktuation der Gäste könne nicht die Rede sein. Bei durchschnittlich 3.000 Besuchern in der Zeit von Samstagnacht bis Montagmorgen ergebe sich eine Besuchsdauer, die einer mehrtägigen Konzertveranstaltung entspreche. Der Besucherandrang erfolge in Wellenbewegungen, die sich nach dem Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad der auftretenden Künstler richte. Auch bei anderen mehrtägigen Musikfestivals seien die Besucher in aller Regel nicht von Anfang bis Ende anwesend.

Dass ein Ticketvorverkauf nicht existiere, sei unbeachtlich. Es sei nicht vorgegeben, dass Konzerte jedem zugänglich sein müssten. Der Veranstalter habe stets Gestaltungsmöglichkeiten, um einen bestimmten Zuschauerkreis anzusprechen. Es zeuge gerade von einer besonderen künstlerischen Verantwortung, nicht jedem freien Zugang zu gewähren, weil nicht jeder die Technokultur verstehe. Gegen einen Ticketvorverkauf spreche zudem der damit verbundene hohe wirtschaftliche und organisatorische Aufwand.

Der Sachverhalt des Urteils des erkennenden Senats vom 9.8.2012 (Az. 5 K 5226/10), in dem dieser der Konzertcharakter für einen typischen Club- und Diskothekenbetrieb verneint habe, sei mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar. Während dort lediglich zwei DJ’s ohne feste Reihenfolge aufgetreten seien, träten bei ihr, der Klägerin, in jeder Klubnacht bis zu 30 Künstler auf. Die Auftrittsreihenfolge sei im Voraus festgelegt und öffentlich bekannt. Die Dauer der Veranstaltungen von bis zu 36 Stunden sei eine der Hauptursachen für die Fluktuation der Gäste.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2009 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 vom 24.07.2013 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2014 dahingehend zu ändern, dass die Erlöse aus den sog. Klubnächten dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt ergänzend aus, dass der BFH zur Abgrenzung für die hier allein in Betracht kommende Alternative der Konzerte oder der den Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler von Party- und Tanzveranstaltungen darauf abgestellt habe, dass das dargebotene Konzert des ausübenden Künstlers den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmache. Dies sei hier nicht der Fall. Die Musik werde dem Publikum nicht auf eine konzertante Art im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dargeboten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Darstellung der Klägerin. Anders als bei Konzerten gebe es bei den Wochenend-Veranstaltungen der Klägerin kein Davor und Danach, um sich weiter im Gebäude aufzuhalten, soziale Kontakte zu pflegen oder etwas zu trinken. Es gebe nur ein Währenddessen. Die Veranstaltung beginne mit oder schon kurz vor dem Einlass und ende, wenn sich der Klub geleert habe. Währenddessen herrsche ein ständiges Kommen und Gehen vor, ohne dass hierfür ein Bezug zu der musikalischen Darbietung erkennbar sei. Vielmehr passe sich der Musikvortrag der jeweiligen Stimmung und Zusammensetzung des Publikums an. Durch den Jubel drücke die tanzende Menge ihre Begeisterung aus, wenn es der DJ schaffe, die Stimmung anzuheizen und damit die „Feierkurve“ weiter nach oben zu treiben.

Für die Annahme, dass es sich nicht um Konzerte handele, spreche auch die Rezeption in der Presse. Der Beklagte verweist beispielhaft auf Herrn G…, der in Bezug auf das B… ausgeführt habe, dass es sich um einen Klub handele, der nicht wie ein Konzert funktioniere. In seinem Buch „I…“ habe er die Lokalität als Party-Location und nicht als Konzertveranstalter dargestellt.

Ein Konzert liege schon deshalb nicht vor, da das Publikum nicht auf die Musik fokussiert sei. Es erhielten deutlich mehr Gäste Einlass, als auf den zur Verfügung stehenden Tanzflächen Platz hätten. Insgesamt würden bis zu 1.500 Personen eingelassen, obwohl auf den Tanzflächen schätzungsweise höchstens 700 Personen Platz hätten. Zudem werde das Publikum pro Klubnacht einmal komplett ausgetauscht. Dass permanent mehr als die Hälfte der Eintritt zahlenden Besucher nicht an den Darbietungen teilnehmen wollten, entspreche nicht den Gepflogenheiten bei einem Festival und schon gar nicht denen bei einem Konzert.

Der Senat hat Herrn G… als Zeugen gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Gerichtsakte folgende Akten des Beklagten vorgelegen: ein Band „Betriebsprüfungsberichte“, ein Band „Berichte über Umsatzsteuer-Sonderprüfungen“, ein Band „Rechtsbehelfsakte“ (Bd. 1), ein Aktenordner „Arbeitsunterl. Rbst Recherchen“ sowie ein Band Akten „Bilanzen“ (Bd. II).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind hinsichtlich der von der Klägerin im Streitjahr veranstalteten Klubnächte die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG in der hier maßgeblichen Fassung erfüllt. Danach ermäßigt sich die Steuer auf 7 Prozent für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler.

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18.08.2005 – V R 50/04 – Bundessteuerblatt – BStBl – II 2006, 101) handelt es sich bei einem Konzert im Sinne der genannten Norm um eine Aufführung von Musikstücken, bei denen Instrumente und/oder menschliche Stimmen eingesetzt werden. Der Konzertbegriff ist nicht auf die klassische Form musikalischer Darbietungen insbesondere der so genannten E-Musik beschränkt, sondern erfasst auch Pop- und Rockkonzerte sowie – wie in dem vom BFH entschiedenen Fall – Technokonzerte. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Charakter der Veranstaltung als Konzert durch Leistungen anderer Art von untergeordneter Bedeutung nicht gestört wird, etwa wenn zu dem Konzert getanzt wird (vgl. Bosche in: Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, 72. Lieferung 06.2016, § 144 Rn. 144).

Voraussetzung für die Einordnung als Konzert ist allerdings, dass die musikalische Darbietung den Charakter der gesamten Veranstaltung bestimmt und ihr das Gepräge gibt. Als Konzertveranstaltung wird daher nur eine solche Darbietung angesehen, bei der Musik und Gesang im Vordergrund der Veranstaltung stehen und sonstige Begleitumstände zurücktreten (BFH, Urteil vom 18.08.2005, am angegebenen Ort – a.a.O. –). Der Konzertbegriff ist im Lichte des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz – GG – und der danach geschützten Kunstfreiheit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – (Beschluss vom 17.07.1985 – 1 BvR 816/82) ist insoweit von einem offenen, weiten Kunstbegriff auszugehen.

Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass bei einer wertenden Betrachtung der gesamten Umstände die hier streitigen Klubnächte den Konzertbegriff erfüllen.

Zunächst ist davon auszugehen, dass die DJ’s im Rahmen der Klubnächte Musikstücke von künstlerischem Charakter im vorstehend beschriebenen Sinne darbieten, da sie in einem kreativen Prozess jeweils eigenständige Werke schaffen. Dies hat auch der Beklagte nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Darüber hinaus steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für den Senat fest, dass diese Darbietungen den Klubnächten das Gepräge geben und es sich folglich um Konzerte handelt.

Wie der Zeuge G… nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, ist die Musik sehr laut und wirkt auch körperlich, so dass die Besucher sich ihr nicht entziehen können und gleichermaßen gezwungen werden, ihre Bewegungen nach der Musik auszurichten. Es kommt hinzu, dass die DJ’s und die Lichtkünstler dergestalt zusammen arbeiten, dass die Lichteffekte die Musik unterstützen. Dies entspricht den Gepflogenheiten bei anderen Konzerten populärer zeitgenössischer Musiker, bei denen die Musik ebenfalls eine körperliche Wirkung entfaltet und durch eine Lichtshow unterstützt wird.

Weiter spricht für den Konzertcharakter, dass die Künstler und das Publikum unmittelbar aufeinander reagieren und Bezug nehmen. So hat der Zeuge geschildert, dass nach seinem Eindruck das Publikum im B… besonders kenntnisreich ist und – wie es auch etwa bei Jazzkonzerten üblich ist – zwischendurch in besonders gelungenen Momenten klatscht oder jubelt. Nach den Angaben des Zeugen kommt es bei Beendigung eines DJ-Sets zu Beifallsbekundungen, wenn das anspruchsvolle Publikum die Darbietung goutiert hat.

Die Behauptung des Beklagten, dass es bei den Klubnächten weder ein „Davor“ noch ein „Danach“, sondern nur ein „Währenddessen“ gebe, sieht der Senat als widerlegt an. Der Zeuge hat nämlich erklärt, dass sich der Raum nach einem DJ-Set erst einmal leere, so dass der nachfolgende DJ den Spannungsbogen erst wieder aufbauen und das Publikum neu anlocken müsse. Für die Annahme konzertähnlicher Darbietungen spricht nach der Überzeugung des Senats der weitere Umstand, dass sich das Publikum nach den Schilderungen des Zeugen tendenziell in Richtung DJ ausrichtet.

Ebenfalls für den Konzertcharakter spricht schließlich der Umstand, dass die Klägerin – wie auch der Beklagte einräumt – im Vorhinein ankündigt, wann welche DJ’s auftreten. Der Zeuge hat zudem darauf hingewiesen, dass die Klägerin auf einer englischsprachigen Homepage bereits Wochen im Voraus ankündige, welcher DJ wann im B… spiele und relativ nahe vor dem Wochenende dann einen genauen Zeitplan zur Verfügung stelle.

Die rechtliche Beurteilung der Klubnächte als Konzerte wird schließlich durch die Einschätzung des Zeugen untermauert, dass diese sich markant von dem in einer normalen Diskothek gebotenen Programm unterschieden, weil es dem Publikum darum gehe, insbesondere die Kreativität des DJ‘s mitzuerleben. Angesichts der Länge der einzelnen DJ-Auftritte und deren Vielzahl kommt dem Umstand, dass jeweils der erste DJ mit seinem Programm bereits beginnt, wenn die ersten Gäste die Räumlichkeiten betreten, entscheidende Bedeutung nicht zu.

Soweit der Beklagte sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf einzelne Passagen aus dem Buch „I…“ berufen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen, weil diese nach den plausiblen Erläuterungen des Zeugen nicht im Widerspruch zu seinen zuvor geschilderten Angaben stehen. Er hat erklärt, dass die im Buch verwendete Formulierung, die Klägerin veranstalte keine Konzerte, auf die Abgrenzung zu einem typischen Rockkonzert abgezielt habe. Seine weitere Formulierung, dass die Technoszene sich bei Veranstaltungen selbst feiere, beruhe auf dem Gemeinschaftsgefühl, das üblicherweise bei Konzerten und Veranstaltungen dieses Genres entstehe und den Anwesenden ein großes Selbstbewusstsein vermittle. Wenn er in seinem Buch davon gesprochen habe, dass auch der Rausch bei den Veranstaltungen eine gewisse Rolle spiele, dann treffe dies allgemein auf Musik, in besonderem Maße aber auf die Technomusik zu. Der Zeuge hat ferner ausdrücklich erklärt, dass die Aussagen in seinem Buch nicht so verstehen seien, dass im B… keine konzertanten Veranstaltungen stattfänden.

Der Annahme einer Konzertveranstaltung steht nach der Überzeugung des Gerichts auch nicht entgegen, dass ein Vorverkauf nicht stattfindet. Derartiges ist für eine Konzertveranstaltung nicht konstitutiv. Vielmehr steht es im Belieben des Veranstalters, die Eintrittsberechtigung erst vor Ort zum Kauf anzubieten und ist gerade bei kleineren Konzertveranstaltungen nicht unüblich. Auch der weitere Umstand, dass die Türsteher nach ihrem subjektiven Empfinden über den Einlass zur Veranstaltung entscheiden, vermag nichts an der Beurteilung zu ändern. Denn es ist letztlich Ausdruck der Vertragsfreiheit, dass es dem Anbieter einer Leistung freisteht, darüber zu entscheiden, wem er die Leistung anbieten will.

Die ständige Fluktuation der Gäste steht der Annahme einer Konzertveranstaltung ebenso wenig entgegen. Bei Musikfestivals mit einem umfangreichen Bühnenprogramm auf mehreren Bühnen ist es ebenfalls üblich, dass die Besucher nicht der gesamten Darbietung beiwohnen, sondern sich zwischendurch zurückziehen, sich unterhalten oder entspannen und gar das Festivalgelände verlassen. Die Fluktuation während der Darbietungen hat der Zeuge damit erklärt, dass Personen, die verschiedene DJ‘s gut fänden, vom Hauptraum in die D… und umgekehrt wechselten. Auch dies unterstreicht den Konzertcharakter.

Soweit der Beklagte schließlich auf das Verhältnis zwischen den Umsätzen aus Eintrittsberechtigungen und Gastronomie abgestellt hat, kommt dem mit Blick auf das Gewicht der für den Konzertcharakter sprechenden Argumente entscheidende Bedeutung ohnehin nicht mehr zu. Berücksichtigt man nämlich die Ausgaben im hohen sechsstelligen Bereich, die der Klägerin im Streitjahr durch die Künstlergagen und die Bookingabteilung entstanden sind, wird deutlich, dass diese die Eintrittspreise ausgesprochen moderat kalkuliert hat. Es liegt auf der Hand, dass die Beurteilung, ob die Veranstaltungen als Konzerte oder Partyveranstaltungen zu bewerten sind, nicht abhängen kann vom Preis der Eintrittskarten und dem Gewinnstreben des Veranstalters. Umgekehrt sprechen vielmehr die erheblichen, an die Künstler gezahlten Honorare gegen die Bewertung der Klubnächte als reine Partyveranstaltungen und für deren Konzertcharakter.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte auf das Urteil des erkennenden Senats vom 9.8.2012 (Az. 5 K 5226/10). Anders als es hier getroffenen Feststellungen der Fall ist, hatte der Veranstalter die Reihenfolge der auftretenden Künstler im Vorfeld nicht bekanntgemacht, so dass nur versierte Gästen heraushören konnten, welcher Künstler gerade am Mischpult saß. Zudem lagen dem Senat – anders als hier – Anhaltspunkte für eine konzerttypische Interaktion zwischen Künstler und Publikum nicht vor.

Nach alledem ist der Senat mit Blick auf den künstlerischen Inhalt der Darbietungen bei den Klubnächten und die Fokussierung des Publikums auf die Künstler zu der Auffassung gelangt, dass es sich nicht um bloße Tanzveranstaltungen mit Partycharakter, sondern um Konzertveranstaltungen handelt. Folglich war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.