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Ordnungsrecht


Metadaten

Gericht VG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 27.03.2013
Aktenzeichen 3 L 104/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 2 HuHV BB, § 5 HuHV BB, § 8 Abs 2 HuHV BB, § 80 Abs 5 VwGO

Leitsatz

§ 8 Abs. 2 HundehV ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass hiervon nur Kreuzungen erfasst werden, bei denen ein Elterntier ein Hund der in § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 HundehV genannten Rassen zugehört sog. F 1 Generation

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 6. März 2013 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Februar 2013 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 6. März 2013 hinsichtlich des unter Ziffer 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Februar 2013 verfügten Haltungsverbots für den Hund „Eddi“ (ChipNr.: ….) wiederherzustellen sowie hinsichtlich der unter Ziffer 4 verfügten Zwangsmittelandrohung anzuordnen,

hat Erfolg.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des unter den Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2013 verfügten Haltungs- und Zuchtverbots, die die Antragstellerin lediglich hinsichtlich des Haltungsverbots angegriffen hat, genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Ihre Begründung lässt erkennen, dass sich der Antragsgegner mit dem vorliegenden Einzelfall auseinandergesetzt und die Anordnung des Sofortvollzuges zum Zwecke einer effektiven Gefahrenabwehr der - während eines möglicherweise langwierigen Verfahrens - aus der Haltung und Züchtung gefährlicher Hunde resultierenden Gefahren für die Allgemeinheit für erforderlich gehalten hat. Das ist nicht zu beanstanden.

Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das private Interesse der Antragstellerin an einem Aufschub von Vollzugsmaßnahmen das öffentliche Interesse am Sofortvollzug, da sich die angegriffene Haltungsuntersagung nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist.

Die unter Ziffer 1 der angegriffenen Ordnungsverfügung verfügte Haltungsuntersagung findet ihre Grundlage nicht in § 13 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) i. V. m. §§ 5 Abs. 1, 8 Abs. 2 und 1 Abs. 2 Satz 3 Hundehalterverordnung vom 16. Juni 2004 (GVBl. II S. 485 -HundehV-). Danach hat die Ordnungsbehörde das Halten eines Hundes unter bestimmten Voraussetzungen zu untersagen. Diese Voraussetzungen für ein Einschreiten des Antragsgegners sind nicht gegeben, weil die Haltung des oben genannten Hundes, der eine „Old English Bulldogge“ ist, nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 3 der HundehV verboten ist.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 HundehV ist die Haltung von Hunden im Sinne des § 8 Abs. 2 HundehV verboten. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 HundehV gelten u. a. Hunde der Rasse „American Pittbull Terrier“ sowie deren Kreuzungen mit Hunden nach § 8 Abs. 2 HundehV oder mit anderen Hunden auf Grund rassespezifischer Merkmale oder Zucht als gefährliche Hunde im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV, d. h. als Hunde, bei denen von einer über das natürliche Maß hinausgehenden Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder einer anderen in ihrer Wirkung vergleichbaren, Mensch oder Tier gefährdenden Eigenschaft auszugehen ist.

Bei dem von der Antragstellerin gehaltenen Hund „Eddi“ handelt es sich nicht um einen gefährlichen Hund im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1-5 HundehV. Er stellt auch keine Kreuzung mit nach § 8 Abs. 2 HundehV als gefährlich geltenden Hunderassen dar.

Der Hund „Eddi“ (Zuchtname: Black Pumps Bulldogs Bali) ist ausweislich der zur Gerichtsakte gereichten Ahnentafel ein „Old English Bulldog“ (im Folgenden: OEB). Der OEB stellt eine durch die Fédération Cynologique Internationale (FCI) nicht anerkannte Rasse dar. Ob dieser Umstand genügt, um diese Züchtung nicht als eigenständige Rassen oder Gruppe und damit überhaupt als Kreuzung bewerten zu können, kann im Eilrechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden und muss – soweit erforderlich – einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Denn bei Haushunden gilt eine Rasse als solche, wenn sie als Rasse definiert wurde. Dies geschieht in der Regel durch einen (nicht zwangsläufig internationalen) Zuchtverband, kann aber ebenso durch einen Züchter oder von Einzelpersonen vorgenommen werden. Die meisten bekannten Hunderassen werden durch Verbände und Vereine beschrieben. Normen bzw. einheitliche wissenschaftliche Grundlagen für die Benennung einzelner Rassen gibt es nicht (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/ Hunderassen m.w.N.). Der OEB verfügt wohl über eine vorläufige Anerkennung durch den amerikanischen Zuchtverband UKC (United Kennel Club; vgl. http://www.castlebulls.de/13701.html).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der OEB keine eigene Rasse ist, sondern es sich um eine Kreuzung handelt, unterfällt er nicht der Regelung unter § 8 Abs. 2 HundehV.

Derartige Hunde wurden nach den Angaben des Züchters ... (wie der Kammer aus dessen Stellungnahme vom 12. Dezember 2012 im Verfahren VG 3 L 76/13 bekannt ist) unter der Bezeichnung „Olde English Bulldogge“ Anfang der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts gezüchtet. Die Zucht setzte sich aus 1/2 „Englischer Bulldogge“, 1/6 „Bullmastiff“, 1/6 „American Bulldog“ und 1/6 „American Pittbull Terrier“ zusammen. Seit 1976 wurde kein weiterer Pittbull mehr eingezüchtet. Um sich vor unautorisierten Nachzuchten zu schützen, änderte der Züchter den Rassenamen in „... Bulldog“. Andere Züchterverbände setzten die Zucht unter der Bezeichnung „Olde English Bulldog“ fort.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners kann aus dem Umstand, dass an der Züchtung der OEB Hunde beteiligt waren, die in § 8 Abs. 2 HundehV benannt werden, nicht auf eine Kreuzung des hier betroffenen Hundes im Sinne dieser Vorschrift geschlossen werden. Denn der Hund ist nicht aus einer Kreuzung zweier Hunde der in § 8 Abs. 2 HundehV aufgeführten Rassen oder Gruppen im Sinne der Tatbestandsalternative „deren Kreuzungen untereinander“ hervorgegangen. Nach der genannten Auskunft des Züchters ... ist davon auszugehen, dass die Tiere, zu denen Mitte der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts sowohl der OEB als auch der „... Bulldog“ gehörten, bereits Mischlinge waren. Der von der angegriffenen Ordnungsverfügung betroffene Hund unterfällt auch nicht der Tatbestandsalternative „Kreuzungen von Hunden der aufgeführten Rassen oder Gruppen mit anderen Hunden“. Wortlaut und Grammatik der Regelung setzen voraus, dass ein Elterntier des zu beurteilenden Hundes ein Hund einer der aufgeführten Rassen oder Gruppen, d. h. reinrassig ist (sogenannte F1-Generation). Ist dies der Fall, so kommt es auf das weitere Elterntier und dessen Rasse oder Gruppenzugehörigkeit nicht an. Diese Betrachtungsweise entspricht auch Sinn und Zweck der Norm, nämlich der Eindämmung der als gefährlich erachteten Hunde unter dem Gesichtspunkt der „abstrakten Gefährlichkeit“ der anhand einer „Rasse- bzw. Gruppenliste“ bestimmten Hunde. Kommt es maßgeblich darauf an, dass nicht eine festgestellte oder vermutete individuelle Gefährlichkeit eines einzelnen Hundes, sondern ein genetisches Potential - beim Hinzutreten weiterer Umstände - die aufgelisteten Hunde zu einer Gefahr werden lassen können, so liegt es in der Logik dieses Gedankens, dass eine so begründete abstrakte Gefährlichkeit sich mit fortschreitender Abnahme des genetischen Potentials durch wiederholte Kreuzungen „mit andern Hunden“ im Zuge der Generationen zunehmend verflüchtigt (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 29. September 2010 - 6 A 210/09 - unter Verweis auf BVerwG, Entscheidungen vom 10. Oktober 2001 - 9 BN 2/01 - und vom 19. Januar 2000 - 11 C 8/99 -, zitiert nach juris). Die Kammer folgt nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass unter Kreuzungen im Sinne von § 8 Abs. 2 HundehV neben den direkten Abkömmlingen eines Hundes der in dieser Vorschrift benannten Rassen und Gruppen dem Grundsatz nach auch sämtliche Nachfahren eines solchen „reinrassigen“ Hundes unabhängig vom jeweiligen Verwandtschaftsgrad zu verstehen sind (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 11. Dezember 2000 - 2 Bs 306/00 -, OVG Münster, Urteil vom 17. Juni 2004 - 14 A 935/02 -, OVG Mannheim, Urteil vom 14. März 2006 - 11 UE 1426/04 -, alle zitiert nach juris). Bei einer solchen Auslegung der Vorschrift wäre deren nahezu grenzloser Ausweitung Tür und Tor geöffnet und die Regelung damit unverhältnismäßig. Es ist nach Auffassung der Kammer auch nicht sachgerecht, der beschriebenen Ausweitung der Regelungen in § 8 Abs. 2 HundehV dadurch zu begegnen, dass Kreuzungen im Sinne dieser Vorschrift nur dann vorliegen, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung trotz Einkreuzung anderer Rassen die Merkmale mindestens einer in der genannten Vorschrift genannten Rassen zeigt (vgl. VGH Mannheim a.a.O., VG Cottbus, Beschluss vom 14. Januar 2013, Seite 5 des Entscheidungsabdrucks unter Verweis auf OVG Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 2002 – 4 D 89/00.NE – Rn. 188). Die Vermutung einer abstrakten Gefährlichkeit späterer Generationen als der F1-Generation läge dann an bloßen Zufälligkeiten der jeweiligen Vererbung, nämlich daran, welches Aussehen bei einem Tier zu beobachten ist, nicht aber an der durch den Verordnungsgeber gewollten Anknüpfung an die genetisch bedingten Verhaltenseigenschaften der Tiere einer bestimmten Hunderasse- oder gruppe.

Selbst wenn man jedoch der o. g. obergerichtlichen Rechtsprechung folgt und eine Kreuzung im Sinne von § 8 Abs. 2 HundehV bereits dann annimmt, wenn der Hund nach seinem äußeren Erscheinungsbild trotz Einkreuzung anderer Rassen die Merkmale mindestens einer der in § 8 Abs. 2 HundehV genannten Rassen zeigt, erwiese sich die angegriffenen Haltungsuntersagung als rechtswidrig. Denn es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der in der Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2013 benannte Hund über äußere Rassemerkmale von Hunden nach § 8 Abs. 2 HundehV verfügt. Der Antragsgegner trägt dies nicht einmal vor.

Die in Ziff. 4 der Ordnungsverfügung angeordnete „Sicherstellung“ erweist sich bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Regelung nicht dem Bestimmtheitsgebot nach § 37 VwVfG genügt, nach dem der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten, insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss. Daran fehlt es hier. Es bleibt unklar, ob der Antragsgegner eine befristete (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) Sicherstellung im Sinne von § 5 Abs. 2 HundehV angeordnet hat oder, so die Begründung der Ordnungsverfügung, das Zwangsmittel der Ersatzvornahme nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Brandenburg (VwVG BB) androhen wollte.

Der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung hat sich spätestens mit der vorliegenden Entscheidung erledigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Der Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtschutzverfahrens halbiert worden.