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Entscheidung 5 U 13/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Zivilsenat Entscheidungsdatum 10.05.2012
Aktenzeichen 5 U 13/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung gegen das am 20. Dezember 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 43.340,30 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 24. Februar 1993 erwarb die Klägerin von der Gemeinde G… das im Grundbuch von G… des Amtsgerichts C… Blatt … gebuchte Grundstück. Die Klägerin ist aufgrund der zugleich erklärten Auflassung am 19. Oktober 1995 als Eigentümerin eingetragen worden. Ob der Eigentumsverschaffungsanspruch der Klägerin durch Auflassungsvormerkung gesichert war, lässt sich dem beigebrachten Grundbuchauszug nicht entnehmen (wegen Bestandsübertragung aus Blatt …, … Rückseite GA). Das Grundstück war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem aus den Lichtbildern Anlage K 2 (… GA) ersichtlichen Freileitungsmast samt Betonfundament bebaut. Am 14. Januar 2008 ist wegen des Mastes und der Leitungen zu Gunsten der Beklagten eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Energie Leitungsrecht/110-kv- Freileitung N… nebst Schutzstreifen) gemäß § 9 GBBerG eingetragen worden. Die Klägerin verlangt von der Beklagten mit Rücksicht auf diese Eintragung eine Entschädigung von 43.340,30 €, deren Höhe sie in der Klageschrift näher dargelegt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der Entschädigungsregelung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 GBBerG nicht Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein etwaiger Entschädigungsanspruch der Verkäuferin auf die Klägerin übergegangen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 2. Januar 2012 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20. Januar 2012 eingelegten und begründeten Berufung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Entschädigungsregelung zwar ihrem Wortlaut nach nicht den vorliegenden Fall erfasse, aber nach ihrem Sinn und Zweck auch auf alle Fälle angewandt werden müsse, in denen das Grundstück vor Inkrafttreten der Entschädigungsregelung aufgelassen und die Auflassung nach deren Inkrafttreten im Grundbuch vollzogen worden sei. Denn im Auflassungszeitpunkt sei das Grundstück noch unbelastet gewesen, so dass die Dienstbarkeit allein in ihr Eigentum eingreife, da Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren nach dem Kaufvertrag ab diesem Zeitpunkt auf sie übergegangen seien. Aus dieser kaufvertraglichen Regelung, aber auch dem Verkauf „mit allen Rechten und gesetzlichen Bestandteilen“ ergebe sich des Weiteren, dass ein etwaiger Entschädigungsanspruch der Verkäuferin auf sie übertragen worden sei. Da das Landgericht somit rechtsfehlerhaft bereits den Anspruch dem Grunde nach verneint habe, sei die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Landgericht Cottbus zurückzuverweisen,

und, für den Fall einer eigenen Sachentscheidung durch den Senat, die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an die Klägerin 43.340,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie nicht festsetzbare vorgerichtliche Kosten von 1.530,58 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf es und ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führt die Beklagte aus, dass die Grundstückssubstanz bereits durch Errichtung der Leitungsanlage und somit vor Abschluss des Kaufvertrages beeinträchtigt worden sei. Dies habe sich auf den Kaufpreis ausgewirkt, so dass der zu entschädigende Eigentumseingriff bei der Verkäuferin eingetreten sei. Schließlich handele es sich bei dem schuldrechtlichen Entschädigungsanspruch auch nicht um eine Nutzung, ein Recht oder einen Bestandteil des Grundstücks.

II.

Die Berufung, deren Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist weder aus ursprünglich eigenem Recht noch vormals fremdem Recht (§ 398 BGB) begründet. Als ein solches Recht kommt in beiden Fällen allein § 9 Abs. 3 Satz 1 GBBerG in Betracht.

1.

a) Ausgleichsberechtigter im Sinne von § 9 Abs. 3 Satz 1 GBBerG ist nur derjenige, der am 25. Dezember 1993 Grundstückseigentümer oder sonst dinglich Berechtigter war. Denn an diesem Tag ist gemäß Art. 20 Satz 1 des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes das Grundbuchbereinigungsgesetz in Kraft getreten. Die Maßgeblichkeit dieses Stichtags ergibt sich aus der Systematik des Grundbuchbereinigungsgesetzes und aus den allgemeinen Grundsätzen des Ausgleichs- und Entschädigungsrechts. Gemäß § 9 Abs. 1 GBBerG wurden kraft Gesetzes mit dem Inkrafttreten des Grundbuchbereinigungsgesetzes zu Gunsten von Energieversorgungsunternehmen zur Sicherung der am 3. Oktober 1990 im Gebiet der früheren DDR genutzten Leitungsstraßen beschränkt persönliche Dienstbarkeiten begründet. Daraus ergibt sich, dass der entschädigungspflichtige Eingriff in das Grundstück durch Begründung der Dienstbarkeit unmittelbar durch Gesetz erfolgte (OLG Dresden, NotBZ 2005, 81). Am 25. Dezember 1993 war die Klägerin mangels Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch noch nicht Eigentümerin (§ 873 Abs. 1 BGB).

b) aa) Die Klägerin hat bislang nicht vorgetragen, dass ihr Anspruch auf Eigentumsverschaffung am 25. Dezember 1993 im Grundbuch vorgemerkt war. Allerdings kommt dies deshalb in Betracht, weil die Vertragsparteien ihr in dem Kaufvertrag eine Eigentumsverschaffungsvormerkung bewilligten und deren Eintragung beantragten. Nicht entschieden hat das OLG Dresden die Frage, ob neben dem Eigentümer auch der Vormerkungsberechtigte anspruchsberechtigt ist, da im dort entschiedenen Fall eine Auflassungsvormerkung erst nach Inkrafttreten des Grundbuchbereinigungsgesetzes eingetragen wurde. Diese Frage ist zu verneinen, so dass es keiner Aufklärung (§ 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf, ob die Klägerin am Stichtag Vormerkungsberechtigte war. Denn die Eintragung einer Eigentumsverschaffungsvormerkung begründet zwar ein Anwartschaftsrecht des Erwerbers, weil der Veräußerer den Grundstückserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB; BGHZ 89, 44, 45, juris Rn. 17). Darin sowie in der Übertragbarkeit, Pfändbarkeit und im deliktischen Schutz erschöpfen sich aber auch die Rechtswirkungen des Anwartschaftsrechts.

bb) Sinn und Zweck der Ausgleichsregelung gebieten es ebenfalls nicht, den Grundstücksanwartschaftsberechtigten dem Vollrechtsinhaber gleichzustellen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass Grundstücksbeeinträchtigungen der vorliegenden Art vielfach bereits in die Kaufpreisfindung eingeflossen sein werden. Selbst wenn der Leitungsmast hier nicht preislich berücksichtigt worden sein sollte, was nach der Lebenserfahrung allerdings eher fernliegend erscheint, wäre die Klägerin keineswegs rechtlos. Ihr kann in (ergänzender) Auslegung des Vertrages ein Anspruch gegen die Verkäuferin auf Abtretung des Entschädigungsanspruchs zustehen. Im Streitfall haftete die Verkäuferin darüber hinaus für den „lastenfreien Eigentumsübergang“. Frei von Rechtsmängeln konnte sie das Grundstück nach Inkrafttreten des Grundbuchbereinigungsgesetzes indessen nicht mehr auf die Klägerin übertragen. Die Verpflichtung hierzu ist der Verkäuferin nach gesetzlicher Begründung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nachträglich unmöglich geworden. Infolgedessen kann die Klägerin von ihr gemäß § 281 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB; jetzt: § 285 Abs. 1 BGB) Abtretung des Entschädigungsanspruchs aus § 9 Abs. 3 Satz 1 GBBerG verlangen (Maaß, NotBZ 2005, 82, 83).

2.

Dem Kaufvertrag lässt sich eine solche Abtretung (§ 398 BGB) allerdings schon deshalb nicht entnehmen, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Schaffung eines Entschädigungsanspruchs durch den Gesetzgeber rechneten (vgl. Maaß, NotBZ 2005, 82, 83).

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, § 711 S. 1 und 2, § 709 S. 2 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO.