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Kanalanschlußbeiträge (Entwässerungsbeiträge, Schmutzwasser)


Metadaten

Gericht VG Potsdam 8. Kammer Entscheidungsdatum 29.08.2012
Aktenzeichen 8 K 1432/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 20 Abs 3 GG, § 8 Abs 4 KAG BB

Leitsatz

1. Die für die Verwaltung geltende Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG führt bei der gerichtlichen Kontrolle kalkulatorischer Grundlagen eines Anschlussbeitragssatzes dazu, grundsätzlich von der Richtigkeit der Behördenangaben zu den einzelnen Investitionen und Anlageteilen angefallenen Kosten auszugehen. Insofern sind die Angaben lediglich einer Plausibilitätskontrolle unterworfen.

2. Weitergehende Aufklärungsmaßnahmen sind nur dann geboten, wenn sich dem Gericht Widersprüche, methodische Fehler, offenkundige Rechenfehler oder mit höherrangigem Recht unvereinbare Kostenansätze nach dem Sachvortrag der klagenden Partei oder aus den beigezogenen Unterlagen aufdrängen.

Tenor

Der Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 24. Februar 2011 (Bescheid-Nr. …) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2011 wird aufgehoben.

Die Anschlussbeitragsbescheide des Beklagten vom 24. Februar 2011 (Bescheid-Nr. …) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. August 2011 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten für das Vorverfahren der Klägerin S. GmbH wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, im Falle der Klägerin S. GmbH gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages.

Im Übrigen wird dem Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Kläger Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Anschlussbeiträgen für die zen-trale Schmutzwasserentsorgungsanlage des WAZV J.. Der Wasser- und Abwasserzweckverband J. ist ein nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg - GKG - am 15. Juni 1994 gegründeter Zweckverband und für die Aufgabe der Abwasserentsorgung im Stadtgebiet J. zuständig.

Die Kläger zu 1. und 2. sind hälftige Miteigentümer des 471 qm großen Wohngrundstücks T.straße … in J.. Nachdem der Beklagte sie Ende 2010 zu der beabsichtigten Beitragsveranlagung angehört hatte, zog er sie mit Bescheid vom 24. Februar 2011 zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag in Höhe von 1.186,92 Euro heran. Hierbei legte er der Veranlagung eine dreigeschossige Bebaubarkeit und die gesamte Grundstücksfläche zugrunde. Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 22. März 2011 wies der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2011 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 21. Juni 2011 zugestellt. Die Kläger haben am 21. Juli 2011 unter dem Aktenzeichen VG 8 K 1432/11 Klage erhoben.

Die Klägerin zu 3. ist eine Wohnungsbau und -verwaltungsgesellschaft. Sie ist Eigentümerin nachfolgender bebauter Wohngrundstücke im Stadtgebiet J., die noch zu DDR-Zeiten an die Kanalisation der Stadt J. angeschlossen worden sind. Es handelt sich um die Mehrfamilienhäuser im sog. komplexen Siedlungsbau:

- E.straße …,

- P. …,

- P. …,

- W. …,

- W. …,

- W. …,

- S.straße …,

- M.straße …,

- M.straße …,

- M.straße …,

- S.straße …,

- M.straße …,

- M.straße …,

- S.straße …,

- S.straße …,

- S.straße …,

- S.straße …,

- S.straße …,

- S.straße …,

- W. …,

- W. …,

- Grundstück in der Straße W. unter der Katasterbezeichnung Flurstück …, Flur …,

- F.Straße … und

- F.Straße ….

Sämtliche Grundstücke wurden mit Bescheiden vom 24. Februar 2011 zu Schmutzwasseranschlussbeiträgen in einer Gesamthöhe von 86.989,- Euro veranlagt (24 Bescheide). Gegen die Bescheide legte die Klägerin zu 3. mit Anwaltsschreiben vom 28. März 2011 Widerspruch ein. Sie berief sich im Wesentlichen darauf, dass die Beitragsforderungen der Festsetzungsverjährung unterlägen. Ferner sei die Beitragssatzung nichtig, da der Beitragssatz auf keiner nachvollziehbaren Kalkulationsgrundlage beruhe.

Der Beklagte wies die Widersprüche mit Bescheiden vom 29. August 2011 zurück.

Die Klägerin zu 3. hat am 14. September 2011 unter dem Aktenzeichen VG 8 K 1819/11 Klage erhoben.

Die Kläger zu 1. und 2. tragen im Wesentlichen zur Begründung ihrer Klage vor, dass der Beitragsbescheid rechtswidrig sei, weil der Beitragssatz fehlerhaft kalkuliert worden sei.

Der Beklagte habe trotz mehrfacher Rüge bislang die beitragsfähigen Kosten nicht nachgewiesen. Der angebliche Aufwand, den der Beklagte in seiner Kalkulation in der Anlage A tabellarisch in ca. 200 Positionen aufgelistet habe, werde individuell für jede einzelne Position bestritten. Tatsächlich habe der Beklagte unterschiedliche Anlagenteile willkürlich zusammengeschrieben. Es sei aufgrund der im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam zum Aktenzeichen VG 8 K 140/09 sichtbar gewordenen Mängeln geboten, jede einzelne Position der Aufwandszusammenstellung zu kontrollieren. Das Gericht trage hierfür nach der Aufklärungsmaxime die Verantwortung. Gleiches gelte sinngemäß für die in den Anlagen B (Zukunftskosten) und C (Erschließungsgebiete und Planflächen) aufgeführten Kosten, deren Existenz ebenfalls bestritten werde, nachdem sich nachträglich weitaus geringere tatsächliche Kosten feststellen ließen als die zunächst prognostizierten.

Soweit der Beklagte Herstellungsaufwand aus der Übernahme von Krediten nach Anlage D geltend mache, werde dieser bestritten. Die Kläger zu 1. und 2. führen hierzu im Einzelnen zu 17 (von 19) Übernahmeverträgen aus, wieso die dort aufgeführten Schulden und Investitionskosten nicht als Herstellungsaufwand oder Anschaffungsaufwand berücksichtigt werden könnten. So seien beispielsweise die vom Beklagten für die Kläranlage J. angegebenen Investitionskosten nicht durch den vorgelegten Jahresabschluss für das Jahr 2004 nachvollziehbar unterlegt. Der Übertragungsvertrag enthalte keine konkreten Angaben zur übernommenen Kreditsumme und auch keine Angaben zu deren Zusammensetzung, insbesondere fehle eine Abgrenzung zwischen Anlagebestandteilen der Trinkwasser- und Abwasserentsorgung. Die in der Anlage zum Vertrag vorgenommene Zusammenfassung des Anlagevermögens der Übernahme der Kläranlage J. zum 31. Dezember 2003 ergebe nicht den angegebenen Wert, sondern werde erst durch weitere handschriftliche Rechenoperationen und Abzüge von nicht näher erläuterten Beträgen plausibel gemacht. Die Kreditsalden im Gesamtbetrag von 3.464.363,78 Euro würden mangels nachvollziehbarer Darstellung und Substantiierung bestritten. Auch die Aufstellung der Kreditsalden auf der Grundlage von weiteren Journalausdrucken stellten keine ordnungsgemäßen Nachweise für übernommene Darlehenssalden dar. Die Kläger zu 1. und 2. stellen die Authentizität der vorgelegten Unterlagen in Kopie insgesamt und nachdrücklich im Einzelnen in Frage. Ähnlich werden die übernommenen Kredite zu den Übernahmeverträgen W./Kläranlage L., der Gemeinde B. I und II, der Gemeinde K. I und II, der Gemeinden N., D., L. I und II, W. I und II, N./ J., M., M./F., M./F. (Aufwand bis Übernahme), Übernahme P. GmbH i. L. in Frage gestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Kläger zu 1. und 2. vom 21. Juli 2011, S. 9 bis 17 (Bl. 9 - 17 GA) und vom 2. März 2012, S. 17 f. (Bl. 86, 87 GA) verwiesen.

Sie rügen ferner, dass der Beklagte zu Unrecht die Flächen der Kleingartenanlagen im Bereich der Stadt J. nicht bei der Beitragskalkulation berücksichtigt habe. Die Kleingartenanlagen, insbesondere die Kleingartenanlage „K.“, seien bereits an die zentrale Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen und auch bezüglich der Abwasserentsorgungseinrichtung bevorteilt, da sie an die Kanalisation angeschlossen werden könnten und voraussichtlich auch angeschlossen werden würden.

Die Klägerin zu 3. führt ergänzend und vertiefend zur Begründung aus, die Beitragsforderungen seien rechtswidrig, weil sie infolge Verjährung erloschen seien. Die sachliche Beitragspflicht sei nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. bereits am 9. November 1994 entstanden. Zuvor habe die Verbandsversammlung des WAZV J. am 12. Oktober 1994 erstmals eine Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerung beschlossen. Diese Satzung sei am Tage ihrer Bekanntmachung in Kraft getreten. Da nach § 1a i. V. m. § 2 Ziff. 1 dieser Satzung Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die zentrale öffentliche Abwasseranlage einschließlich der Kosten für die Grundstücksanschlüsse für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der öffentlichen Entwässerungsanlage erhoben werden sollten, sei für die streitgegenständlichen veranlagten Grundstücke die Beitragspflicht gemäß § 3 Ziff. 1 der Satzung zu dem damaligen Zeitpunkt entstanden. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht sei der 9. November 1994 gewesen, der Tag des gewollten Inkrafttretens der Satzung. Auf die Wirksamkeit der Satzung sei es nicht angekommen. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Juni 2000 zum Aktenzeichen 2 D 29/98.NE (zitiert nach juris, Rz. 43). Weil nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i. V. m. § 169 Abs. 1 AO eine Abgabenfestsetzung nicht mehr zulässig sei, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen sei, die Frist nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre betrage und mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem die Abgabe entstanden sei, sei die Forderung mit Ablauf des 31. Dezember 1998 verjährt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe in seinem Urteil vom 12. Dezember 2007 (zum Aktenzeichen OVG 9 B 44.06, zit. nach juris Rz. 52) die Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. zur Entstehung der Beitragspflicht nicht anders als das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) in der angegebenen Entscheidung interpretiert. Soweit § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Ausgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294, 298) durch eine neue Fassung ersetzt worden sei, beziehe sich diese nur auf die Zeit nach ihrem Inkrafttreten am 1. Februar 2004. Mithin könne sie bereits eingetretene Festsetzungsverjährungen nicht mehr betreffen und tue dies auch schon ihrem Wortlaut nach nicht. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) sei in der Folge auch vom Ministerium des Innern des Landes Brandenburg geteilt worden, wie sich aus den Verwaltungsvorschriften zu dem KAG ergebe. Es entspreche nicht dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F., den Kommunen einen Anreiz zu bieten, sich auf eine Ungültigkeit ihres Satzungsrechtes zu berufen. Die Ausnahmevorschriften des § 8 Abs. 7 Satz 2 1. und 2. Halbsatz KAG bekämen dadurch eine nicht gesetzesmäßige Zielrichtung.

Infolge der Verjährung sei eine rechtlich gesicherte Position entstanden, auf die die vormals beitragspflichtigen Eigentümer vertrauen durften. Es sei unklar, wieso man annehmen könne, dass § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. überhaupt Rückwirkung habe. Eine rückwirkende Anwendung dieser Vorschrift auf Sachverhalte vor dem Inkrafttreten der Regelung sei verfassungswidrig, wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. Steiner ergebe. Das Oberverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2007 zu Unrecht seine an sich schon unrichtige Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 n. F. KAG nur am Maßstab des Rückwirkungsverbots für nicht abgeschlossene Sachverhalte geprüft. Tatsächlich sei eine Festsetzungsverjährung schon eingetreten, so dass die unrichtige Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zu § 8 Abs. 7 KAG einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt betreffe.

Die Klägerin zu 3. ist ferner der Ansicht, dass eine gültige satzungsrechtliche Grundlage fehle. Die Beitragssatzung leide an einem schweren Mangel, denn die satzungsgemäße Bestimmung zur Zahl der Vollgeschosse im Rahmen des kombinierten Flächen-Vollgeschossmaßstabs sei unvollständig. Es fehle eine Regelung zur Ermittlung der Vollgeschosse für den Fall, dass der Bebauungsplan nur eine zulässige Höhe der baulichen Anlage oder nur eine Regelung zur Geschossfläche vorsehe.

Die Kläger zu 1. und 2. beantragen,

den Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 24. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2011 aufzuheben.

Die Klägerin zu 3. beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 24. Februar 2011 (Bescheid-Nr.: …) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. August 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Beitragskalkulation sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Aufwand, der dem Zweckverband durch die Übernahme der Kreditverbindlichkeiten entstanden sei, sei zu Recht vom Verwaltungsgericht Potsdam in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2010 - VG 8 K 140/09 - berücksichtigt worden. Diese Rechtsprechung sei zwischenzeitlich vom Verwaltungsgericht Cottbus geteilt worden. Soweit die Kläger zu 1. und 2. den tabellarisch aufgeführten Kostenaufwand bezüglich der Anlageteile bestritten, sei dieser Vortrag unsubstantiiert und erfolge „ins Blaue hinein“.

Im Rahmen einer Globalkalkulation müsse auf den Zeitpunkt der Erstellung der Beitragssatzung und bei rückwirkenden Beitragssatzungen eben auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens und die damals angemessenen kalkulatorischen und prognostischen Annahmen abgestellt werden. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in Fortführung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder). Die Flächenermittlung habe die im Verbandsgebiet existierenden Kleingartengrundstücke nicht berücksichtigen können, weil diese Grundstücke selbst nicht an kanalisierten Grundstücken angrenzten und ihr Anschluss in dem geltenden Abwasserbeseitigungskonzept nicht vorgesehen sei. Die Grundstücke hätten, unabhängig von der vorhandenen Bebauung, keinen Vorteil von der Kanalisation des Verbandes. Soweit die Kläger angegeben hätten, dass die Grundstücke der Kleingartensiedlung „K.“ bereits an die Trinkwasserversorgung angeschlossen worden seien, müsse klargestellt werden, dass es sich hierbei um eine gemeinsame Brunnenanlage und nicht um die zentrale Trinkwasserversorgung des Zweckverbandes handele.

Der Kostenaufwand für die Erschließungsgebiete habe nach dem Muster, das dem Gericht bereits im Verfahren VG 8 K 140/09 vorgelegt worden sei, angesetzt werden müssen. Dies habe das Gericht in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2010 anerkannt. Ferner sei entgegen dem im Urteil vom 22. Dezember 2010 zu Grunde gelegten Gesamtaufwand i. H. v. 17.525.568,- Euro tatsächlich von einem größeren Volumen von insgesamt 18.738.857,- Euro auszugehen. Hierzu legt der Beklagte weitere Unterlagen zu den Kreditverpflichtungen vor.

Entgegen der Ansicht der Kläger sei eine Festsetzungsverjährung für die Beitragsforderungen noch nicht eingetreten. Die sachliche Beitragspflicht für die in Streit stehenden Grundstücke sei gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG neue Fassung nicht vor Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung des beklagten Zweckverbandes entstanden. Die Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i. V. m. §§ 169 ff. AO sei frühestens im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Schmutzwasserbeitragssatzung vom 29. März 2012, d. h. am 31. Oktober 2008 ausgelöst worden mit der Folge, dass die Festsetzungsverjährung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2012 eintreten könne. Ungeachtet dessen sei auf die Vorschrift des § 12 Abs. 3a KAG hinzuweisen, wonach die Festsetzungsfrist für Kanalanschlüsse ohnehin frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011 ende. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) sei stets davon auszugehen gewesen, dass Abgabenpflichten ohne gültige Abgabensatzung nicht entstehen könnten. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sei in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2007 zu Recht von einer unechten Rückwirkung ausgegangen. Denn tatsächlich sei die Beitragspflicht mangels gültiger Beitragssatzung noch nicht entstanden, mithin der Lebenssachverhalt noch nicht vollendet gewesen, der durch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. neu geregelt worden sei.

Im Laufe der zunächst gesondert geführten Verfahren hat der Beklagte eine neue Beitragssatzung zur zentralen Schmutzwasserentsorgungseinrichtung vom 29. März 2012 vorgelegt. Die Satzung ist rückwirkend zum 31. Oktober 2008 in Kraft gesetzt worden und enthält kleinere Änderungen gegenüber der Vorgängersatzung vom 7. Oktober 2008. Mit Blick auf die etwas veränderten Maßstabsregelungen der Beitragserhebung hat der Beklagte überdies seine Beitragssatzkalkulation (zur Beitragssatzung vom 7. Oktober 2008) mit Schriftsatz vom 7. Juni 2012 ergänzt.

Die Kammer hat die beiden Klageverfahren in der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2012 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Hefter im Verfahren VG 8 K 1432/11 und 4 Hefter im Verfahren VG 8 K 1819/11) sowie auf acht weitere Unterlagen zur Kalkulation und zu dem Abwasserbeseitigungskonzept des Beklagten aus den rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren VG 8 K 138/09 und VG 8 K 140/09 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Klagen sind begründet, denn den angefochtenen Anschlussbeitragsbescheiden fehlt eine satzungsrechtliche Grundlage im Sinne von §§ 1, 2 Abs. 1 S. 1 und § 8 Abs. 1 KAG, so dass sie die Kläger in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Das Gericht hat die Schmutzwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes J. vom 29. März 2012 - i. F. SBS 2012 - als Satzungsgrundlage für die angefochtenen Bescheide in Betracht gezogen, da sie die zuvor Geltung heischende Schmutzwasserbeitragssatzung vom 7. Oktober 2008 - i. F. SBS 2008 - mit ihrem rückwirkenden In-Kraft-Treten zum 31. Oktober 2008 als Ermächtigungsgrundlage für alle hier angefochtenen Beitragsbescheide abgelöst hat, vgl. § 14 Satz 1 SBS 2012.

1.

Die Beitragssatzung ist unwirksam, da sie nicht den Verteilungsmaßstab für alle im Verbandsgebiet in Betracht kommenden Anwendungsfälle geregelt hat (Grundsatz der konkreten Vollständigkeit, s. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011 - OVG 9 N 62.11 -, zit. nach juris, Rn. 7; Urteil vom 18. April 2012 - OVG 9 B 62.11 -, zit nach juris, Rn. 19).

a) Dies betrifft im Rahmen des nach § 4 Abs. 1 SBS 2012 gewählten kombinierten Flächen-Vollgeschossmaßstabs zum einen eine (fehlende) Regelung zur Bemessung des Vorteils, den Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans haben, wenn der Bebauungsplan keine Vorgaben zur höchstzulässigen Anzahl der Vollgeschosse hat, sondern das Maß der baulichen Nutzung nur durch die Festsetzung einer Grundflächenzahl oder einer Geschossflächenzahl (§ 16 Abs. 2 Nr. 1, 2 BauNVO) bestimmt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011, a. a. O., Rn. 9).

b) Zum anderen fehlt eine Regelung zur Bestimmung der Zahl der Vollgeschosse für diejenigen Grundstücke, die im Außenbereich liegen und gewerblich oder baulich genutzt werden, ohne dass auf ihnen eine mindestens eingeschossige Bebauung im Sinne der Brandenburgischen Bauordnung verwirklicht worden ist (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012, a. a. O., Rn. 18, 26). § 4 Abs. 3 Satz 3 lit. f) SBS 2012 stellt allein auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse ab und erfasst diese Fälle damit nicht.

Für beide Fallgruppen bleibt es daher offen, wie im Rahmen der Vorteilsbemessung über den aus zwei Faktoren bestehenden Beitragsmaßstab derjenige Wertzuwachs erfasst werden kann, der den Grundstücken aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Abwasserentsorgungseinrichtung zuwächst.

Dass diese Lückenhaftigkeit ausnahmsweise unschädlich gewesen wäre, kann auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Prozessvertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht angenommen werden. Das wäre nur dann der Fall, wenn betreffende Grundstücke derzeit nicht vorhanden sind und der Beklagte gesicherte Erkenntnisse darüber hätte vorweisen können, dass während der Geltung seiner Beitragssatzung bzw. des Herstellungszeitraums der öffentlichen Einrichtung solche Grundstücke nicht entstehen werden (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012; a. a. O. Rn. 26; Urteil vom 27. Juni 2012 - OVG 9 B 20.11 - zit. nach juris, Rn. 30). So liegt es hier nicht. Zwar hat der Bevollmächtigte des Beklagten erklärt, im Verbandsgebiet existiere kein Bebauungsplan, der das Maß der baulichen Nutzung nur mit einer Geschossflächen- oder Grundflächenzahl festsetze. Auf Nachfrage hat er jedoch ergänzt, es sei nicht bekannt, dass derartige Bebauungspläne in den Jahren 2012 oder 2011 erlassen worden wären. Da der Herstellungszeitraum der dem Beitragssatz zugrunde liegenden Globalkalkulation bis zum Jahr 2012 reicht, ist es angesichts des noch nicht abgelaufenen Jahres 2012 fraglich, ob überhaupt eine gesicherte Erkenntnis zu dem Nichtbestehen dieser unter a) gefassten Grundstückskonstellation getroffen werden kann. Jedenfalls aber hätte es angesichts des großen Verbandsgebiets und der beteiligten vier Kommunen als Verbandsmitglieder des WAZV J. einer konkreteren Aussage bedurft, um von der gesicherten Erkenntnis ausgehen zu können, dass es keine beitragspflichtigen Grundstücke gibt, die in einem Gebiet liegen, für das der Bebauungsplan zum Maß der baulichen Nutzung nur eine Festsetzung der Geschossflächen- oder Grundflächenzahl enthält. - Soweit es um die unter b) gefassten Grundstücke geht, hat der Beklagte weder behauptet, dass es solche gewerblich oder baulich genutzten bevorteilten Grundstücke im Außenbereich nicht gäbe, noch ist solches mit Blick auf die im Verbandsgebiet existierenden Camping- und Lagerplätze wahrscheinlich.

Die Beitragsbescheide finden auch nicht in der Schmutzwasserbeitragssatzung vom 7. Oktober 2008 eine rechtsgültige Satzungsgrundlage, denn aus den vorstehenden Gründen war auch diese Beitragssatzung bezüglich der Bemessung des Vorteils durch den Nutzungsfaktor der Vollgeschossigkeit zu den beiden oben genannten Fallgruppen von Grundstücken unvollständig (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 lit. a-c) und e) SBS 2008) und daher nichtig.

2.

Ob darüber hinaus der in § 4 Abs. 3 SBS 2012 bestimmte Steigerungsfaktor je Vollgeschoss von 0,2 den durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kanalisation gesteigerten wirtschaftlichen Vorteil rechtsfehlerfrei bemessen hat, ist angesichts der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. April 2012, a. a. O., Rn. 27 ff.) jedenfalls nicht als rechtssicher anzusehen. Zwar ist die Bemessung des wirtschaftlichen Vorteils angesichts der bloßen Vorgabe des § 8 Abs. 6 Satz 3 2. Variante KAG, dass ausschließlich das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung zu berücksichtigen ist, als schwierig anzusehen. In der Folge reicht die Wahl eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs aus, der nur darauf hin überprüfbar ist, ob er offenbar ungeeignet ist, den Vorteil zu bestimmen, also für die Beitragsbemessung keinen sachlichen Grund erkennen lässt oder den abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit verletzt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rn. 31). Dies soll nach der obergerichtlichen Entscheidung dann der Fall sein, wenn der Steigerungsfaktor je Vollgeschoss nur 0,15 beträgt, mithin der durch das zweite Vollgeschoss zusätzlich gewonnene wirtschaftliche Wert, den das Grundstück durch die Möglichkeit der geordneten Abwasserbeseitigung erhält, nur um 15 Prozent höher bemessen wird als derjenige, den eine eingeschossige Baulichkeit vermittelt. Ob ein solches Missverhältnis auch bei einer Steigerung um nur 20 Prozent je weiteres Vollgeschoss angenommen werden muss, stellt sich dem erkennenden Gericht als offene Rechtsfrage dar, die aber mit Blick auf die unvollständigen Bemessungsregelungen nicht entschieden werden musste.

3.

Zwar kommt es nach alledem auch nicht mehr darauf an, ob die umfänglich von den Klägern zu 1. und 2. behaupteten Mängel der vorgelegten Beitragskalkulation gegeben sind. Gleichwohl sieht sich die Kammer mit Blick auf zu besorgende weitere Rechtsstreitigkeiten gehalten, hierzu Stellung zu nehmen (hierzu a) wie auch zu der von der Klägerin zu 3. in den Vordergrund gestellten Rechtsansicht, dass die Festsetzung der angefochtenen Anschlussbeiträge bereits verjährt sei (hierzu b).

a)

Die der Festsetzung des Beitragssatzes zugrundeliegende Globalkalkulation weist keine gravierenden Fehler auf und ist daher - vorbehaltlich einer rechtsgültigen neuen Satzungsgrundlage mit im Wesentlichen gleichen Beitragsbemessungsfaktoren - geeignet, einen Beitragssatz von 1,80 Euro/qm zu rechtfertigen.

aa) Der Beklagte hat den in der Globalkalkulation einstellbaren Gesamtaufwand entgegen der Ansicht der Kläger im Wesentlichen plausibel nachgewiesen. Hierfür hat er die tatsächlichen Aufwendungen für den Gesamtzeitraum von der Verbandsgründung bis zur voraussichtlichen Herstellung der Anlage im Jahr 2012 regelgerecht in der Weise erfasst, dass erstens der tatsächliche Investitionsaufwand seit der Verbandsgründung bis zum 31. Dezember 2007 zugrunde gelegt wurde. Anlage A weist diesen Aufwand in Form eigener Investitionen des Zweckverbandes im engeren Sinn nach. Anlage B umfasst den absehbaren zukünftigen Aufwand nach Maßgabe des fortgeschriebenen Abwasserbeseitigungskonzepts des Zweckverbandes von 2008 bis 2012. In Anlage C wurden die Kosten für Erschließungsgebiete und Planflächen zusammengestellt und in Anlage D die übernommenen Kredite der Verbandsmitglieder bzw. ihrer Rechtsvorgänger sowie seitens der P. aufgeführt. In Anlage E sind die bereits ausgereichten und voraussichtlich noch auszureichenden Fördermittel zusammengestellt und von der Summe aus A bis D abgezogen. Die in den Anlagen A bis C zusammengetragenen und addierten Aufwandspositionen sind nach dem bisherigen Kenntnisstand der Kammer nachvollziehbar und nach stichprobenartigen Nachfragen in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt worden, so dass an der Richtigkeit dieser Angaben keine Bedenken bestehen. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 3 verwiesen.

Die Ansicht der Kläger zu 1. und 2., angesichts der gravierenden Kalkulationsfehler im Verfahren VG 8 K 140/09 müsse sich das Gericht die Rechnungen über jede einzelne Investitionsmaßnahme vorlegen lassen, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, denn die im seinerzeitigen Verfahren offenkundig gewordenen Fehler betrafen gerade nicht Einzelnachweise, sondern ganz überwiegend methodische Fehler der Ermittlung des Herstellungsaufwands und der ansetzbaren Flächen. Andererseits hatte der Beklagte zu keinem Zeitpunkt über die Kalkulationsgrundlagen getäuscht oder für ihn ungünstige Angaben unterdrückt. Daher darf mit Blick auf die in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes normierte Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Unterlagen des Beklagten über die zu den einzelnen Investitionen und Anlageteilen angefallenen Kosten der Wahrheit entsprechen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 1. Juli 1997 - 9 A 6103/95 -; VG Arnsberg, Urteil vom 13. April 2010 - 11 K 597/09 -; zit nach juris, Rn. 39; Urteil vom 21. April 2011 - 11 K 477/09 -, zit. nach juris, Rn. 50). Insofern ist lediglich eine Plausibilitätsprüfung geboten (OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, zit. nach juris, Rn. 30). Aufklärungsmaßnahmen wären nur dann angezeigt, wenn sich dem Gericht etwaige Widersprüche und neue methodische Fehler, Rechenfehler oder mit höherrangigem Recht unvereinbare Kostenansätze nach dem Sachvortrag der klagenden Partei oder aus den beigezogenen Unterlagen aufdrängten. Es reicht nicht aus, lediglich anzukündigen, das „Bestreiten für den Fall zu qualifizieren“, dass der Beklagte die einzelnen Belege für die behaupteten, beitragsfähigen Aufwendungen vorlegt. Vielmehr handelt es sich um eine unsubstantiierte Einwendung ins Blaue hinein, die unbeachtlich ist und keine Aufklärung von Amts wegen erforderlich macht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Juli 2012 - OVG 9 N 34.10 -; zit. nach juris, Rn. 24, 28). Die Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2002 - 9 CN 1. 01 - zit. nach juris Rn. 44 f.).

bb) Anders war hingegen der klägerische Vortrag für die in der Anlage D zusammengefassten übernommenen Kreditverbindlichkeiten zu bewerten. Die daraufhin erfolgte Durchsicht der gerügten 17 Einzelpositionen erhärten aber ganz überwiegend die von der Kammer schon im Urteil vom 22. Dezember 2010 zum Verfahren VG 8 K 140/09 vorgenommene Bewertung dieses Teils der eingestellten Anschaffungs- und Herstellungskosten. Insoweit wird auf die dortigen Entscheidungsgründe, S. 21 - 23 (nach juris Rn. 78 ff.) verwiesen.

Im hiesigen Verfahren hat der Beklagte allerdings zur Kreditübernahme für die von der Gemeinde Niedergörsdorf übernommenen Anlageteile weitere Details vorgetragen, die nunmehr eine Anerkennung weiterer 422.062,53 Euro als Anschaffungskosten rechtfertigen würden. Andererseits sind die eingestellten Kosten für die Übernahme der Anlagenteile der ehemaligen Gemeinde M. um 113.173,19 Euro zu reduzieren, da allein die Höhe des valutierenden Kredits im Zeitpunkt seiner Übernahme maßgeblich ist. Auch die angegebenen rechtsgrundlosen Leistungen des Zweckverbandes an die Gemeinde M. im Vorfeld der Übernahme sind grundsätzlich nicht anerkennungsfähig, weil ihre synallagmatische Zugehörigkeit zu den Anschaffungskosten für die erstmalige Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage nicht zweifelsfrei ist. Gleiches gilt für die angeblichen Übernahmekosten im Zusammenhang mit der Kläranlage J. seitens der P. GmbH i. L. Wie schon im o.g. Urteil vom 22. Dezember 2010 (a. a. O. Rn. 82) sieht sich die Kammer nach wie vor außerstande, die angegebene Summe von 819.091,45 Euro als beitragsfähigen Aufwand anzuerkennen. Die nun vorgelegten Unterlagen belegen zwar, dass der Zweckverband allein für die Kläranlage J. 1.415.776,73 DM seitens der P. GmbH i. L. übernehmen sollte (Anlage 14 ÜV und Jahresabschlussbericht des Dipl. Kaufmanns H. zum Jahr 1994 unter Punkt 7.2, S. 31), allerdings bleibt offen, in welchem Rechtsrahmen diese Kreditübernahme stattfinden sollte und ob sie zwingend erforderlich zum Erwerb der Kläranlage J. war. Einen Übernahmevertrag hat der Beklagte bis heute nicht vorgelegt. Auch lässt die Bezeichnung „zu übernehmende freie Marktkredite“ offen, ob die unter den Jahreszahlen 1991, 1992 und 1993 angegebenen drei Teilbeträge die ursprünglichen Darlehen darstellen oder nur die zum 1. Juli 1994 noch valutierenden Darlehen. Ob und wann die Summe von 1.415.776,73 DM tatsächlich geleistet worden ist, ist ebenfalls offen und trotz mehrfacher Vorhalte seitens der Kläger zu 1. und 2. nicht nachgewiesen worden.

cc) Zur Flächenseite ist die Kammer den von den Klägern aufgeworfenen Zweifelsfragen zur Nichtanerkennung der Kleingartenflächen im Stadtgebiet J. nachgegangen. Im Ergebnis hat der Beklagte die auf die Kleingartenanlagen entfallenden Grundstücksflächen zu Recht nicht als beitragspflichtig bewertet und nicht seiner Kalkulation zugrunde gelegt. Entweder grenzen diese Flächen nicht an ein kanalisiertes Grundstück an, sind also schon nicht durch einen betriebsfertig verlegten öffentlichen Entwässerungskanal erschlossen, oder aber der Anschluss wäre wegen sonstiger technischer oder betrieblicher Gründe mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Letzteres leuchtet für die nur durch Abwasserdruckleitungen erschlossenen Kleingartengrundstücke unmittelbar ein, denn eine Entwässerung kann in diesen Fällen nur erfolgen, wenn für diese Grundstücke jeweils im Rahmen des Grundstücksanschlusses eine eigene Druckleitung und ein eigenes Pumpwerk installiert wird.

Für beide Fallgruppen fehlt es daher an einem Anschlussrecht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 oder nach § 4 Abs. 2 der Satzung über die Grundstücksentwässerung und den Anschluss der Grundstücke an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Wasser- und Abwasserzweckverbandes J. vom 21. Juni 2007. Damit liegt keine gesicherte Vorteilslage vor, die eine Beitragserhebung rechtfertigt. Im Übrigen ist der der Globalkalkulation zugrunde gelegte Flächenansatz, wie schon im Urteil vom 22. Dezember 2010 dargelegt, plausibel und nicht zu beanstanden.

b)

Die Anschlussbeitragsforderungen des Beklagten für die Herstellung seiner Schmutzbeseitigungsanlage sind zur Überzeugung des Gerichts nicht verjährt. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i. V. m. §§ 169 ff. AO ist eine Steuer- bzw. Abgabenfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer bzw. Abgabe entstanden ist, beginnt. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der Fassung, die diese Vorschrift mit dem Zweiten Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I, S. 294) erhalten hat, entsteht die Beitragspflicht nach § 8 Abs. 4 KAG, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung, die auch einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann. Danach ist eine sachliche Beitragspflicht für die Grundstücke der Kläger bis heute überhaupt nicht entstanden, denn sämtliche Beitragssatzungen des WAZV J. sind nichtig gewesen. Die zunächst Geltung beanspruchende Beitrags- und Gebührensatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes J. zur Entwässerung vom 12. Oktober 1994 war nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden und allein schon aus diesem Grund nichtig (VG Potsdam, Urteil vom 11. Januar 2007 - 8 K 910/03 -). Außerdem enthielt sie nicht den seinerzeit zur Vorteilsbemessung erforderlichen Artzuschlag für industrielle und gewerbliche Nutzungsmöglichkeiten (vgl. OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417.01 - zit. nach juris Rn. 35). Die nachfolgenden Änderungssatzungen waren ihrerseits nicht geeignet, dem Mangel abzuhelfen, da die Stammsatzung rechtlich nicht existent war und daher keinen Anknüpfungspunkt für Änderungsvorschriften bieten konnte; die Änderungssatzungen selbst genügten nicht den Mindestanforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (vgl. OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 12. März 1998 - 2 B 36/98 -; ausführlich so Urteil vom 22. Mai 2002 - 2 D 78/00.NE -). Die nachfolgende Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenersatz zur Entwässerung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes J. vom 18. November 2004 litt an einem Bekanntmachungsfehler (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 12. März 2007 - 8 K 556/06 -). Dieser Bekanntmachungsfehler ist durch die nachfolgenden Änderungssatzungen vom 25. November 2005, 23. März 2006 und 6. Dezember 2007 nicht geheilt worden, denn diese Satzungen enthielten ihrerseits nicht die Mindestbestandteile nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG. Zu einer Neubekanntmachung der Beitragssatzung im Jahr 2008 ist es ersichtlich nicht gekommen. Zu der Unwirksamkeit der SBS 2008 und 2012 ist das Nötige oben bereits gesagt.

Entgegen der Ansicht der Kläger war die Beitragsforderung auch nicht schon nach der bis zum 31. Januar 2004 geltenden Fassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG entstanden und entsprechend der Ansicht des damals zuständigen OVG Frankfurt (Oder) nach seinen Urteilsgründen vom 8. Juni 2000 verjährt. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG hatte bis zum 1. Februar 2004 folgende Fassung:

„Wird ein Anschlussbeitrag nach Absatz 4 erhoben, so entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der Satzung; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen.“

Nach dem Urteil des OVG Frankfurt (Oder) vom 8. Juni 2000 (2 D 29/98.NE) führten aber nicht schon die betriebsfertige Anlage und der erste Satzungsversuch für sich allein genommen zu dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Entscheidend war vielmehr - nach Rechtslage bis zum 1. Februar 2004 - eine gültige Satzung als Rechtsgrundlage der Abgabenerhebung, welche sich allerdings nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rückwirkung auf das angeordnete Inkrafttreten-Datum der ersten Beitragssatzung beimessen musste, gleich ob diese selbst gültig oder ungültig war (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2011 - OVG 9 B 14.09 - zit. nach juris Rn. 66 zum alten Recht). Freilich hätte eine rückwirkende Beitragssatzung, z.B. zum 9. November 1994 zur Folge gehabt, dass in solchen Fällen mit dem rückwirkenden Inkrafttreten der Satzung zwar die sachliche Beitragspflicht entstanden wäre, aber sogleich wieder nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i. V. m. §§ 169, 170 AO wegen Festsetzungsverjährung erloschen wäre (vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 26. Februar 2003 - 8 L 499/01 -; Urteil vom 25. Februar 2008 - 8 K 813/06 - zit. nach juris).

Die Rechtslage hat sich in diesem Punkt durch das Zweite Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben (GVBl. I 2003, 294) mit Inkrafttreten am 1. Februar 2004 zugunsten der Kommunen und kommunalen Zweckverbände geändert. Der Gesetzgeber hat durch Novellierung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG klargestellt, dass eine Beitragspflicht nicht vor dem rechtswirksamen Inkrafttreten einer Satzung entstehen kann. Diese Neuformulierung führt dazu, dass der Zeitpunkt, auf den es ankommt, nicht mehr der des ersten Satzungsversuchs ist, sondern der des Inkrafttretens der ersten rechtsgültigen Satzung. Dadurch wird in einer Vielzahl von Fällen (in denen Ausbaumaßnahmen an öffentlichen leitungsgebunden Einrichtungen schon seit Jahren betriebsfertig hergestellt sind, aber die vormaligen Beitragssatzungen aus unterschiedlichsten Gründen nichtig waren) bewirkt, dass die erste rechtsgültige Satzung durch ihr Inkrafttreten den Beitragstatbestand nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG komplettiert und die Beitragspflicht erstmalig entstehen lässt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Dezember 2007 - OVG 9 B 44 - S. 16 f.; bestätigt im Beschluss vom 1. März 2012 - OVG 9 S 9.12 -; zit. nach juris, Rn. 14; Beschluss vom 17. Mai 2011 - OVG 9 N 58.09 -; zit. nach juris, Rn. 8). Hierin liegt auch keine unzulässige Rückwirkung von Rechtsfolgen auf einen abgeschlossenen Sachverhalt, denn tatsächlich war die Beitragsforderung noch nicht entstanden und daher keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Das „Steiner-Gutachten“ für die B. GmbH vom 14. Oktober 2008 übersieht diese rechtliche Differenzierung zwischen dem Erfordernis einer rechtsgültigen Satzung auch nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. einerseits und dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens andererseits (s. Steiner, Gutachten, S. 9; so ausdrücklich auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2011, a. a. O., Rn. 6). Daher geht die Argumentation der Klägerin zu 3. schon im Ansatz fehl.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 ZPO bezüglich der Kosten des Verfahrens der Klägerin zu 3. Bezüglich des Verfahrens der Kläger zu 1. und 2. beruht die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 3. für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es der Klägerin aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere für das Kommunalabgabenrecht, da der Bürger in aller Regel nicht in der Lage ist, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne rechtskundigen Rat ausreichend zu wahren (vgl. Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder), Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 - 2 E 34/99, 2 E 36/99 und 2 E 38/99 -).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zur Verbindung der Verfahren im Verfahren VG 8 K 1432/11 auf 1.186,00 Euro und im Verfahren VG 8 K 1819/11 auf 86.989,00 Euro festgesetzt, für die Zeit nach der Verbindung der Verfahren auf 88.175,00 Euro (§ 52 Abs. 3 GKG).