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Flächenzahlung; Kulturpflanzen; Stillegung; Betriebsinhaber; Erzeuger; Pflegemaßnahmen; Zeitpunkt; Vorsatz; bedingter Vorsatz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 06.07.2012
Aktenzeichen OVG 3 N 56.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 33 EGV 2419/2001, Art 44 EGV 2419/2001, Art 1 Abs 1 EGV 1251/1999, Art 2 Abs 1 EGV 1251/1999, Art 6 Abs 3 EGV 1251/1999, Art 18 EGV 2316/1999, Art 19 EGV 2316/1999, § 17 FlächenZV, § 12 FlächenZV

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Januar 2010 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 130.592,82 EUR festgesetzt.

Gründe

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat nach dem allein maßgeblichen Vorbringen des Beklagten (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

a) Der Beklagte hat die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht schlüssig in Frage gestellt, dass der - in der Begründung des Berufungszulassungsantrages allein angeführte - Schlag 1107-2 auch bei etwaiger rechtswidriger Bewirtschaftung durch einen Dritten beihilfefähig sei. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung dieser Ansicht angeführt, dass Erzeuger i.S.d. Art. 1 Abs. 1 VO (EG) 1251/1999 derjenige sei, welchem die Berechtigung zur landwirtschaftlichen Nutzung zukomme. Dies sei (u.a.) für den Schlag 1107-2 unstreitig der Kläger. Die bloße Behauptung des Beklagten, dass ein Nachbar die Fläche in eigenem Namen und auf eigene Rechnung mit Getreide bestellt habe, greift schon deshalb nicht durch, weil das Verwaltungsgericht offen gelassen hat, ob tatsächlich eine Fremdbewirtschaftung erfolgt sei. Sie geht zudem an der auf die Nutzungsbefugnis abstellenden Ansicht des Verwaltungsgerichts ebenso vorbei wie das Vorbringen, dass der Kläger zunächst eine Stilllegung der Fläche beabsichtigt und zu keinem Zeitpunkt behauptet habe, die Aussaat selbst vorgenommen oder in Auftrag gegeben zu haben. Anders als der Beklagte meint steht auch nicht entgegen, dass die von dem Verwaltungsgericht (ua.) angeführte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 15. Juni 2005 - 2 L 66.02 -, juris) Flächen mit einer Stilllegungsverpflichtung betrafen. Dies gilt bereits deshalb, weil jedenfalls angesichts der - von dem Beklagten in anderem Zusammenhang selbst hervorgehobenen - Pflicht zur Pflege (vgl. Art. 19 Abs. 4 der zur Durchführung der VO (EG) 1251/1999 ergangenen VO (EG) 2316/1999; § 17 Abs. 5 FlächenzahlungsVO) auf stillgelegten Flächen Maßnahmen - ggf. von Dritten - durchzuführen sind. Soweit der Beklagte eine Verletzung des unionsrechtlichen Verbots der Doppelförderung geltend macht, fehlt es, wie ausgeführt, an einer hinreichenden Darlegung einer Fremdbewirtschaftung sowie der Gewährung einer Förderung an den Nachbarn. Zudem setzt sich der Beklagte nicht mit dem allgemeinen Argument des Verwaltungsgerichts auseinander, dass Verstöße in dem entsprechenden Förderprogramm zu ahnden sind. Soweit der Beklagte schließlich meint, dass es zur Bestimmung des Begriffs des Erzeugers nicht darauf ankomme, wer eine Flächenzahlung beantragt habe, sondern die Zurechenbarkeit der notwendigen landwirtschaftlichen Handlungen maßgeblich sei, steht sein Vorbringen in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil. Diesem zufolge ist eine etwaige Bewirtschaftung des Schlages durch den Nachbarn dem Kläger aufgrund seiner Nutzungsbefugnis zurechenbar (s. zur Maßgeblichkeit der Nutzungsbefugnis für den Fall dass umstritten ist, welchem Betriebsinhaber Flächen zuzuordnen sind: Sächsisches OVG, Beschluss vom 26. November 2011 - 1 A 435.09 -, juris).

Mangels einer Unregelmäßigkeit i.S.d. Art. 2 h) VO (EG) 2419/2001 scheidet insoweit auch die von dem Beklagten geltend gemachte vorsätzlich „Falschbeantragung“ nach Art. 33 dieser Verordnung aus.

b) Das Vorbringen zu Schlag 1207-1 mit einer angemeldeten Größe von 6,8313 ha genügt gleichfalls nicht dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Der Beklagte setzt sich nicht mit der Würdigung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass er bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage der Flächenzahlung für Eiweißpflanzen ausschließlich negative Vermessungsabweichungen geltend gemacht habe, die mit den festgestellten Übererklärungen zu saldieren seien. Soweit der Beklagte darüber hinaus sinngemäß einen Ausschluss nach Art. 33 VO (EG) 2419/2001 wegen einer vorsätzlich begangenen Fehlerhaftigkeit des Beihilfeantrages geltend machen will, ist sein Vorbringen schon nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem von dem Kläger behaupteten Übertragungsfehler beziehen sich auf einen anderen Schlag (Schlag 1207-0 mit einer angemeldeten Größe von 6,613 ha). Unabhängig davon legt der Beklagte nicht hinreichend substantiiert dar, weshalb es zweifelhaft sei, dass die Angaben des Klägers nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, auf einem grob fahrlässigen Übertragungsfehler beruhen.

c) Ernstliche Richtigkeitszweifel werden auch nicht hinsichtlich der Ansicht des Verwaltungsgerichts aufgezeigt, dass (mit Ausnahme von vier Schlägen) auch diejenigen Flächen zu berücksichtigen seien, welche sich im Zeitpunkt der vom 27. August bis 8. September 2003 durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle des Beklagten als ungenügend gepflegt erwiesen hätten. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass der Kläger die erforderlichen Pflegemaßnahmen auch nach der Vor-Ort-Kontrolle habe durchführen dürfen. Da die Flächenzahlungs-Verordnung, einschließlich der Regelung des Stillegungszeitraumes in § 12 FlächenZV, keine ausdrückliche Vorschrift enthalte, bis wann Pflegemaßnahmen durchzuführen seien, müssten die einschlägigen Normen anhand der Verpflichtungserklärung auf dem von dem Beklagten ausgearbeiteten Antragsformular ausgelegt werden. Nach dieser Erklärung dürften die Antragsteller - und so auch der Kläger - davon ausgehen, dass ihnen mindestens ein Jahr zur Durchführung der Pflegeverpflichtung zur Verfügung stünde. Der Beklagte setzt dem lediglich unter Berufung auf Art. 12 Abs. 1 FlächenZV entgegen, dass nach dem 31. August 2003 durchgeführte Pflegemaßnahmen nicht mehr dem Wirtschaftsjahr zurechenbar seien. Dies stellt keine hinreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil dar. Angesichts dessen geht auch das weitere Vorbringen ins Leere, der Kläger habe die ungenügende Pflege zumindest als nachträglichen Umstand anzuzeigen. Schließlich geht das Zulassungsvorbringen nicht darauf ein, dass das Verwaltungsgericht den Schlag 1318-0 mit der Begründung als förderfähig erachtete, dass es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine mehrjährige Verletzung der Pflegeverpflichtung fehle.

Sind mithin nach den nicht schlüssig in Frage gestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichts die für die Gewährung der Beihilfe relevanten Rechtsvorschriften (vorbehaltlich der vier von dem Verwaltungsgericht ausgenommenen Schläge) eingehalten, so ist für einen Ausschluss wegen einer vorsätzlich begangenen Unregelmäßigkeit gemäß Art. 33 VO (EG) 2419/2001 von vornherein kein Raum.

d) Soweit der Beklagte meint, dass hinsichtlich des von ihm angeführten Schlages 1101-1 eine Unregelmäßigkeit i.S.d. Art. 2 h) VO (EG) 2419/2001 vorliege, steht sein Vorbringen in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil, in welchem insoweit die Fördervoraussetzungen ausdrücklich verneint werden. Das Vorbringen des Beklagten, es liege eine über den von dem Verwaltungsgericht anerkannten Verstoß gegen die Pflegepflicht hinausgehende Unregelmäßigkeit vor, weil die Flächen nicht im Vorjahr für Erntezwecke bebaut worden oder bereits stillgelegt worden seien, ist unsubstantiiert. Dies gilt schon deshalb, weil es nicht auf konkrete Schläge bezogen ist. Unabhängig davon setzt sich der Beklagte nicht damit auseinander, dass das ursprünglich in Art. 18 VO (EG) 2316/1999 (ABl. EU L 280 vom 30. Oktober 1999, S. 43) ausdrücklich normierte Erfordernis eines vorjährigen Anbaus durch die Änderungsverordnung VO (EG) 556/2001 der Kommission vom 21. März 2001 (ABl. EU L 82 vom 22. März 2001, S. 13) fallen gelassen wurde. Des Weiteren fehlt es an einer Darlegung der Behauptung, dass die Flächen im Vorjahr nicht bereits stillgelegt, also im Sinne des Art. 19 Abs. 2 und Abs. 3 VO (EG) 2316/1999 i.V.m. Art. 6 Abs. 3 VO (EG) 1251/1999, § 17 Abs. 1 und 2 FlächenZV aus der Erzeugung genommen waren. Der von dem Beklagten sinngemäß angeführte Verstoß gegen die Verpflichtung zur Pflege der Flächen (Art. 19 Abs. 4 VO (EG) 2316/1999 i.V.m. Art. 17 Abs. 5 FlächenZV) besagt hierzu nichts.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beantragung stillgelegter, jedoch „offenbar“ über mehrere Jahre hinweg nicht ordnungsgemäß gepflegter Flächen (Schläge 1101-1, 1305-0, 1309-2 und 1902-0) begründe keinen vorsätzlichen Verstoß i.S.d. Art. 33 VO (EG) 2419/2001 hat der Beklagte im Ergebnis nicht schlüssig in Frage gestellt. Zwar hat er mit der Bezugnahme auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. Februar 2005 - A 1 S 156/99 - (juris Rn. 51) aufgezeigt, dass es eine offene Frage ist, ob die Sanktionen des Art. 33 VO (EG) 2419/2001 auch bei bedingtem Vorsatz zu verhängen sind. Jedoch begründet dies nicht die Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Kläger gegen die Pflegeverpflichtung zumindest bedingt vorsätzlich verstoßen hat und dieser Verstoß, bei unterstelltem Vorsatz, auch nach der von dem Beklagten selbst angeführten Regelung des Art. 44 Abs. 1 VO (EG) 2419/2001 beachtlich ist. Sein pauschales Vorbringen, dass die Flächen über Jahre hinweg nicht ordnungsgemäß gepflegt worden seien, besagt nicht, dass der Kläger - entgegen der Würdigung des Verwaltungsgerichts - absichtlich (dolus directus 1. Grades) oder wissentlich (dolus directus 2. Grades) gegen seine Pflichten verstieß. Ebenso wenig folgt hieraus, dass der Kläger einen Pflichtverstoß für möglich hielt und billigend in Kauf nahm (dolus eventualis) und ihn ein Verschulden i.S.d. Art. 44 Abs. 1 VO (EG) 2419/2001 trifft. Dies gilt bereits deshalb, weil nach der, wie aufgezeigt, nicht schlüssig in Frage gestellten Ansicht des Verwaltungsgerichts der Kläger davon ausgehen durfte, die erforderlichen Pflegemaßnahmen auch nach dem 31. August 2003 durchführen zu können. Hinzu kommt, dass der Kläger in Erwiderung der Zulassungsbegründung mit Schriftsatz vom 25. Mai 2010 vorgetragen hat, dass es seit 1992 keine diesbezüglichen Beanstandungen bei diesen Flächen gegeben habe. Die erstmals im Jahre 2002 ausgesprochenen Beanstandungen hätten darauf beruht, dass die Flächen wegen einer Flut nicht befahrbar gewesen und anschließend Bestände zusammengebrochen wären. Hierzu verhält sich der Beklagte nicht, obwohl ihm dies im Wege einer vertiefenden Begründung des Zulassungsvorbringens möglich gewesen wäre. Vielmehr hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, dass er die Flächenzahlungen im Jahre 2002 wegen der damaligen Flut „großzügig gehandhabt“ habe, und zu dem Schlag 1902-0 erläutert, dass dieser im Jahre 2002 von dem Landkreis P... geprüft und anerkannt worden sei. Zudem ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger Schläge, welche mit mehrjährigen Bäumen oder Baumstumpfresten bestanden waren (Schläge 1101-1, 1309-2 und 1902-0) als pflegebedürftige Stilllegungsfläche angesehen hat. Der seit 1995 für den Kläger tätige Zeuge Kremser hat insoweit erklärt, dass er beim Mulchen derartige Hindernisse umfährt. Schließlich war der Zustand des Schlages 1305-0 umstritten. Der Kläger gab hierzu zu Protokoll, dass sich auf dem Schlag nicht, wie der Beklagte behauptete, über ein Jahr alte Heuballen bzw., so das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil, Heuballen aus dem Vorjahr abgelagert waren, sondern Hanfballen aus dem Erntejahr 2003.

e) Die Ergebnisrichtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts stellt der Beklagte auch nicht durch die Rüge schlüssig in Frage, dass der Kläger seinem Antrag für das Jahr 2003 nicht die bei der Vor-Ort-Kontrolle für das Vorjahr ermittelten Messergebnisse zugrunde gelegt habe. Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen des Beklagten auf Seite 4 des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2003 bei der Vor-Ort-Kontrolle für das Jahr 2003 eine im Vergleich zum Vorjahr um 17 ha verminderte Abweichung vorlag, besteht insoweit jedenfalls deshalb keine vorsätzliche und schuldhafte Unregelmäßigkeit, weil der Kläger nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts dieses Vermessungsergebnis nicht anerkannte und zeitlich vor dem Antrag für das Jahr 2003 hinsichtlich der das Jahr 2002 betreffenden Bescheide ein Klageverfahren einleitete, welches erst im September 2008 nach Aufhebung der Bescheide auf Hinweis des Gerichts durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet wurde.

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Entgegen der Ansicht des Beklagten begründet allein der Umstand, dass er eine Vielzahl von Rügen erhoben hat, keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten. Mit den von ihm aufgeworfenen rechtlichen Fragen zeigt er, soweit sie überhaupt die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils in Zweifel ziehen, aus den vorstehenden Gründen keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf.

3. Die von dem Beklagten im Übrigen nicht hinreichend formulierte Frage, ob die Sanktionen des Art. 33 VO (EG) 2419/2001 auch bei bedingtem Vorsatz zu verhängen sind, ist, wie ausgeführt, nicht entscheidungserheblich.

4. Schließlich liegt keine Divergenz i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor, weil der Beklagte keine Abweichung von einer Entscheidung des insoweit allein maßgeblichen Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg geltend macht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).