Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 19.03.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 B 2.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 55 Abs 2 Nr 8a AufenthG |
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der in Dänemark im Exil lebende, 1941 geborene und aus dem Irak stammende Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung. Er ist Mitbegründer der seit 1992 bestehenden Irakischen Patriotischen Allianz (IPA), einem Zusammenschluss panarabischer, kommunistischer und religiöser Organisationen.
Der Kläger befand sich am 1… als Gast der „… wo er zur Situation im Irak referieren sollte. Hierüber berichtete die B… . Dort heißt es unter dem Titel „USA-Hasskongress in Kreuzberg – Dieser Mann wünscht sich jeden Tag 100 Terror-Anschläge“: „Einer der Teilnehmer ist A. von der Irakischen Patriotischen Front. Gegenüber der B… sagte er: Die Amis sollen unser Land verlassen. Wir müssen jeden Tag 100 militärische Operationen gegen die US-Truppen organisieren.“ In einem in der „… veröffentlichten Interview wird der Kläger auf die Frage „Sehen Sie die Möglichkeit, dass die US-Truppen auf friedlichen Wege veranlasst werden können, den Irak zu verlassen?“ wie folgt zitiert: „Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Das geht nur über den bewaffneten Kampf.“
Angesichts des in der B… erschienenen Artikels leitete die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 126 StGB ein (81 Js 1334/05). Das Verfahren wurde im Februar 2006 bzw. nach einer Wiederaufnahme im Mai 2006 erneut gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dies begründete die Staatsanwaltschaft damit, dass der genaue Wortlaut der von einem nicht ermittelten Dolmetscher übersetzten Äußerung des Klägers nicht hinreichend sicher geklärt werden könne.
Im Juni 2006 hörte der Beklagte den Kläger, der weiterhin zu verschiedenen Vorträgen in das Bundesgebiet eingereist war, zu dessen beabsichtigter Ausweisung an. Der Kläger machte u.a. geltend, dass der Beklagte nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgehe. Er habe keinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen, trage keine Verantwortung für Massaker an der irakischen Zivilbevölkerung und habe auch das Foltergefängnis Abu Ghureib nicht eingerichtet. Er befürworte keine terroristischen Aktionen und habe schon in Gegnerschaft zum Saddam-Regime gestanden, als die USA dem Diktator noch Waffen geliefert hätten.
Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 27. September 2006 gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG aus der Bundesrepublik Deutschland aus und bezog sich hierzu auf dessen Äußerungen seit dem Jahr 2003. So führte er einen Beitrag der Fernsehsendung P… an, in der der Kläger mit den Worten zitiert wird: „Wenn man die Besatzer schlagen will, gibt es nur einen Weg: Einen Guerilla-Krieg, bewaffneten Kampf. Die Leute, die mit der Besatzung kooperieren, etwa Polizisten, alle diese Leute sind Ziele für uns.“ Des Weiteren nannte der Beklagte ein Interview mit dem Kläger in der „… („Wir stützen alle Arten des Widerstandes einschließlich des bewaffneten Kampfes“), den Bericht in der B… sowie das in der J… veröffentlichte Interview.
Im Einzelnen heißt es in dem Bescheid u.a.: Die Äußerungen des Klägers zeigten, dass er Bestrebungen unterstütze, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigten. Die Billigung von Gewaltanwendung gegen amerikanische Soldaten und die irakische Zivilbevölkerung wiege schwer. Der Aufruf zum gewaltsamen Widerstand gegen irakische Institutionen und deren Repräsentanten sowie gegen alle anderen Personen, die sie schützten, gefährde deren Leben und Gesundheit, beeinträchtige das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zum Irak und zu den USA und motiviere Zuschauer bzw. Zuhörer zu aktiven Unterstützungsleistungen. So seien beispielsweise im Bundesgebiet im Rahmen der Kampagne "Zehn Euro für das irakische Volk im Widerstand" Spendengelder gesammelt worden.
Die Äußerungen seien geeignet, den Konflikt im Irak in die Bundesrepublik hineinzutragen. Die Einstellung des gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahrens, das die in der B… wiedergegebenen Äußerungen betreffe, sei nicht entscheidungserheblich. Auch die weiteren Äußerungen müssten im Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen wie dem bewaffneten Widerstand im Irak einschließlich der verübten Selbstmordattentate gesehen werden. Es komme nicht auf die Beurteilung der Ziele sowie darauf an, ob der Kläger berechtigte Anliegen vertrete. Er verfüge ferner nicht über schützenswerte, das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiegende private Interessen. Da lediglich ein nationales Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt werde, könne der Kläger seine politischen Ansichten im Hoheitsgebiet der übrigen Schengen-Staaten ungehindert äußern. Die Einlassungen im Anhörungsverfahren hätten gezeigt, dass der Kläger sich nicht von seiner radikalen islamistischen Position abgewandt habe.
Die Ausweisung sei auch generalpräventiv zwingend geboten. Der Kläger habe mit seiner Teilnahme an Demonstrationen und Vorträgen erheblich Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt. In Anbetracht der Zunahme von Gesetzesverstößen der von dem Kläger begangenen Art bestehe ein gewichtiges öffentliches Interesse an seiner Ausweisung bereits darin, andere Ausländer von vergleichbarem rechtswidrigem Verhalten abzuschrecken.
Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen folgendes geltend gemacht: Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG seien nicht erfüllt. Die im Bescheid angeführten Zitate seien bis auf das aus der J… weder korrekt noch autorisiert. Der Kläger trete für einen politischen und militärischen Widerstand gegen die ausländische Besetzung des Irak ein. Sein Ziel sei ein unabhängiges und demokratisches Land mit Mehrparteiensystem, Religionsfreiheit und sozialer Gerechtigkeit. Er verurteile Angriffe auf Zivilisten und habe mit so genannten Selbstmordattentaten nichts zu tun. Er stehe auf der Seite derjenigen, die Opfer menschenrechtswidriger Praktiken der Besatzungstruppen im Irak geworden seien und habe keine terroristischen Taten gebilligt oder hierfür geworben. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe sich zu gravierenden völkerrechtlichen Bedenken gegen den von US-Amerikanern und Briten begonnenen Irak-Krieg geäußert. Es sei - wie sich aus zahlreichen UN-Resolutionen ergebe - völkerrechtlich legitim, im Zusammenhang einer mit Waffengewalt aufrecht erhaltenen ausländischen Besetzung auf bewaffneten Kampf hinzuweisen. Selbstverständlich müssten die Regelungen des humanitären Völkerrechts eingehalten werden. Die verfügte Ausweisung verletze zudem das Grundrecht des Klägers auf Meinungsfreiheit und das Recht interessierter Zuhörer auf Informationsfreiheit. Der Bescheid sei unverhältnismäßig. Er stütze sich auf mehrere Jahre alte Behauptungen und berücksichtige nicht, dass der Kläger strafrechtlich nicht belangt worden sei. Außerdem legte der Kläger eine persönliche Erklärung vor.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Äußerungen des Klägers kontinuierlich auf Billigung, Verherrlichung und Werbung von Gewaltanwendung hinwiesen. Die IPA betreibe mit Mitteln der Propaganda Werbung für eine gewaltsame Auseinandersetzung im Irak und schrecke dabei nicht davor zurück, gegen Zivilisten vorzugehen. Der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG könne auch erfüllt sein, wenn der Straftatbestand des § 140 Nr. 2 StGB nicht vorliege. Es komme nicht darauf an, ob bewaffneter Widerstand im Einklang mit den Vorstellungen der Vereinten Nationen stehe.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10. Juni 2009 stattgegeben und den Ausweisungsbescheid vom 27. September 2006 aufgehoben. Die Tatbestandsvoraussetzungen des §§ 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG seien nicht erfüllt, und die Entscheidung erweise sich als ermessensfehlerhaft. Die in Bezug genommenen Äußerungen aus der Fernsehsendung „… und aus der „… könnten nicht verwertet werden, weil der Beklagte die Übersetzung nicht weiter überprüft und der Kläger diese nicht autorisiert habe. Gleiches gelte in Bezug auf die in der B… veröffentlichten Äußerungen. Insoweit fehle es – wie auch der Ausgang des Ermittlungsverfahrens zeige – bereits an einer verlässlichen Klärung, ob es sich um eine wörtliche oder nur um eine sinngemäße Übersetzung handele. In Bezug auf die in der J… veröffentlichten Äußerungen habe der Kläger unter Berücksichtigung seiner Meinungsfreiheit nicht in einer Weise terroristische Taten öffentlich gebilligt bzw. dafür geworben, die geeignet gewesen sei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören.
Der Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG sei im Lichte von Art. 5 Abs. 1 GG nicht erfüllt, obwohl der Verbleib der amerikanischen Truppen im Irak aufgrund der nach Beendigung des Krieges erlassenen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der als demokratisch zu bezeichnenden anschließenden Entwicklung - anders als der Einmarsch - nicht als völkerrechtswidrig bezeichnet werden könne. Die Äußerungen des Klägers seien zu diffus. Der Hinweis auf bewaffneten Widerstand lasse verschiedene, in ihrer Bewertung unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten zu, ohne dass ein eindeutiger Schluss zu Lasten des Klägers gezogen werden könne. Im März 2005 sei der wohl völkerrechtswidrige Einmarsch der amerikanischen Truppen noch hoch aktuell gewesen. Zudem sei die Ansicht, dass der Widerstand im Irak gegen die Besatzungstruppen in legitimer Weise auch mit Waffengewalt geführt werden dürfe, auch von anderer Seite vertreten worden. Der Bezeichnung „bewaffneter Kampf“ lasse sich kein hinreichender Aufforderungscharakter entnehmen. Der Kläger distanziere sich ausdrücklich von Attentaten, die sich gegen Zivilisten richteten. Da der Beklagte zudem über keine weiteren Erkenntnisse bezüglich des Klägers verfüge, fehle es an einer von dem Kläger ausgehenden aktuellen Gefährdungslage. Ein von dem Kläger unter dem 7. Juni 2009 verfasstes und im gerichtlichen Verfahren vorgelegtes Schreiben spreche vielmehr dafür, dass sich mit der fortschreitenden Entwicklung im Irak auch die Einstellung des Klägers verändere.
Mit der von dem Senat zugelassenen Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend: Der Kläger habe den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG unabhängig von allen weiteren Äußerungen schon allein aufgrund der gegenüber der J… gemachten Angaben (Veröffentlichung vom 1… ) verwirklicht. Hierbei handele es sich um ein Billigen und Werben für terroristische Taten von dem in dem Ausweisungstatbestand bezeichneten Gewicht. Diese Äußerungen seien nicht zu „diffus“, weil sie im Kontext des Interviews und vor dem Hintergrund der damaligen Ereignisse im Irak gesehen werden müssten. Der Kläger habe nicht nur (bewaffneten) Widerstand gegen das US-Militär, sondern auch gegen demokratisch legitimierte irakische Einrichtungen befürwortet bzw. hierfür geworben und mache sich diesen Widerstand in seiner Funktion als S… zu eigen („Wir…“).
Der propagierte bewaffnete Widerstand sei durch zahlreiche Anschläge verwirklicht worden. Dies gehe über eine bloße Meinungsäußerung, mit deren Hilfe ein politisches Anliegen verdeutlicht werden solle, hinaus. Die Äußerungen seien geeignet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, weil hierdurch Leser oder Zuhörer zur Unterstützung terroristischer Taten im Irak - z.B. auch durch Geldspenden - motiviert werden könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass der Konflikt z.B. durch Anschläge auf hiesige irakische Einrichtungen in das Bundesgebiet hineingetragen werde.
Der Ausweisungsgrund sei weiterhin aktuell. Der Kläger beabsichtige, seine Vortragsreisen fortzusetzen. Die politische Lage und Sicherheitslage im Irak habe sich nicht derart geändert, dass den Äußerungen kein Gefährdungspotenzial mehr zukomme. Der Kläger habe sich schließlich auch nicht von den hier streitigen Äußerungen distanziert. Er habe bewaffneten Widerstand gegenüber den amerikanischen Truppen noch zu einem Zeitpunkt befürwortet, als deren Aufenthalt im Irak sowohl völkerrechtlich als auch durch die irakische Regierung legitimiert gewesen sei. Aufgrund der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen Erklärungen habe der Kläger erneut den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG verwirklicht. Im Übrigen zeige eine weitere Veröffentlichung in der R…, dass der Kläger weiterhin den militärischen Widerstand im Irak propagiere. Er werde dort wie folgt zitiert: „Das irakische Volk leidet unter der Besatzung. Wir arbeiten im Widerstand dafür, das Volk voranzubringen, dass sie eine Revolution machen gegen die Besatzung und irakische Regierung. […] Der irakische Widerstand kämpft in der Grünen Zone, kämpft gegen die Militärbasen, attackiert die Panzer jeden Tag. Mehr als 15 Militäroperationen gibt es täglich vom irakischen Widerstand."
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte der Beklagte zur nunmehr veränderten Situation im Irak nach dem Abzug der amerikanischen Truppen, dass er die Ausweisungsverfügung im Hinblick auf die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes für gerechtfertigt halte. Im Irak gebe es weiterhin Feuergefechte, und es seien auch Racheakte z.B. gegenüber US-Militär zu befürchten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juni 2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Er habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf seine politische Opposition zum Saddam-Regime und sein langjähriges Leben im Exil sowie seine Gegnerschaft zum völkerrechtswidrigen Krieg der USA und der Besetzung des Irak hingewiesen. Er kämpfe für einen vereinigten, unabhängigen und demokratischen Irak und verurteile Aktionen gegenüber der Zivilbevölkerung sowie Staatsterrorismus und religiös verbrämten Terrorismus. Beide hätten im Irak viele Todesopfer gefordert. Seine politischen Ansichten rechtfertigten keine Ausweisung. Militärischer Widerstand gegen eine Besetzung sei völkerrechtlich legitim. Für den Kläger, der auch auf Korruption und Folter im Irak hinweisen wolle, streite zudem die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogene Ermittlungsakte 81 Js 1334/05 und den von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Sämtliche Vorgänge sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben, denn die angegriffene Ausweisungsverfügung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Rechtmäßigkeit der auf § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG gestützten Ausweisung beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45/06 -, juris). Der von dem Beklagten herangezogenen Rechtsgrundlage zufolge kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht in einer Weise billigt oder dafür wirbt, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören.
I. Diese Voraussetzungen liegen im hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Selbst wenn man zu Lasten des Klägers unterstellte, dass er öffentlich bzw. in einer Versammlung terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht wie Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gebilligt bzw. hierfür geworben hätte, fehlte es an deren Eignung, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören. Da der Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG Äußerungen und Handlungen erfasst, die das friedliche Zusammenleben gefährden, muss die Störung aktuell sein, d.h. einen Bezug zur Gegenwart haben (vgl. auch Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 9. Aufl., § 55 Rn. 62). Das ist nicht (mehr) der Fall, wenn sich die Sachlage so geändert hat, dass der Adressatenkreis das Werben oder Billigen nicht mehr als Aufforderung zu einem bestimmten Tun verstehen bzw. wenn eine Gefährdung aus tatsächlichen Gründen nicht mehr verwirklicht werden kann (vgl. dazu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 55 Rn. 1080, 1168; Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, Kommentar, § 55 AufenthG Rn. 45). Unabhängig davon muss die Ausländerbehörde eine maßgebliche Änderung der Tatsachengrundlage in ihre Ermessenserwägungen einbeziehen und dieses unter Berücksichtigung der tatsächlichen Veränderungen neu ausüben.
Hier hat sich die Tatsachengrundlage, die maßgeblich Anlass der Ausweisung war, dadurch erheblich geändert, dass die amerikanischen Truppen den Irak zum 31. Dezember 2011 verlassen haben (vgl. dazu WELT-Online „Die letzten US-Kampftruppen haben Irak verlassen“, SPIEGEL Online „Letzte US-Truppen verlassen Irak“; Süddeutsche.de „Letzte US-Kampftruppen haben Irak verlassen“, jeweils vom 18. Dezember 2011). Unterstellt man, dass der Kläger bewaffneten Widerstand gegen die amerikanische Truppen im Irak gebilligt oder hierfür geworben und dadurch den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG erfüllt hat, könnte er dies zukünftig nicht mehr erreichen, weil sich die Truppen nicht mehr im Irak aufhalten. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, dass der Kläger zukünftig - z.B. anlässlich einer Veranstaltung im Bundesgebiet - zum bewaffneten Widerstand gegen amerikanische Truppen im Irak aufruft.
Soweit der Beklagte den Äußerungen des Klägers außerdem entnimmt, dass er nicht nur den bewaffneten Kampf gegen die US-Truppen, sondern auch gegen mit den Amerikanern kooperierende irakische Institutionen gebilligt bzw. hierfür geworben hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen fehlt dieser Auffassung eine valide tatsächliche Grundlage. Die veröffentlichten Äußerungen des Klägers können mit Ausnahme des Interviews in der J… 2… schon im Hinblick auf die fehlende Autorisierung und die nicht überprüfte Übersetzung nicht verwertet werden. Dies räumt letztlich auch der Beklagte ein.
Das von dem Kläger autorisierte Interview in der J… rechtfertigt nicht die Annahme, er habe (auch) dazu aufgerufen, Anschläge gegenüber irakischen Einrichtungen zu unterstützen oder er habe diese gutgeheißen. Hierbei ist auch zu bedenken, dass der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG bei mehrdeutigen Äußerungen im Hinblick auf die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit auszulegen ist. So sieht das Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Sanktionen die Meinungsfreiheit als verletzt an, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher andere mögliche Deutungen, die nicht völlig fern liegen, mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2002 - 1 BvR 232/97 -, NJW 2003, 660; Beschluss vom 25. März 2008 - 1 BvR 1753/03 -, NJW 2008, 2907).
Gemessen daran geht es sowohl in den dem Kläger gestellten Fragen als auch in seinen Antworten objektiv nur um den Widerstand gegen die US-Truppen im Irak (Frage: „In Deutschland herrscht bei vielen Menschen Unklarheit über den Widerstand der Iraker gegen die US-Besatzung.“ … „Sehen Sie die Möglichkeit, dass die US-Truppen auf friedlichem Wege veranlasst werden können, den Irak zu verlassen?“ Antwort: „Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Das geht nur über den bewaffneten Kampf.“). Soweit sich der Kläger in dem Interview außerdem auf irakische Einrichtungen oder Personen bezieht, lässt sich seinen Ausführungen nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen, dass diese Einrichtungen oder Personen ebenfalls Ziel eines bewaffneten Widerstandes sein sollen. Zwar könnte dieser Passus im Hinblick auf die dem Kläger gestellte Frage, ob bewaffneter Widerstand nach der angeblich demokratischen Wahl eigentlich noch gerechtfertigt sei, in dem Sinne ausgelegt werden, dass sich der bewaffnete Kampf auch gegen das irakische Regime richten müsse. Das bloße Abstreiten der Legitimation dieser Einrichtungen reicht jedoch - auch im Hinblick auf die schwer wiegenden Folgen einer Ausweisung und im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG - für eine derartige Annahme nicht aus („Die Besetzung unseres Landes verstößt ebenso gegen das Völkerrecht wie der zuvor begonnener Angriffskrieg. Alles, was von der Besatzungsmacht kommt, ist daher ohne jegliche Legitimation – gleich, ob es die Besetzung von Ministerposten, die Zusammensetzung der Regierung oder Wahlen sind.“). Gleiches gilt in Bezug auf den von dem Beklagten angeführten, ohnehin nicht näher spezifizierten Sinnzusammenhang.
Im Übrigen ist - selbst wenn der Kläger mit der erforderlichen Gewissheit zu einem bewaffneten Widerstand gegen irakische Einrichtungen aufgerufen hätte - nicht ersichtlich, dass er dies unter den veränderten tatsächlichen politischen Bedingungen nach dem Abzug der Amerikaner fortsetzen würde. Zwar lässt sich seiner im gerichtlichen Verfahren eingereichten Stellungnahme aus dem März 2011 entnehmen, dass der Widerstand gegen die „Marionetten“ der US-Amerikaner fortgesetzt werden soll, weil das irakische Regime, das die anwesenden Truppen formal akzeptiert habe, nicht legitim sei. Von einem bewaffneten Widerstand ist jedoch in dieser vor dem Abzug der US-Truppen verfassten Erklärung keine Rede. Hinzu kommt, dass das irakische Regime eine Anwesenheit der amerikanischen Truppen über den 31. Dezember 2011 hinaus gerade nicht akzeptiert hat, so dass sich die für die Ausweisung maßgeblichen Tatsachen auch insoweit geändert haben.
Unabhängig von alledem bedürfte eine weiterhin auf § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG gestützte Ausweisung, deren Tatsachengrundlage nunmehr nach dem Truppenabzug allein insoweit erheblich reduziert worden ist und die sich allein darauf stützte, dass sich der Kläger gegen irakische Einrichtungen wendet, einer erneuten Ermessensausübung (zu den Anforderungen an nachträgliche Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren s. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 1 C 14/10 -, juris). Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung pauschal auf die aktuelle Sicherheitslage im Irak abgestellt hat, reicht dies als ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht aus. Ein Zusammenhang mit etwaigen Taten im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 8 a AufenthG, für die der Kläger ggf. geworben oder die er gut geheißen hat, ist nicht ersichtlich.
Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung lässt sich ferner nicht mit dem Argument begründen, dass der Beklagte sie selbstständig tragend auch generalpräventiv motivierte hat.
Hierbei kann offen bleiben, inwieweit eine auf § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG gestützte Ausweisung überhaupt generalpräventiv begründet werden darf, wenn das Verhalten des Ausländers – wie hier – keine Straftat bzw. keinen sonstigen gewichtigen ordnungsrechtlichen Verstoß darstellt, sondern er „nur“ den Ausweisungstatbestand erfüllt. Der Ausweisungstatbestand setzt nicht die Begehung einer Straftat voraus und knüpft nicht an eine (bereits eingetretene und weiterhin drohende) Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung an, sondern er will schon im Vorfeld als „Gefahrenvorsorgetatbestand“ einsetzen, indem er allein auf die Störungseignung abstellt (Discher, GK-AufenthG, § 55 Rn. 1078 ff., 1093; insoweit unzutreffend Hailbronner, Ausländerrecht, § 55 AufenthG Rn. 82, der von einer Störung ausgeht; zum ursprünglichen Gesetzentwurf vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 15/955 S. 25). Die Abschreckungswirkung der Ausweisung bezieht sich mithin auf ein Verhalten, das anderweitig nicht sanktioniert sein muss.
Jedenfalls ist der Beklagte in Bezug auf die angenommene Generalprävention zumindest teilweise von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen, weil der Kläger nicht - wie ihm insoweit vorgehalten wird - an Demonstrationen teilgenommen hat, ihm keine „radikale islamistische Position“ nachzuweisen ist (vgl. dazu im Einzelnen unter II.) und nicht deutlich wird, worin die von dem Kläger aus der Sicht des Beklagten begangenen Gesetzesverstöße bestehen. Schließlich müsste die generalpräventive Motivation nunmehr auch im Hinblick auf die oben dargelegte veränderte Tatsachengrundlage (Abzug der amerikanischen Truppen) und den dadurch bedingten Wegfall der (unterstellten) Tatbestandsvoraussetzungen (fehlende aktuelle Störung) einer (erneuten) Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Hierbei wäre auch in den Blick zu nehmen, dass die Ausweisung aus dem Jahr 2006 datiert.
Unabhängig davon ist die angegriffene Verfügung in Bezug auf die generalpräventive Motivation auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte die Ausweisung generalpräventiv für zwingend geboten gehalten hat. Vor diesem Hintergrund fehlt es an der Ausübung des auch bei der Frage nach generalpräventiver Motivation eingeräumten Ermessens. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist hier nicht ersichtlich. Der Beklagte hätte insoweit unter anderem Art, Gewicht und Häufigkeit etwaiger Verstöße würdigen müssen. Dies gilt umso mehr, als das Verhalten des Klägers gerade nicht strafrechtlich sanktioniert worden und deshalb in besonderem Maße an dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen ist, auch wenn der Kläger nicht im Bundesgebiet lebt und Art. 8 Abs. 1 EMRK nur ein geringeres Gewicht zukommt.
II. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht der Klage auch dann im Ergebnis zu Recht stattgegeben, wenn man die dargestellte maßgebliche Veränderung der Sachlage außer Betracht lässt. Der Beklagte hat den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt bzw. ist von nicht zutreffenden tatsächlichen Grundlagen ausgegangen, was zu einer Ermessensfehlerhaftigkeit des angegriffenen Bescheides führt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG hinreichend belastbare Feststellungen und eine genaue Zuordnung der Fakten zu den einzelnen Merkmalen der Ermächtigungsgrundlage fordert (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2005 - 2 BvR 485/05 -, juris). Dies gilt auch für das Verwaltungsverfahren.
Bei terroristischen Taten von vergleichbarem Gewicht wie Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG handelt es sich um bewaffnete und planmäßig vorbereitete schwere Gewaltanschläge gegen eine unbegrenzte Vielzahl von Personen aus dem Untergrund zur Verbreitung von allgemeiner Unsicherheit und Schrecken mit dem Ziel, die bestehenden politischen oder gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern (vgl. Discher, in: GK-AufenthG, § 55 Rn. 1160; Marx, in: ZAR 2004, 257, 277; Dienelt, in: Ausländerrecht, Kommentar, 9. Aufl., § 54 Rn. 21; Alexy, in: HK-AuslR, § 55 AufenthG Rn. 42). Hierzu zählen auch Selbstmordattentate (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2005 - 1 B 128/05 -, juris Rn. 26). Dass die Taten eine internationale Dimension aufweisen müssen (so Marx, in: ZAR 2004, 275, 277), lässt sich dem Ausweisungstatbestand demgegenüber nicht entnehmen (ebenso Discher, a.a.O., Rn. 1162).
Ein Billigen der bezeichneten Taten im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG liegt dann vor, wenn der betroffene Ausländer eine solche Tat gutheißt, seine Zustimmung dazu kundgibt, dass die Tat begangen worden ist, und sich damit moralisch hinter den Täter stellt (Discher, in: GK-AufenthG § 55 Rn. 1105). Für eine Tat wirbt, wer mit der Absicht handelt, die Bereitschaft eines anderen zu wecken oder zu stärken, die Tat zu begehen oder zu fördern (Discher, a.a.O. Rn. 1106). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob ein Werbeerfolg eintritt.
Gemessen daran erweist sich die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte die für die Ermessensausübung entscheidungserheblichen Tatsachen nicht zutreffend ermittelt und bewertet hat. So rechnet er die im Irak begangenen terroristischen Taten pauschal der IPA und damit dem Kläger zu, betrachtet die Äußerungen des Klägers nicht hinreichend differenziert und sieht den Kläger ohne verlässliche Tatsachengrundlage als Mitglied einer Personengruppe mit einer bestimmten Haltung an.
Der Beklagte, der sich letztlich im Wesentlichen nur auf das allein autorisierte Interview des Klägers in der J… stützen kann, subsumiert unter die dem Kläger vorgehaltenen terroristischen Taten im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG zu Lasten des Klägers auch solche, die sich diesem Interview nicht entnehmen lassen. So bezieht sich die den bewaffneten Kampf betreffende Antwort - wie oben ausgeführt - allein auf die US-Truppen, nicht jedoch auf erst später erwähnte irakische Einrichtungen und das irakische Regime. Soweit die Ausweisungsverfügung vom 7. September 2006 davon ausgeht, dass die Äußerungen des Klägers u.a. in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den im Irak verübten Selbstmordattentaten stünden, geben dessen Äußerungen - zumal in dem Interview in der J… - dies nicht her. Hinzu kommt, dass der Beklagte ausweislich der Ausländerakte des Klägers Materialien über die von dem Kläger besuchte Irakkonferenz zusammengetragen hat, wonach diese nicht mit Selbstmordattentätern und radikalen Islamisten identifiziert werden möchte. So heißte es in einem von dem Beklagten recherchierten Internetartikel der Irakkonferenz: „Die gewaltsame Besatzung des Irak dauert an. Die irakische Bevölkerung leidet unter Demütigung und Folter, Gewalt und wachsender Not. Dennoch sind die weltweiten Proteste gegen die amerikanische Aggression abgeklungen. Ein Grund dafür ist die Verharmlosung der Besatzungsrealität in vielen Medien und die Warnung vor Chaos und Bürgerkrieg nach Abzug der fremden Truppen. Ein anderer ist die Sorge, mit Protesten gegen die Besatzer einen Widerstand zu unterstützen, der mit Bombenanschlägen auf Zivilisten, Selbstmordattentaten und Geiselnahmen identifiziert wird und nach Medienangaben von Anhängern des alten Regimes und radikalen Islamisten getragen wird“. Gleichermaßen wendet sich der Kläger auch in den Erklärungen, die er im gerichtlichen Verfahren abgegeben hat, gegen Anschläge auf die irakische Zivilbevölkerung und gegen Selbstmordattentate.
Das von dem Beklagten aus der R… in Auszügen angeführte - von dem Kläger ohnehin nicht autorisierte - Zitat belegt ebenfalls nicht, dass der Kläger für terroristische Handlungen gegenüber der Zivilbevölkerung wirbt oder diese gutheißt. Auch dort distanziert er sich vielmehr von (sonstigen) Anschlägen und stellt dar, dass der irakische Widerstand gegen die Militärbasen in der Grünen Zone kämpfe und Panzer attackiere.
Die zu weit gehende Subsumtion des Beklagten unter das Tatbestandsmerkmal „terroristische Taten“, die zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Ausweisung führt, setzt sich im Berufungszulassungsverfahren und im Berufungsverfahren fort. Dort rechnet der Beklagte dem Kläger pauschal sämtliche Anschläge zu, die im Irak stattgefunden haben, obwohl es sich hierbei nicht nur um bewaffneten Widerstand gegen die US-Truppen oder irakische Einrichtungen handelt, sondern in hohem Maße auch um Anschläge, die ihre Ursache z.B. in religiösen oder ethnischen Auseinandersetzungen unter Beteiligung von Selbstmordattentätern haben. Dies verdeutlichen die von dem Beklagten eingereichten Dokumente, mit denen er zur Stützung seiner Auffassung auf die damals unverändert problematische Sicherheitslage im Irak hinweist [vgl. z.B. Lagebericht vom 12. August 2009: „Mehrere ineinander greifende Konflikte überlagern sich: Der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzung sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden), als auch mit den Minderheiten (v.a. Christen, Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen“; „Auch in der Provinz Niniwe (Mossul) ist die Lage durch hohe Gewaltbereitschaft zwischen ethnischen und religiösen Gruppen gekennzeichnet“].
In den ebenfalls von dem Beklagten vorgelegten und in Bezug genommenen „Briefing Notes“ des Informationszentrums Asyl und Migration vom 10. August 2009 ist von mehreren Bombenanschlägen u.a. gegen Schiiten die Rede, wobei im Zusammenhang mit Anschlägen in Mossul bemerkt wird, dass die Region als Hochburg von al-Qaida im Irak gilt. Die Briefing Notes vom 21. September 2009 berichten von blutigen Kämpfen zwischen sunnitischen und schiitischen Extremisten. Von derartigen Taten hat sich der Kläger sogar distanziert. Angesichts dessen entbehrt es einer tatsächlichen Grundlage, die Ansichten des Klägers mit dem angegriffenen Bescheid als „radikale islamistische Position" zu bezeichnen. Das gilt umso mehr, als der Beklagte dies aus der Einlassung des Klägers im Anhörungsverfahren ableitet, mit der der Kläger das aus seiner Sicht rechtswidrige Verhalten der Amerikaner beschreibt (Angriffskrieg, Verantwortung für Massaker an der irakischen Zivilbevölkerung, Unterhaltung eines Foltergefängnisses).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.