Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 51 O 55/10


Metadaten

Gericht LG Potsdam 1. Kammer für Handelssachen Entscheidungsdatum 02.12.2010
Aktenzeichen 51 O 55/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gerichtet auf die Zahlung entgangenen Gewinns wegen enttäuschten Bietervertrauens im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung.

Die Beklagte, vertreten durch den Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, führte im Herbst 2009 eine beschränkte Ausschreibung hinsichtlich der Außen- und Straßenbeleuchtung für den Flugplatz der Bundeswehr in H. durch. Bei der Verdingungsverhandlung am 13.10.2009 wurde das Angebot der Klägerin vom 08.10.2009 eröffnet, welches mit einer Angebotssumme in Höhe von 372.624,96 Euro entdete.

Im Leistungsverzeichnis, hier der Position 01.01.0020 war als ausgeschriebene Leistung ein „Lichtmast verzinkt Stahl H 7,5 Meter Ausladung 1,5 Meter“ ausgeschrieben worden. Im Ausschreibungstext (vgl. Anlage KE 1, Blatt 66/67 der Akte) findet sich als Mastzopfmaß der Wert 76 mm.

Die Klägerin fügte bei der Angabe „Angebot/Typ/Fabrikat“ ein:

Pfleiderer/KPM 75/W 1500“.

Der entsprechende Lichtmast wird von der Firma Pfl. standardmäßig mit einem Mastzopfmaß von (nur) 60 mm angeboten.

Die Klägerin hatte bei der Firma Pfl. jedoch ein entsprechendes Angebot eingeholt, aus dem sich ergibt, dass der entsprechende Lichtmast mit einem Mastzopfmaß von 76 mm – so wie von dem BLB ausgeschrieben – geliefert werden kann.

An der Ausschreibung hatten sich insgesamt 12 Bieter beteiligt, wobei die Angebotssumme der Klägerin die günstigste war.

Mit Schreiben vom 23.10.2009 (Anlage K 3, Anlagenband) teilte der BLB der Klägerin mit, dass deren Angebot gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen werden musste. Zur Erläuterung wurde angegeben:

Pos. 01.01.0020 Mastkopfdurchmesser: 60 mm gefordert: 76 mm.

Am gleichen Tag wurde der Zuschlag an einen anderen Anbieter erteilt.

Mit Schreiben vom 28.10.2009 (Anlage KE 3, Blatt 72 der Akte) legte die Klägerin Einspruch gegen die Absage gemäß § 27 Nr. 1 VOB/A ein und fügte dem Schreiben das Angebot der Firma Pfl. bei.

Hierauf reagierte der BLB mit Schreiben vom 13.11.2009 (Anlage K 5, Anlagenband).

In diesem Schreiben heißt es:

„Sehr geehrter Herr K.,

zwischenzeitlich habe ich die Originalvergabeunterlagen zum o.g. Ausschreibungsverfahren eingehend geprüft.

Der Zuschlag wurde am 23.10.2009 erteilt.

Im Ergebnis meiner Prüfung habe ich die Vergabeentscheidung gegenüber der Zentralen Vergabestelle beanstandet.

Im Nachgang kann ich nur mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass die von mir gerügte Vergabeentscheidung der Zentralen Vergabestelle wegen des bereits erteilten Zuschlages zu einer nicht zu heilenden Fehlbewertung Ihres Angebotes führte.

Dennoch erlauben Sie mir folgende Bemerkungen:
Aus dem nunmehr vorliegenden Produktdatenblatt („Achtung! Wie angefragt mit Zopf 76 mm!?“) und der korrekterweise im Zuge der technischen Wertung durchgeführten Internetrecherche schließe ich, dass es sich bei Ihrem Angebot in der LV-Pos. 01.01.0020 um keinen Standard-Produkttyp der Fa. Pfl. handelt. Insoweit wäre es äußerst empfehlenswert gewesen, auch um den nunmehr bedauerlichen Ausgang des Vergabeverfahrens zu vermeiden, das Produktdatenblatt dem Angebot selbst beizufügen.

Mit freundlichen Grüßen

B.
Leiterin Justiziariat“

Mit Schreiben vom 04.12.2009 (Anlage K 6, Anlagenband) machte die Klägerin einen Schadensersatzanspruch wegen enttäuschten Bietervertrauens geltend und stellte der BLB den entsprechenden Schadensersatzanspruch in Rechnung.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Ausschluss aus dem Bieterverfahren sei unzulässig gewesen, da ihr Angebot dem Leistungsverzeichnis der Ausschreibung entsprochen habe. Dass die Firma Pfl. den von ihr – der Klägerin – angebotenen Lichtmast auch mit einem Zopfmaß von 76 mm habe liefern können, ergebe sich aus der technischen Spezifikation (Anlage K 4) sowie aus dem Schreiben der Firma Pfleiderer vom 18.06.2010 (Anlage KE 4, Blatt 87 der Akte), aus denen klar ersichtlich sei, dass es sich bei der Bezeichnung des Types KPM 75/W 1500 um einen Oberbegriff handele, der eine Detailbeschreibung erfordere. Dass dieses Sondermaß möglich gewesen wäre, wird von der Beklagten letztlich auch nicht in Abrede gestellt.

Die Klägerin bezieht sich hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs darauf, dass ihr ein Gewinn in Höhe der Klageforderung entgangen sei, wie sich aus der Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation (Kalkulation vom 18.02.2010, Anlage K 8, Anlagenband) ergebe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.168,69 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 19.12.2009 zuzüglich als Nebenforderung geltend gemachter 1.192,60 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das angebotene Fabrikat habe die Ausschreibungskriterien nicht erfüllt. Aus dem Produktblatt der Firma Pfl. (Anlage KE 2, Blatt 68 ff. der Akte) ergebe sich, dass der von der Klägerin angebotene Lichtmast standardmäßig mit einem Zopfmaß von 60 mm angeboten werde und daher die Ausschreibungsvoraussetzungen nicht erfüllt worden seien.

Dies sei aufgrund der Recherche des zuständigen Mitarbeiters des BLB im Nachgang zu der Verdingungsverhandlung offenbar geworden, so dass die Klägerin berechtigterweise aus dem Verfahren ausgeschlossen worden sei.

Im Übrigen sei die vorgelegte Kalkulation nicht geeignet, einen entgangenen Gewinn der Klägerin in der geltend gemachten Höhe nachzuweisen, da es nicht ersichtlich sei, dass es sich bei dieser Kalkulation um die Kalkulation gehandelt habe, die dem Angebot der Klägerin bei der hier streitgegenständlichen beschränkten Ausschreibung zugrunde gelegen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Beklagte haftet der Klägerin gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 BGB, 280 Abs. 1 BGB auf Zahlung von Schadensersatz. Die Beklagte hat die im Ausschreibungsverfahren bestehenden Pflichten gegenüber der Klägerin als Bieterin verletzt, wobei die Pflichtverletzung konkret in dem mit Schreiben der Beklagten vom 23.10.2009 mitgeteilten und nicht gerechtfertigten Ausschluss der Klägerin aus dem Vergabeverfahren zu sehen ist.

Die Beklagte hat sich dabei ein etwaiges Fehlverhalten des BLB nach dem Gedanken des § 278 BGB zurechnen zu lassen (vgl. hierzu BGHZ 39, 280).

Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung müssen Bieter grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat. Falls ein Bieter eine anders geartete Leistung für zweckmäßig hält, kann er ein Nebenangebot einreichen, soweit dies nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu OLG Stuttgart Urteil vom 09.02.2010, IBR 2010, 379 unter Verweis auf Rosam in Heiermann/Riedel/Rosam VOB 11. Auflage, a § 25 Rn. 8). Die Verpflichtung des Bieters, auf eventuelle Abweichungen des Angebots von den Verdingungsunterlagen anzuzeigen, korrespondiert damit, dass der Bieter durch das Angebot eines bestimmten Typs erklärt, dass der angebotene Typ die in den Verdingungsunterlagen geforderten Parameter erfüllt. Nach dem Verständnis des Gerichts kann das Angebot der Klägerin nur in der Weise verstanden werden, dass sie einen Lichtmast der Firma Pfleiderer vom Typ KPM 75 / W 1500 anbietet, der ein Mastzopfmaß von 76 mm aufweist. Das Angebot lässt insoweit keine andere Deutung zu.

Soweit die Beklagte nunmehr vorträgt, sie sei nicht verpflichtet, weitere Nachfragen an den jeweiligen Bieter zu stellen, ist dies richtig, vermag indes der Beklagten im hier zu entscheidenden Fall nicht zu helfen, da die Beklagte bzw. der von ihr beauftragte BLB von sich aus Nachforschungen anstellte und in der Folge – ungerechtfertigter Weise – zu dem Ergebnis kam, dass das Angebot nicht der Ausschreibung entsprach.

Dass der BLB dies ebenso sieht, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Schreiben des BLB vom 13.11.2009 (Anlage K 5, Anlagenband). Das Gericht vermag diesem Schreiben zwar nicht ein Schuldanerkenntnis zu sehen, gleichwohl bringt dieses Schreiben mit erstaunlicher Offenheit zum Ausdruck, dass es zu einem Fehler bei Vergabeverfahren gekommen ist, der nicht mehr zu heilen ist, da der Zuschlag bereits erteilt worden ist.

Dieses Schreiben ist weder vom BLB noch von der Beklagten in der Folge in irgendeiner Weise richtiggestellt worden, so dass sich hieraus für die Kammer erschließt, dass der BLB die Fehlerhaftigkeit des Ausschlusses der Klägerin aus dem Vergabeverfahren selbst erkannt hat. Dass die Beklagte sich nunmehr gegen den hieraus resultierenden Schadensersatzanspruch wehrt, erscheint der Kammer nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin hatte – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – das günstigste Angebot abgegeben. Die Beklagte hat keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Klägerin als ungeeignet für die Ausführung des Auftrags anzusehen gewesen ist, oder dass es sich bei dem Angebot der Klägerin nicht um das wirtschaftlichste Angebot gehandelt hat, so dass vor diesem Hintergrunde davon auszugehen ist, dass sie im Falle einer ordnungsgemäßen Erfüllung der dem BLB obliegenden Pflichten der Klägerin der Zuschlag erteilt worden wäre. In dieser Situation ist ein – der Höhe nach noch aufzuklärender – Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach zu bejahen.

Insoweit hat das Gericht Grundurteil gemäß § 304 ZPO erlassen, da die Höhe des geltend gemachten Anspruchs von der Beklagten bestritten ist und noch weiterer Aufklärung bedarf.