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Entscheidung 4 S 120/12


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 4. Zivilkammer Entscheidungsdatum 16.01.2013
Aktenzeichen 4 S 120/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 29.05.2012 – Az.: 43 C 171/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können eine Zwangsvollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit Pachtvertrag vom 16.11.1976 pachteten die Kläger ein Teilstück eines Grundstücks in K..., eingetragen im Grundbauch von K..., Blatt ..., Flur 1, Flurstück 31 zur „Nutzung für persönliche Erholungsbedürfnisse“. Als Verpächter trat der Rat der Gemeinde K... auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlagen zur Klageschrift zu den Akten gereichten Kopien des Pachtvertrags (Bl. 6 ff. d.A.), der Änderungsvereinbarung vom 20.08.1990 (Bl. 11 d.A.) und des weiteren Nachtrags vom 20.03.1998 (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen. Nach Restitution des Grundstücks sind die Beklagten dessen Eigentümer geworden. Die Kläger errichteten auf dem Grundstück einen Bungalow.

Der Bungalow ist Teil einer Wochenendhaussiedlung, die auf Grundstücken der Beklagten steht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Luftbildaufnahme Bl. 168 d.A. verwiesen. Die Beklagten beabsichtigen, den Bungalow und die gesamte weitere Wochenendhaussiedlung abzureißen und die Grundstücke zu renaturieren.

Mit Schreiben vom 11.03.2010 (Bl. 29 d.A.) kündigten die Kläger den Pachtvertrag zum 31.10.2010. Mit der Klage verlangen sie Wertersatz für die Errichtung des Bungalows in Höhe von 75.000,- € nebst Zinsen und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.308,60 €. Wegen der Einzelheiten der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Die Kläger haben behauptet, der Wert der Baulichkeit betrage 30.000,- €. Durch die Errichtung des Bungalows sei zudem der Wert des Grundstücks gegenüber dem Wert von unbebautem Pachtland um 45,- € je m² erhöht. Bei einer Pachtfläche von über 1.000 m² betrage dieser Wertzuwachs daher 45.000,- €. Dem Anspruch auf Wertersatz stehe nicht entgegen, dass die Beklagten nicht beabsichtigten, den Bungalow zu nutzen. Es sei unerheblich, dass diese einen Abriss planten. Der Nutzungsberechtigte sei für von ihm getätigte Werterhöhungen zu entschädigen, soweit diese bei Rückgabe des Grundstückes objektiv vorhanden sei. Die gesetzliche Entschädigungspflicht entfalle nur ausnahmsweise dann, wenn mit dem Abriss des Gebäudes in bauplanungsrechtlich zulässiger Weise ein höherwertiger Nutzungsvorteil gezogen werden könne. Dies sei hier jedoch nicht möglich, da das Gebäude zwar Bestandsschutz habe, eine anderweitige, wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des im Außenbereich gelegenen Grundstückes aber nicht denkbar sei. Zu beachten sei der Zweck des Schuldrechtsanpassungsgesetzes. Mit diesem sei nicht vereinbar, falls es die Grundstückseigentümer in der Hand hätten, durch die wirtschaftlich sinnlose und daher willkürliche Entscheidung für den Abriss den Anspruch der Kläger zu Fall zu bringen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass den Klägern ein Entschädigungsanspruch nicht zustehe, da der Bungalow wegen des beabsichtigten Abrisses den Verkehrswert des Grundstücks nicht erhöhe.

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.05.2012 (Bl. 183 ff. d.A.) abgewiesen. Ein Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 2 SchuldRAnpG – als einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage – bestehe nur, wenn der Grundstückseigentümer das mit dem Grundstück zurückgegebene Bauwerk weiter nutzen wolle, was hier nicht der Fall sei. Denn sonst komme er nicht in den Genuss eines Vermögensvorteils im Sinne eines realisierbaren Wertzuwachses.

Gegen das ihnen am 04.06.2012 zugestellt Urteil richtet sich die Berufung der Kläger, die am 28.06.2012 bei dem Landgericht eingegangen ist, und welche mit am 09.07.2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet worden ist. Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihre Ansprüche unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Argumentation in vollem Umfang weiter.

Sie beantragen,

1.

das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 29.05.2012 – 43 C 171/11 – abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 75.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Insoweit hilfsweise beantragen sie,

unter Abänderung des Urteils vom 29.05.2012, die Beklagte zu 1) zu Zahlung von 9.420,- €, die Beklagte zu 2) zur Zahlung von 6.720,- €, die Beklagte zu 3) zur Zahlung von 1.350,- €, den Beklagten zu 4) zur Zahlung von 15.007,50 €, den Beklagten zu 5) zur Zahlung von 15.007,50 €, die Beklagte zu 6) zur Zahlung von 15.007,50 € und die Beklagten zu 7) – 9) als Gesamtschuldner zur Zahlung von 12.487,50 € - jeweils nebst 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechthängigkeit – an die Kläger zu verurteilen;

2.

die Kläger von außergerichtlich angefallenen anwaltlichen Gebühren und Auslagen in Höhe von 2.308,60 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch der Kläger auf Zahlung von 75.000,- € aus § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG besteht nicht.

Auf das Vertragsverhältnis findet gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRAnpG unzweifelhaft das SchuldRAnpG Anwendung. Da die Kläger den Vertrag selbst gekündigt haben, kommen nur Ansprüche aus § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG in Betracht. Zu ersetzen wäre der Betrag, um den der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist. Der Eigentümer soll insoweit Ausgleich leisten, als ihm tatsächlich ein realisierbarer Wert zufliest.

Unstreitig beabsichtigen die Beklagten keine Neuverpachtung des bebauten Grundstücks und auch keinen Verkauf des Grundstücks mit dem aufstehenden Bungalow. Sie beabsichtigen vielmehr den Abriss des Bauwerks. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Zwecks des Schuldrechtsanpassungsgesetzes besteht in einem solchen Fall kein Anspruch auf Wertersatz für den Bungalow. Insbesondere ist durch den Grundstückseigentümer, der den Wert des Bauwerks im Rahmen der von ihm beabsichtigten Nutzung nicht zu verwerten beabsichtigt, kein Ersatz auf der Grundlage des theoretisch erzielbaren Wertes zu leisten.

Einigkeit besteht in Literatur und Rechtsprechung für die Fälle, dass die Nutzung im Zeitpunkt der Rückgabe in Form einer Bebauung mit einem Bauwerk zu Erholungszwecken die bauplanungs- und bauaufsichtsrechtlich zulässige Nutzung unterschreitet, also z.B. die höherwertige Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus oder einem Gewerbegebäude zulässig und beabsichtigt ist. In einem solchen Fall stellt das Wochenendhaus, das abgerissen werden muss, nur eine Belastung dar, so dass kein Wertersatz zu leisten ist (vgl. LG Zwickau, WuM 2009, 304; LG Potsdam, VIZ 2002, 244; MüKo/Kühnholz zu § 12 SchRAnpG, Rnr. 16; BT-Drucksache 12/7135, S. 47).

Im vorliegenden Fall beabsichtigen die Beklagen keine höherwertige Bebauung, sondern den Abriss und eine Eigennutzung zu Erholungszwecken ohne das Gebäude. Dem Amtsgericht ist darin zustimmen, dass auch in einem solchen Fall keine Entschädigung zu leisten ist.

Zweck des § 12 SchuldRAnpG ist zunächst, den Nutzer, der im Vertrauen auf den langfristigen Fortbestand der vertraglichen Nutzungsbefugnis eine bauliche Investition vorgenommen hat, davor zu schützen, dass ihm dieser Wert ersatzlos genommen wird und der Vorteil dem Grundstückseigentümer unentgeltlich zufällt (BT-Drucksache 12/7135, S. 46). Das Gesetz sieht daher außerhalb der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs einen besonderen Ausgleichsanspruch vor. Uneingeschränkt schutzbedürftig ist dabei der Nutzer, dessen Vertrauen in den Fortbestand des Vertrages dadurch enttäuscht wird, dass der Vertrag gegen seinen Willen und ohne sein Verschulden ein Ende findet, bevor er die Investition vollständig abnutzen konnte. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr haben die Kläger den Nutzungsvertrag selbst beendet. Kündigt der Nutzer aber selbst, so bedarf er keines Schutzes in Bezug auf seine Investitionen. Da er das Nutzungsverhältnis aus freien Stücken beendet hat, ist er nicht schutzwürdig (BGH, NJW-RR 2008, 1047). Auch wenn das Gebäude noch einen Wert hat, erhält der Nutzer keine Entschädigung in Höhe seiner Aufwendungen. Nur wenn die Errichtung des Gebäudes zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt hat, die im Zeitpunkt der Rückgabe noch besteht, soll nach der Wertung des Gesetzes diese Werterhöhung dem Nutzer zufließen, weil sie auf die Investitionen des Nutzers zurückzuführen ist und der Eigentümer zur Werterhöhung nichts beigetragen hat. Der Eigentümer soll also nur für solche baulichen Investitionen des Nutzers Ersatz leisten, die ihm auch werterhöhend zugute kommen. Es muss sich um eine Werterhöhung handeln, die nach Vertragsbeendigung noch verbleibt. Ob eine solche gegeben ist, hängt in erster Linie von der vom Eigentümer beabsichtigten Art der Nutzung des Grundstücks in der Zukunft an. Wie der Eigentümer das Grundstück im Rahmen des bauplanungs- und bauordnungsrechtlich Zulässigen zukünftig nutzt, steht dem Eigentümer frei. Stellt das Gebäude nach der von ihm beabsichtigten Nutzung keine Werterhöhung dar, so hat er keine Entschädigung zu leisten.

Den Beklagten stand danach frei, sich für einen Abriss des Bauwerks zu entscheiden. Eine auszugleichen Werterhöhung tritt durch das Bauwerk unter diesen Umständen nicht ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da die zu § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG erörterte Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, war zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zuzulassen.

Streitwert: 75.000,- €