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Erlaubter Aufenthalt; erlaubnisfreier Aufenthalt; Protokollausweis; Diplomaten; Aufenthaltsrecht der Eltern; Minderjährigkeit; maßgeblicher Zeitpunkt


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 07.05.2014
Aktenzeichen OVG 3 N 8.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 25a AufenthG

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. November 2013 wird auf Antrag des Beklagten im Hinblick auf die Kläger zu 2) und 3) zugelassen.

Der Antrag der Kläger zu 1), 4) und 5) auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. November 2013 wird abgelehnt.

Die Kläger zu 1), 4) und 5) tragen 3/5 der Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Im Übrigen folgt die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens der Kostenentscheidung im

Berufungsverfahren.

Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 25.000,00 EUR sowie auf 10.000,00 EUR danach festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ist begründet. Er hat ernstliche Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) an der Ansicht des Verwaltungsgerichts dargetan, dass die Kläger zu 2) und 3), denen das Auswärtige Amt in Anwendung seiner Protokollrichtlinien im September 2010 Protokollausweise für Diplomaten der Kategorie D ausgestellt hatte, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 AufenthG erfüllen. Es ist eine offene, im Berufungsverfahren zu klärende Frage, ob der Begriff „erlaubt“ i.S.d. § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG auch die Zeiten eines erlaubnisfreien Aufenthalts von Diplomaten und deren Familienangehörigen umfasst (vgl.§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG i.V.m. §§ 18, 19 GVG i.V.m. Art. 10, 37 WÜD bzw. Art. 24 WÜK i.V.m. § 27 Abs. 2 AufenthV), wie es das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf in der Literatur vertretene Ansichten meint. Der Beklagte stellt insoweit die Anwendbarkeit der stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung des § 25a AufenthG insbesondere durch seine Ausführungen zu dem vorübergehenden Charakter des erlaubnisfreien Aufenthalts, der Terminologie des Aufenthaltsgesetzes sowie der Regelung des § 27 Abs. 3 AufenthV in Frage. Es muss daher gleichfalls der Klärung im Berufungsverfahren vorbehalten bleiben, ob die wenige Monate umfassende Dauer des erlaubnisfreien Aufenthalts der Kläger zu 2) und 3) nach § 85 AufenthG (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 24.08 - juris Rn. 17 ff) oder wegen eines während dieses Zeitraumes bestehenden Anspruchs auf Duldung (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Urteil vom 19. März 2012 - 8 LB 5.11 -, juris Rn. 71; VGH Kassel, Urteil vom 6. Juli 2012 - 7 A 473.11 -, juris Rn. 47) unbeachtlich sein könnte.

2. Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5 VwGO gestützte Berufungszulassungsantrag der Kläger zu 1), 4) und 5) hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin zu 1), der Mutter der übrigen Kläger, auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (u.a.) nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit der Begründung verneint, dass die Kläger zu 2) und 3) im Zeitpunkt seiner Entscheidung volljährig waren. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf das zu § 36 Abs. 1 AufenthG ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 - (juris) ausgeführt, dass die akzessorische Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG - ebenso wie das Nachzugsrecht des § 36 Abs. 1 AufenthG - dem Schutz des Minderjährigen und seinem Interesse an der Familieneinheit mit seinen Eltern, nicht jedoch den eigenständigen Interessen der Eltern am Zusammenleben mit dem Kind nach Eintritt dessen Volljährigkeit diene. Dementsprechend bestehe keine über die Minderjährigkeit hinausreichende verfestigungsfähige aufenthaltsrechtliche Stellung der Eltern. Der hiergegen gerichtete Einwand, die Kläger hätten die lange Dauer des Verwaltungs- und Verwaltungsstreitverfahrens nicht zu vertreten, greift nicht durch. Die von dem Verwaltungsgericht vertretene Auffassung führt unter Zugrundelegung des vorgenannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nicht dazu, dass Behörden oder Gerichte einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch Verfahrensverzögerung vereiteln könnten. Denn die Betroffenen haben die Möglichkeit, „Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO“ zu erheben und/oder ihren Anspruch mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO rechtzeitig vor Erreichen der Volljährigkeit des Kindes effektiv durchzusetzen (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 a.a.O., juris Rn. 22). Die darüber hinausgehende, nicht weiter ausgeführte Ansicht der Kläger, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegende Sachverhalt sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit „dieser“ Rechtsfrage nicht befasst, genügt nicht dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Unabhängig davon hätte es den Klägern zur Darlegung der Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteils oblegen darzutun, dass der Klägerin zu 1) ein Anspruch nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG trotz des Umstandes zusteht, dass sich der Vater der Kläger zu 2) und 3) nach den nicht in Abrede gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichts seit Juli 2011 nicht mehr in Deutschland aufhält. Insoweit wird in dem angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass die Klägerin zu 1) allein personensorgeberechtigt sei. Zu all dem verhält sich das Zulassungsvorbringen jedoch nicht.

Soweit es den zu der Ablehnung eines Anspruchs nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusätzlich geltend gemachten Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO angeht, fehlt es schon an der Formulierung einer Rechtsfrage. Zudem wird aus den vorstehenden Gründen der Klärungsbedarf nicht dargetan. Schließlich führt das Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte die Frage eines alleinigen Sorgerechts der Klägerin zu 1) aufklären müssen, nicht zur Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Denn aus der maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts kam es wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit der Kläger zu 2) und 3) auf die übrigen Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht an.

Ernstliche Richtigkeitszweifel zeigen die Kläger zu 1), 4) und 5) auch nicht an der Ansicht des Verwaltungsgerichts auf, dass eine Verlängerung der ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht in Betracht komme. Ihre bloße Behauptung, ein von einem Rechtsanwalt abgegebene Erklärung, dass sich ein Verwaltungsverfahren „erledigt“ habe, könne nicht als Antragsrücknahme verstanden werden, zieht die entgegenstehenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Auslegung der Erklärung nicht schlüssig in Frage. Zudem gehen die Kläger nicht auf die selbständig tragende Begründung des Verwaltungsgerichts ein, dass das Verlassen des Bundesgebietes für die Kläger keine außergewöhnliche Härte i.S.d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darstelle.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 1 VwGO.