Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 14.02.2013 | |
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Aktenzeichen | 1 Ws 13/13 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2013:0214.1WS13.13.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Unterbringungsbefehl des Landgerichts Neuruppin vom 15. Januar 2013 wird als unbegründet verworfen.
I.
Der Angeklagte ist seit dem 18. Januar 2013 aufgrund Unterbringungsbefehls des Landgerichts Neuruppin vom 15. Januar 2013 in dem A… Fachklinikum in B… einstweilig untergebracht.
Mit Anklageschrift vom 6. September 2011 wirft die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer vor, am 13. April 2011 eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben. Der Angeklagte soll an diesem Tag anlässlich eines seine damalige Lebensgefährtin betreffenden Betreuungsverfahrens der Chefärztin der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der O…klinik H… in deren Räumen mit gezielten Fausthieben das Nasenbein gebrochen, ihr den Arm umgedreht und die am Boden Liegende getreten haben.
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Amtsgericht Oranienburg, in dessen Verlauf ein schriftliches Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. G… eingeholt worden war, hat das Landgericht Neuruppin das Verfahren übernommen.
In seinem Gutachten vom 17. Juli 2012 diagnostiziert der Sachverständige beim Angeklagten eine paranoide Persönlichkeitsstörung und, nach einem Schlüsselerlebnis, seit etwa sieben Jahren eine wahnhafte Störung. Aufgrund dieses Krankheitsbildes sei der Angeklagte nicht in der Lage gewesen, das Strafbare seines Handelns zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Nach Einschätzung des Sachverständigen sind von dem Angeklagten mit Aktualisierung des Tatvorwurfs durch eine bevorstehende Hauptverhandlung weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten. Mit Schreiben vom 9. Januar 2013 hat der Sachverständige ergänzt, er sehe sich in seiner Annahme bestärkt, dass der Angeklagte eine akute seelische Störung habe, es liege eine akute Psychose vor, weshalb er für die nächsten vier bis sechs Monate als nicht verhandlungsfähig anzusehen sei.
Das Landgericht Neuruppin hat das Verfahren wegen vorübergehender Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt; die für Anfang Februar 2013 bestimmten Hauptverhandlungstermine wurden aufgehoben.
Mit Unterbringungsbefehl vom 15. Januar 2013 ordnete das Landgericht Neuruppin die einstweilige Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Zur Begründung führte die Strafkammer aus, es bestehe die Gefahr, der Angeklagte werde infolge seiner psychischen Störungen weitere erhebliche Gewaltdelikte begehen. Aus aktuell vom Angeklagten verfassten Schriftstücken gehe hervor, dass er auch den Sachverständigen Dr. G… in seine Wahnvorstellungen, von Richtern, Behördenmitarbeitern und Ärzten zu Unrecht verfolgt zu werden, aufgenommen habe. Diese Personen befänden sich in Gefahr, ebenso von dem Angeklagten angegriffen und schwer verletzt zu werden wie die im April 2011 angegriffene Ärztin.
Gegen diesen Unterbringungsbefehl wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde vom 21. Januar 2013, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Der Angeklagte macht geltend, dass eine Gefahr, er werde in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, nicht bestehe. Die vorgeworfene Tat sei von situativen Besonderheiten gekennzeichnet; zuletzt begangene Körperverletzungsdelikte lägen mehr als 20 Jahre zurück. Auch sei das Gutachten Dr. G… im Hinblick auf seine Aussagen zur Gefährlichkeitsprognose unzureichend.
Nach der vom Senat eingeholten Stellungnahme des A… Fachklinikums B… vom 13. Februar 2013 ergebe sich in der Zusammenschau aller Befunde kein Hinweis für eine anhaltende wahnhafte Störung bzw. Persönlichkeitsstörung oder für aggressive Handlungen des Angeklagten während des Zeitraums der bisherigen Unterbringung. Der Angeklagte sei als ein Mensch zu beschreiben, der queruliere.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat beantragt, die Beschwerde des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 304 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Dringende Gründe im Sinne des § 126a Abs. 1 StPO rechtfertigen die Annahme, dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) begangen hat und die mit der Sache befasste Strafkammer seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) anordnen wird.
Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten rechtswidrigen bzw. Straftat vom 13. April 2011 vor allem aufgrund der Angaben der in dem Unterbringungsbefehl genannten Zeuginnen dringend verdächtig. Nach dem Ergebnis des nachvollziehbaren Gutachtens des Sachverständigen Dr. G… spricht auch viel dafür, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat aufgrund krankhafter seelischer Störungen – einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer wahnhaften Störung – im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat. Die psychischen Störungen des Angeklagten sind nach ihren Auswirkungen von einem solchen Gewicht, dass von einer krankhaften seelischen Störung ausgegangen werden muss. Wie der Sachverständige überzeugend ausführt, wird der Angeklagte in seinem Verhalten zu Behörden, Gerichten usw. dauerhaft von seinem Wahn beeinflusst. Zwar erscheint seine psychosoziale Leistungsfähigkeit abgesehen von den direkten Auswirkungen der Wahnphänomene nicht beeinträchtigt. Jedoch zeigt bereits das angebliche Tatverhalten, wie sehr die Wahnideen den Angeklagten in Besitz genommen haben und für ihn handlungsleitend geworden sind. Angesichts der aktuell eingereichten Schriftsätze des Angeklagten ist eine Fortführung seines „Kampfes“ gegen Verwaltungsbehörden und Justiz zu erwarten.
Derzeit liegen auch dringende Gründe für die Annahme vor, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden wird. Die vorläufige Gesamtwürdigung des Angeklagten und der ihm vorgeworfenen Tat ergibt mit dem erforderlichen Maß an Wahrscheinlichkeit, dass von dem Angeklagten erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 126a Abs. 1 StPO, § 63 StGB).
Die im vorliegenden Fall hervorgetretenen Umstände belegen die Gefährlichkeitsprognose zum jetzigen Zeitpunkt. Denn im Rahmen des von dem Angeklagten ausweislich seiner letzten Schriftsätze weiterhin geführten „Kampfes“ gegen „heute üblichen sozialistischen Terror“ und die „sogenannte Justiz“, gegen den „Klüngel“, der ihn „terrorisieren“ wolle – als seinem systematisierten Wahnerleben – ist nicht nur mit Äußerungsdelikten, sondern auch mit erheblichen rechtswidrigen Taten des Angeklagten zu rechnen. Der Senat folgt hierzu dem mit weiteren Schreiben aktualisierten Gutachten des Sachverständigen Dr. G…. Dabei ist prognostisch nicht lediglich von der einfachen Möglichkeit häufiger schwerer Störungen des Rechtsfriedens auszugehen, vielmehr besteht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Angeklagte infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 169 f.; NStZ-RR 2006, 265).
Die öffentliche Sicherheit erfordert die weitere einstweilige Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Der Angeklagte würde, auf freien Fuß gesetzt, mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere rechtswidrige Taten von solcher Schwere begehen, dass der Schutz der Allgemeinheit seine einstweilige Unterbringung gebietet. Dass er Leib und Leben Anderer, wie zu befürchten steht, konkret gefährden könnte, kann nach den vorliegenden Umständen und Bewertungen nicht hingenommen werden. Wegen des vom Angeklagten ausgehenden Gefährdungspotentials kann deshalb seine Freilassung aus Sicherheitsgründen nicht erfolgen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der Fortdauer der einstweiligen Unterbringung des Betroffenen nicht entgegen. Die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffnet im Einzelfall eine Abwägung zwischen den Belangen des Freiheitsgrundrechts einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an dem Schutz vor gefährlichen Straftätern andererseits.Die hiernach vorzunehmende Abwägung führt im vorliegenden Fall zur Aufrechterhaltung der einstweiligen Unterbringung. Die öffentliche Sicherheit erfordert die einstweilige Unterbringung. Auch in Zukunft sind von dem Betroffenen, wie der Sachverständige Dr. G… in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, ohne fachärztliche Intervention erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, so dass eine Gefahr für die Allgemeinheit bestehe. Der Angeklagte ist weiterhin in seinem Wahnerleben gefangen, aus dem heraus es mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Taten gegen die einbezogenen Personen kommen kann.
Mildere Maßnahmen, insbesondere die Außervollzugsetzung des Unterbringungsbefehls gemäß §§ 126a Abs. 2 Satz 1, 116 Abs. 3 StPO scheiden aus, da nach dem Sachverständigengutachten vor einer Therapierung des als behandlungsbedürftig eingeschätzten Angeklagten nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser bestimmte Anweisungen befolgen würde, durch die der Zweck der Unterbringung erreicht werden könnte.
Der Senat weist auf Folgendes hin:
Ist auch angesichts des Sachverständigengutachtens derzeit noch an der Erforderlichkeit der einstweiligen Unterbringung festzuhalten, so bieten bestimmte Besonderheiten des Sachverhalts Anlass, alsbald eine qualifizierte Ergänzung des vorliegenden, sich im Wesentlichen mit den Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB beschäftigenden Gutachtens einzuholen. Die von dem Sachverständigen Dr. G… getroffenen Aussagen zu den Voraussetzungen von § 63 StGB und zur Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten bedürfen nach Ansicht des Senats einer Ergänzung. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass die Vollzugseinrichtung bei dem Angeklagten seit dem 18. Januar 2013 keine Hinweise auf eine anhaltende wahnhafte Störung oder auf aggressive Handlungen beschrieben hat.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Kosten des Verfahrens.