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Einkommensteuer 2009


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 15. Senat Entscheidungsdatum 19.12.2013
Aktenzeichen 15 K 9035/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Besteuerung von sogenannten Teilausgleichszahlungen, die er als ehemaliger Bediensteter des Europäischen Patentamts (EPA) - Exekutivorgan der Europäischen Patentorganisation (EPO) - erhält.

Der 1939 geborene Kläger bezieht als ehemaliger Bediensteter des EPA ein Ruhegehalt nebst einer als Teilausgleichszahlung bezeichneten Zulage. Die Zulage soll dem Ausgleich der unterschiedlichen steuerlichen Belastung der ehemaligen Bediensteten in ihren Heimatstaaten dienen.

Bereits seit dem Jahre 1977 wurde den ehemaligen Bediensteten des EPA neben der Grundpension zum Ausgleich der steuerlichen Belastung eine Zulage gewährt, die als Steueranpassungsbetrag bezeichnet wurde und die der Organisation durch die Mitgliedstaaten bis einschließlich 2008 erstattet wurde.

Die Zahlungen beruhten auf der vom Verwaltungsrat der EPO am 20. Oktober 1977 erlassenen Versorgungsordnung, die in der bis zum 1.1.2009 geltenden Fassung folgendes beinhaltete:

„Art. 42

1.

Die Empfänger von Versorgungsbezügen nach dieser Versorgungsordnung haben Anspruch auf die Anpassung, die für die Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation, in denen die Versorgungsbezüge und die entsprechende Anpassung nach den steuerrechtlichen Vorschriften dieser Staaten einkommensteuerpflichtig sind, festgelegt wird.

2.

Die Anpassung entspricht 50 % des Betrags, um den die Versorgungsbezüge des Betreffenden theoretisch angehoben werden müssten, damit nach Abzug der auf den Gesamtbetrag erhobenen einzelstaatlichen Steuer oder Steuern ein Betrag verbleibt, der dem nach dieser Versorgungsordnung gezahlten Betrag der Versorgungsbezüge entspricht.

…….."

Art. 42 Abs. 6 der Verordnung a.F. sah zur Regelung der Zahlungsmodalitäten Durchführungsvorschriften vor. Die für die Finanzierung der Anpassungsbeträge bestimmte Regel 42/6 der Durchführungsvorschriften in der bis zum 1.1.2009 geltenden Fassung enthielt folgende Regelung:

„1.

Der Betrag der Anpassung nach Artikel 42 der Versorgungsordnung geht zu Lasten des Staates, in dem der Anspruchsberechtigte für den betreffenden Zeitraum einkommensteuerpflichtig ist.

2.

Für die Lasten, die sich aus Absatz 1 ergeben, wird ein gesonderter Haushaltsplan gleichzeitig mit dem anderen Haushaltsplan der Organisation aufgestellt. Die Beiträge zu diesem gesonderten Haushaltsplan werden am Ende des Zeitraums, für den dieser Haushaltsplan gilt, abgerechnet.“

Nach Art. 42 Abs. 5 der Versorgungsordnung a.F. war der Empfänger der Steueranpassungszahlungen verpflichtet, einen Nachweis über die tatsächliche Versteuerung der Versorgungsbezüge nebst Anpassungsbeträgen zu erbringen; kam er dieser Verpflichtung nicht nach, ging der Anspruch auf Steueranpassung verloren.

Das Ruhegehalt und der Steueranpassungsbetrag wurden einheitlich als Einkünfte gemäß § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) erfasst. Entsprechend beinhaltete der vom Kläger zuletzt für 2008 als Bruttoeinkünfte erklärte Betrag in Höhe von 41.329,10 € die Grundpension mit 36.218,10 € (einschließlich Nachzahlungsbeträgen) und den Steueranpassungsbetrag von 5.111 €.

Nachdem sich zahlreiche Mitgliedstaaten im Verwaltungsrat dafür ausgesprochen hatten, die Pflicht zur Erstattung der zugunsten der Versorgungsempfänger gezahlten Steueranpassungsbeträge abzuschaffen, beschloss der Verwaltungsrat am 29. Juni 2007, dass Art. 42 der Versorgungsordnung und die zugehörigen Durchführungsvorschriften keine Anwendung auf Bedienstete des Europäischen Patentamts, die ihren Dienst ab dem 1. Januar 2009 aufnehmen, finde (CA/D 18/07). Mit einem weiteren Beschluss vom selben Tag wurde bestimmt, dass die Regel 42/6 der Durchführungsvorschriften zur Versorgungsordnung des Europäischen Patentamts mit Wirkung zum 1. Januar 2009 gestrichen sei (CA/D 25/07), wodurch die Erstattung der Anpassungsbeträge durch die Mitgliedstaaten beendet wurde.

Am 21. Oktober 2008 fasste der Verwaltungsrat gestützt auf Art. 33 Abs. 2 lit. b und c des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen - EPÜ) den Beschluss CA/D 14/08 „über die Zahlung einer Pauschale als Teilausgleich für die nationale Besteuerung der Versorgungsbezüge“ mit folgenden Regelungen:

„Artikel 1

Die im Anhang zu diesem Beschluss vorgelegte Verordnung wird verabschiedet.

Artikel 2

Diese Verordnung ersetzt die Bestimmungen über die Steueranpassung in der Versorgungsordnung (Art. 42 der Versorgungsordnung) und die dazugehörigen Regeln 42/1-7, die insoweit obsolet werden. Gleiches gilt für diejenigen Passagen in Artikeln des Beamtenstatuts und der Versorgungsordnung und in den diesbezüglichen Durchführungs-Vorschriften, in denen auf Art. 42 der Versorgungsordnung verwiesen wird (insbesondere Art. 50 Abs. 2 Buchst. c der Versorgungsordnung und Regeln 34 und 35-2 der Durchführungsvorschriften zur Versorgungsordnung). Lediglich für die Neuberechnung von Steueranpassungsbeträgen für den Zeitraum bis zum 31.12.2008 bleiben Art. 42 der Versorgungsordnung und die dazugehörigen Regeln anwendbar.

Artikel 3

Dieser Beschluss tritt am 1. Januar 2009 in Kraft.“

Die als Anhang zum Beschluss CA/D 14/08 erlassene „Verordnung über die Zahlung einer Pauschale als Teilausgleich für die nationale Besteuerung der Versorgungsbezüge“ sieht in Artikel 1 folgendes vor:

„Artikel 1
Anwendungsbereich

(1) Die Empfänger von Versorgungsbezügen nach der Versorgungsordnung (nachstehend: „Versorgungsordnung" genannt) für das Europäische Patentamt haben Anspruch auf einen pauschalen, teilweisen Ausgleich der nationalen Steuer, die in den Mitgliedstaaten der EPO auf diese Versorgungsbezüge nach den einzelstaatlichen steuerrechtlichen Vorschriften festgelegt wird, sofern sie ihren Dienst beim Europäischen Patentamt vor dem 1. Januar 2009 angetreten haben.

(2) Der Ausgleich nach Abzug der internen Steuer entspricht 50 % des Betrags, um den die Versorgungsbezüge des Betreffenden theoretisch angehoben werden müssten, damit nach Abzug der auf den Gesamtbetrag erhobenen einzelstaatlichen Steuer oder Steuern ein Betrag verbleibt, der dem nach der Versorgungsordnung gezahlten Betrag der Versorgungsbezüge entspricht.“

Artikel 2 bestimmt, dass diese Regelung nur dann gilt, wenn die Versorgungsbezüge in einem Mitgliedstaat der Organisation der dort geltenden Einkommensteuer unterliegen.

Ein weiterer Beschluss des Verwaltungsrats vom 9. Dezember 2008 (CA/D 32/08) „zur technischen Änderung der Verordnung über die interne Steuer zugunsten der Europäischen Patentorganisation“ hat folgenden Inhalt:

„Der Verwaltungsrat der europäischen Patentorganisation,

gestützt auf das europäische Patentübereinkommen, insbesondere auf Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c,

gestützt auf das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der europäischen Patentorganisation, insbesondere auf die Art. 16 und 17,

gestützt auf die Verordnung über die interne Steuer zu Gunsten der europäischen Patentorganisation (nachstehend „Verordnung über die interne Steuer“ genannt), insbesondere auf die Art. 3, 4, 5 und 7,

auf Vorschlag der Präsidentin des europäischen Patentamts nach Stellungnahme des Allgemeinen Beratenden Ausschusses,

nach Stellungnahme des Haushalts- und Finanzausschusses,

BESCHLIESST:

Artikel 1

Art. 3 der Verordnung über die interne Steuer erhält folgende Fassung:

„Artikel 3

Die Steuer wird auf die gesamten, vom Amt an die Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte, Bezüge, Vergütungen, Zulagen und Beihilfen (einschließlich der Invaliditätszulage) und Teilausgleichszahlungen gemäß den nachstehenden Bestimmungen erhoben:

……“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses CA/D 32/08 vom 9. Dezember 2008 wird auf Blatt 76 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Unter dem 6. August 2009 erteilte das EPA dem Kläger eine Bescheinigung, wonach er seit dem 1. Januar 2009 eine Pauschale als Teilausgleich für die nationale Besteuerung beziehe – Teilausgleichszahlung. Diese unterliege gemäß Art. 16 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation (Protokoll über Privilegien und Immunitäten - PPI) einer internen Steuer zugunsten der Organisation und sei deshalb von der staatlichen Einkommensteuer befreit.

Nach der durch das EPA erteilten „Jahresmitteilung Teilausgleichszahlungen für das Steuerjahr 2009“ hatte der Kläger seit Januar 2009 monatlich Teilausgleichszahlungen i.H.v. brutto 428,69 € bzw. netto 405 € und für Dezember 2009 i.H.v. brutto 1.003,56 € bzw. netto 936 € (insgesamt brutto 5.719,15 € bzw. netto 5.391 €) erhalten. Die Grundpension betrug für das Jahr 2009 37.107,36 €, zzgl. Nachzahlungen für 2008 i.H.v. 635,04 € und für 2007 i.H.v. 53,76, damit insgesamt 37.796,16 €.

Der Beklagte legte als Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit den Betrag von brutto 43.187 € (37.796 € + 5.391 €) der Besteuerung zu Grunde und setzte die Einkommensteuer des Klägers für 2009 mit dem Bescheid vom 4. Juni 2010 auf 6.912 € fest.

Zur Begründung hatte der Beklagte mit Schreiben vom 30. April 2010 ausgeführt, dass die dem Kläger geleisteten Teilausgleichszahlungen in zulässiger Anwendung des Art. 16 Abs. 2 PPI durch den Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers besteuert würden. Diese Zahlungen seien untrennbar mit dem Bezug der Versorgungsbezüge verbundenen und fielen wie diese unter Art. 16 Abs. 2 PPI. Der Bescheinigungen des EPA über die Befreiung der Teilausgleichszahlungen von der deutschen Besteuerung nach Art. 16 Abs. 1 PPI könne somit nicht gefolgt werden.

Mit seinem fristgerecht erhobenen Einspruch trug der Kläger im Wesentlichen folgendes vor: Die Teilausgleichszahlungen seien aufgrund der internen Besteuerung durch die Organisation von der Pension als solcher abzugrenzen. Es handele sich nicht um „Renten und Ruhegehälter“ im Sinne des Art. 16 Abs. 2 PPI, sondern um „Bezüge“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 PPI. Auch ehemalige Beschäftigte des EPA seien Personen im Sinne der Art. 13 und 14 PPI und von der Freistellung der Besteuerung gemäß Art. 16 Abs. 1 PPI erfasst. Das Protokoll als Bestandteil des Europäischen Patentübereinkommens habe wie dieses den Rang eines Bundesgesetzes und gehe damit den deutschen Steuergesetzen vor (§ 2 AO). Es sei im Rahmen der Besteuerung der Bediensteten des EPA zwingend anzuwenden, so dass die Bundesrepublik Deutschland kein Besteuerungsrecht hinsichtlich dieser Bezüge habe.

Den Einspruch wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2011 als unbegründet zurück: Nach den die Finanzverwaltung bindenden Regelungen des BMF im Schreiben vom 3. August 1998 (Bundessteuerblatt I 1998, 1042) fielen die Ruhegehälter der Pensionäre der EPO nicht unter die Bestimmungen über die Freistellung der Gehälter und Bezüge der aktiven Bediensteten nach Art. 16 Abs. 1 PPI. Die Teilausgleichszahlungen, die das EPA im Interesse der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse der Ruhegehaltsempfänger für erforderlich halte, um qualifiziertes Personal zu rekrutieren, seien Bestandteil der zu besteuernden Ruhegehaltszahlungen. Sie unterlägen damit der nationalen Besteuerung. Da der Steuerabzug der EPO die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindere, sei nur der gekürzte Betrag der Ausgleichszahlung i.H.v. 5.391 € der Besteuerung im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterworfen worden.

Die Kläger hat am 18. Februar 2011 Klage erhoben.

Zur Begründung macht er weiterhin geltend, dass die Besteuerung der Teilausgleichszahlungen durch den Beklagten unzulässig sei, weil die Beträge in zulässiger Weise intern durch die EPO nach Art. 16 Abs. 1 PPI besteuert würden:

1.

Die Befugnis zur internen Besteuerung durch die EPO sei der Organisation auch von der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als Vorrecht und Privileg gemäß Art. 16 Abs. 1 PPI eingeräumt worden. Der Übertragung der Steuerhoheit habe der deutsche Gesetzgeber mit dem Zustimmungsgesetz zum europäischen Patentübereinkommen zugestimmt, so dass die deutschen Behörden und Gerichte hieran gebunden seien. Die der Organisation verliehenen Privilegien und Immunitäten dienten dem Zweck, die effektive Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Die „einheitliche Wirksamkeit“ des Rechts der Organisation würde gefährdet, wenn die Bundesrepublik Deutschland bzw. eine Behörde oder Gericht dieses Staates die Einheitlichkeit des autonom erlassenen Besoldungs- und Besteuerungsrechts der Organisation in Frage stellen würde. Da Art. 16 PPI der Organisation die Steuerhoheit bezüglich der Gehälter und Bezüge ihrer Bediensteten einräume, unterliege auch die Bestimmung dessen, welche Einkünfte der Bediensteten als Gehälter und Bezüge im Sinne des Art. 16 Abs. 1 PPI der internen Steuer unterfielen, alleine der Organisation. Art. 16 Abs. 1 PPI beinhalte den Grundsatz, dass Gehälter und Bezüge nach Maßgabe der vom Verwaltungsrat festgelegten Bedingungen und Regeln nicht der nationalen Besteuerungsbefugnis unterlägen, soweit sie von der Organisation selbst besteuert würden. Bei Absatz 2 von Art. 16 PPI handele es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift zu diesem Grundsatz. Wortlaut und Systematik des Art. 16 Abs. 2 PPI sprächen dagegen, die Teilausgleichszahlungen als Renten und Ruhegehälter zu behandeln. Art. 16 Abs. 1 PPI gelte nach seinem klaren Wortlaut für die in Art. 14 PPI „genannten Personen“. Das seien nach Art. 14 Buchst. a PPI ausdrücklich auch die aus dem Dienst ausgeschiedenen Bediensteten.

2.

Durch den Beschluss des Verwaltungsrates der EPO CA/D 32/08 vom 9. Dezember 2008 als organisationsrechtliche Entscheidung sei nicht nur die Organisation selbst, sondern auch der Mitgliedstaat Deutschland gebunden. Denn bei dem Beschluss handele es sich um eine vom Anwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes gedeckte Fortentwicklung des Art. 16 PPI als Teil des europäischen Patentübereinkommens, die nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesverfassungsgerichts zulässig sei. Der Beschluss beruhe auf der dem Verwaltungsrat durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c EPÜ eingeräumten Befugnis, das Statut der Beamten, ihre Besoldung sowie die Art der zusätzlichen Vergütung zu regeln und entsprechende Vorschriften zu ändern. Das Grundgesetz erlaube in den Artikeln 23 und 24 GG, den internationalen Organisationen eine gegenüber dem Rechtskreis der Mitgliedstaaten eigenständige, die innerorganisatorischen Angelegenheiten autonom regelnde Gewalt zu verleihen und diese gegebenenfalls auch mit bindender Wirkung für die Mitgliedstaaten fortzuentwickeln. Da der Beschluss im Rahmen und auf der Basis des Übereinkommens ergangen sei, verleihe der Anwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes dem Verwaltungsratsbeschluss den Rang eines die Finanzbehörde und die Gerichte bindenden Bundesgesetzes. Andererseits handele es sich bei dem Beschluss aber nicht um eine förmliche Änderung des EPÜ, für die ein erneutes Zustimmungsverfahren nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 24 Abs. GG durchzuführen gewesen wäre. Inhaltlich richte sich der Beschluss auf eine bloße, vom Wortlaut des EPÜ getragene Änderung der Verordnung über die interne Steuer der Organisation.

3.

Der nationalen Einkommensbesteuerung der Teilausgleichszahlungen stünden völkerrechtliche Gründe entgegen, die sich aus der vom Verwaltungsrat im Jahre 1977 vorgenommenen Verknüpfung der Verpflichtung der Organisation zur Zahlung von Ausgleichszahlungen für eine Besteuerung der gezahlten Pensionen mit der Verpflichtung der betreffenden Mitgliedstaaten zur Übernahme der sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen ergäben. Die Aufhebung dieser Konnexität im Jahre 2007 habe eine erhebliche Budgetbelastung der Organisation zur unmittelbaren Folge. Hieraus ergebe sich ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Verbot des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens und eine Verletzung des Verbotes des venire contra factum proprium. Die Mitgliedstaaten, welche wie die Bundesrepublik Deutschland nach der Aufhebung des Beschlusses von 1977 weiterhin die Pensionen der EPO-Bediensteten besteuern würden, verlagerten die finanziellen Lasten der von ihnen begründeten acquired rights der Pensionäre auf die Organisation und zögen zugleich aus der von ihnen geschaffenen Ausgangslage finanzielle Vorteile.

4.

Soweit die Teilausgleichszahlungen von den nationalen Steuerbehörden ebenfalls mit der Einkommensteuer belastet würden, entstünde für die Organisation eine erneute, sich tendenziell ad infinitum fortsetzende Ausgleichspflicht. Aus diesem Grunde habe sich der Verwaltungsrat der Organisation entschlossen, die Teilausgleichszahlungen als von der nationalen Einkommensteuer befreite Bezüge im Sinne des Art. 16 Abs. 1 PPI zu zahlen.

5.

Soweit das Finanzamt geltend mache, dass durch den Ratsbeschluss und die Behandlung der Teilausgleichszahlungen als Bezüge in die staatliche Besteuerungshoheit eingegriffen werde, trete es dem durch den Beschluss CA/D 32/08 geäußerten Willen der übrigen Vertragsstaaten entgegen. Hierdurch begründe die Entscheidung des Finanzamts als einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland zugleich eine Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten über die Anwendung des Übereinkommens im Sinne des Artikels 173 EPÜ, denn sie impliziere notwendig die Position, dass der Verwaltungsrat der europäischen Patentorganisation den Beschluss vom 9. Dezember 2008 nicht hätte treffen dürfen, weil er mit der staatlichen Steuerhoheit kollidiere. Meinungsverschiedenheiten zwischen der Organisation und einem Mitgliedstaat über die Auslegung des europäischen Patentüber-einkommens und des Privilegienprotokolls seien in den dafür vorgesehenen Verfahren beizulegen (Art. 164, 173 EPÜ, Art. 23 PPI). Eine nachträgliche Infragestellung der Entscheidung durch eine staatliche deutsche Behörde begründe einen Verstoß gegen die Vertragspflichten Deutschlands und das Zustimmungsgesetz.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 4. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2011 dahin gehend zu ändern, dass die sog. Teilausgleichszahlung des Europäischen Patentamts i.H.v. 5.391 € nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner bisherigen Auffassung fest und trägt ergänzend folgendes vor:

Die Gründe für eine steuerliche Privilegierung gemäß Art. 16 Abs. 1 PPI erlöschten, wenn der Beamte aus dem aktiven Dienst ausscheide und keiner Residenzpflicht mehr unterliege. Wie die früher gezahlten steuerlichen Anpassungsbeträge, die jeweils hälftig von der EPO und den Mitgliedstaaten getragen worden seien, dienten auch die Teilausgleichszahlungen dem Ausgleich der steuerlichen Belastung der Versorgungsbezüge; sie werden nun aber zu 100 % aus dem Haushalt der EPO finanziert. Wohl auch aus Gründen der Gegenfinanzierung habe die EPO im Verordnungswege festgelegt, dass es sich bei den Zahlungen um ein (aktives) Gehalt handeln solle, dass dem Recht der internen Besteuerung unterliege. Darauf, ob die EPO überhaupt zur Besteuerung der Teilausgleichszahlungen bzw. zur Bestimmung des Begriffs der Bezüge im Sinne des Art. 16 Abs. 1 PPI befugt sei, komme es für die einkommensteuerliche Beurteilung dieser Zahlungen jedoch nicht an. Vielmehr sei entscheidend, ob die Mitgliedstaaten durch diese internen Beschlüsse der EPO in der Ausübung ihres Besteuerungsrechts eingeschränkt würden. Dies sei nach Auffassung des Finanzgerichts München im Urteil vom 4. Dezember 2012 (Az. 9 K 1741/10, EFG 2013, 1168) nicht der Fall. Das Finanzgericht München verweise zutreffend darauf, dass die Organisations- und Hoheitsgewalt der EPO nur das Recht zur autonomen Gestaltung ihrer inneren Verhältnisse umfasse. Über die steuerliche Behandlung von Zahlungen durch die Mitgliedstaaten der Organisation könne der Verwaltungsrat der EPO mangels Zuständigkeit und Regelungskompetenz nicht beschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die vom Beklagten vorgelegte Einkommensteuerakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO).

I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 vom 04. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07. Februar 2011 ist rechtmäßig und verletzt deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Beklagte hat die dem gemäß § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtigen Kläger im Jahre 2009 in Höhe von 5.391 € zugeflossenen sogenannten Teilausgleichszahlungen zu Recht als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst. Die streitbefangenen Zahlungen sind Bestandteil der Ruhegehaltsbezüge, die der Kläger als ehemaliger Bediensteter des EPA erhält. Sie werden als Ruhegehaltsanteil von Art. 16 Abs. 2 PPI erfasst und nicht durch eine vorrangig geltende völkerrechtliche Vereinbarung (§ 2 Abs. 1 AO) steuerfrei gestellt.

1.

Die Abgrenzung zwischen der die Steuerhoheit der Bundesrepublik verdrängenden Besteuerung durch die EPO und der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat erfolgt durch Art. 16 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten. Das Protokoll ist gemäß Art. 8 und 164 Abs.1 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ) vom 5. Oktober 1973 (BGBl II 1976, 826) Bestandteil des Übereinkommens und wie das EPÜ durch Art. I Nr. 3 des Gesetzes vom 21. Juni 1976 (BGBl II 1976, 649) unmittelbar innerstaatliches Recht geworden (vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Europäischen Patentübereinkommens vom 9. September 1977, BGBl II 1977, 792).

a)

Die Auslegung von Art. 16 PPI als durch das Zustimmungsgesetz transformierte bundesgesetzliche Regelung hat nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu erfolgen. Hierzu kann nicht geltend gemacht werden, dass die Bestimmung dessen, welche Einkünfte der Bedienstete als „Gehälter und Bezüge“ im Sinne des Art. 16 Abs. 1 PPI der internen Steuer unterfielen, alleine der EPO unterliege, da ihr durch Art. 16 PPI die Steuerhoheit bezüglich der Gehälter und Bezüge ihrer Bediensteten eingeräumt sei. Denn diese Annahme unterstellt bereits einen bestimmten Umfang der übertragenen Steuerhoheit, der zunächst anhand der allgemein gültigen Auslegungsgrundsätze zu ermitteln ist. Die Auslegung des Regelungsgehalts von Art. 16 PPI obliegt dem Senat als für die Streitsache zuständigem Fachgericht.

b)

Gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 PPI sind die in den Artikeln 13 und 14 genannten Personen - damit der Präsident (Art. 13) und die Bediensteten (Art. 14) des EPA - für die von der Organisation gezahlten Gehälter und Bezüge nach Maßgabe der Bedingungen und Regeln, die der Verwaltungsrat innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens festzulegen hatte, zugunsten der Organisation steuerpflichtig. Die Beschränkung der staatlichen Einkommensteuer der Mitgliedstaaten wird durch Satz 2 des Art. 16 Abs. 1 PPI geregelt, der in Bezug auf die Gehälter und Bezüge gemäß Satz 1 bestimmt, dass diese im Falle der Besteuerung durch die EPO von der staatlichen Einkommensteuer befreit sind.

c)

Obgleich die EPO die streitbefangenen Teilausgleichszahlungen einer internen Besteuerung unterworfen hat, handelt es sich jedoch nicht um „Gehälter oder Bezüge“ im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 PPI. Denn der nach dieser Bestimmung vorgesehene Ausschluss des Besteuerungsrechts des Wohnsitzstaates ist durch Absatz 2 des Art. 16 PPI auf die Leistungen des EPA an aktiv Beschäftigte beschränkt.

aa)

Diese gesetzlich bestimmte Grenzziehung zwischen der Steuerhoheit der EPO und dem Besteuerungsrecht der Wohnsitzstaaten wird durch Art. 16 Abs. 2 PPI bewirkt, der ausdrücklich vorsieht, dass Absatz 1 der Norm nicht auf Renten und Ruhegehälter anzuwenden ist, die von der Organisation an ehemalige Bedienstete des Europäischen Patentamts gezahlt werden. Die hiermit vorgenommene Abgrenzung zwischen Absatz 1 und 2 von Art. 16 PPI ist nicht an der Art der Leistungen der EPO, sondern an den Gruppen der Bediensteten, nämlich der Gruppe der aktiv Beschäftigen einerseits und der Gruppe der ehemaligen Bediensteten andererseits ausgerichtet.

Dies folgt aus dem Sinn und Zweck dieser Regelungen und ihrem Regelungszusammenhang: Der Kläger verweist zutreffend darauf, dass die durch das Protokoll zum EPÜ eingeräumten Vorrechte und Privilegien der effektiven Aufgabenwahrnehmung durch die EPO dienen sollen. Auch die Übertragung der Steuerhoheit auf die EPO für Zahlungen an ihre Beschäftigten verfolgt allein dieses Interesse. Durch Art. 19 Abs. 1 PPI wird klargestellt, dass die im Protokoll vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten nicht dazu bestimmt sind, den Bediensteten des Europäischen Patentamts oder den Sachverständigen, die für die Organisation oder in deren Auftrag tätig sind, persönliche Vorteile zu verschaffen. Sie sind lediglich zu dem Zweck vorgesehen, unter allen Umständen die ungehinderte Tätigkeit der Organisation und die vollständige Unabhängigkeit der Personen, denen sie gewährt werden, zu gewährleisten. Mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst des EPA entfällt dieses Interesse, da keine Aufgabenwahrnehmung mehr erfolgen kann und darf.

Auch für den Umfang der Steuerhoheit der EPO folgt aus dem Sinn und Zweck von Art. 16 PPI, dass der Ausschluss des Besteuerungsrechts der Mitgliedstaaten ohne Ausnahmen alle Leistungen erfassen muss, die das EPA an aktiv Beschäftigte erbringt. Die Aufzählung der Art der Zahlungen in Art. 16 Abs. 1 PPI als „Gehälter und Bezüge“ ist insoweit lediglich beispielhaft und nicht abschließend. Nichts anderes gilt aber auch für Art. 16 Abs. 2 PPI. Auch hier sind die Leistungsalternativen „Renten und Ruhegehälter“ nur als Umschreibung der gegenüber den ehemals beschäftigen Angestellten und Beamten bestehenden Hauptleistungspflichten benannt. Die Abgrenzung erfasst ausgehend von dem dargestellten Sinn und Zweck der Regelung aber auch für die Gruppe der ehemaligen Beschäftigten alle an diese erbrachten Leistungen.

bb)

Dass diese gesetzlich vorgegebene Grenzziehung zwischen aktiven und nicht aktiven Beschäftigen dem Bedeutungsgehalt von Art. 16 Abs. 1 und 2 PPI entspricht, hat auch die EPO bis in das Jahr 2008 anerkannt. Die bereits gemäß Art. 42 der Versorgungsordnung vom 20. Oktober 1977 bis zum 31. Dezember 2008 geleisteten Steueranpassungszahlungen wurden als Anteile der Renten und Ruhegehälter angesehen und behandelt.

Die schon in der Vergangenheit seit 1977 entrichteten Steueranpassungszahlungen entsprachen hinsichtlich Zweck und Umfang den nun als Teilausgleichszahlungen bezeichneten Beträgen (vgl. Art. 42 Abs. 2 Versorgungsordnung a.F. einerseits und Art. 1 Abs. 2 der „Verordnung über die Zahlung einer Pauschale als Teilausgleich für die nationale Besteuerung der Versorgungsbezüge“, die durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 21. Oktober 2008 erlassen wurde, CA/D 14/08 andererseits). Die bisher als Renten und Ruhegehaltsbestandteile durch die Mitgliedstaaten besteuerten Steueranpassungsbeträge wurden sogar nur unter der Bedingung an ehemalige Bedienstete geleistet, dass vom Empfänger dem EPA ein Nachweis über die inländische Versteuerung der Versorgungsbezüge nebst der Anpassungsbeträge erbracht wurde (vgl. Art. 42 Abs. 5 Versorgungsordnung a.F.). Ein Unterschied zur Neuregelung besteht nur insoweit, als dass der Kreis der begünstigten Versorgungsempfänger auf die Bediensteten beschränkt wurde, die vor dem 1. Januar 2009 in den Dienst der Organisation getretenen sind und die EPO die zu leistenden Beträge nicht mehr durch die Mitgliedstaaten erstattet erhält.

2.

Der Regelungsgehalt von Art. 16 PPI als bundesgesetzlicher Norm wurde zum 1. Januar 2009 auch nicht dadurch geändert, dass der Verwaltungsrat der EPO durch seinen Beschluss vom 9. Dezember 2008 (CA/D 32/08) entschieden hat, die nun aus dem Haushalt der EPO zu finanzierenden Teilausgleichszahlungen - auch - der internen Besteuerung durch die EPO zu unterwerfen. Dieser interne Beschluss des Verwaltungsrates der EPO entfaltet nicht die vom Kläger angenommene Wirkung zulasten des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der EPO. Denn eine von den oben dargestellten Vorgaben des Art. 16 PPI abweichende Abgrenzung zwischen der Steuerhoheit der EPO und dem Steuerrecht der Mitgliedstaaten würde eine wesentliche Änderung des EPÜ beinhalten, die nach Art. 24 Abs. 1 GG nur auf der Grundlage eines neuerlichen Zustimmungsgesetzes bundesgesetzliche Wirkung entfalten kann. Entgegen dem Klagevorbringen kann der Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland für Teile der Versorgung der Ruhegehaltsempfänger nicht als eine bloße, vom Wortlaut des EPÜ getragene Änderung der Verordnung über die interne Steuer der Organisation angesehen werden. Vielmehr würde es sich um eine förmliche Änderung des EPÜ handeln, für die ein erneutes Zustimmungsverfahren nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 24 Abs. GG durchzuführen wäre.

a)

Die Europäische Patentorganisation ist eine im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander völkerrechtlich rechtsfähige, internationale Organisation und eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG. Ihr sind durch das EPÜ als völkerrechtlicher Akt hoheitliche Kompetenzen eingeräumt worden, so dass sie ermächtigt ist, eigene (nichtdeutsche) öffentliche Gewalt auszuüben.

Mit dem Klagevorbringen wird zutreffend darauf verwiesen, dass es das Grundgesetz in den Artikeln 23 und 24 GG erlaubt, den internationalen Organisationen eine gegenüber den Rechtskreis der Mitgliedstaaten eigenständige, die innerorganisatorischen Angelegenheiten selbstständig regelnde Gewalt zu verleihen. Art. 24 Abs. 1 GG räumt dem Gesetzgeber ein weites Ermessen ein, ob und inwieweit einer zwischenstaatlichen Einrichtung Hoheitsrechte eingeräumt werden und in welcher Weise diese Einrichtung rechtlich und organisatorisch ausgestaltet werden soll. Weiter ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Teil des vom Grundgesetz gewollten Integrationsauftrags, dass internationale oder supranationale Organisationen, an denen sich die Bundesrepublik zu dessen Verwirklichung beteiligt, die Möglichkeit eröffnet wird, dass sich die geschaffenen Einrichtungen, auch und gerade wenn deren Organe auftragsgemäß handeln, selbständig entwickeln und dabei eine Tendenz zu ihrer politischen Selbstverstärkung aufweisen. Das zur Integration ermächtigende Zustimmungsgesetz könne daher trotz des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung immer nur ein Programm umreißen, in dessen Grenzen dann eine politische Entwicklung stattfindet, die nicht in jedem Punkt vorherbestimmt sein kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009, 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267, juris Rz. 237 mit weiteren Nachweisen).

Allerdings dürfen keine Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt, zumal mit unmittelbarer Bindungswirkung in der innerstaatlichen Rechtsordnung, durch die deutschen Verfassungsorgane erteilt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009, a.a.O., juris Rz. 236 mit weiteren Nachweisen). Verfassungsrechtlich unzulässig sind auch wesentliche Abweichungen von der Vertragsgrundlage oder die Identität des Vertrags betreffende Änderungen; diese können nicht von dem ursprünglichen Zustimmungsgesetz gedeckt sein. Die konsensuale Fortentwicklung darf nicht gegen wesentliche Strukturentscheidungen des Vertragswerks verstoßen und damit den Boden des dort festgelegten politischen Programms verlassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 03. Juli 2007, 2 BvE 2/07, BVerfGE 118, 244, juris Rz. 44 f. mit weiteren Nachweisen).

b)

Eine solche, von der Strukturentscheidung des Art. 16 PPI als Teil des EPÜ abweichende Neuregelung läge aber vor, wenn dem Klagebegehren folgend angenommen würde, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für die Teilausgleichszahlungen durch den Beschluss des Verwaltungsrates vom 9. Dezember 2008 ausgeschlossen wurde. Der Beschluss respektiert insoweit nicht die oben dargestellte, dem Art. 16 PPI immanente Grenzziehung zwischen der Steuerhoheit der EPO für die Leistungen an die aktiv Beschäftigten einerseits und dem Besteuerungsrecht der Wohnsitzstaaten für ehemalige Beschäftigte andererseits.

c)

Die von dem Verwaltungsratsbeschluss intendierte Änderung kann auch nicht auf die durch Art. 33 eingeräumte Regelungskompetenz gestützt werden. Die dem Verwaltungsrat durch Art. 33 Abs. 2 Buchstaben b) und c) EPÜ zugestandene Befugnis, wonach er das Statut der Beamten und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten des Europäischen Patentamts, ihre Besoldung sowie die Art der zusätzlichen Vergütung und die Verfahrensrichtlinien für deren Gewährung (b), und die Versorgungsordnung und Erhöhungen der Versorgungsbezüge entsprechend einer Erhöhung der Dienstbezüge (c) erlassen und ändern darf, steht unter dem Vorbehalt, dass Änderungen in Übereinstimmung mit den Regelungen des EPÜ stehen müssen. Die Regelungsermächtigung bleibt damit eindeutig den gesetzlichen Vorgaben nachgeordnet und auf eine diesen genügende Gestaltung beschränkt.

Die interne Steuererhebung wird der EPO nur in dem von Art. 16 Abs. 1 und 2 PPI vorgegebenen Umfang eingeräumt und ist, wie oben dargestellt auf die Leistungen an ihre aktiv Beschäftigten beschränkt. Bei den Teilausgleichszahlungen handelt es sich nicht um „Gehälter“ oder „Bezüge“ im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 PPI, da die Regelung nur die an die aktiv Beschäftigten geleisteten Zahlungen erfasst. Der Beschluss des Verwaltungsrates vom 9. Dezember 2009 ist auch nicht innerhalb der von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 vorgesehenen Frist ergangen.

Die durch den Beschluss eingeführte „interne Besteuerung“ der Teilausgleichszahlungen durch die EPO ist folglich keine interne Besteuerung, die gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 2 PPI zum Ausschluss der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat für diese Beträge führt. Der zur Entscheidung berufene Senat beurteilt mit dieser Feststellung nicht, ob die beschlossene und praktizierte interne Besteuerung der Teilausgleichszahlungen durch die EPO erfolgen darf. Allein erheblich für die vorliegend zu beurteilende Rechtsfrage ist, dass durch den genannten Beschluss des Verwaltungsrates der EPO der Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 und Art. 16 Abs. 2 PPI als inländische gesetzliche Bestimmung nicht geändert wurde.

d)

Für die Begründung einer dem Verwaltungsrat zustehenden Kompetenz zur Änderung des Art. 16 PPI als Teil eines Bundesgesetzes kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass die insoweit in Anspruch genommene Fortentwicklung des EPÜ für die effektive Aufgabenwahrnehmung der EPO unerlässlich sei: Dies ist schon deshalb zweifellos nicht der Fall, weil die Ausgleichszahlungen nur noch den vor dem 1. Januar 2009 in den Dienst eingetretenen Beschäftigten zur Wahrung erworbener Rechte zugebilligt wurden. Es ist nicht erkennbar, dass diese Privilegierung einer begrenzten Beschäftigtengruppe für die Aufgabenwahrnehmung des EPA erforderlich ist. Vielmehr zeigt die Abschaffung der Zahlung von Steueranpassungsbeträgen für die neu in den Dienst eintretenden Beschäftigten, dass der zukünftige Wegfall dieser Begünstigung als der Aufgabenwahrnehmung nicht entgegenstehend beurteilt wurde.

e)

Die angenommene Vorrangwirkung des Verwaltungsratsbeschlusses kann auch nicht darauf gestützt werden, dass diese auch von den Vertretern der Bundesrepublik befürwortet worden sei und hierdurch eine der Bundesregierung durch das Zustimmungsgesetz zum EPÜ eingeräumte Gestaltungsbefugnis ausgeübt worden sei: Die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Verwaltungsrat haben, wie nun auch vom Kläger mit seinem Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 richtig gestellt, dem getroffenen Beschluss nicht zugestimmt. Der noch nicht einmal öffentlich bekannt gemachte interne Verwaltungsratsbeschluss genügt zudem nicht den formellen Erfordernissen für eine bundesrechtliche Verbindlichkeit.

Nach allem kann der Beschluss des Verwaltungsrates vom 9. Dezember 2008 nicht als „vom Zustimmungsgesetz gedeckte Fortentwicklung des EPÜ“ betrachtet werden, an die die Bundesrepublik Deutschland gebunden sei.

3.

Der Senat vermag sich auch nicht dem klägerischen Einwand anzuschließen, dass durch die nationale Einkommensbesteuerung der Teilausgleichszahlungen gegen das völkerrechtliche Verbot des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens und des venire contra factum proprium verstoßen werde: Die im Jahre 1977 übernommene Verpflichtung zur Erstattung der finanziellen Lasten für die Ausgleichszahlungen durch die Mitgliedstaaten oblag dem weiten Gestaltungsspielraum der Vertragspartner, den diese auch nach langjähriger Praxis abweichend nutzen durften. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass durch den Wegfall der Erstattungspflicht für die Organisation eine ihre Aufgabenwahrnehmung beeinflussende Budgetbelastung entstanden ist. Gegen diese Annahme spricht, dass die gezahlten Beträge zwischen 2008 und 2009 nicht unwesentlich erhöht wurden. Selbst wenn eine nicht tragbare Budgetbelastung zu bejahen wäre, hätte dies keinen unmittelbaren Einfluss auf das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Insoweit ist die Organisation darauf verwiesen, in der politischen Auseinandersetzung mit den Mitgliedstaaten sich um die Bereitstellung der für ihre Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Mittel zu bemühen.

4.

Auch ist nicht zu befürchten, dass durch die nationale Besteuerung der Teilausgleichszahlungen für die Organisation eine erneute, sich tendenziell ad infinitum fortsetzende Ausgleichspflicht entstehen würde, denn es handelt sich wie in der Vergangenheit allein um einen pauschalierten Ausgleich und nicht um eine konkrete Berechnung und Erstattung der für die Ruhegehaltsempfänger konkret entstehenden nationalen Einkommensteuer.

5.

Der Entscheidung des Senats kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die von der Beurteilung der EPO abweichende Betrachtungsweise des Beklagten und des zur Entscheidung berufenen Gerichts zur Regelungswirkung des Beschlusses CA/D 32/08 eine Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten über die Anwendung des Übereinkommens im Sinne des Artikels 173 EPÜ vorliege, die in dem dafür vorgesehenen Verfahren beizulegen sei. Auch insoweit wird verkannt, dass im vorliegenden Verfahren der Senat als zuständiges Fachgericht berufen ist, über die Steuerpflicht des Klägers gegenüber seinem Wohnsitzstaat zu entscheiden und festzustellen, ob für die Teilausgleichszahlungen das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland besteht. Für diese Bewertung der innerstaatlichen Rechtslage bedarf es nicht des Verfahrens nach Artikel 173 EPÜ. Die hiermit vorausgesetzte Streitigkeit zwischen Vertragsstaaten liegt nicht vor. Die Entscheidungskompetenz des Senats wird durch Artikel 173 EPÜ nicht eingeschränkt.

6.

Für die Ruhegehaltsempfänger entsteht durch die fortzuführende inländische Besteuerung trotz der gleichzeitigen Steuererhebung durch die EPO auch keine höhere Belastung als bisher. Der Kläger hatte im Jahre 2008 als Anteil seines insgesamt mit 41.329,10 € erklärten und veranlagten Bruttolohns einen Steueranpassungsbetrag von 5.111 € (= 14,11 % der Grundpension in Höhe von 36.218,10 €) ausgezahlt erhalten. Für das Streitjahr 2009 ist ihm der zweckgleiche Betrag als „Teilausgleichszahlung“ zugeflossen, der selbst nach Abzug der internen durch die EPO erhobenen Steuer noch 5.391 € (14,53 % der Grundpension von 37.107,36 €) betrug.

Auch wird entsprechend der Vorgaben von Art. 1 Abs. 2 des Anhangs des Beschlusses CA/D 14/08 bei der Berechnung der Teilausgleichsbeträge berücksichtigt, dass dieser „nach Abzug der internen Steuer“ berechnet wird. Unter dieser Vorgabe wird der Betrag wie nach der bisher geltenden Regelung des Art. 42 Abs. 2 Versorgungsordnung a.F. berechnet mit „50 % des Betrages, um den die Versorgungsbezüge des Betreffenden theoretisch angehoben werden müssten, damit nach Abzug der auf den Gesamtbetrag erhobenen einzelstaatlichen Steuer oder Steuern ein Betrag verbleibt, der dem nach dieser Versorgungsordnung gezahlten Betrag der Versorgungsbezüge entspricht“. Mit der Klage werden keine Gründe dargetan, die plausibel erläutern, weshalb es geboten sein sollte, die schon bisher bestehende Steuerlast ab dem Jahre 2009 für die Renten- und Ruhegehaltsempfänger des EPA zu vermindern.

II. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.