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Entscheidung 3 UF 43/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 19.02.2013
Aktenzeichen 3 UF 43/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 61 FamFG

Leitsatz

1. Auch wenn es sich bei der Hauptsache um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit handelt, ist ein Rechtsmittel, das sich allein gegen die Kostengrundentscheidung richtet, als vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 61 Abs. 1 FamFG anzusehen.

2. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels und damit auch für die erforderliche Mindestbeschwer ist auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen. Spätere Veränderungen können die Zulässigkeit des Rechtsmittels grundsätzlich nicht mehr entfallen lassen. Für die Zulässigkeit einer Kostenbeschwerde kommt es daher auf den vom erstinstanzlichen Gericht festgesetzten Verfahrenswert auch dann an, wenn der Beschwerdeführer zugleich eine Herabsetzung dieses Wertes begehrt

3. Für die Frage, ob im familiengerichtlichen Verfahren Kosten entstanden sind, kommt es regelmäßig nicht auf den Eintritt der Rechtshängigkeit an.

4. Wenn es um den Schutz der Kinder vor ihren Eltern geht, haben die Vorschriften der §§ 1666, 1666 a BGB Vorrang vor den Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes.

5. Verursacht eine Abtrennung von Verfahren besondere Kosten, kann auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtigen Sachbehandlung nach § 20 FamGKG nicht gegeben sind, gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG von der Erhebung von Kosten abzusehen sein.

6. In familiengerichtlichen Verfahren ist hinsichtlich der Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, besondere Zurückhaltung geboten. Auch der Umstand, dass ein Antrag zurückgenommen wird, reicht für sich genommen nicht aus, einem Beteiligten die Kosten allein aufzulegen. In Gewaltschutzsachen kommt zwar eine Einschränkung des Grundsatzes der Zurückhaltung bei der Kostenauferlegung in Betracht, weil die Kosten des Verfahrens aus Billigkeitsgründen meist dem Täter aufzuerlegen sein werden. Dies schließt aber insbesondere dann, wenn der Täterschutz in anderen Verfahren erfolgt ist, nicht aus, von der Anordnung der Kostenerstattung abzusehen.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Das erstinstanzliche Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Das Beschwerdeverfahren ist ebenfalls gerichtskostenfrei. Auch insoweit werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 615,63 € festgesetzt.

Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens wird in Abänderung der Wertfestsetzung im angefochtenen Beschluss anderweitig auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von mehr als 600 € gemäß § 61 Abs. 1 FamFG erreicht.

a)

Auch wenn es sich bei der Hauptsache, einem Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz, um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit handelt, ist das Rechtsmittel des Antragstellers, das sich, wie er selbst mit Schriftsatz vom 6.6.2012 klargestellt hat, gegen die Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts richtet, als vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 61 Abs. 1 FamFG anzusehen. Denn durch die Kostenentscheidung wird nur das vermögensrechtliche Interesse des Rechtsmittelführers berührt, welches für die Beschwer ausschlaggebend ist (OLG Stuttgart, NJW 2010, 383; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 20.5.2012 – 5 WF 32/10, BeckRS 2010, 15771; OLG Hamburg, Beschluss vom 10.11.2009 – 7 WF 187/09, BeckRS 2010, 08378; OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.2.2010 – 14 UF 175/09, BeckRS 2010, 07256; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 2. Auflage, § 61 Rn. 3; Keidel/Meyer–Holz, FamFG, 17. Auflage, § 61 Rn. 4; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 6, § 61 Rn. 6; a.A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.4.2012 – II-1 WF 307/11, BeckRS 2012, 08398; OLG Nürnberg, Beschluss vom 17.12.2009 – 7 WF 1483/09, BeckRS 2010, 02874; N.Schneider, FamFR 2010, 17).

b)

Der Beschwerdewert von mehr als 600 € ist vorliegend erreicht.

aa)

Allerdings hat das Amtsgericht den Wert für das erstinstanzliche Verfahren unzutreffend auf 4.500 € festgesetzt.

Gemäß § 59 Abs. 1 FamGKG beträgt in Gewaltschutzsachen nach § 1 GewSchG der Verfahrenswert 2.000 €, in Gewaltschutzsachen nach § 2 GewSchG 3.000 €. Nimmt man – insoweit abweichend von der Senatsverfügung vom 23.5.2012 – im Hinblick auf den Abtrennungsbeschluss des Amtsgerichts vom 25.1.2012 an, dass Gegenstand dieses abgetrennten Verfahrens nur Maßnahmen nach § 1 GewSchG im Wege der einstweiligen Anordnung waren, so ist von einem Verfahrenswert von 2.000 € auszugehen, der im Hinblick auf das Eilverfahren gemäß § 41 FamGKG auf die Hälfte, also auf 1.000 € zu reduzieren ist. Billigkeitsgesichtspunkte, die nach § 49 Abs. 2 FamGKG eine abweichende Wertfestsetzung gebieten würden, sind nicht ersichtlich. Mithin ist der erstinstanzliche Wert abändernd auf 1.000 € festzusetzen.

Bei einem solchen Wert errechnen sich folgende Kosten:

Gerichtskosten (vgl. Nr. 1420 der Anlage 1 zum FamGKG)
55 € x 1,5 Gebühren =

82,50 €

außergerichtliche Kosten
(85 € x 1,3 Verfahrensgebühr + 20 € Pauschale) x 1,19 wegen MwSt. =

 155,30 €

        

  237,80 €.

Danach wäre die Mindestbeschwer nicht erreicht.

bb)

Abzustellen ist aber hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstands auf die vom Amtsgericht vorgenommene Wertfestsetzung.

Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels und damit auch für die erforderliche Mindestbeschwer ist auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen (BGH, NJW-RR 2002, 145). Spätere Veränderungen können die Zulässigkeit des Rechtsmittels grundsätzlich nicht mehr entfallen lassen (BGH, Versäumnisurteil vom 10.12.2008 – XII ZR 108/05, BeckRS 2009, 04579 Rn. 14; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 61 Rn. 23). Insbesondere kann das spätere Verhalten eines anderen Beteiligten nicht zur Verminderung des Wertes des Beschwerdegegenstands führen. Anders kann es liegen, wenn der Beschwerdeführer selbst willkürlich zu einer Wertverminderung beigetragen hat (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 61 Rn. 18; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 61 Rn. 25). So liegt der Fall hier nicht. Vielmehr ist die Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung, die im Ergebnis dazu führt, dass der Antragsteller durch die Auferlegung sämtlicher Kosten nicht in der selben Weise beschwert ist, wie es nach dem amtsgerichtlichen Beschluss der Fall wäre, auf die fehlerhafte Wertfestsetzung durch das Amtsgericht zurückzuführen.

Stellt man auf den vom Amtsgericht festgesetzten Verfahrenswert von 4.500 € ab, errechnen sich, wie der Antragsteller im Schriftsatz vom 6.6.2012 zutreffend ausgeführt hat, Gerichtskosten in Höhe von 169,50 € und außergerichtliche Kosten in Höhe von 446,13 €, so dass angesichts einer Gesamtsumme von 615,63 € der Beschwerdewert von 600 € überschritten ist.

Dabei ist davon auszugehen, dass der Antragsteller mit seiner Beschwerde eine vollständige Befreiung von Kosten erreichen möchte.

II.

Die Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Das Amtsgericht hätte die Kosten des Verfahrens nicht einseitig dem Antragsteller auferlegen dürfen.

1.

Allerdings hat das Amtsgericht zutreffend eine Kostenentscheidung erlassen. Für die Frage, ob Kosten entstanden sind, kommt es nicht auf die Rechtshängigkeit an.

Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 FamGKG, die für Ehesachen und selbständige Familienstreitsachen eine Fälligkeit der Gerichtsgebühren mit der Einreichung der Antragsschrift anordnet, ist nicht anwendbar. Das ändert aber nichts daran, dass grundsätzlich auch in den anderen Familiensachen davon auszugehen ist, dass Gerichtskosten schon dadurch entstehen können, dass eine Antragschrift eingereicht wird, auch wenn die Fälligkeit dann nach § 11 FamGKG erst später eintritt. Anders ist es nur dann, wenn ein Hauptsacheverfahren ausdrücklich noch nicht betrieben wird, sondern zunächst isoliert Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Verfahren beantragt wird. Dies ist aber bei Antragstellung hinreichend klarzustellen (vgl. BGH, FamRZ 2005, 794; FamRZ 1996, 1142; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf/Gutjahr, 2. Auflage, § 1 Rn. 37).

2.

Die somit nach § 81 FamFG zu treffende Kostenentscheidung führt trotz der Antragsrücknahme nicht zur alleinigen Kostentragung des Antragstellers.

a)

Allerdings bot der Antrag, soweit er sich auf Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Kinder bezieht, mit Rücksicht auf § 3 Abs. 1 GewSchG keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Steht die verletzte oder bedrohte Person im Zeitpunkt einer Tat nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 GewSchG unter elterlicher Sorge, Vormundschaft oder unter Pflegschaft, so treten im Verhältnis zu den Eltern und zu sorgeberechtigten Personen an die Stelle von §§ 1 und 2 GewSchG die für das Sorgerechts-, Vormundschafts- oder Pflegschaftsverhältnis maßgebenden Vorschriften, § 3 Abs. 1 GewSchG. Vorrang haben also, wenn es um den Schutz der Kinder vor ihren Eltern geht, die Vorschriften der §§ 1666, 1666 a BGB (vgl. Reinken, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, Edition 25, § 1 GewSchG Rn. 7 sowie § 3 GewSchG Rn. 1; Heinke, in: Kaiser/Schnitzler/Friederici, NK-BGB, 2. Aufl., § 3 GewSchG Rn. 3; Krüger, in: Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 3 GewSchG Rn. 1).

b)

Es ist aber schon zweifelhaft, ob hier ein Fall nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FamFG vorliegt, wonach einem Beteiligten die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden sollen, wenn der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat oder der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat und der Beteiligte dies erkennen musste gegeben ist. Hinzu kommt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Einbeziehung der Kinder in den Schutzantrag zu höheren Kosten geführt hätte. Insoweit wird auf den Beschluss des Senats vom heutigen Tag im Verfahrenskostenhilfebeschwerdeverfahren (3 WF 96/12) verwiesen.

c)

Jedenfalls entspricht es vorliegend der Billigkeit, von der Erhebung der Kosten ganz abzusehen, § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Denn die Kosten sind vorliegend nur dadurch entstanden, dass das Amtsgericht nach Eingang der Antragsschrift vom 25.1.2012 noch am selben Tag eine Abtrennung einzelner Anträge vorgenommen hat, die sich nicht darauf beschränkt, zwischen Hauptsachverfahren und einstweiligem Anordnungsverfahren zu differenzieren, wobei es sich in der Tat gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG um gesonderte Verfahren handelt. Vielmehr hat das Amtsgericht auch eine Abtrennung vorgenommen, soweit einerseits Maßnahmen nach § 1 GewSchG und andererseits nach § 2 GewSchG beantragt worden sind und schließlich auch das vorliegende Verfahren abgetrennt, in dem es allein um den Schutz der Kinder gehen soll. Es kann dahinstehen, ob insoweit die Voraussetzungen für eine Abtrennung nach § 20 FamFG gegeben waren, ebenso, wenn man dies verneinen wollte, ob ein Fall vorliegt, der die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtigen Sachbehandlung nach § 20 FamGKG zur Folge haben könnte (vgl. dazu OLG München, NJW-RR 1998, 1030; OLG Zweibrücken, JurBüro 2007, 322; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., § 21 GKG Rn. 34). Jedenfalls entspricht es angesichts dieses Verfahrensverlaufs nicht der Billigkeit, aufgrund der zahlreichen Verfahren für jedes einzelne auch Gerichtskosten zu erheben. § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG ermöglicht es, in einem solchen Fall von der Erhebung von Kosten abzusehen.

d)

Soweit es die außergerichtlichen Kosten betrifft, ist von der Anordnung einer Kostenerstattung abzusehen.

In familiengerichtlichen Verfahren ist hinsichtlich der Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, besondere Zurückhaltung geboten (BayObLG, FamRZ 1989, 886, 887; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2009, 998; OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 1303; FamVerf/Gutjahr, § 2 Rn. 204). Auch der Umstand, dass ein Antrag zurückgenommen wird, reicht für sich genommen nicht aus, einem Beteiligten die Kosten allein aufzulegen (BT-Drs. 16/6308, S. 216; FamVerf/Gutjahr, § 2 Rn. 203). In Gewaltschutzsachen kommt zwar eine Einschränkung des Grundsatzes der Zurückhaltung bei der Kostenauferlegung in Betracht, weil die Kosten des Verfahrens aus Billigkeitsgründen meist dem Täter aufzuerlegen sein werden (vgl. OLG Dresden, FamRZ 2003, 1312; FamVerf/Gutjahr, § 4 Rn. 43). Hier aber ist der Täterschutz in anderen Verfahren erfolgt. Das vorliegende Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass es allein auf die Kinder bezogen war und insoweit aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hatte. Es entspricht daher der Billigkeit, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht ebenfalls auf § 81 FamFG. Der Billigkeit entspricht es, aus den genannten Gründen auch für das Beschwerdeverfahren keine Gerichtskosten zu erheben und von der Anordnung außergerichtlicher Kostenerstattung abzusehen.

Der Beschwerdewert entspricht den Kosten, die dem Antragsteller unter Zugrundelegung des vom Amtsgericht festgesetzten Verfahrenswertes von 4.500 € entstanden wären.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.