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Individualbudget - Regelleistungsvolumen - Honorarverteilungsmaßstab Berlin - Bewertungsausschuss


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 25.01.2012
Aktenzeichen L 7 KA 69/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 85 Abs 4 SGB 5

Leitsatz

Sofern ein Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab ab dem 1. April 2005 noch die Bildung eines Individualbudgets vorsieht, verstößt dies gegen § 85 Abs. 4 SGB V und die Vorgaben des Bewertungsausschusses; Individualbudgets stellen kein Steuerungsinstrument dar, das den gesetzlich vorgegebenen Regelleistungsvolumen in seinen Auswirkungen vergleichbar ist.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Februar 2008 geändert, soweit darin die Beklagte für das Quartal II/05 zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet wurde.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, das Honorar der Klägerin für das Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 1/15 und die Klägerin zu 14/15. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erhöhung ihres Individualbudgets (IB), zuletzt nur noch für das Quartal II/05.

Die Klägerin nimmt seit dem 1. Juli 1993 als Fachärztin für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung (fachärztlicher Versorgungsbereich) in Berlin-N teil. Bis zum Ende des Quartals I/05 führte sie mit der Beigeladenen, einer Allgemeinmedizinerin, eine Berufsausübungsgemeinschaft. Seit deren Ende führt sie in denselben Räumen eine Einzelpraxis, während die Beigeladene seither in der Fstraße in Berlin-S eine vertragsärztliche Einzelpraxis betreibt. Für die Zeit nach der Auflösung der Berufsausübungsgemeinschaft wies ihr die Beklagte ein (gewichtetes) IB i.H.v. 418.997 Punkten im Primär- und 211.991 Punkten im Ersatzkassenbereich zu. Der Fachgruppendurchschnitt betrug 380.944 Punkte im Primär- und 291.212 Punkte im Ersatzkassenbereich.

Mit am 9. Mai 2005 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin eine Erhöhung ihres IB, da sich nach der Auflösung der Gemeinschaftspraxis die Zahl der von ihr am alten Stand zu betreuenden Patienten erhöht habe. Mit Bescheid vom 2. August 2005 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Eine Erhöhung des IB könne nur ausnahmsweise in begründeten Fällen nach § 9 Abs. 9 und 10 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) gewährt werden. Da die Beigeladene auf Anfrage mitgeteilt habe, dass es zwischen ihr und der Klägerin keine Vereinbarung in Bezug auf eine dokumentierte Patientenübernahme gebe und sie – die Beigeladene – auf unveränderter Beibehaltung ihres IB bestehe, liege kein Grund im Sinne des HVM für eine Neufestsetzung des IB vor. Dem Widerspruch der Klägerin gab die Beklagte insoweit teilweise statt, als sie ihr IB für das Quartal II/05 im Ersatzkassenbereich „um 10 % vom Fachgruppendurchschnitt“ erhöhte; im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006).

Der auf eine weitere Erhöhung des IB gerichteten Klage gab das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 27. Februar 2008 statt, in dem es den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2006 aufhob und die Beklagte verpflichtete, einen neuen Bescheid unter Beachtung seiner Rechtsauffassung zu erteilen. Zur Begründung führte das Sozialgericht unter anderem aus: Die Klägerin habe – wie bereits von der Beklagten festgestellt – nach der Auflösung der Gemeinschaftspraxis tatsächlich mehrere hundert Patienten von der Beigeladenen aus der Gemeinschaftspraxis übernommen. Sie müsse daher dementsprechend so behandelt werden, als wenn eine Praxisschließung stattgefunden habe. Durch die Übernahme dieser Patienten habe die aufnehmende Praxis ihren Charakter so stark verändert, dass dies ohne Veränderung auch im IB nicht ausgeglichen werden könne. Diese Veränderung entspreche nicht den normalen Schwankungen, denen eine Praxis unterliege. Die Beklagte müsse unter Umständen in Betracht ziehen, dass bei der hier stattgefundenen Fluktuation der Patienten eine Kürzung des IB der Beigeladenen vorgenommen werden müsste.

Gegen dieses ihr am 31. Juli 2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 25. August 2008, zu deren Begründung sie vorbringt: Dem Urteil des Sozialgerichts lasse sich keine rechtlich haltbare Vorgabe für eine Neubescheidung über die Höhe des IB entnehmen. Ferner habe das Sozialgericht völlig unberücksichtigt gelassen, wie sich die Fallzahlen der Klägerin insgesamt entwickelt hätten. In der Gesamtschau liege bei der Klägerin eine Leistungsmengenausweitung vor, der die IB systematisch entgegenwirken sollten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Februar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Klagerücknahme für die Quartale III/05 bis IV/08,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Honorar für das Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Das Sozialgericht hätte die angefochtenen Bescheide zwar hinsichtlich des Quartals II/05 aufheben (hierzu unter I), nicht aber dem Begehren der Klägerin auf Neubescheidung stattgeben dürfen (hierzu unter II). Daher ist die Klage insoweit abzuweisen. Im Übrigen ist die Berufung jedoch unbegründet. Denn der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag der Klägerin hat Erfolg, da die Beklagte im Quartal II/05 nicht mehr berechtigt war, vertragsärztliche Honorare durch ein IB zu begrenzen (hierzu unter III).

I) Der Anfechtungsantrag (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig und begründet.

1) Er ist gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides, der den Antrag auf Neufestsetzung des Individualbudgets ablehnte und auf der Annahme beruhte, dass für den ursprünglich streitigen Zeitraum ab dem Quartal II/05 noch ein Individualbudget festgesetzt werden dürfe. Effektivem Rechtsschutz entspricht es aus Sicht der Klägerin, diesen Bescheid nicht bestandskräftig werden zu lassen.

2) Der Anfechtungsantrag ist auch begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2006 für das Quartal II/05 aufgehoben. In diesen Quartalen durfte die Beklagte das Honorar der Klägerin nicht (mehr) durch ein Individualbudget begrenzen. Denn das Regelungskonzept der IB im HVV der Beklagten ist rechtswidrig. Die für die streitigen Quartale maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen entsprechen weder den gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) (unten a) noch der am 29. Oktober 2004 beschlossenen Übergangsregelung des Bewertungsausschusses (unten b).

a) Gemäß § 85 Abs. 4 SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. November 2003 (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG, BGBl. I S. 2190) verteilt die Beklagte die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte, und zwar getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (Satz 1). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen (Satz 3, 1. Halbsatz). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorzusehen (Satz 6). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina [RLV], Satz 7). Im Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten (Satz 8). Nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, unter anderem erstmalig bis zum 29. Februar 2004 auch den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen. Die nach § 85 Abs. 4a SGB V zu beschließenden bundeseinheitlichen Vorgaben für die regionalen Honorarverteilungsmaßstäbe sind nach § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V Bestandteil der an die Stelle der bisherigen Beschlussfassung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen tretenden HVM-Vereinbarungen nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V, was in seiner rechtlichen Bindungswirkung der Vereinbarung des Bundesmanteltarifvertrages als „allgemeiner Inhalt der Gesamtverträge“ nach § 82 Abs. 1 SGB V entspricht.

aa) Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u.a. durch den Beschluss vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12. November 2004, Seite A-3129) nachgekommen (im Folgenden: BRLV). Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III. 2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumen zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III. 3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumen (III. 3.1 Abs. 4 BRLV).

bb) Diesen Vorgaben wird der im streitigen Zeitraum geltende HVV der Beklagten nicht gerecht, weil er das Honorar der Vertragsärzte wie die schon seit dem 1. Juli 2003 geltenden Honorarverteilungsmaßstäbe durch ein IB begrenzt; hierin liegt ein Verstoß gegen das nach § 85 Abs. 4 SGB V verbindlich vorgegebenen System der Regelleistungsvolumen.

(1) Grundsätzlich steht den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen bei der Vereinbarung der Honorarverteilungsverträge Gestaltungsfreiheit zu, dies jedoch nur, soweit und solange ein höherrangiger Normgeber – insbesondere der Gesetzgeber, aber auch der Bewertungsausschuss – innerhalb der ihm übertragenen Kompetenzen die Materie nicht selbst geregelt hat (vgl. Urteil des BSG vom 18. August 2010, B 6 KA 27/09 R, veröffentlicht in Juris). Im vorliegenden Fall wird der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner bei den Honorarverteilungsregelungen durch die genannten gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V und ferner dadurch maßgeblich eingeschränkt, dass der Bewertungsausschuss durch Beschluss vom 29. Oktober 2004 nach § 85 Abs. 4a Satz 1, 2. Halbsatz SGB V in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung Vorgaben zum Inhalt der Regelungen nach § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V getroffen hat. Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V a.F.) verbindlich vorgegeben (nunmehr: „… sind Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die Leistungen … mit festen Punktwerten zu vergüten sind…“). Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und ihnen dadurch Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und Einkommen gewährt wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden und zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).

(2) Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den hier streitbefangenen Zeitraum vereinbart haben, berücksichtigen die zwingenden gesetzlichen Vorgaben in ihren „Kernpunkten“ (so Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 40) nicht, denn sie sehen weder die Festlegung von arztgruppenspezifischen Grenzwerten vor, bis zu denen die von einer Arztgruppe erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind, noch sehen sie vor, dass die darüber hinaus abgerechneten Punktmengen mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten sind. Die Regelungen des hier angewandten HVV sowie auch die Vorgängerregelungen des HVM sehen vielmehr für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten die Bildung eines individuellen Punktzahlvolumens (IB) vor, innerhalb dessen die Leistungen mit einem im HVV festgelegten Punktwert vergütet werden sollen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 HVV vom 20. Juni 2005).

Das IB wird nach Abzug bestimmter Leistungen im Regelfall aus den individuellen Umsätzen des Durchschnitts des Bemessungszeitraums (Quartale I/02 bis IV/02) und getrennt nach Primär- und Ersatzkassen gebildet. Die um diese Leistungen geminderten Umsätze werden mit dem Faktor 10/0,0511292 multipliziert. Daraus ergibt sich, nach Division durch die Anzahl der Quartale, ein IB je Arzt bzw. Praxis und Quartal. Dieses durchschnittliche IB je Quartal wird zum Ausgleich der Quartalsschwankungen der pauschalierten Gesamtvergütung mit einem Gewichtungsfaktor (Anlage 1 des HVV) versehen. Im Ergebnis erhält jeder Arzt bzw. jede Praxis ein quartalsbezogenes IB für all jene Leistungen, die – vorbehaltlich der Regelungen in § 9 Abs. 3 HVV – mit einem festen Punktwert zu vergüten sind, der im HVV als IB-Punktwert von 4,15 Cent genannt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HVV). Nach § 9 Abs. 4 HVV wird ferner eine Fachgruppenquote ermittelt, die Auswirkungen auf die Vergütung der im Individualbudget erbrachten Leistungen hat. Zur Ermittlung der je Fachgruppe maximal zu einem festen Punktwert zu vergütenden Leistungen (Abs. 2) werden die nach Abs. 3 verringerten Honorarfonds der Fachgruppen durch den Faktor 0,0415 dividiert. Somit ergibt sich je Fachgruppe das maximal zu 4,15 Cent zu vergütende Punktvolumen. Dieses Punktvolumen je Fachgruppe wird durch die Summe der nach Abs. 2 gebildeten IB je Fachgruppe dividiert. Der daraus resultierende Quotient ist die Fachgruppenquote. Die vom Arzt angeforderten Punkte – maximal bis zur Höhe des ermittelten IB – werden mit der jeweiligen Fachgruppenquote multipliziert. Das so ermittelte Punktvolumen wird mit 4,15 Cent vergütet, vgl. § 9 Abs. 5 HVV. Die über dieses Punktvolumen hinaus abgerechneten Leistungen werden mit einem floatenden Punktwert vergütet.

(a) Aufgrund dieser HVV-Regelungen ist es grundsätzlich möglich, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 4,15 Cent nicht allein das nach § 9 Abs. 2 HVV ermittelte individuelle Punktzahlvolumen des Arztes maßgeblich war, sondern das Abrechnungsverhalten der übrigen Ärzte der Fachgruppe. Daraus ergibt sich, dass anders als bei den Regelungen über RLV, bei denen ein zuvor festgelegter Punktwert bis zu einer bestimmten oder bestimmbaren Obergrenze der vom Arzt erbrachten Leistungen gilt, bei den Honorarregelungen der Beklagten nicht im Vorfeld bestimmbar ist, welches Punktzahlvolumen mit einem festen Punktwert vergütet wird. Zudem sieht der HVV der Beklagen auch keine Abstaffelung des Punktwertes für die über das Budget hinaus erbrachten Leistungen vor, wie dies § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V vorgibt. Die Abstaffelung von Vergütungen, die ihr Vorbild in den Maßnahmen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis hat, trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Arztpraxis wesentlich auf der fachlichen Qualifikation und Leistungsfähigkeit des freiberuflich tätigen Vertragsarztes beruht und daher in ihrer Kapazität ohne Qualitätseinbußen nicht erweiterungsfähig ist, wobei auch gleichzeitig der Einspareffekt berücksichtigt wird, der durch eine starke Auslastung der medizinisch-technischen Geräte genutzt wird (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.. B 6 KA 3/11, veröffentlicht in Juris; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand II/10, § 85 RdNr. 262 b).

(b) Schließlich fehlt es in dem HVV der Beklagten auch an arztgruppenspezifischen Festlegungen. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 17. März 2010 (Az.: B 6 KA 43/08 R, veröffentlicht in Juris) ausgeführt hat, erfordert das Merkmal der arztgruppenspezifischen Grenzwerte (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V n.F.), dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt, wobei es nicht ausreicht, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent („Honorartopf“) zugeordnet ist. Vielmehr müsse die Regelung z.B. jedenfalls auf arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen aufbauen. Der den in dem streitbefangenen Zeitraum gebildeten IB zugrunde gelegte HVV der Beklagten enthält indessen keine Elemente arztgruppeneinheitlicher Festlegung, sondern legt der Honorarabrechnung Punktzahlgrenzen zugrunde, die für jede Arztpraxis individuell ausgehend von dem Umsätzen des Jahres 2002 gebildet wurden. Die mit arztgruppenspezifischen Grenzwerten beabsichtige Nivellierung vertragsärztlicher Honorare wird durch IB, die in erster Linie an den praxisindividuellen Leistungsumfang in einem Referenzzeitraum anknüpfen, gerade nicht erreicht. Der HVV der Beklagten verstößt daher gegen § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V.

b) Die Bestimmungen des HVV über das IB widersprechen auch der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2. 2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Dort ist folgendes geregelt:

„Sofern in einer Kassenärztlichen Vereinigung zum 31. März 2005 bereits Steuerungselemente vorhanden sind, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 3 SGB V vergleichbar sind, können diese bis zum 31. Dezember 2005 fortgeführt werden, wenn die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene das Einvernehmen hierzu herstellen. Wird kein Einvernehmen durch die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene hergestellt oder sind solche Steuerungselemente, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar sind, nicht vorhanden, finden Regelleistungsvolumen gemäß 3. mit Wirkung zum 1. April 2005 Anwendung“.

Mit der Bezugnahme auf „vorhandene Steuerungselemente“ erlaubt der Beschluss des Bewertungsausschusses von den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V (arztgruppenspezifische Grenzwerte, Vergütung mit festen Punktwerten, abgestaffelte Punktwerte bei Überschreitung der Grenzwerte) nur dann eine Ausnahme, wenn bereits Steuerungselemente vorhanden sind, deren Auswirkungen mit den Vorgaben der gesetzlichen Regelung vergleichbar sind, und diese Instrumente fortgeführt werden. Hieran fehlt es allerdings (anders noch Urteil des Senats vom 24. November 2010, Az.: L 7 KA 162/07); ein IB stellt kein Steuerungsinstrument dar, das den gesetzlich vorgegebenen Regelleistungsvolumen in seinen Auswirkungen vergleichbar ist. Eine andere Sichtweise hätte eine weitgehende Suspendierung der zwingenden gesetzlichen Vorgaben zur Folge, zu der auch der Bewertungsausschuss nicht berechtigt war.

Den Regelungen über RLV liegt die Vorstellung zugrunde, dass für jeden Arzt ein Leistungsvolumen festgelegt werden soll, das den im Regelfall anfallenden Versorgungs- und Behandlungsbedarf abdecken soll. Dafür ist vorgesehen, dass aus dem Versorgungsumfang der Arztgruppe ein entsprechender Gesamtbehandlungsbedarf ermittelt wird, aus dem sich die arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumina für jede Arztgruppe (§ 85a SGB V) und für jeden einzelnen Arzt ergeben. Im Rahmen dieser Volumina erfolgt eine Vergütung mit festen Punktwerten. Nur soweit ein spezieller weiterer Behandlungsbedarf besteht, soll der Arzt zusätzliches Honorar erhalten können. Das Honorar für Leistungen, die über das RLV hinaus erbracht werden, wird abgestaffelt. Ziel der Regelungen ist es zum einen, dem Vertragsarzt Kalkulationssicherheit bei der Vergütung seiner Leistungen bis zu einer bestimmten Obergrenze zu gewährleisten; zum anderen soll damit einerseits die Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen und andererseits der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Leistungsausweitung begrenzt werden (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.. B 6 KA 3/11, veröffentlicht in Juris, zum ebenfalls IB vorsehenden und von der hiesigen Beklagten weitgehend übernommenen HVV im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein). Zwar zielen auch die Regelungen über Individualbudgets darauf ab, den Ärzten Kalkulationssicherheit zu verschaffen und den Anreiz zur Leistungsausweitung zu vermindern. Allein die Zielsetzung einer Regelung ist jedoch nicht ausreichend, die in § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V genannten Vorgaben zu erfüllen. Maßgeblich kommt es auf die Auswirkungen des jeweiligen Steuerungsinstruments an; diese sind – wie gezeigt – beim Regelleistungsvolumen einerseits und beim IB andererseits verschieden (BSG a.a.O.).

II) Der erstinstanzlich gestellte und im Berufungsverfahren nicht zurückgenommene Verpflichtungsantrag der Klägerin ist zwar zulässig, aber unbegründet. Aus den unter I) 2) genannten Gründen existiert für einen Anspruch auf Erhöhung des IB keine Rechtsgrundlage.

III) Der im Berufungsverfahren erstmals hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

1) Der mit dem Anfechtungsantrag kombinierte Feststellungsantrag (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist sachgerecht; das streitige Rechtsverhältnis besteht insoweit in der Frage, ob die Beklagte überhaupt berechtigt war, das Honorar der Klägerin für das Quartal II/05 durch ein IB zu begrenzen. An einer derartigen Feststellung hat die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 55 Abs. 1, letzter Halbs. SGG. Der Feststellungsantrag ist auch nicht unter dem Aspekt der Subsidiarität unzulässig (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 19 ff. zu § 55); die mit der Anfechtungsklage kombinierte Verpflichtungsklage, gerichtet auf Neufestsetzung eines Individualbudgets für den streitigen Zeitraum, ist – wie unter II) bereits dargelegt – unbegründet. Es kann der Klägerin nicht zugemutet werden, mit einer statthaften Anfechtungs-/Verpflichtungsklage kostenpflichtig zu unterliegen, während sie mit einer Anfechtungs-/Feststellungsklage – wie hier – obsiegen würde. Die im Berufungsverfahren auf Anraten des Senats (§ 106 Abs. 1 Satz 1 SGG) vorgenommene Ergänzung des Klageantrags wäre damit auch sachdienlich im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG.

2) Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Denn im Quartal II/05 war die Beklagte nach dem oben Gesagten nicht mehr berechtigt, das Honorar der Klägerin durch ein IB zu begrenzen.

IV) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 sowie 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt, dass die Klage nur bezüglich eines von ursprünglich 15 streitgegenständlichen Quartale Erfolg hatte.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.