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Nebenleistungen (Säumniszuschläge und Mahngebühren)


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer Entscheidungsdatum 22.05.2012
Aktenzeichen 3 K 495/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 240 AO, § 3 AO, § 2 Abs 1 VwVGKostO BB

Leitsatz

Abgabenrechtliche Nebenleistungen sind streng abhängig (akzessorisch) von der jeweiligen Hauptleistung.

Ihre Festsetzung wird deshalb mit der Aufhebung des Bescheides über die Hauptleistung (Abgabenbescheid) rechtswidrig, es sei denn, dass eine gesetzliche Vorschrift etwas anderes anordnet. Letzteres ist unter anderem der Fall bei Säumniszuschlägen, die nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO von der Aufhebung des Abgabenbescheides unberührt bleiben, nicht aber bei Mahngebühren, für die eine entsprechende Vorschrift fehlt.

Die Festsetzung von Mahngebühren teilt deshalb das rechtliche Schicksal der Hauptleistung. Wird ein Beitragsbescheid aufgehoben, ist auch eine Mahngebühr aufzuheben, die im Rahmen der Vollstreckung dieser Beitragsforderung festgesetzt worden ist.

Tenor

Der Bescheid vom 28. Oktober 2008 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 30. März 2009 werden aufgehoben, soweit der Beklagte damit Mahngebühren in Höhe von 51,10 € festgesetzt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe der beizutreibenden Forderung abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des ..., der seinerseits Eigentümer verschiedener Flurstücke in der vom Beklagten vertretenen Gemeinde ist. Deswegen zog der Beklagte den Kläger mit einem Vorausleistungsbescheid vom 7. Januar 2008 zu Vorausleistungen auf Erschließungsbeiträge in Höhe von 75.155,28 € heran. Der Kläger beglich die Forderung aus diesem Bescheid nicht; er legte gegen den Bescheid Widerspruch ein, der bis heute nicht beschieden ist.

Mit einem Schreiben vom 28. Oktober 2008 mahnte der Beklagte die Begleichung der offenen Beitragsforderung an und setzte zugleich Säumniszuschläge in Höhe von 6.763,50 € und Mahngebühren in Höhe von 51,10 € fest.

Gegen die Festsetzung dieser Nebenforderungen legte der Beklagte am 24. November 2008 Widerspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Vorausleistungsbescheides vom 7. Januar 2008. Zur Begründung erklärte er zunächst, angesichts des noch nicht beschiedenen Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid sei eine Festsetzung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren nicht veranlasst. Im Übrigen setzte er den Beklagten davon in Kenntnis, dass er die Flurstücke aus der Masse freigegeben habe, weshalb er den Beklagten bitte, „sich hinsichtlich offener Gebühren an den Grundstückseigentümer zu wenden“.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2009 (zugestellt per Postzustellungsurkunde am 17. April 2009) wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Festsetzung der Nebenleistungen zurück.

Der Kläger hat am 18. Mai 2009 (Montag) Klage erhoben. Zur Begründung der Klage verwies er unter anderem darauf, er habe das streitgegenständliche Grundstück mit Schreiben vom 6. November 2008 und vom 25. November 2008 aus der Insolvenzmasse freigegeben. Aufgrund der Freigabe hafte der Kläger nicht für die auf dem freigegebenen Grundstück liegenden Lasten. Er könne deshalb auch nicht im Wege eines Vorausleistungsbescheides für Erschließungsbeiträge in Anspruch genommen werden. Deshalb bestehe auch keine Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme mit Nebenleistungen aus derartigen öffentlichen Lasten. Die Festsetzung der Mahn-kosten sei im Übrigen auch deshalb rechtswidrig, weil es ihr nach der Aufhebung des Vorausleistungsbescheides durch Abhilfebescheid vom 20. Dezember 2011 an dem von § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Brandenburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG BB) verlangten, vollstreckbaren Grundverwaltungsakt fehle. Auch die Erhebung von Säumniszuschlägen sei rechtswidrig. Es habe nämlich für den Kläger mit Ablauf des im Vorausleistungsbescheid bezeichneten Fälligkeitstages kein Fall der Säumnis vorgelegen. Denn der Kläger sei nach der Freigabe der veranlagten Grundstücke nicht zur Zahlung der Vorausleistung verpflichtet gewesen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 29. März 2012 auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 13. Februar 2012 und vom 16. April 2012 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid des ... vom 28. Oktober 2008 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 30. März 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung vertritt er u.a. die Auffassung, die mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Oktober 2008 festgesetzten Nebenforderungen seien entstanden, da auf den Vorausleistungsbescheid trotz Fälligkeit nicht gezahlt worden sei. Auf die Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides vom 7. Januar 2008 komme es im vorliegenden Verfahren nicht an. Denn selbst wenn der Vorausleistungsbescheid rechtswidrig gewesen sein sollte, seien Säumniszuschläge kraft Gesetzes entstanden. Die entstandenen Säumniszuschläge würden selbst dann nicht erlöschen, wenn der Bescheid rechtswidrig wäre und deswegen aufgehoben würde. Deshalb blieben die festgesetzten Säumniszuschläge auch nach der Aufhebung des Vorausleistungsbescheides durch den Beklagten mit Abhilfebescheid vom 20. Dezember 2011 unverändert bestehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die – soweit wesentlich – Gegenstand der Entscheidung des Einzelrichters waren.

Entscheidungsgründe

Der Einzelrichter konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 13. Februar 2012 und vom 16. April 2012 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage, die sich gegen die Festsetzung von Nebenleistungen in der Mahnung vom 28. Oktober 2008 richtet, ist insgesamt zulässig, hat aber in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger damit die Aufhebung der Festsetzung von Mahngebühren in Höhe von 51,10 € begehrt (1.). Hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen in Höhe von 6.763,50 € bleibt der Klage hingegen der Erfolg versagt (2.).

1.

Die Festsetzung der Mahngebühren erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Zwar ist durch die Mahnung (§ 259 der Abgabenordnung – AO – in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VwVG BB) die Mahngebühr gem. § 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (BbgKostO) entstanden.

Diese Mahngebühr ist aber als steuerliche Nebenleistung grundsätzlich streng abhängig (akzessorisch) von der Hauptleistung (§ 3 Abs. 4 AO in Verbindung mit § 1 Abs. 3 und § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg – KAG –). Diese Akzessorietät von Nebenleistungen wird nur insoweit durchbrochen, als dies ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist (Klein, AO, 9. Auflage, § 3 RN 26). Eine solche Bestimmung gibt es u.a. in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO in Verbindung mit § 1 Abs. 3 und § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG für Säumniszuschläge, die nach dieser Vorschrift auch durch die Aufhebung der Hauptforderung (Abgabenfestsetzung) nicht berührt werden. Für Mahngebühren fehlt eine entsprechende Vorschrift, so dass es bei der Abhängigkeit der Nebenleistung bleibt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – OVG 9 N 10.10 –). Infolgedessen wird die Festsetzung einer Mahngebühr mit der Aufhebung der Abgabenfestsetzung rechtswidrig (OVG Bautzen, Urteil vom 12. Oktober 2005 – 5 B 471/04 –, zitiert nach Juris).

Für den vorliegenden Fall ist deshalb mit der Aufhebung des Vorausleistungsbescheides vom 7. Januar 2008 durch den Abhilfebescheid vom 20. Dezember 2011 auch die Grundlage für die Festsetzung der Mahngebühren entfallen.

2.

Anders verhält es sich im Hinblick auf die Säumniszuschläge.

Insofern ergibt sich aus § 240 Abs. 1 Satz 4 AO in Verbindung mit § 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG und der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschlüsse vom 09. Dezember 2010 – OVG 9 N 10.10 – und vom 14. März 2011 – 9 N 71.10 –, beide zitiert nach Juris), dass die Rechtmäßigkeit und der Fortbestand des Vorausleistungsbescheides keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der – im vorliegenden Verfahren allein streitbefangenen – Forderung von Säumniszuschlägen ist, die entstanden sind, weil der Kläger auf die – unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit – vollziehbare Vorausleistungsforderung trotz Fälligkeit nicht gezahlt hat.

Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung des Vorausleistungsbescheides für den streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 2008 bis zum 28. Oktober 2008 durch den Beklagten oder ein Gericht ausgesetzt worden wäre, lassen sich nach wie vor weder dem Verwaltungsvorgang noch dem Vortrag der Beteiligten entnehmen.

Die erst mit Schreiben vom 6. November 2008 und vom 25. November 2008 erklärte Freigabe der veranlagten Grundstücke aus der Insolvenzmasse wirkt sich auf die bereits zuvor eingetretene Säumnis und deren Folgen nicht aus. Selbst wenn man davon ausgehen würde, der – ursprünglich richtigerweise gegenüber dem Insolvenzverwalter erlassene – Vorausleistungsbescheid sei durch die (nachträgliche) Freigabe rechtswidrig geworden, hätte dies doch nur zur Folge, dass der Vorausleistungsbescheid im laufenden Widerspruchsverfahren aufzuheben gewesen wäre. Die Aufhebung des Bescheides hätte aber nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt gelassen.

Damit wird – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht der „insolvenzrechtlich vorgesehene Erfolg der Freigabe“ eingeschränkt. Der Insolvenzverwalter hat es vielmehr in der Hand, die Säumnisfolgen nach den für jedermann geltenden Vorschriften abzuwenden, indem er entweder bei Fälligkeit unter Vorbehalt leistet oder rechtzeitig die Aussetzung der Vollziehung beantragt, die bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides regelmäßig rückwirkend auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses anzuordnen wäre. Dass er einen Aussetzungsantrag im vorliegenden Fall erst in dem Widerspruchsschreiben vom 17. November 2008 mehr als neun Monate nach Erlass des Vorausleistungsbescheides gestellt hat, findet seine (unbekannte) Ursache allein in der Sphäre des Insolvenzverwalters.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Danach waren die Kosten insgesamt dem Kläger aufzuerlegen, weil der Beklagte nur hinsichtlich der Mahngebühren in Höhe von 51,10 € unterlegen ist und dieser Betrag nur einen geringen Teil (weniger als ein Prozent) der insgesamt streitigen Nebenforderungen in Höhe von 6.814,60 € darstellt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO genannten Gründe vorliegt, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.