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Entscheidung 2 T 14/12


Metadaten

Gericht LG Potsdam 2. Zivilkammer Entscheidungsdatum 19.04.2012
Aktenzeichen 2 T 14/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Potsdam – Insolvenzgericht – vom 04.01.2012 (35 IN 410/11) aufgehoben und die Sache auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht Potsdam – Insolvenzgericht – zurückverwiesen.

Gründe

Auf die statthafte und zulässige Beschwerde des Schuldners war der angefochtene Beschluss des Insolvenzgerichts vom 04.01.2012 (35 IN 410/11) aufzuheben und an das Amtsgericht – Insolvenzgericht – zurückzuverweisen.

1.) Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den angefochtenen Beschluss des Insolvenzgerichts vom 04.01.2012 (35 IN 410/11) ist statthaft und zulässig.

Gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts über Anträge gem. § 36 Abs. 4 InsO ist gem. §§ 36 Abs. 1 - 3 InsO i.V.m. § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gem. §§ 567ff ZPO das statthafte Rechtsmittel. Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts über Anträge nach § 36 Abs. 4 InsO darüber, was zur Insolvenzmasse gehört, sind nicht Entscheidungen des Insolvenzgerichts gem. § 6 Abs. 1 InsO, gegen die mangels ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht gegeben ist und gegen die daher die befristete Erinnerung statthaft ist (vgl. dazu Ganter in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 6 Rdnr. 6, 12, 13, 58f). Bei Entscheidungen des Insolvenzgerichts darüber, welche Gegenstände des Schuldners als unpfändbar nicht zur Insolvenzmasse gehören gem. § 36 InsO handelt dieses vielmehr funktionell als Vollstreckungsgericht (vgl. dazu die Entscheidung des IX. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 21.02.2008 – IX ZR 202/06, MDR 2008, 828, zitiert nach juris.de.). Denn gem. § 36 Abs. 1 InsO richtet sich die Unpfändbarkeit von Gegenständen des Schuldner nach den Vorschriften über den Pfändungsschutz in der Zivilprozessordnung, §§ 850ff ZPO (vgl. dazu Ganter in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 6 Rdnr. 15; Lackmann in: Musielak, Zivilprozessordnung, 9. Aufl. 2012, § 764 Rdnr. 2). Der Rechtsmittelzug richtet sich für solche Entscheidungen nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften. Für Entscheidungen in Verfahren betreffend die Unpfändbarkeit von Gegenständen des Schuldners nach §§ 36 Abs. 1, 2 InsO ist daher die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO statthaft, wenn – wie es hier der Fall ist, da das Insolvenzgericht über einen Antrag des Schuldners entschieden hat – eine Entscheidung des Insolvenzgerichts angegriffen wird (vgl. Ganter in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2007, § 6 Rdnr. 15, 68, Stöber in: Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Aufl. 2012, § 892 Rdnr. 31).

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist auch zulässig; sie form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 04.01.2012 ist dem Schuldner am 17.01.2012 zugestellt worden; die Beschwerdeschrift ist am 25.01.2012 bei dem Insolvenzgericht eingegangen, §§ 793, 569 ZPO.

2.) Die sofortige Beschwerde des Insolvenzschuldners gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 04.01.2012 hat in der Sache insoweit Erfolg, als dieser aufzuheben und zur Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Insolvenzgerichts zurückzuverweisen ist, §§ 36 Abs. 4, 793, 572 ZPO. Das Insolvenzgericht hat sich mit dem Vorbringen des Insolvenzschuldners in der Sache nicht auseinandergesetzt, weil es die Antragsbefugnis des Insolvenzschuldners gem. § 36 Abs. 4 InsO verneint hat. Dies hat es jedoch zu Unrecht getan.

Gem. § 36 Abs. 4 InsO, 850ff ZPO kann der Insolvenzschuldner Pfändungsschutz beantragen. Im allgemeinen Vollstreckungsverfahren kann ein Vollstreckungsschuldner sich im Wege der Beschwerde gegen die Pfändung dem Pfändungsschutz unterliegender Gegenstände wehren (vgl. dazu Stöber in: Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Aufl. 2012, § 829 Rdnr. 29ff). Dies gilt gem. § 36 Abs. 1, 4 InsO i.V.m. § 850ff ZPO auch für den Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzschuldner ist gem. § 36 Abs. 4 InsO antragsberechtigt, wenn er erreichen möchte, dass seine Gegenstände nicht dem Beschlag unterliegen, weil sie – nach seiner Auffassung – unpfändbar gem. §§ 850ff ZPO sind. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem durch den Verweis in § 36 Abs. 1 InsO auf die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Pfändungsschutz gem. §§ 850ff ZPO zum Ausdruck gebrachten Zweck der Vorschrift, nämlich als Korrektiv zu § 35 InsO den Schuldner auch im Insolvenzverfahren vor „Kahlpfändung“ zu schützen (vgl. dazu Peters in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 36 Rdnr. 1). Soweit in § 36 Abs. 4 InsO erwähnt ist, dass anstelle der Gläubiger der Insolvenzverwalter antragsberechtigt ist, ergibt sich daraus nicht, dass nur dieser Antragsbefugnis hat. Es handelt sich nach dem Zweck der Vorschrift und der Gesetzessystematik vielmehr um die Klarstellung, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht jeder einzelne Gläubiger, wie im allgemeinen Vollstreckungsverfahren, sondern anstelle dieser der Insolvenzverwalter antragsberechtigt sein soll (vgl. dazu Peter in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 36 Rdnr. 40). Es handelt sich bei der Bejahung des Antragsrechts des Insolvenzschuldners gem. § 36 Abs. 4 InsO auch keineswegs um eine Mindermeinung (vgl. dazu die vorzitierte Entscheidung des IX. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes).

Da sich das Insolvenzgericht nicht mit dem Vorbringen des Schuldners in der Sache selbst auseinandergesetzt hat, war der angefochtene Beschluss nach ordnungsgemäßem Ermessen zur Wahrung des Instanzenzuges aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung – wie tenoriert – zurückzuverweisen, § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. Ball in: Musielak, Zivilprozessordnung, 9. Aufl. 2012, § 572 Rdnr. 16).