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Entscheidung 1 W 5/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 30.03.2010
Aktenzeichen 1 W 5/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Januar 2010 - 14 O 316/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 71.466,96 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf die Übertragung von Wertpapieren nach einer beendeten nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Anspruch.

In der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2009 stellten die Parteien keine Anträge, nachdem die Einzelrichterin rechtliche Hinweise gegeben und die Klägerin für eine „Umstellung der Klage und Konkretisierung im Hinblick auf die heutigen Hinweise“ einen Zeitraum von mindestens ein bis zwei Monaten für erforderlich gehalten hat. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 beantragte der Beklagte dem Verfahren Fortgang zu geben. Die Einzelrichterin bestimmte einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 2. Dezember 2009. Die Klägerin beantragte die „Aufhebung“ dieses Termins und ersuchte einen neuen Termin nicht vor Mitte Januar 2010 anzuberaumen. Zur Begründung verwies die Klägerin auf die zwischenzeitlichen Vergleichsverhandlungen der Parteien sowie auf ein Schreiben vom 19. November 2009 an den Beklagten. Der Beklagte widersprach der Verlegung des Termins. Die Einzelrichterin teilte mit Verfügung vom 30. November 2009 mit, dass keine ausreichenden Gründe für eine Terminverlegung im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO vorlägen. Weiter heißt es: „Insbesondere kann die mangelnde Vorbereitung zum Termin kein ausreichender Grund sein, da im Sinne der Parteien schon einmal deswegen vertagt wurde. Außerdem ist aus dem Schreiben vom 19.11.2009 zu erkennen, dass eine Vorbereitung möglich, aber anhand des selbst ausgerechneten Ergebnisses ein Anspruch nicht erkennbar sein dürfte.“ (Bl. 140 r, 146 d. A.)

Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2009 lehnte die Klägerin die Einzelrichterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab und führte zur Begründung aus, dass dem Antrag des Beklagten auf Fortsetzung des Verfahrens stattgegeben worden sei, ohne ihr rechtliches Gehör zu gewähren. Zudem hätte ihr vor einer Terminierung zu den Ausführungen des Beklagten die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt werden müssen. Weiter habe die Einzelrichterin in der Begründung zur Ablehnung der Verlegung des Termins darauf hingewiesen, dass nach dem Schreiben vom 19. November 2009 ein Anspruch nicht erkennbar sein dürfte. Dies begründe die Besorgnis der Befangenheit, da die Richterin offensichtlich nicht den gesamten Prozessstoff bei ihrer vorläufigen Bewertung beachtet habe. Sonst hätte sie ohne weiteres erkennen können, dass das Schreiben vom 19. November 2009 nur einzelne Schritte umfasse, ein weiterer erforderlicher Schritt mit diesem Schreiben jedoch nicht getan worden sei, was sich aber aus dem weiteren Vortrag ergebe. Ergänzend wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 2. September 2009 (Bl. 147 - 149 d. A.) verwiesen.

Die abgelehnte Richterin hat am 2. Dezember 2009 Stellung genommen (Bl. 150 d. A.).

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2009 hat eine weitere Einzelrichterin das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 2. Dezember 2009 für unbegründet erklärt. Gegen den am 9. Dezember 2009 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit einem am 21. Dezember 2009 eingegangenem Fax sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit Beschluss vom 11. Januar 2010 hat die Zivilkammer der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vorgelegt. Die Zivilkammer hat zur Begründung ausgeführt, dass die Entscheidung vom 9. Dezember 2009 zwar formell fehlerhaft sei, weil die Einzelrichterin, nicht aber wie § 45 ZPO voraussetze, die Kammer über das Ablehnungsgesuch entschieden habe, in der Sache sei der Beschluss vom 9. Dezember 2009 zutreffend und dies im Einzelnen begründet.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 46 Abs. 2, 567, 569 ZPO).

Die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter an einem Kollegialgericht wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nach der Neuregelung der Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348 a ZPO allein durch § 45 Abs. 1 ZPO bestimmt. Somit ist die Kammer unter Ausschluss der abgelehnten Richterin zuständig (BGH, NJW 2006, 2492; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 46 Rdnr. 2 m.w.N.). Zutreffend hat das Landgericht daher in seinem Beschluss vom 11. Januar 2010 ausgeführt, dass die Kammer ohne Beteiligung der abgelehnten Richterin zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen gewesen wäre. Nachdem sich die Kammer auch in der Sache mit dem Vorliegen von Ablehnungsgründen gegen die Einzelrichterin in seinem Nichtabhilfebeschluss umfassend auseinandergesetzt und diese für nicht gegeben erachtet hat, sieht sich der Senat an einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde in der Sache nicht gehindert (vgl. OLGR Saarbrücken 2007, 372; entgegen OLG Frankfurt a.M. in OLGR Frankfurt 2004, 115).

Das Landgericht hat in der Sache auch zutreffend entschieden. Die Ausführungen der Beschwerdeschrift führen zu keinem anderen Ergebnis. Umstände, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen, sind weder dargetan oder sonst erkennbar. Ausreichend und erforderlich für ein Ablehnungsgesuch ist ein Sachverhalt, der aus der Sicht des Ablehnenden als einer ruhig und vernünftig denkenden Partei bei Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit eines Richters zu zweifeln; es muss ein Grund vorliegen, der vernünftigerweise die Befürchtung rechtfertigt, dass der Richter nicht unparteiisch sachlich entscheiden werde (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rdnr. 8 f. m.w.N.).

Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerde vom 21. Dezember 2009 sich allein noch darauf stützt, dass ein richterlicher Hinweis ergangen sei, ohne ihre Ausführungen vollständig zu berücksichtigen, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes. Die Ablehnung der Richterin kann insoweit nur bei Verstößen gegen das prozessuale Gleichbehandlungsverbot, bei Anhaltspunkten für die negative Einstellung des Richters gegenüber einer Partei unter Bevorzugung der anderen oder bei willkürlicher Benachteiligung unter Behinderung einer Partei bei der Ausübung ihres Rechts gerechtfertigt sein. Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Rechtsanwendung der Richterin sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Es sei denn, es werden Gründe dargelegt, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der Richterin gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht; das Ablehnungsverfahren dient nämlich nicht der Überprüfung richterlicher Entscheidung auf etwaige Rechtsfehler und ist kein Instrument der Verfahrens- und Fehlerkontrolle (BGH, NJW 2002, 2396).

Soweit die Klägerin rügt, dass die Richterin eine vorläufige Rechtsauffassung ohne Berücksichtigung eines Schriftsatzes vom 5. Februar 2009 kundgetan habe, war ein Schriftsatz vom 5. Februar 2009 in der Akte nicht festzustellen. Soweit auf einen Schriftsatz vom 11. Februar 2009 (Bl. 45 f. d. A.) abgestellt werden soll, ist zu berücksichtigen, dass am 17. Juni 2009 eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte, in der die Richterin rechtliche Hinweise gegeben hat. Die Klägerin hat daraufhin eine Umstellung der Klage erwogen. In der dafür selbst avisierten Zeitspanne von ein bis zwei Monaten hat die Klägerin nicht ergänzend Stellung genommen, sondern erst mit Schriftsatz vom 26. November 2009 im Zusammenhang mit dem auf Antrag des Beklagten anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung. Sofern die Richterin nunmehr vorläufige rechtliche Hinweise in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erteilt hat, entspricht dies der ihr obliegenden Pflicht zur materiellen Prozessleitung gem. § 139 ZPO. Diese richterlichen Hinweise geben, da sie rechtzeitig erteilt worden sind, der Klägerin die Möglichkeit zur Stellungnahme noch vor oder ggf. in der mündlichen Verhandlung, um ihre Rechtsansichten darzulegen oder ggf. ergänzend zur Tatsachengrundlage vorzutragen. Anhaltspunkte, dass das prozessordnungsgemäße Verhalten der Richterin auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber Klägerin oder gar auf Willkür beruht, sind nicht gegeben. Es ist insbesondere dem Schriftsatz der Klägerin vom 26. November 2009 nicht zu entnehmen, dass an Teilen des bisherigen Vorbringens, welches vor Erteilung der rechtlichen Hinweise erfolgt ist, weiter festgehalten werden soll.

Ergänzend ist anzumerken, dass die Terminierung der mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beklagten, nachdem das Verfahren infolge der Nichtstellung von Anträgen zum Ruhen gekommen ist, ebenfalls keinen Ablehnungsgrund darstellt. Vielmehr hat die Richterin auch hier in Übereinstimmung mit der ZPO gehandelt und auf Antrag des Beklagten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt. Das Nichtsetzen einer Frist zur Stellungnahme für die Klägerin gibt ebenfalls keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ablehnungsgründen. Gemäß § 282 Abs. 1 ZPO hat jede Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so rechtzeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Es oblag mithin der Klägerin im eigenen Interesse so rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen, dass der Beklagte die erforderlichen Erkundigungen noch einzuziehen vermag (§ 282 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entspricht der Gegenstandswert für das Richterablehnungsverfahren dem vollen Wert des zu Grunde liegenden Rechtsstreits (Senat NJW-RR 2000, S. 1091, 1092).

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist (Zöller-Gummer, ZPO, 28. Aufl., § 543 Rdnr. 11). Klärungsbedürftig ist die Frage, ob zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Senat auch dann berufen ist, wenn der angegriffene Beschluss durch den Einzelrichter, der Nichtabhilfebeschluss aber durch die Kammer des Landgerichts erlassen worden ist.