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Entscheidung 8 Sa 1226/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 8. Kammer Entscheidungsdatum 14.12.2012
Aktenzeichen 8 Sa 1226/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 10 Abs 4 AÜG

Leitsatz

Equal Pay, keine wirksame Vereinbarung nach § 9 Nr. 2 AÜG, kein Verfall

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.05.2012 – 50 Ca 3464/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Gewährung von Arbeitsbedingungen nach dem „Equal-pay-Gebot“ des § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG für die Zeit von Januar 2008 bis April 2011.

Der Kläger war bei der Beklagten, die gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung betreibt, auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 2. August 2005 (Anlage K 1, Blatt 5 - 16 der Akten) als Monteur beschäftigt. Die Parteien vereinbarten im Arbeitsvertrag unter anderem:

§ 1 Vertragsgegenstand/Tarifanwendung

4. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zur Zeit die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitunternehmen e.V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag). Im Falle eines Verbandswechsels des Arbeitgebers gelten die Bestimmungen der dann einschlägigen Tarifwerke. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird, gilt dessen Inhalt.

§ 14 Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen

1. Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.

2. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutender Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Diese Ausschlussfrist gilt nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden.

3. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

…..

§ 16 Sonstiges

….

8. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, die unwirksame Bestimmung durch eine Bestimmung zu ersetzen, die dem ursprünglichen erklärten Willen beider Vertragsparteien am nächsten kommt.

9. Ergänzend zu diesem Vertrag sowie den sonstigen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien und den Betriebsordnungen des Arbeitgebers gelten die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung. Dies sind zur Zeit die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitunternehmen e.V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag), die auf Wunsch des Mitarbeiters im Personalbüro des Arbeitgebers eingesehen werden können. Im Falle eines Verbandwechsels des Arbeitgebers gelten die Bestimmungen der dann einschlägigen Tarifwerke. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird, gilt dessen Inhalt.

Unter dem 13. Dezember 2005/22. Januar 2006 schlossen die Parteien die „Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 02.08.2005“ (Anlage B 6, Blatt 61 der Akten) mit u. a. folgendem Inhalt:

„Die Arbeitsbedingungen zwischen den Parteien richten sich mit Wirksamwerden der Verschmelzung des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) und der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ) durch Eintragung der Verschmelzung in das Vereinsregister nach den Regelungen der zwischen dem AMP und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, und nicht mehr nach den zwischen der INZ und der CGZP abgeschlossenen Tarifverträgen…..“

Unter dem 4. Mai 2010 schlossen die Parteien eine „Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 2. August 2005“ (Anlage B 7, Blatt 62 bis 63 der Akten), in der es unter anderem heißt:

„1. Mit Wirkung vom 01.01.2010 erhält § 2 Absatz 1 des Arbeitsvertrages folgende Fassung:

Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) einerseits und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV), dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) und der Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) andererseits abgeschlossenen Tarifverträge, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag, Manteltarifvertrag für die Auszubildenden, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträge West und Ost sowie Beschäftigungssicherungstarifvertrag, in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.

…“

Der Kläger war im Streitzeitraum bei der Firma L. eingesetzt. Auf eine Anfrage des Klägers teilte die Firma L. mit Schreiben vom 15. September 2011 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 28. September 2011, Blatt 177 bis 178 der Akten) unter anderem mit:

„…

Die Vergütung unserer Mitarbeiter erfolgt nach den Tarifverträgen für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg mit den entsprechenden Ausschlussfristen. Dabei kommen ab Januar 2008 die Entgeltbestandteile nach unserem Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) zur Anwendung.

Ihr Mandant ist derzeit in unserem Unternehmen als Zeitarbeitnehmer in der Abteilung Tele- und Auslegemontage, Arbeitsplatz R62 beschäftigt. Die vergleichbaren bei der L.-Werk Ehingen GmbH angestellten Mitarbeiter werden wie folgt vergütet.

Grundentgelt EG 7
Tarifliches Leistungsentgelt (Gruppenprämie 22,25 %)
Belastungszulage 1 Punkt

Die sich daraus ergebenen Entgelte entnehmen Sie bitte den im jeweiligen Jahr gültigen tariflichen Entgelttabellen.

….“

Mit Schreiben vom 9. Mai 2012 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 10. Mai 2012, Blatt 355 der Akten) erteilte die Firma L. dem Kläger folgende weitere Auskunft:

„Sehr geehrte Frau L.,

wir nehmen Bezug auf Ihre Mail vom 25.04.2012 und teilen Ihnen die Arbeitsplätze mit auf denen Herr K. ab dem 01.01.2008 eingesetzt war inkl. der entsprechenden Entgeltgruppe nach ERA-TV:

01.01.2008 – 29.01.2008 R20 EG6 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

30.01.2008 – 27.02.2008 R00; R10 EG5 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

28.02.2008 – 04.03.2008 R30 EG7 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

05.03.2008 – 25.03.2008 R20 EG6 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

26.03.2008 – 31.03.2008 R30 EG7 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

01.04.2008 – 08.12.2008 R20 EG6 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

09.12.2008 – 22.01.2009 R30 EG7 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

23.01.2009 – 04.02.2009 R20 EG6 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

05.02.2009 – 30.03.2009 R30 EG7 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

31.03.2009 – 30.06.2009 R20 EG6 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

01.07.2009 – 07.01.2011 RG0 EG7 – 1 Belastungspunkt – Leistungszulage durch Beurteilung*

10.01.2001 – 30.09.2011 R62 EG7 – 1 Belastungspunkt – 22,25 % Leistungszulage

*Mitarbeiter an vergleichbaren Arbeitsplätzen erhalten ein tarifliches Leistungsentgelt nach der Methode Beurteilen. Dieses Leistungsentgelt kann laut Tarifvertrag zwischen 0 % und 30 % liegen, wobei im Unternehmensdurchschnitt von 15 % ausgegangen wird.“

Mit der am 7. März 2011 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger weiteres Entgelt für die Zeit von Januar 2008 bis April 2011 verlangt. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansprüche für nicht gegeben, jedenfalls für verfallen gehalten und der Höhe nach bestritten.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.

Durch das Urteil vom 31. Mai 2012 hat das Arbeitsgericht wie folgt erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 63.872,65 Euro brutto (dreiundsechzigtausendachthundertzweiundsiebzig 65/100) zu zahlen zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB aus 54.960,11 Euro seit dem 09.03.2011, aus weiteren 4.598,74 Euro seit dem 12.06.2011, aus weiteren 1.504,24 Euro seit dem 10.08.2011 und aus weiteren 2.809,56 Euro seit dem 02.10.2011

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben bei einem Streitwert von 68.641,12 Euro der Kläger zu 7/10 und die Beklagte zu 93/10 zu tragen.

III. Der Streitwert für dieses Urteil wird auf 63.872,65 Euro festgesetzt

und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe für den Streitzeitraum gem. § 10 Abs. 4 AÜG Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das im Betrieb des Entleihers einem Stammarbeitnehmer gezahlt werden, da die Parteien arbeitsvertraglich keine abweichende Regelung im Sinne des § 9 Nr. 2 AÜG getroffen hätten. Der Arbeitsvertrag vom 25. August 2005 nebst Änderungsvereinbarung vom 13. Dezember 2005 nehme zwar Bezug auf die von der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträge, diese seien jedoch im Hinblick auf die fehlende Tariffähigkeit der CGZP unwirksam. Auf Vertrauensschutz könne sich die Beklagte nicht berufen, da der gute Glaube auf die Tariffähigkeit einer Vereinigung nicht geschützt sei. Auch für die Zeit ab 1. Januar 2010 liege keine wirksame Vereinbarung eines niedrigeren Entgelts vor, weil die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel in der Änderungsvereinbarung gemäß § 307 Abs. 1 BGB sowohl nach ihrem Wortlaut als auch im Hinblick auf die Änderung von § 2 des Arbeitsvertrags intransparent und damit unwirksam sei. Dem Kläger stehe der Anspruch auch der Höhe nach zu, denn er habe ihn auf der Grundlage der Auskunft der Firma L. unter Zugrundelegung der jeweils niedrigsten Entgeltgruppe unter Abzug des bezogenen Bruttoentgelts ohne Berücksichtigung der Erstattung von Mehraufwendungen zutreffend berechnet, während die Einwendungen der Beklagten unsubstantiiert seien. Die Ansprüche seinen auch nicht verfallen, denn die einzelvertragliche Vereinbarung einer Ausschlussfrist von zwei Monaten sei unwirksam und eine wirksame Bezugnahme auf einen wirksamen Tarifvertrag liege nicht vor. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 392 bis 399 der Akten) verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 28. Juni 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Juni 2012 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung, die die Beklagte mit einem am 23. Juli 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin meint weiterhin, dass dem Arbeitsverhältnis der Parteien ein wirksam vereinbarter und auch wirksamer Tarifvertrag zugrunde gelegen habe, weil aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2012 keine Rechte hergeleitet werden könnten. Überdies habe eine konkludente Vereinbarung eines anderen gültigen Tarifvertrages vorgelegen, denn die Tarifverträge des MVZ mit der CGZP seien auf Seiten der CGZP im Namen deren Mitgliedsgewerkschaften abgeschlossen worden. Auch könnten unwirksame Tarifverträge Gegenstand eines Arbeitsverhältnisses sein. Auch bei einem fehlerhaften Tarifvertrag sei zu untersuchen, ob die Parteien auch bei unterstellter Kenntnis des Formmangels dessen Anwendung gewollt hätten, was vorliegend anzunehmen sei. Das Gericht sei auch nicht auf § 16 Nr. 8 des Arbeitsvertrags eingegangen, wonach die Parteien sich verpflichtet hätten, im Falle einer unwirksamen Bestimmung diese durch eine Bestimmung zu ersetzen, die dem ursprünglich erklärten Willen beider Vertragsparteien am nächsten komme. Die in 2008 auf drei Monate verlängerte tarifliche Ausschlussfrist führe selbst bei Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP im Hinblick auf die dynamische Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag zum Verfall der vermeintlichen Ansprüche des Klägers. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht der Beklagten Vertrauensschutz versagt, jedenfalls könne die Unwirksamkeit der Tarifverträge allenfalls ex nunc, das heißt ab dem 14. Dezember 2010 wirken. Ab Januar 2010 liege auf der Grundlage der Änderungsvereinbarung vom 6. April 2010 zudem eine wirksame anderweitige tarifvertraglich gültige Regelung vor, indem der mehrgliedrige AMP-CGM-Tarifvertrag in Bezug genommen worden sei. Soweit das Arbeitsgericht hinsichtlich der Anspruchshöhe ein wirksames Bestreiten der Beklagten für nicht gegeben gehalten habe, verkenne es die Beweislast und übergehe, dass der Vortrag des Klägers nicht geeignet sei, die tatsächlichen Voraussetzungen der Entgeltgruppe 6 ab 1. Januar 2008 und der Entgeltgruppe 7 ab 1. September 2008 zu belegen. Es werde nach wie vor bestritten, dass vermeintlich vergleichbare Stammarbeitnehmer des Kunden in dem benannten Zeitraum in einer EG6 mit 14,75 Euro (zu 100 %) und 18,03 Euro (zu 125 %), mit Überstundenzulage von 4,51 Euro und Nachtzulagen von 3,61 Euro pro Stunde vergütet worden seien. Sie könne nicht feststellen, ob der Kunde die Einordnung des Klägers aufgrund der Tätigkeitsart oder zumindest auch aufgrund von Berufsausbildung und -erfahrung vorgenommen habe und müsse bestreiten, dass der Kläger die von ihm beschriebenen Tätigkeiten zu den von ihm benannten Zeiträumen ausgeführt habe. Sie habe und benötige keine genauen Kenntnisse über die beim Entleiher vom überlassenen Personal verrichteten Tätigkeiten und habe auch keinen entsprechenden Auskunftsanspruch. Schließlich sei es rechtsfehlerhaft, die steuerfreien Zulagen nicht anzurechnen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Mai 2012 zum Az.: 50 Ca 3464/11 abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 23. Juli 2012 (Blatt 430 bis 449 der Akten), der Berufungsbeantwortung vom 28. August 2012 (Blatt 454 bis 459 der Akten) und der Replik vom 28. September 2012 (Blatt 460 bis 461 der Akten) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage im zuletzt beantragten Umfang stattgegeben und dabei den Anspruch des Klägers gemäß § 10 Abs. 4 AÜG dem Grunde und der Höhe nach für gegeben und insbesondere nicht für verfallen gehalten. Das Arbeitsgericht hat dabei den ihm von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt vollständig gewürdigt, die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zutreffend ausgelegt und die Höhe der Forderung für schlüssig dargelegt und die Einwendungen der Beklagten als nicht erheblich angesehen. Das Berufungsgericht teilt die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts und schließt sich deshalb den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung an und sieht von einer Wiederholung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1.

Der Kläger als Leiharbeitnehmer kann von der Beklagten für den gesamten Streitzeitraum gemäß § 10 Abs. 4 AÜG die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen, denn weder der Arbeitsvertrag vom 2. August 2005 nebst Ergänzungsvereinbarung vom 13. Dezember 2005/22. Januar 2006 noch die Änderungsvereinbarung vom 4. Mai 2010 beinhalten die wirksame Vereinbarung eines abweichenden Tarifvertrags nach § 9 Nr. 2 AÜG dar.

1.1

Soweit die Parteien in ihrem Arbeitsvertrag vom 2. August 2005 nebst Änderungsvereinbarung die Anwendung der von der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträge vereinbart haben, handelt es sich – nach rechtskräftiger Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP für den gesamten Streitzeitraum – um unwirksame Tarifverträge.

1.1.1

Die Einwendungen der Beklagten in Bezug auf den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2012 (24 TaBV 1285/11) sind rechtlich unerheblich, denn der Beschluss im Verfahren gemäß § 97 ArbGG ist nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2012 (1 ABN 27/12) rechtskräftig und entfaltet Wirkung gegenüber jedermann (vgl. BAG, Beschluss vom 23.05.2012 – 1 AZB 67/11 – NZA 2012, 625).

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Rechtsfolgen gemäß § 10 Abs. 4 AÜG erst mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eingetreten seien, denn die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG stellt die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit einer Vereinigung nur fest und entfaltet ihre Wirkungen nicht erst mit der Rechtskraft des Beschlusses.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auch auf Vertrauensschutz, denn der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung wird nicht geschützt (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.2006 – 10 AZR 665/05 – NZA 2007, 448).

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der hier vertretenen Rechtsauffassung auch nicht das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes aus Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz entgegen, insbesondere hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Beschluss vom 14. Dezember 2010 weder eine bisherige Rechtssprechung geändert noch ist es von einer etwa herrschenden Meinung zu den Voraussetzungen der Ableitung der Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation von der Tariffähigkeit ihrer Mitgliedsverbände abgewichen, so dass ein schützenswerter Vertrauenstatbestand der Beklagten nicht erkennbar ist (vgl. dazu mit ausführlicher Begründung LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.06.2012 – 24 Sa 213/12 – zitiert nach Juris).

1.1.2

Für die konkludente Vereinbarung eines anderen Tarifvertrags sind der Vertragsurkunde keine Anhaltspunkte zu entnehmen, es sind auch keine Umstände dargelegt oder ersichtlich, die einen solchen Schluss zuließen, so dass dahinstehen kann, ob eine solche Vereinbarung überhaupt die Rechtsfolgen gem. § 9 Ziffer 2 AÜG auslösen könnte.

1.1.3

Die Vereinbarung eines unwirksamen Tarifvertrags ist nicht geeignet, den gesetzlichen Anspruch gem. § 10 Abs. 4 AÜG auszuschließen (vgl. BT-Drucksache 17/5238, Seite 16 zu Buchstabe d), so dass entgegen der Auffassung der Beklagten eine wirksame Vereinbarung nicht aus der Lehre vom fehlerhaften Tarifvertrag hergeleitet werden kann (vgl. dazu LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.06.2002 – a.a.O).

1.1.4

Soweit die Beklagte schließlich auf § 16 Nr. 8 des Arbeitsvertrags vom 2. August 2005 verweist, hat sie weder dargelegt, dass sie mit dem Kläger eine entsprechende Vereinbarung getroffen noch, dass sie dem Kläger – vergeblich – den Abschluss einer Änderungsvereinbarung angetragen hat.

1.2

Für die Zeit ab 1. Januar 2010 haben die Parteien ebenfalls keine wirksame Vereinbarung im Sinne des § 9 Nr. 2 AÜG getroffen, denn die Vereinbarung in Ziffer 1 der Änderungsvereinbarung vom 4. Mai 2010 ist unwirksam.

1.2.1

Dies folgt – wie auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt hat – bereits daraus, dass sich die vorliegende, von der Beklagten gestellte Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag, die einer Inhaltskontrolle zu unterziehen ist (vgl. BAG, Urteil vom 9. Mai 2007 – 4 AZR 319/06 – DB 2008, 874) bereits deshalb als intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB erweist, weil in Ziffer 1 der Änderungsvereinbarung § 2 Absatz 1 des Arbeitsvertrags geändert wird, in dem sich allerdings unter der Überschrift „Beginn, Probezeit, Dauer und Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ Regelungen über ein unbefristetes Arbeitsverhältnis finden, während die Bezugnahmeklausel in § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrags offenbar unverändert fort gelten sollte. Damit war für den Kläger bereits nicht ausreichend deutlich erkennbar, welche konkrete Bezugnahmeklausel für sein Arbeitsverhältnis ab 1. Januar 2010 Gültigkeit haben sollte.

1.2.2

Das Berufungsgericht teilt auch die Rechtsauffassung des in dem angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. September 2011 (7 Sa 1318/11, DB 2012, 119), wonach die Klausel auch wegen der Verweisung auf die Tarifverträge zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. einerseits und der CGZP, der CGM, der DHV, dem BIGD, dem ALEB sowie der medsonet andererseits, mithin auf insgesamt sechs Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge verwiesen wird. Auch wenn es sich dabei um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne handelte, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen Betrachtungsweise, weil dabei lediglich mehrere Tarifverträge in einer Urkunde zusammengefasst sind, die von den jeweiligen Tarifvertragsparteien autonom kündbar sind (vgl. BAG, Urteil vom 8.11.2006 – 4 AZR 590/05 – NZA 2007, 576), so dass Gegenstand der Bezugnahmeklausel die verschiedenen Tarifverträge sind, ohne dass eine Regelung darüber enthalten ist, welcher der möglichen Tarifverträge unter welchen Voraussetzungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll. Die dadurch entstandene Unklarheit benachteiligt den Kläger unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB (so auch für ein – unklares – Änderungsangebot BAG, Urteil vom 15.01.2009 – 2 AZR 641/07 – DB 2009, 1299).

2.

Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht verfallen.

2.1

Die einzelvertragliche Verfallklausel in § 14 Nr. 1 des Arbeitsvertrags vom 2. August 2005 sieht eine Ausschlussfrist für die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen von zwei Monaten vor und ist nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit BAG, Urteil vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149), der sich das Berufungsgericht anschließt, unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

2.2

Eine Vereinbarung der Parteien einer – daneben oder stattdessen – geltenden tariflichen Verfallklausel eines wirksamen Tarifvertrags liegt nicht vor. Der in dem Arbeitsvertrag vom 2. August 2005 vereinbarte Tarifvertrag ist wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksam, durch die Änderungsvereinbarung vom 4. Mai 2010 ist – wie unter Ziffer 1.2 festgestellt – ein anderer Tarifvertrag nicht wirksam in Bezug genommen worden.

2.3

Den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien kann auch nicht entnommen werden, dass sie eine in einem unwirksamen Tarifvertrag enthaltene Verfallklausel – anstelle – der unwirksamen einzelvertraglichen Klausel vereinbarten wollten. Dafür fehlt es an den nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 22. Januar 2002 – 9 AZR 601/00 – NZA 2002, 1041) erforderlichen Anhaltspunkten dafür, dass die Parteien abweichend vom Auslegungsgrundsatz, dass sie regelmäßig einen Tarifvertrag nur so in Bezug nehmen wollen, wie er auch tariflichrechtlich gilt (vgl. BAG, Urteil vom 7.12.1977 – 4 AZR 474/76 – DB 1978, 356), vorliegend ohne Rücksicht auf dessen Wirksamkeit die Regelungen eines Tarifvertrags vereinbarten wollten. Diesem Verständnis steht auch entgegen, dass – anderes als die Berufung geltend macht – der Konflikt zwischen einzelvertraglicher und tarifvertraglicher Verfallklausel nicht nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst werden kann, weil die Verlängerung von Verfallfristen nicht günstiger ist, da sie sich auf Ansprüche beider Parteien auswirkt. Widersprüchliche Verfallfristen benachteiligen den Arbeitnehmer vielmehr unangemessen, da sie ihn von der Geltendmachung von Ansprüchen, die nach einer einzelvertraglichen Verfallklausel bereits erloschen sein könnten, abhalten könnte.

3.

Die Ansprüche des Klägers sind auch der Höhe nach begründet.

3.1

Der Kläger hat seine Ansprüche schlüssig, rechnerisch nachvollziehbar und richtig auf der Grundlage der Auskunft des Entleihers vom 9. Mai 2012 dargelegt. Der Kläger hat sich dabei hinsichtlich der seiner Berechnung zugrunde gelegten Entgeltgruppe an der Auskunft orientiert, so dass er auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht gehalten war, darüber hinaus im Einzelnen die Erfüllung der Eingruppierungsvoraussetzungen darzulegen. Vielmehr war es Aufgabe der Beklagten, den schlüssigen Vortrag des Klägers auf erhebliche Weise zu bestreiten, wobei eine Erklärung mit Nichtwissen nicht ausreicht. Die Beklagte übersieht, dass ihr gegenüber dem Entleiher ein Auskunftsanspruch über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG zusteht, weil die Voraussetzungen für eine abweichende Vereinbarung mit dem Leiharbeitnehmer in Sinne des § 9 Nr. 2 AÜG nicht vorgelegen haben. Dass die Beklagte diesen Auskunftsanspruch - vergeblich - geltend gemacht hat und deshalb zu einem substantiierten Bestreiten nicht in der Lage war, hat sie nicht behauptet.

3.2

Soweit der Kläger das von der Beklagten geleistete Fahrgeld und die Übernachtungspauschalen bei seiner Vergleichsberechnung nicht berücksichtigt hat, teilt das Berufungsgericht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es sich insoweit um Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB handelt, der den Besonderheiten des Leiharbeitsverhältnisses geschuldet ist und deshalb den Anspruch auf Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts im Sinnes des § 10 Abs. 4 AÜG nicht mindert.

4.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.