Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 09.09.2015 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 B 17.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 WasG BB |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. Mai 2012 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. Juli 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2011 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücken in der Gemeinde W.... Die Gemeinde ist Mitglied des Wasser- und Bodenverbandes "..., wird von diesem wegen der Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung nach dem Flächenmaßstab zu einem Gewässerunterhaltungsbeitrag herangezogen und legt diesen - wiederum nach dem Flächenmaßstab - auf die Grundstückseigentümer um.
Die am 19. Juni 2007 mit Rückwirkung auf den 1. Februar 2004 beschlossene Umlagesatzung der Gemeinde (Umlagesatzung 2007 - US 2007) sah hierzu vor, dass die Gemeinde kalenderjährlich die von ihr im Vorjahr an den Verband gezahlten Verbandsbeiträge auf die Eigentümer bzw. Erbbauberechtigten der grundsteuerpflichtige Grundstücke umlegt (§ 2 US 2007). Umlageschuldner war derjenige, der zum 31. Dezember des Vorjahres Eigentümer oder Erbbauberechtigter war (§ 3 US 2007).
Die am 10. März 2009 mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2009 beschlossene Umlagesatzung der Gemeinde (Umlagesatzung 2009 - US 2009) sah demgegenüber vor, dass die Gemeinde kalenderjährlich die von ihr in dem betreffenden Jahr an den Verband zu zahlenden Verbandsbeiträge auf diejenigen umlegt, die zu Beginn des Jahres Eigentümer und Erbbauberechtigte waren (vgl. § 2, 3 und 6 Satz 1 US 2009). In § 7 US 2009 war überdies geregelt, dass für vor Inkrafttreten dieser Satzung entstandene Verbandsbeiträge die Umlagesatzung 2007 fortgelten sollte. Die Umlagesatzung 2009 enthielt keine Regelung eines konkret festgelegten Umlagesatzes.
Mit Umlagebescheid vom 5. Juni 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. Juli 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2011 zog der Beklagte den Kläger zu Gewässerunterhaltungsumlagen in Bezug auf die von der Gemeinde für die Jahre 2006 bis 2008 zu zahlenden Gewässerunterhaltungsbeiträge heran, wobei als Veranlagungsjahr die Jahre 2007 bis 2009 angegeben waren. Bei einem Umlagesatz von 4,31 Euro/ha betrug die Umlage für
Fläche | Betrag | |
das Veranlagungsjahr 2007 (umgelegt Beitrag 2006) | 1.956,13 ha | 8.430,92 € |
das Veranlagungsjahr 2008 (umgelegt Beitrag 2007) | 2.033,20 ha | 8.763,09 € |
das Veranlagungsjahr 2009 (umgelegt Beitrag 2008) | 2.033,20 ha | 8.763,09 € |
25.957,10 € |
Der Kläger erhob Widerspruch. Mit Änderungsbescheid vom 21. Juli 2011 reduzierte der Beklagte die Umlage für das Veranlagungsjahr 2007 um 3.325,47 Euro und für das Veranlagungsjahr 2008 um 7,37 Euro. Insgesamt forderte er danach nur noch einen Betrag von 22.624,26 Euro. Den gleichwohl aufrecht erhaltenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2011 zurück. Der Widerspruchsbescheid ging dem Kläger am 2. November 2011 zu.
Der Kläger hat am 1. Dezember 2011 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 21. Mai 2012 abgewiesen, aber die Berufung zugelassen. Das Urteil ist dem Kläger am 26. Juni 2012 zugegangen. Er hat am 26. Juli 2012 Berufung eingelegt und diese erstmalig am 27. August 2012 (Montag) begründet.
Der Kläger bringt unter anderem vor, in den Gewässerunterhaltungsbeitrag für die Jahre 2006, 2007 und 2008 - und damit in die Gewässerunterhaltungsumlagen für 2007, 2008 und 2009 - seien auch die Kosten der Einsätze eines Wegegraders eingegangen, die indessen mit der Gewässerunterhaltung nichts zu tun gehabt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. Mai 2012 abzuändern und den Umlagebescheid vom 5. Juni 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21. Juli 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angegriffenen Bescheid für rechtmäßig.
In der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2015 hat der Geschäftsführer des Wasser- und Bodenverbandes Auskunft zum Einsatz des Wegegraders, den dabei angefallenen Kosten und deren Finanzierung gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angegriffene Umlagebescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid kann sich nicht auf eine wirksame satzungsmäßige Rechtsgrundlage stützen. Die insoweit allein in Betracht kommende, auf den 1. Februar 2004 zurückwirkende Umlagesatzung 2007 hat spätestens mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 gegen höherrangiges Recht verstoßen. Der in ihrem § 5 Abs. 1 geregelte Umlagesatz von 4,31 Euro/ha hat spätestens seitdem Kosten umfasst, für deren Umlage nach dem Flächenmaßstab keine gesetzliche Grundlage bestanden hat (1); dieser Fehler ist auch nicht wegen Geringfügigkeit unbeachtlich (2).
1. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 BbgWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 2004 (GVBl. I 2005, S. 50) bestimmt sich die Bemessung der Beiträge für die Gewässerunterhaltungsverbände nach dem Verhältnis der Flächen, mit denen die Mitglieder am Verbandsgebiet beteiligt sind. Diese Vorschrift gilt nach wie vor.
Nach dem hier noch anwendbaren § 80 Abs. 2 Satz 1 BbgWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 2004 (GVBl. I 2005, S. 50) konnten die Gemeinden die von ihnen an die Verbände zu zahlenden Verbandsbeiträge sowie die bei der Umlegung der Verbandsbeiträge entstehenden Verwaltungskosten nach dem Maßstab des § 80 Abs. 1 Satz 1 auf die Grundstückseigentümer der grundsteuerpflichtigen Grundstücke umlegen. Auch seinerzeit hat die Umlage ihre abgabenrechtliche Legitimation aus dem Umstand erfahren, dass bei typisierender Betrachtung alle Grundstücke im Einzugsgebiet eines Gewässers zu dessen Unterhaltungsbedarf beitragen (zu dieser Legitimation: OVG Bln-Bbg, Urteil vom 7. Juli 2015 - OVG 9 B 18.13 -, juris, Rn. 25). Das bedeutet indessen, dass in die Umlage nur die Kosten der Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung eingehen durften.
Das ist hier nicht der Fall gewesen. Ausweislich der Auskunft des Verbandsgeschäftsführers sind in den Gewässerunterhaltungsbeitrag des Wasser- und Bodenverbandes für die Jahre 2006 bis 2008 - und damit in die hier in Rede stehenden Gewässerunterhaltungsumlagen für die Jahre 2007, 2008 und 2009 auch die Betriebskosten (Sach- und Personalkosten) für den Einsatz eines Wegegraders im Zuge der Unterhaltung von unbefestigten Straßen und Wegen im Verbandsgebiet eingegangen, und zwar für das Jahr 2006 in Höhe von 10.355 Euro, im Jahr 2007 in Höhe von 9.503 + 12.920 Euro (= 22.423 Euro) und im Jahr 2008 in Höhe von 10.193 Euro. Es ist auch nach dem Vortrag des Beklagten und der Auskunft des Verbandsgeschäftsführers nicht einmal im Ansatz ein Grund dafür ersichtlich, diese Kosten der Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung zuzuordnen.
2. Gemessen an der Gesamtbeitragssumme des Wasser- und Bodenverbandes im Jahr 2006 (508.661 Euro), im Jahr 2007 (508.680 Euro) und im Jahr 2008 (508.687 Euro) beträgt der Anteil der zu Unrecht umgelegten Kosten 2,036 vom Hundert (2006), 4,408 vom Hundert (2007) und 2,004 vom Hundert (2008), was bedeutet, dass der Umlagesatz von 4,31 Euro/ha im Jahr 2007 um ca. 8 Cent, im Jahr 2008 um ca. 19 Cent und im Jahr 2009 wiederum um ca. 8 Cent überhöht gewesen ist. Dies ist hier nicht wegen der vom Senat angenommenen Bagatellgrenze von jedenfalls 3 % unbeachtlich (vgl. zu dieser Grenze das Urteil des Senats vom 7. Juli 2015 - OVG 9 B 18.13 -, juris, Rn. 31). Denn es ist nicht gerechtfertigt, diese Bagatellgrenze in Bezug auf solche Fehler gelten zu lassen, die in dem Sinne gröblich sind, dass sie auf einem missbräuchlichen, also bewusst fehlerhaften Ansatz beruhen. Wegen der Nähe zum Missbrauch stehen dem Ansätze gleich, die nicht nur auf einem einfachen, sondern auf einem schweren und offenkundigen Rechtsverstoß beruhen. Für die Beurteilung der Schwere und der Offenkundigkeit des Rechtsverstoßes ist dabei auf die zeitliche Perspektive der Kalkulation und das abzustellen, was von den damals Handelnden erwartet werden musste (vgl. Urteil des Senats vom 7. Juli 2015 a. a. O.). Von den damals Handelnden musste indessen hier erwartet werden, dass von der Umlage der in Rede stehenden Kosten auf die Grundstückseigentümer abgesehen wurde; nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung war auch aus ihrer Sicht offenkundig, dass es nicht um Gewässerunterhaltungskosten gegangen ist, sondern um Kosten für reine Straßen- und Wegeunterhaltung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr.10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.