Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat | Entscheidungsdatum | 07.03.2013 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 27 P 84/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 14 SGB 6, § 15 SGB 6 |
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht abgetrennt ist.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Pflegegeldes nach der Pflegestufe II für die Zeit ab dem 1. August 2010 bis zum 30. November 2011.
Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich pflegepflichtversichert. Die Klägerin ist verheiratet, lebt jedoch getrennt von ihrem Ehemann, der ihre Pflege übernommen hat, in einer 1 1/2-Zimmer-Wohnung. Zudem wird die Klägerin pflegerisch von ihren beiden Söhnen und einer Bekannten versorgt.
Aufgrund eines Fahrradunfalls am 10. Dezember 2002, in dessen Folge eine Versteifungsoperation des 1. Lendenwirbelkörpers durchgeführt werden musste, bezog die Klägerin zunächst Leistungen der Pflegestufe II ab dem 01. März 2006. Infolge von pflegerischen Nachbegutachtungen bezieht die Klägerin seit dem 01. Dezember 2008 Leistungen der Pflegestufe I in Form eines Pflegegeldes.
Die Klägerin, die an den Gesundheitsstörungen
- chronisches Schmerzsyndrom mit Somatisierungstendenz
- Abnutzungserscheinungen des Skelettsystems, Zustand nach Wirbelsäulenverletzung, Gefühlsstörungen
- anamnestisch: MCS-Syndrom (Überempfindlichkeit gegen chemische Substanzen)
- Allergien gegen diverse Substanzen, Metallüberempfindlichkeit, Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Hör- und Sehschwäche
- Blasenschwäche
- Untergewicht, Magen/Darmleiden
- anamnestisch fragliche Multiple Sklerose
- psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit multiplen Organbeschwerden
leidet, beantragte am 28. September 2010 die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II in Form eines Pflegegeldes. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Untersuchung der Klägerin zur Feststellung des Hilfebedarfes durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Die mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Pflegesachverständige Sch stellte nach Untersuchung der Klägerin in der häuslichen Umgebung vom 21. Oktober 2010 in ihrem Gutachten vom 22. Oktober 2010 einen wöchentlich im Tagesdurchschnitt anfallenden Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von 59 Minuten (40 Minuten im Bereich der Körperpflege, 5 Minuten im Bereich der Ernährung und 14 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten fest. Dem folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 den Höherstufungsantrag ab. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht, weil der wöchentlich im Tagesdurchschnitt erforderliche Pflegebedarf nicht mindestens 3 Stunden betrage, wobei mindestens 2 Stunden auf die Grundpflege entfallen müssten.
Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgte der Kläger ihr Begehren auf Leistungen der Pflegestufe II in Form eines Pflegegeldes ab dem 1. August 2010 weiter.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben über den Umfang der Pflegebedürftigkeit der Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Ärztin W. Diese gelangte nach Begutachtung der Klägerin in der häuslichen Umgebung vom 29. August 2011 in ihrem Gutachten von demselben Tag nebst ergänzender Stellungnahme vom 02. November 2011 zu der Einschätzung, dass der Hilfebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 68 Minuten (50 Minuten im Bereich der Körperpflege, 5 Minuten im Bereich der Ernährung und 13 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 113 Minuten betrage.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. November 2011 hat das Sozialgericht Berlin gestützt auf vorgenanntes Gutachten die Klage abgewiesen.
Gegen den ihr am 29. November 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. Dezember 2011 Berufung eingelegt.
Zur Begründung nimmt sie auf das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten der Pflegesachverständigen B Bezug. Die Sachverständige gelangt in ihrem nach körperlicher Untersuchung der Klägerin in der häuslichen Umgebung vom 07. Dezember 2011 erstatteten Privatgutachten vom 13. Dezember 2011 nebst ergänzender Stellungnahme vom 02. Dezember 2012 zu der Einschätzung eines wöchentlich im Tagesdurchschnitt anfallenden Pflegebedarfes im Bereich der Grundpflege von 126 Minuten (83 Minuten im Bereich der Körperpflege, 16 Minuten im Bereich der Ernährung und 27 Minuten im Bereich der Mobilität) sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 71 Minuten.
Der Senat hat sodann von Amts wegen die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Die Sachverständige gelangt in ihrem nach körperlicher Untersuchung der Klägerin in der häuslichen Umgebung vom 19. Dezember 2012 erstatteten Gutachten vom 21. Dezember 2012 zu der Einschätzung eines wöchentlich im Tagesdurchschnitt anfallenden Pflegebedarfes im Bereich der Grundpflege von 77 Minuten (39 Minuten im Bereich der Körperpflege, 8 Minuten im Bereich der Ernährung und 30 Minuten im Bereich der Mobilität) sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 60 Minuten.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Sachverständige Dr. B den Pflegebedarf zu gering angesetzt habe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. März 2013 hat der Senat das Verfahren für die Zeit ab dem 1. Dezember 2012 abgetrennt. Insoweit wird der Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen L 27 P 14/13 fortgeführt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2011 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum 30. November 2011 Leistungen der Pflegeversicherung in Form eines Pflegegeldes der Pflegestufe II unter Anrechnung des bereits gewährten Pflegegeldes der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass das Gutachten der Sachverständigen B durch die übrigen medizinischen Ermittlungen widerlegt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die zulässige Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin ist im Hinblick auf den vorliegend - nach Abtrennung - allein noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 30. November 2011 unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage jedenfalls insoweit abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 ist in diesem Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf das begehrte Pflegegeld der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum 30. November 2011. Der Kläger erfüllt für diesen Zeitraum die Voraussetzungen für eine Schwerpflegebedürftigkeit nicht, da bei ihr ein wöchentlich im Tagesdurchschnitt erforderlicher Pflegebedarf von mindestens drei Stunden, wobei mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen müssen (vgl. §§ 14, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch/ Elftes Buch – SGB XI -), nicht vorliegt. Der Senat folgt insoweit dem schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten der Sachverständigengutachten W, die anhand ihrer - gerade im Verlauf des hier strittigen Zeitraumes erfolgten - Begutachtung im August 2011 überzeugend dargelegt hat, dass im Bereich der Grundpflege der wöchentlich im Tagesdurchschnitt anfallender Hilfebedarf lediglich 68 Minuten beträgt, so dass die zeitlichen Vorgaben für eine Schwerpflegebedürftigkeit (mindestens 2 Stunden Grundpflege) nicht erreicht werden.
Dem stehen die Feststellungen und Einschätzungen der Sachverständigen B in ihrem Gutachten vom 13. Dezember 2011 jedenfalls für die - hier nach Abtrennung alleine relevante - Zeit vor dem 1. Dezember 2011 nicht entgegen. Eine Einschätzung zum Hilfebedarf für vergangene Zeiträume hat die Sachverständige B, die die Klägerin erst am 7. Dezember 2011 in der häuslichen Umgebung begutachtet hat, nicht getroffen. Vielmehr beschreibt die Sachverständige in ihrem Gutachten allein einen Ist-Zustand zum Pflegebedarf ab Dezember 2011. Ob der Pflegebedarf für die Zeit ab Dezember 2011 von der Sachverständigen B zutreffend ermittelt worden ist, braucht indes im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden zu werden. Auch die übrigen medizinischen Ermittlungen und Feststellungen bieten keinen Anhalt dafür, dass ein Hilfsbedarf im Umfang der zeitlichen Vorgaben der Pflegestufe II für den Zeitraum bis zum 30. November 2011 nachgewiesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.