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Entscheidung 3 WF 61/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 20.08.2013
Aktenzeichen 3 WF 61/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 114 ZPO

Leitsatz

1. Die Beteiligten können gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. In Gewaltschutzsachen besteht eine solche Dispositionsbefugnis.

2. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich grundsätzlich auf den Abschluss eines Vergleichs, der allein zur Erledigung des Verfahrensgegenstandes geschlossen wird.

3. Die Prüfung von Mutwilligkeit bei Abschluss eines Vergleichs und gleichzeitiger Beantragung von Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe wird aber nur angenommen, soweit es um die vergleichsweise Regelung eines Gegenstandes geht, der über den eigentlichen Verfahrensgegenstand hinausreicht.

4. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich grundsätzlich auf die Kosten eines Vergleichs. Regelt dieser aber auch andere Gegenstände als den Streitgegenstand, so muss hierfür erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt werden.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … in F… auch für den Vergleich vom 27. März 2013 bewilligt, soweit Gegenstand des Vergleichs das Gewaltschutzverfahren ist.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Antragsgegner anzuordnen. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Beide Beteiligten haben Verfahrenskostenhilfe beantragt.

Im Termin vor dem Amtsgericht vom 27.3.2013 haben die beteiligten Eheleute einen Vergleich geschlossen, in dem sie sich wechselseitig verpflichtet haben, sich einander nicht auf eine Entfernung von 50 m zu nähern. Ferner haben sie sich dahin geeinigt, dass die Antragstellerin, nachdem der Antragsgegner ihr eine Liste über seine persönlichen Sachen überreicht hat, diese Sachen für ihn bereitstellen werde, und er ferner berechtigt sein soll, sein Werkzeug mitzunehmen. In einem ergänzenden Vergleich haben die Beteiligten vereinbart, dass die Kosten des Verfahrens wie auch die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden sollen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 18.4.2013 hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, es habe für ihr Begehren angesichts der einander widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen der Beteiligten und der damit nicht gegebenen Glaubhaftmachung für das Begehren der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestanden. Dem Antragsgegner hat das Amtsgericht für das erstinstanzliche Verfahren Verfahrenkostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt, zugleich aber Verfahrenskostenhilfe für den am 27.3.2013 geschlossenen Vergleich abgelehnt. Insoweit hat es die Auffassung vertreten, der Vergleich habe nicht zu Lasten der Staatskasse geschlossen werden dürfen. Für einen Vergleichsabschluss habe keine Veranlassung bestanden. Schließlich hat das Amtsgericht in jenem Beschluss den Verfahrenswert für die Gewaltschutzsache auf 1.000 € und für den Vergleich bezüglich der persönlichen Sachen auf 500 € festgesetzt.

Gegen die Entscheidung über die teilweise versagte Verfahrenskostenhilfe wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Er macht geltend, das Gericht sei gesetzlich gehalten, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Die Form des Vergleichs habe man gewählt, da sie die Aussicht biete, dass eine Verschärfung des Konflikts zwischen den Ehegatten künftig nicht zu befürchten sei.

Durch Beschluss vom 16.5.2013 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit Verfügung vom gleichen Tag hat es Kopien der Akte der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) zugeleitet mit der Bitte um Prüfung „der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Verfahrensbeteiligten wegen der wechselseitigen widerstreitenden eidesstattlichen Versicherungen“.

II.

Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann Verfahrenskostenhilfe für den am 27.3.2013 geschlossenen Vergleich nicht insgesamt versagt werden.

1.

Soweit es den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens, Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, betrifft, ist dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Die Beteiligten können gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. In Gewaltschutzsachen besteht eine solche Dispositionsbefugnis (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf -/Schael, 2. Aufl., § 4 Rn. 35). Dem steht nicht entgegen, dass das Gericht in Gewaltschutzsachen – anders als in den sonstigen Verfahren nach dem FamFG – auf eine gütliche Einigung der Beteiligten nicht hinwirken soll, § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Wenn die Beteiligten sich von sich aus verständigen, steht dem Abschluss des Vergleichs jedenfalls nichts entgegen.

Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich grundsätzlich auf den Abschluss eines Vergleichs, der allein zur Erledigung des Verfahrensgegenstandes geschlossen wird (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 119 Rn. 25). Möchte das Gericht – wie hier – den Vergleich von der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ausnehmen, kann dies zunächst allenfalls unter dem Gesichtspunkt fehlender Erfolgsaussicht geschehen (vgl. auch Zöller/Geimer, a.a.O., § 114 Rn. 27 a). Das Amtsgericht hat vorliegend aber selbst angenommen, dass die Rechtsverteidigung des Antragsgegners hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO.

Das Amtsgericht scheint jedoch davon ausgegangen zu sein, dass der Vergleichsabschluss mutwillig im Sinne von § 114 ZPO ist. Die Prüfung von Mutwilligkeit bei Abschluss eines Vergleichs und gleichzeitiger Beantragung von Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe wird aber nur angenommen, soweit es um die vergleichsweise Regelung eines Gegenstandes geht, der über den eigentlichen Verfahrensgegenstand hinausreicht (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 550). So liegt der Fall hier in Bezug auf die Vereinbarung hinsichtlich der Anordnung von Gewaltschutzmaßnahmen nicht.

Im Übrigen finden sich hier keine Anhaltspunkte von Mutwillen auf Seiten des Antragsgegners. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner nach Einschätzung des Amtsgerichts im Hauptsacheverfahren mangels hinreichender Glaubhaftmachung seitens der Antragstellerin obsiegt hätte, spricht nicht für die Annahme von Mutwillen. Insoweit reicht schon der Umstand, dass der Vergleich, den die Beteiligten geschlossen haben, auch dazu geeignet war, ein etwaiges Hauptsacheverfahren hinsichtlich des Gewaltschutzes zu vermeiden. In einem etwaigen Hauptsacheverfahren aber wäre das Begehren der Antragstellerin nicht allein unter dem Gesichtspunkt fehlender Glaubhaftmachung ohne Erfolgsaussicht geblieben. Denn insoweit hätte das Amtsgericht von Amts wegen die notwendigen Feststellungen treffen, gegebenenfalls auch die bei den behaupteten Auseinandersetzungen anwesenden Personen als Zeugen vernehmen müssen, § 26 FamFG.

2.

Soweit der Vergleich der Beteiligten über den Regelungsgegenstand nach dem Gewaltschutzgesetz hinaus eine Vereinbarung hinsichtlich der Herausgabe von Gegenständen enthält, scheidet die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe aus.

Dabei kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen ein den eigentlichen Verfahrensgegenstand überschreitender Vergleich unter dem Gesichtspunkt von Mutwillen nicht mit einer Verfahrenskostenhilfebewilligung versehen werden kann (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, a.a.O.). Denn vorliegend fehlt es bereits an dem insoweit erforderlichen Antrag.

Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich grundsätzlich auf die Kosten eines Vergleichs. Regelt dieser aber auch andere Gegenstände als den Streitgegenstand, so muss hierfür erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt werden (OLG Koblenz, FamRZ 2001, 1394; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 137, 138; Zöller/Geimer, a.a.O., § 119 Rn. 25). Ein solcher Antrag ist hier nicht gestellt worden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1912 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG sowie §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.