Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 33. Senat | Entscheidungsdatum | 22.03.2013 | |
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Aktenzeichen | L 33 R 669/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 43 SGB 6, § 240 SGB 6 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1955 geborene Kläger absolvierte laut Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SVA) vom 01. September 1972 bis zum 9. Juli 1974 eine Ausbildung zum Elektrosignalmechaniker bei der Deutschen Reichsbahn (DR). Anschließend war er kurzzeitig bis zum 27. August 1974 als Signalwerker bei der DR beschäftigt, danach arbeitete er zunächst als 2. Monteur im Aufzugbau bis zum 18. Oktober 1976. Nach eigenen Angaben erlitt er am 24. Juli 1975 eine Scherbenverletzung im Bereich der rechten Hand mit Medianusverletzung. Im Zeitraum vom 06. Dezember 1976 bis zum 27. Juli 1987 ging er verschiedenen Beschäftigungen nach: Lagerist, Transportarbeiter, Elektromechaniker, Einrichter/Vorarbeiter, technischer Assistent / Laborant, Hausmeister, Betriebshandwerker und Leiter Lagerwirtschaft. Ab dem 28. Juli 1987 ging er in der DDR keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nach. Nach eigenen Angaben richtete er sich ein Tonstudio ein, war Bandmanager und vermietete Musikanlagen. Nach der Wende wandelte er das Tonstudio in eine Gaststätte/Bar um, die er bis zum 31. Dezember 1998 betrieb (vgl. die Gewerbeabmeldung vom 07. Januar 1999). Laut eigenen Angaben betrieb er danach noch mindestens eine Gaststätte (vgl. die Angaben im EÖT vom 11. Februar 2011, bei Dr. A am 19. April 2012 sowie in seiner zuletzt eingereichten Stellungnahme zum Gutachten des Dr. A). Pflichtversicherungsbeiträge wurden nicht entrichtet. Vom 02. Mai 2000 bis zum 02. Mai 2001 war der Kläger versicherungspflichtig beschäftigt als Tontechniker/Kameraassistent. Die Beschäftigung umfasste laut Arbeitsvertrag vom 27. April 2000 auch die Wartung der Kameratechnik sowie der Fahrzeuge und Büroarbeiten. Seither ist der Kläger arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Der letzte Pflichtbeitrag wurde im Dezember 2004 entrichtet (vgl. den Versicherungsverlauf vom 21. Februar 2011). Bei dem Kläger ist ab Januar 2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie seit Januar 2008 ein GdB von 60 anerkannt (Bescheide des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 20. Dezember 2006 und 11. September 2009).
Der Kläger stellte am 17. Oktober 2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung im Hinblick auf Schmerzen der Wirbelsäule, Osteoporose und Unfallfolgen im Bereich der rechten Hand. Die Beklagte berücksichtigte u. a. einen Entlassungsbericht der Fachklinik für Orthopädie vom 11. Juni 2003 über eine vom 15. Mai bis zum 05. Juni 2003 absolvierte stationäre medizinische Rehabilitation, aus welcher der Kläger als arbeitsfähig und vollschichtig leistungsfähig als Elektrosignalmechaniker und Tontechniker entlassen worden war, sowie einen Entlassungsbericht des -Krankenhauses vom 24. Juli 2003 über eine stationäre Behandlung vom 30. Juni bis zum 04. Juli 2003 wegen Osteoporose und lehnte dann den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11. Dezember 2003 ab. Auf den Widerspruch des Klägers veranlasste die Beklagte eine orthopädische Begutachtung durch Dr. H am 17. März 2004. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 19. März eine Funktionseinschränkung der rechten Hand und chronische Lumbalgien bei mäßiggradiger Osteoporose ohne pathologische Brüche und ohne Funktionseinschränkung fest. Der Kläger könne täglich sechs Stunden und mehr als Kameraassistent arbeiten sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im gelegentlichen Haltungswechsel ohne erhöhte Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit rechts und ohne Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr verrichten. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 2004 zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte (Internist Dr. vom 10. August 2004, Fachärztinnen für Chirurgie Dres. und vom 18. August 2004, Fachärztin für Innere Medizin Dr. vom 17. September 2004, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. vom 01. Oktober 2004, Fachärztin für Orthopädie Dr. S vom 08. Oktober 2004) eingeholt und den Facharzt für Orthopädie Dr. mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 05. April 2005 ist dieser nach einer Untersuchung des Klägers am selben Tag zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger bestünden folgende Gesundheitsstörungen:
· Rechts-konvexe, thorakolumbale Skoliose
· Typ-I-Osteoporose
· Spannungskopfschmerz
· Bandscheibenvorfall C4/5 rechts
· Degenerative Osteochondrose, Spondylarthrose der mittleren Halswirbelsäule
· Posttraumatische Läsion des Nervus medianus rechts
· Funktionseinschränkung rechter Arm
· Lumbales Facetten-Syndrom mit rezidivierender Wirbelblockierung
· Chronifiziertes Schmerz-Syndrom Stadium I nach Gerbershagen
· Lateralisation der Patella mit Chondropathie beidseits
· Senk- und Spreizfuß beidseits
· Refluxösophagitis.
Unter Berücksichtigung dieser Leiden könne der Kläger täglich regelmäßig noch körperlich leichte Arbeiten im spontanen Wechsel der Haltungsarten ohne einseitige körperliche Belastung, nicht im festgelegten Arbeitsrhythmus sowie ohne Zeitdruck, ohne Heben und Tragen von Lasten über 3 kg im Umfang von acht Stunden und mehr verrichten. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht möglich. Arbeiten im Freien unter Einfluss von Hitze, Kälte, Staub, Zugluft oder Feuchtigkeit seien zu meiden. Arbeiten, die die Fingergeschicklichkeit der rechten Hand bzw. die Belastbarkeit des rechten Arms oder der Wirbelsäule voraussetzten, seien nicht zumutbar. Arbeiten überwiegend oder teilweise am Computer seien möglich. Der Kläger sei Rechtshänder. Die Wegefähigkeit sei nicht beeinträchtigt.
Auf den Vortrag des Klägers, er befinde sich inzwischen in einer psychotherapeutischen Langzeittherapie, hat das SG zunächst die Schwerbehindertenakten des Klägers beigezogen (u. a. mit Befundberichten des Schmerztherapeuten Dr. vom 05. April 2006 und des Facharztes für Psychiatrie S vom 20. August 2006) und anschließend Befundberichte der Diplom-Psychologin vom 11. Mai 2007 einschließlich „Bericht an den Gutachter zum Umwandlungsantrag“ vom 06. Februar 2007, des Dr. vom 16. Mai 2007, der Dr. vom 17. Mai 2007 sowie des Psychiaters vom 25. September 2007 eingeholt.
Das SG hat ferner den Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. mit der Erstellung eines Gutachtens betraut. Nach einer Untersuchung des Klägers am 14. November 2008 sowie unter Berücksichtigung eines Entlassungsberichtes der Fachklinik vom 15. August 2008 über eine stationäre Behandlung vom 19. Mai bis zum 11. Juli 2008 (Diagnosen u. a.: mittelgradige depressive Episode bei zwanghaften Persönlichkeitszügen, posttraumatische Belastungsstörung <PTBS>) hat dieser in seinem Gutachten vom 14. November 2008 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
· Narzisstisch akzentuierte Persönlichkeit
· Dysthymia
· (überwundener) Alkoholmissbrauch
· Traumatische Medianusläsion der rechten Hand
· Leichte Osteoporose bei degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates.
Die Diagnose einer PTBS könne er nicht bestätigen. Der Kläger könne täglich regelmäßig noch körperlich leichte Arbeiten ohne Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft in allen Haltungsarten bzw. in deren Wechsel unter Vermeidung von Arbeiten in andauernd gebeugter und kniender Haltung sowie von Überkopfarbeiten acht Stunden lang verrichten. Das Heben und Tragen sei auf leichte Lasten zu begrenzen. Zu meiden seien stressbelastete Arbeiten unter Zeitdruck im Akkord und maschinengetaktet am Fließband. Ein sonst üblicher Arbeitsrhythmus sei zu leisten. Arbeiten in Nachtschicht seien auszuschließen. Zu meiden seien ferner Arbeiten auf hohen Leitern und Gerüsten. Die Fingergeschicklichkeit der rechten Hand sei nicht gegeben, was limitierend bzgl. Arbeiten am Computer wirke. In der Ausübung geistiger Tätigkeiten sei er nicht beschränkt, die Wegefähigkeit sei erhalten, die übliche Pausenregelung ausreichend.
Der Kläger hat das Gutachten kritisiert und ein Attest seines behandelnden Arztes vom 09. Januar 2009 sowie den Entlassungsbericht der Klinik am zu seinem stationären Aufenthalt vom 19. Januar bis zum 09. April 2009 wegen PTBS, Zwangsstörung, Agoraphobie, sozialen Phobien und rezidivierender depressiver Episode vorgelegt. In der daraufhin veranlassten ergänzenden Stellungnahme vom 23. Juli 2009 ist Dr. bei seiner Leistungsbeurteilung geblieben.
Anschließend hat das SG auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie Dr. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem am 15. Februar 2010 nach einer Untersuchung am 27. Januar 2010 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Schluss gelangt, bei dem Kläger bestünden folgende Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet:
· Deutliche Funktionsstörung der rechten Hand seitens differenzierter Greifformen bei Medianusläsion
· Tennis- und Golferellenbogen beidseits durch Handfunktionsstörung
· Cervikalsyndrom funktionell ohne morphologische Veränderung aufgrund Fehlstatik rechte Hand
· Chronisches Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom bei deutlicher Osteoporose.
Aus orthopädischer Sicht bestehe bei dem Kläger vorrangig eine funktionelle Störung der rechten Hand, die sämtliche Greifbewegungen erfasse. Die Osteoporose habe sich nach seinen Messungen verschlechtert und müsse nachvollziehbar als schmerzauslösend gelten; es bestehe ein erhebliches Frakturrisiko. Der Kläger könne täglich regelmäßig noch körperlich leichte Arbeiten im ständigen spontanen Wechsel der Haltungsarten im Umfang von drei bis unter sechs Stunden verrichten. Arbeiten mit einseitiger Körperbelastung seien ebenso wenig zumutbar wie Arbeiten im festgelegten Arbeitsrhythmus, unter Zeitdruck, im Schichtbetrieb, auf Leitern und Gerüsten sowie mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg. Tätigkeiten, die die Fingergeschicklichkeit und die Belastbarkeit der Arme und Hände voraussetzten, seien nicht machbar. Arbeiten vorwiegend und teilweise am Computer seien lediglich mit der linken Hand ausführbar. Arbeiten mit Publikumsverkehr erschienen nicht problemlos durchführbar angesichts des sozialen Rückzugs und der sozialen Phobien. Die quantitative Leistungsminderung ergebe sich aus der Dekompensation der psychischen Situation, aber auch durch intensive Modulation der orthopädischen Gegebenheiten (d. h. funktionelle Situation der rechten Hand, eingeschränkte Belastbarkeit der Knochen). Die Leistungsminderung bestehe seit dem 26. Januar 2010 (Verschlechterung der Knochendichte).
Die Beklagte hat das Gutachten kritisiert. Die Leistungsbeurteilung sei nicht nachvollziehbar. Bei dem Kläger bestehe eine Osteoporose Stadium I, die keine quantitative Erwerbsminderung begründe. Knochenfrakturen seien bisher nicht aufgetreten. Insgesamt sei der erhobene orthopädische Befund dürftig. Auch die qualitativen Leistungseinschränkungen seien nicht nachvollziehbar (vgl. die Stellungnahme des Dr. vom 04. März 2010).
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 07. Juni 2010 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Zur Überzeugung der Kammer sei der Kläger noch in der Lage, zumindest körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung der gutachterlich festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen in wechselnder Körperhaltung bei überwiegendem Sitzen täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Dies ergebe sich aus der Gesamtschau der ausführlichen und schlüssigen Gutachten des Dr. und des Dr. . Soweit Dr. aufgrund einer von ihm als massiv bewerteten Osteoporose zu einer quantitativen Leistungsminderung gelange, vermöge die Kammer dem nicht zu folgen. Der Einschränkung der Greifbewegungen der rechten Hand sowie der Osteoporose werde bereits durch qualitative Leistungseinschränkungen hinreichend Rechnung getragen. Soweit Dr. im Übrigen eine quantitative Leistungsminderung aufgrund der Dekompensation der psychischen Situation bzw. der osteoporosebedingten Schmerzsituation annehme, folge die Kammer dem ebenfalls nicht. Eine relevante Schmerzstörung lasse sich anhand der vorhandenen Befunde nicht bestätigen. Auch der Entlassungsbericht der Klinik am Waldschlößchen sei, soweit er eine Aufhebung des Leistungsvermögens postuliere, nicht überzeugend. Die dort gestellten Diagnosen beruhten im Wesentlichen auf der Selbstbeurteilung des Klägers. Dr. habe sich ausführlich mit dem Bericht auseinander gesetzt, und die Kammer folge seiner Beurteilung. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Zwar habe er eine Ausbildung zum Elektrosignalmechaniker durchlaufen, habe jedoch nach Abschluss der Ausbildung andere Beschäftigungen ausgeübt. Für die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Kameraassistent und Tontechniker habe der Kläger keine qualifizierte Ausbildung absolviert. Bei der Aus- und Weiterbildung zum Kameraassistenten handele es sich um Lehrgänge, die in der Regel in Vollzeitform (Präsenzunterricht) stattfänden. Manche Film- und Fernsehanstalten böten die Aus- und Weiterbildung in Form eines Volontariats an. Die Dauer sei unterschiedlich, je nach Bildungsanbieter könnten die Lehrgänge in Vollzeit sechs bis zwölf Monate dauern. Der Kläger könne aufgrund seiner Beschäftigung allenfalls als Angelernter mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren angesehen werden. Als solcher könne er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf jede andere nicht qualifizierte Tätigkeit verwiesen werden, wenn diese nicht nur einen geringen qualitativen Wert habe. Als solche komme insbesondere die Tätigkeit eines einfachen Pförtners oder eines Pförtners an der Nebenpforte in Betracht.
Gegen das am 12. Juli 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Juli 2010 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers, mit welcher er sein erstinstanzliches Begehren unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Psychiaters vom 27. August 2010 fortführt. Seine Leiden seien deutlich schwerwiegender als Dr. in seinem Gutachten festgestellt habe.
Im Erörterungstermin vor dem LSG am 11. Februar 2011 hat der Kläger u. a. weiter vorgetragen, er sei derzeit jeweils einmal wöchentlich in Physiotherapie und in Ergotherapie. Einmal alle zwei Wochen gehe er zur Psychotherapie. Aufgrund der Therapie in der Klinik am Waldschlößchen habe er tagsüber keine Flashbacks mehr, leide jedoch weiterhin nachts unter Alpträumen. Knochenbrüche aufgrund der Osteoporose seien nicht aufgetreten. Nach 14 Uhr verlasse er die Wohnung nicht mehr. Mit seiner Alkoholabstinenz nach Aufgabe der ersten Bar hätten die Probleme angefangen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Oktober 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat einen Befundbericht von der Dipl.-Psych. L vom 08. März 2011 u. a. nebst Bericht zum Fortführungsantrag vom 22. Januar 2010 sowie einen Befundbericht von dem Psychiater vom 07. November 2011 nebst Entlassungsbericht der Klinik am vom 17. Oktober 2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 26. Juli bis zum 07. Oktober 2011 eingeholt. Außerdem hat der Senat die Schwerbehindertenakten des Klägers beigezogen. Ferner ist der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie – Dr. mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. In dem am 20. April 2012 nach einer Untersuchung des Klägers am 19. April 2012 fertig gestellten Gutachten hat dieser folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
Psychiatrischerseits:
· Komplexe Persönlichkeitsstörung mit anankastischen Anteilen und mangelhafter Impulskontrolle
· Alkoholabusus, derzeit in Abstinenz
· Somatisierungsstörung
Psychosomatischerseits:
· Gastrointestinale Beschwerden.
Diagnostische Überlegungen, ob hier eine PTBS hinreichend gesichert sei bzw. ob eine sog. komplexe PTBS als Störungsbild nach den klassischen Klassifikationssystemen diagnostiziert werden könne, könnten hier für die Beurteilung der Leistungs- bzw. Funktionsfähigkeit dahin stehen. Der psychopathologische Befund sei nicht hochgradig auffällig, es fänden sich lediglich leicht bis mäßig ausgeprägte Affektstörungen im Sinne einer gewissen emotionalen Instabilität und mangelhaften Impulskontrolle. Darüber hinaus ließen sich keine objektiven Befunde feststellen, die anhaltende Einschränkungen der quantitativen Leistungsfähigkeit rechtfertigen würden. Vielmehr erscheine gerade das Fehlen einer angemessenen Tätigkeit mitverantwortlich zu sein für die zeitweilige Verstärkung und Chronifizierung der vielfältigen, im Subjektiven verbleibenden Symptome, die den Kläger nicht daran hinderten, das Leben eines keineswegs inaktiven Hausmannes zu führen. Diese Beurteilung werde insofern gestützt, als der Kläger sich aktiv um eine ihn zumindest partiell ausfüllende Beschäftigung (ehrenamtliche Tätigkeiten) bemüht habe und neben seiner intensiven Inanspruchnahme medizinisch psychotherapeutischer Leistungen regelmäßig Fitnesstraining betreibe. Die psychiatrische Störung limitiere die körperliche Belastbarkeit des Klägers lediglich für Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bzw. in großer Höhe sowie im Hinblick auf die Behinderung der rechten Hand. Darüber hinaus bestünden keine Einschränkungen. Der Kläger sei zur Ausübung seiner Bildung entsprechender einfacher bis mittelschwerer geistiger Arbeiten in der Lage. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche für die volle übliche Arbeitszeit von acht Stunden täglich aus.
Der Kläger hat das Gutachten des Dr. kritisiert; es sei widersprüchlich und würdige seine psychische Erkrankung nicht hinreichend. Er schildert darüber hinaus Situationen, in denen er Angst empfinde, so u. a. Unsicherheitsgefühle beim Einkaufen im Discounter, Erschrecken und Herzrasen bei plötzlichen Geräuschen beim Waldspaziergang, Angstgefühle und Herzrasen bei völliger Stille, Unbehagen in Parkhäusern oder bei Dunkelheit im Freien, Höhenangst auf Balkonen, Angst vor Unfällen beim Autofahren, Ängste beim Beobachten von Operationen oder realer Gewalt im Fernsehen, Angst beim Hören von Feuerwehr- oder Krankenwagensirenen. Er habe ein besonderes Sicherheitsverhalten, d. h. er gehe selten zu Fuß und nutze keine öffentlichen Verkehrsmittel, trage Lederbekleidung, verlasse die Wohnung nach 14 Uhr nur in Begleitung, kontrolliere abends oder auch sonst zwischendurch Fenster und Türen und führe ein Reizgasspray mit sich.
Der Senat hat aktuelle Informationen aus BERUFENET zum Kameraassistenten vom 05. März 2013 sowie zum Tontechniker vom 06. März 2013 und eine Ausbildungsbeschreibung von Audio-Techniker/Audio-Technikerin vom 23. Februar 2006 in den Rechtsstreit eingeführt.
Mit Schriftsätzen vom 24. Mai 2012 und 21. März 2013 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) erklärt.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffenden Renten- und Reha-Akten der Beklagten sowie die Schwerbehindertenakten des Klägers verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das SG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung – bei Berufsunfähigkeit - verneint.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB VI>).
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI).
Laut § 240 Abs. 1 SGB VI haben auch die Versicherten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Nach Auswertung der im gerichtlichen Verfahren erstellten Sachverständigengutachten, insbesondere des Orthopäden Dr. vom 05. April 2005, des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. vom 14. November 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 23. Juli 2009 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. vom 20. April 2012 ist der Senat gemäß § 128 Abs. 1 SGG davon überzeugt, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist.
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen steht fest, dass der Kläger an folgenden Gesundheitsstörungen leidet:
· Typ-I-Osteoporose
· Spannungskopfschmerz
· Verschleißerscheinungen und Funktionseinschränkungen der mittleren Halswirbelsäule
· Rechts-konvexe, thorakolumbale Skoliose
· Verschleißerscheinungen und Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule
· Chronifiziertes Schmerz-Syndrom Stadium I nach Gerbershagen
· Posttraumatische Läsion des Nervus medianus rechts mit Funktionseinschränkung der rechten Hand und des rechten Arms
· Tennis- und Golferellenbogen beidseits
· Lateralisation der Patella mit Chondropathie beidseits
· Senk- und Spreizfuß beidseits
· Refluxösophagitis
· Komplexe Persönlichkeitsstörung mit anankastischen Anteilen und mangelhafter Impulskontrolle
· Alkoholabusus, derzeit in Abstinenz
· Somatisierungsstörung.
Im Rahmen der Beurteilung des Leistungsvermögens kommt es nur auf die Frage an, welche konkreten Funktions- bzw. Fähigkeitsstörungen bei dem Kläger bestehen. Der diagnostische Streit um die Frage, ob der Kläger an einer (komplexen) PTBS leidet, kann daher – wie Dr. A in seinem Gutachten zutreffend ausführt – dahin stehen.
Bei dem Kläger besteht eine Osteoporose des Typs I (vgl. hierzu die Stellungnahme des Dr. vom 04. März 2010 und den von der Beklagten eingereichten Aufsatz von F. Schröter „Gutachtliche Problemstellungen bei Osteoporose“ in MedSach 102 6/2006, S. 212 ff.), die behandelt wird und wegen der bisher keine Frakturen aufgetreten sind. Die dokumentierten Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule beschränken sich auf Muskelverspannungen bzw. -verhärtungen und Bewegungseinschränkungen mittleren Grades. Nervenwurzelreizerscheinungen oder neurologische Ausfallerscheinungen sind nicht objektiviert (vgl. die Befunde des Dr. und des Dr. ). Auch Dr. hat hierzu keine abweichenden Befunde festgestellt. An den unteren Extremitäten sowie am linken Arm sind keine Funktionseinschränkungen objektiviert. Die Verschleißerscheinungen im Kniescheibenbereich sowie der Tennis- und Golferellenbogen rechts und links führen zu keinen Bewegungseinschränkungen. Deutliche Funktionseinschränkungen bestehen jedoch im Bereich der rechten Hand, die sich als Krallenhand darstellt. Es bestehen wesentliche Störungen der Greiffunktionen der rechten Hand sowie ein Kraftverlust von Hand und Arm, aber keine Aufhebung der Funktion.
Auf psychiatrischer Seite leidet der Kläger laut den Feststellungen des Sachverständigen Dr. unter einem chronifizierten Schmerz-Syndrom Stadium I nach Gerbershagen, das laut den Befundberichten des Dr. vom 05. April 2006 und 16. Mai 2007 und nach Angaben des Klägers u. a. mit wechselnder Schmerzmedikation, Akupunktur, TENS, Physiotherapie, selbstausgeführter progressiver Muskelrelaxation, Kieser-Training behandelt wird bzw. worden ist. Eine sog. multimodale Schmerztherapie hat bisher nicht stattgefunden, die vorhandene Schmerzmedikation ist nicht sehr hoch, die Schmerzen beschränken den Kläger auch nicht wesentlich in seiner körperlichen Aktivität im Alltag (er geht u. a. einkaufen, fährt Auto und geht zum Sport). Die komplexe Persönlichkeitsstörung sowie die Somatisierungsstörung zeigen sich unter anderem in Ängsten im Alltag (z. B. Menschenmengen im Supermarkt, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Dunkelheit, in Parkhäusern etc., Höhenangst) und in sozialen Beziehungen (z. B. Misstrauen gegenüber Männern mit „südländischem“ Aussehen, Ängste um den Sohn), zwanghaftem Verhalten (Zählzwang) und mangelhafter Impulskontrolle.
Aus diesen Befunden ergibt sich zwar eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers, eine Verringerung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden oder auf unter sechs Stunden täglich folgt zur Überzeugung des Senats aus diesen Befunden jedoch nicht. Zu diesem Ergebnis gelangen – ebenso wie der Gutachter der Beklagten Dr. - übereinstimmend die Sachverständigen Dr., Dr. und Dr. .
Der Kläger kann demzufolge täglich regelmäßig noch zumindest leichte körperliche Arbeiten sowie einfache bis mittelschwere geistige Arbeiten in geschlossenen Räumen sowie im Freien unter Witterungsschutz im Wechsel der Haltungsarten, sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Eine Notwendigkeit zu einem spontanen Haltungswechsel ist nicht nachvollziehbar. Arbeiten unter einseitiger körperlicher Belastung (d. h. andauernd gebeugter oder kniender Haltung oder anhaltende Überkopfarbeiten), unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband, auf hohen Leitern und Gerüsten, mit Verletzungsgefahr und sowie in Nacht- oder Wechselschicht sind ihm nicht mehr zumutbar. Es ist ihm zumutbar, Lasten bis zu drei kg zu heben und zu tragen. Arbeiten überwiegend oder teilweise am Computer sind, sofern sie mit der linken Hand erledigt werden können, möglich. Arbeiten, die die Fingergeschicklichkeit der rechten Hand oder den kraftvollen Einsatz der rechten Hand bzw. des rechten Armes erfordern, sind nicht ausführbar. Die Wegefähigkeit ist erhalten, der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel stehen keine medizinischen Gründe entgegen; außerdem fährt der Kläger täglich mit seinem Pkw. Der Kläger ist auch in der Lage, täglich viermal wenigsten 500 Meter zur Fuß zurückzulegen. Die von ihm geltend gemachten unspezifischen Ängste stehen dem Zurücklegen derart kurzer Strecken nicht entgegen. Die üblichen Pausen sind ausreichend. Die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit sowie die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit dürften aufgrund der psychischen Erkrankung reduziert sein.
Soweit der Kläger tatsächlich lediglich im Auto fährt und angibt, nach 14 Uhr das Haus nicht mehr alleine zu verlassen, ist mit den Sachverständigen Dr. und Dr. davon auszugehen, dass der Kläger seine Fehlhaltung überwinden kann. Im Übrigen ist zumindest eine sechsstündige Erwerbstätigkeit zwischen 7:00 und 13:00 Uhr oder 7:30 und 13:30 Uhr auch unter dieser Maßgabe denkbar. Generell sind viele der von ihm geschilderten Ängste weit verbreitet (z. B. Angst in Parkhäusern oder in Menschenmengen) und stehen einer wenigstens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen; viele der Situationen sind – im Rahmen einer Erwerbstätigkeit – vermeidbar (wie z. B. Waldspaziergänge, das Betreten von Balkonen, Fernsehen) bzw. durch Schutzmaßnahmen beherrschbar (etwa das vom Kläger erwähnte Reizgasspray).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten des Dr. vom 15. Februar 2010 oder den Entlassungsberichten der Klinik am vom 08. April 2009 und 17. Oktober 2011. Insoweit nimmt der Senat auf die ausführlichen Darlegungen des SG in den Gründen der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Kläger ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil er wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann. Eine Verweisungstätigkeit muss deshalb nicht benannt werden.
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist gegeben, wenn eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen – ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein – das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt vor, wenn bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungstätigkeiten versperrt. Während noch in älteren Entscheidungen des BSG bzw. des Großen Senates des BSG auch Einarmigkeit und Einäugigkeit als Beispielsfälle angeführt wurden, werden nunmehr die Umstände des Einzelfalles als maßgeblich angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2006 – B 13 RJ 38/05 R – juris, für einen Fall funktioneller Einäugigkeit). Einen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt es nicht. Zu berücksichtigen sind insbesondere Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist zu ermitteln, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind. Die konkrete Benennung ist nicht erforderlich, wenn der Kläger noch körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren Einschränkungen sechs Stunden täglich verrichten kann und sich für dieses Restleistungsvermögen Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes mit entsprechenden Arbeitsplätzen beschreiben lassen (Gürtner in Kasseler Kommentar, 69. Ergänzungslieferung 2011, § 43 SGB VI, Rdnr. 47 m. w. N.).
Bei dem Kläger, der Rechtshänder ist, ist zwar die Fingergeschicklichkeit rechts aufgehoben und der kraftvolle Einsatz des rechten Armes bzw. der rechten Hand beeinträchtigt, er ist jedoch nicht einhändig, eine völlige Aufhebung der Handfunktion ist gutachterlich nicht beschrieben. Die Funktionseinschränkung resultiert aus einem Unfall im Jahr 1975, der Kläger ist seither in vielfältiger Weise beruflich tätig gewesen, u. a. auch in Bereichen, die eine Nutzung beider Hände erforderlich machen wie zuletzt als Gastwirt oder Kameraassistent. Eine gravierende Veränderung der Funktionseinschränkung in diesem Bereich ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen kann der Kläger – unter Zugrundelegung der Auskunft aus BERUFENET vom 05. März 2013 - eine Tätigkeit als Kameraassistent nicht mehr verrichten, da hierbei etwa Arbeiten in größeren Höhen mit Absturzgefährdung, schweres Heben und Tragen oder Arbeiten im Freien bei Kälte, Nässe, Zugluft etc anfallen. Auch eine Tätigkeit als Tontechniker erscheint im Hinblick auf evtl. erforderliche Tätigkeiten im Freien bei Außendreharbeiten fraglich.
Gleichwohl ist der Kläger nicht berufsunfähig. Denn ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht dem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Hinzukommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mehr vorhanden ist, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich dabei nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zwecks Vornahme dieser Bewertung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung das so genannte Mehrstufenschema entwickelt; dieses Schema untergliedert die Arbeiterberufe in verschiedene Berufsgruppen. Diese Berufsgruppen werden durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt dabei nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit im Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (BSG in SozR 4-2600 § 43 Nr. 1 RdNrn. 6-7 m. w. N.).
Ausgangspunkt für die Einstufung in das Mehrstufenschema ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der bisherige Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist oder der Arbeitnehmer sich von einer früher ausgeübten höherwertigen Tätigkeit gelöst hat (BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn. 126, 130, 164). Danach ist der bisherige Beruf des Klägers der eines Kameraassistenten, denn von dem Beruf des Elektrosignalmechanikers, den der Kläger ursprünglich erlernt und den er nur kurzzeitig ausgeübt hatte, hat er sich vor Beendigung der allgemeinen Wartezeit gelöst. Eventuell damit verwandte handwerkliche Tätigkeiten/Berufe hat er mit Aufnahme der selbständigen, nicht sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten als Bandmanager/Tonstudioinhaber etc. und dann Gastwirt aufgegeben.
Im Rahmen des zuvor dargelegten Mehrstufenschemas ist der Kläger aufgrund der ein Jahr lang ausgeübten Tätigkeit als Kameraassistenthöchstensder Berufsgruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters (unterer Bereich) zuzuordnen.
So erfolgt die Zuordnung zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters im Wesentlichen nach folgenden - vier - Merkmalen: (1) Der Gruppe ist zunächst zuzurechnen, wer einen anerkannten Ausbildungsberuf i. S. von § 25 Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. § 25 Handwerksordnung (HwO) mit mehr als zweijähriger Ausbildung erlernt und bisher ausgeübt hat. (2) Einem solchen Facharbeiter gleichgestellt ist derjenige Versicherte, der in einem nach dem BBiG bzw. der HwO anerkannten Ausbildungsberuf arbeitet, ohne die hierfür erforderliche Ausbildung durchlaufen zu haben, wenn neben der tariflichen Einstufung als Facharbeiter seine Kenntnisse und Fertigkeiten in voller Breite denjenigen eines vergleichbaren Facharbeiters mit abgelegter Prüfung entsprechen. Verlangt wird, dass der Versicherte nicht nur eine seinem individuellen Arbeitsplatz entsprechende Arbeitsleistung erbringt, sondern dass er auch über die für diesen Beruf erforderlichen praktischen Fähigkeiten und theoretischen Kenntnisse in dem Umfang verfügt, dass er mit ausgebildeten Arbeitnehmern vergleichbaren Alters auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig ist. (3) Der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters sind ferner Versicherte zuzuordnen, die in Ausbildungsberufen ohne anerkannten Ausbildungsgang i. S. des § 25 BBiG bzw. § 25 HwO tätig waren, wenn deren Tätigkeiten den anerkannten Ausbildungsberufen tarifvertraglich gleichgestellt sind, weil die tarifliche Einstufung eines Berufs in der Regel ein zuverlässiges Indiz für die Wertigkeit einer Tätigkeit in der Arbeitswelt ist. (4) Schließlich sind Berufstätigkeiten, für die kein Ausbildungsgang i. S. des BBiG (bzw. der HwO) besteht und die nicht als solche in einem Tarifvertrag einer Lohngruppe zugeordnet sind, als Facharbeitertätigkeiten einzustufen, wenn der Umfang der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten und/oder die sonstigen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeiten den Anforderungen an einen Facharbeiter gleich zu achten sind; auch für diese Einordnung ist die tarifliche Einstufung ein wichtiger Anhaltspunkt, der im Zweifel ausschlaggebend, aber nicht ohne weiteres maßgeblich ist. Fehlt es an einer tariflichen Einordnung - was bei spezialisierten Tätigkeiten nicht selten der Fall ist -, kann die Facharbeitereigenschaft gleichwohl zu bejahen sein. Entscheidend ist dann, ob sich der Versicherte in der Gesamtschau aus dem Kreis der oberen Angelernten so hervorhebt, dass eine Gleichstellung mit einem Facharbeiter gerechtfertigt erscheint (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr. 1 RdNrn. 8 -12 m. w. N.).
Vorliegend besitzt der Kläger keinen Ausbildungsabschluss als Kameraassistent. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich auch nicht um eine gesetzlich geregelte Ausbildung. Die Dauer der Aus- bzw. Weiterbildung ist je nach Lehrgangsträger unterschiedlich, i. d. R. dauern die Lehrgänge in Vollzeit sechs Monate (vgl. hierzu die Auskunft aus BERUFENET vom 05. März 2013).
Damit ist der Berufsschutz als Facharbeiter ausgeschlossen. Der Kläger ist vielmehr in die Gruppe der angelernten Arbeiter einzustufen.
Die Gruppe der Angelernten umfasst Versicherte, deren Qualifikation durch eine betriebliche Ausbildung von nur drei Monaten gekennzeichnet ist (unterer Bereich), aber auch Versicherte, die einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit bis zu zwei Jahren ausüben (BSGE 59, 201 ff.). Dem oberen Bereich der Angelernten sind diejenigen mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen (BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45).
Als Angelernter im unteren Bereich ist der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar (vgl. BSG vom 04. November 1998 – B 13 RJ 13/98 R – SozR 3-2200 § 1246 Nr. 62). Eine Verweisungstätigkeit ist nicht zu benennen.
Auch wenn man davon ausginge, dass der Kläger zuletzt auch als Tontechniker gearbeitet hat, ist eine Verweisungstätigkeit nicht zu benennen. „Tontechniker“ oder „Audio-Techniker“ ist kein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf (vgl. die entsprechende Liste des Bundesinstituts für Berufsbildung unter http://www2.bibb.de/tools/aab/aabberufeliste.php). Die Ausbildung zum sog. Audio-Techniker ist/war eine schulische Ausbildung in Teilzeitform, die im Tageskurs ein Jahr lang dauert (vgl. die Ausbildungsbeschreibung vom 23. Februar 2006).
Nach alldem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.