Gericht | OLG Brandenburg | Entscheidungsdatum | 16.05.2011 | |
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Aktenzeichen | Verg W 2/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 50 Abs 2 GKG, § 63 GKG, § 71 Abs 1 S 1 GKG, § 33 RVG, § 207 SGG |
1. In einem Verfahren der sofortigen Beschwerde nach § 142a SGG fallen keine Gerichtsgebühren an, die streitwertabhängig wären. Dies gilt auch für solche Verfahren, für die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 1.1.2011 die ordentlichen Gerichte zuständig geworden sind.
2. In derartigen Fällen findet keine Streitwertfestsetzung in Bezug auf die Gerichtskosten statt. Es erfolgt aber auf Antrag der anwaltlichen Vertreter der Beteiligten eine Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit.
1. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Verfahren der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und auf Gestattung des Zuschlags hat der Antragsteller zu tragen. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren war für die Auftraggeberin notwendig.
2. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren und in den Verfahren der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und auf Gestattung des Zuschlags wird auf 170.200 € festgesetzt.
I.
Die Auftraggeberin schrieb den Abschluss von Verträgen zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten auf dem Gebiet des Landes Berlin europaweit im offenen Verfahren aus. Der Auftrag ist in 13 Gebietslose aufgeteilt. Jeder Bieter konnte den Zuschlag für maximal vier Gebietslose erhalten.
Der Antragsteller gab für die Lose 1 und 12 Angebote ab. Er stellte, nachdem er das Vergabeverfahren in verschiedener Hinsicht rügte, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer. Darin machte er u. a. geltend, es sei ihm aufgrund der von ihm gerügten rechtswidrigen Vergabebedingungen nicht möglich gewesen, ein kaufmännisch vernünftiges Angebot zu erstellen. Diesen Nachprüfungsantrag wies die Vergabekammer mit Beschluss vom 2.8.2010 zurück.
Dagegen legte der Antragsteller am 17.8.2010 sofortige Beschwerde beim Landessozialgericht ein. Seinem gleichzeitig gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, gab das Landessozialgericht mit Beschluss vom 25.8.2010 statt.
Der Antragsteller verfolgte mit der sofortigen Beschwerde in erster Linie die Aufhebung des seiner Auffassung nach rechtswidrigen Vergabeverfahrens. Mit seinem Hilfsantrag wollte er erreichen, dass zumindest die von ihm angegriffenen Ausschreibungsbedingungen der Ausschreibung nicht länger zugrunde gelegt werden. Weiter hilfsweise begehrte er die Überprüfung der Auswahlentscheidung der Beschwerdegegnerin für das Gebietslos 12. Für das Gebietslos 1 war er selbst als Auftragnehmer vorgesehen.
Das Landessozialgericht gestattete mit Beschluss vom 22.10.2010 der Auftraggeberin den Zuschlag.
Nachdem das Landessozialgericht das Verfahren mit Beschluss vom 18.1.2011 an das Brandenburgische Oberlandesgericht abgegeben hatte, hat der Antragsteller die sofortige Beschwerde zurückgenommen.
II.
Nachdem der Antragsteller die sofortige Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer zurückgenommen hat, war über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der beiden Eilverfahren zu entscheiden und hierfür der Streitwert festzusetzen.
1.) Dem Antragsteller sind gemäß den §§ 120 Abs. 2, 78 GWB die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde und der Verfahren gemäß § 118 Abs. 2 sowie § 121 GWB aufzuerlegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH zu § 78 GWB sind im Falle der Rücknahme der Beschwerde die Kosten - Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten des Gegners – zu erstatten, wenn sich der Beschwerdeführer durch die Rücknahme der Beschwerde selbst in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Hier kommt hinzu, dass aus der Entscheidung des Landessozialgerichts über den Antrag nach § 121 GWB ersichtlich ist, dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren unterlegen gewesen wäre. Billigkeitsgesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7.11.2006, KVR 19/06, NJW-RR 2007, 616, zitiert nach Juris).
Der Ausspruch zur Notwendigkeit der Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren durch die Auftraggeberin erfolgt im Hinblick auf § 120 Abs. 1 S. 2 GWB zur Klarstellung.
2.) Der Streitwert war wie aus dem Tenor ersichtlich gemäß § 50 Abs. 2 GKG festzusetzen.
a.) Diese Festsetzung gilt allerdings nicht für die Gerichtskosten. Die Festsetzung des Beschwerdewertes für die Gerichtskosten unterbleibt, weil sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Denn in einem Verfahren der sofortigen Beschwerde nach § 142a SGG, um das es sich vorliegend handelt, fallen nach dem maßgeblichen Teil 7 der Anlage 1 zum GKG keine Gebühren an, die streitwertabhängig wären (BVerfG, Beschluss vom 20.4.2010, 1 BvR 1670/09; BSG, Beschluss vom 7.9.2010, B 1 KR 1/10 D, NZBau 2010, 777; jeweils zitiert nach Juris).
Hier gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil für die Entscheidung über die Kosten und die Streitwertfestsetzung nach § 207 Satz 1 SGG in der nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2010 seit dem 1.1.2011 geltenden Fassung für das vorliegende Verfahren die ordentlichen Gerichte gemäß § 116 GWB zuständig geworden sind. Denn in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben, § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgeblich sind mithin die Vorschriften des GKG, die bei Einleitung des Beschwerdeverfahrens bei dem Landessozialgericht im Sommer 2010 galten.
b.) Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit hatte auf die Anträge der anwaltlichen Vertreter der Beteiligten gemäß den §§ 33 Abs. 1, 2 Abs. 1 RVG zu erfolgen. Er bemisst sich nach § 50 Abs. 1 GKG und beträgt 5 % vom Auftragswert.
aa.) Maßgeblich ist hierbei der Auftragswert für vier Lose und nicht für alle 13 Lose. Tendenziell richtete sich der Nachprüfungsantrag des Antragstellers zwar gegen die gesamte Ausschreibung. Er hat sich jedoch nicht gegen die Loslimitierung gewandt. Der Antragsteller konnte sich deswegen nur um den Auftrag für vier Lose bewerben. Er konnte deshalb auch nur in diesem Umfang eine vergaberechtliche Nachprüfung einleiten.
Dass der Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag und seiner sofortigen Beschwerde ein Zuschlagsverbot für alle Lose ausgelöst hätte bzw. hätte auslösen wollen, ist nicht ersichtlich. Zwar hat das Landessozialgericht in dem Beschluss, mit dem es die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers angeordnet hat, diese Wirkung nicht auf einzelne Lose beschränkt. Der Senat geht jedoch aufgrund des Akteninhalts und des Umstandes, dass noch weitere, dieselbe Ausschreibung betreffende Nachprüfungsverfahren auf ihn vom Landessozialgericht übergegangen sind, davon aus, dass ohnehin sämtliche Lose durch zahlreiche Nachprüfungsanträge vom Zuschlagsverbot betroffen waren, so dass eine Beschränkung des Zuschlagsverbotes in den jeweiligen Einzelverfahren auf einzelne Lose nicht erforderlich war.
Der Antragsteller hat zwar nur für zwei Lose ein Angebot abgegeben. Er hat allerdings geltend gemacht, dass ihm wegen der von ihm beanstandeten Ausschreibungsbedingungen die Abgabe weiterer Angebote unmöglich war. Es müssen deshalb rechnerisch insgesamt vier Lose berücksichtigt werden.
Soweit der Antragsteller Angebote für die Lose 1 und 12 abgegeben hat, ist der Gegenstandswert in Abhängigkeit von seinem Angebot festzusetzen. Hier beträgt der Streitwert 5 % der Angebotssumme von 1.404.000 Mio. €, mithin 70.200 €. Soweit der Antragsteller keine Angebote abgegeben hat und auch nicht erklärt hat, auf welche Lose er sich beworben hätte, wenn ihm die Ausschreibungsbedingungen eine verlässliche Kalkulation ermöglicht hätten, schätzt der Senat den Auftragswert für zwei weitere Lose mit jeweils 50.000 € (5 % einer geschätzten Bruttoauftragssumme von 1.000.000 € pro Los, insoweit in Übereinstimmung mit dem Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 1.10.2010, L 1 SF 110/10 B Verg).
bb.) Der Gegenstandswert für die beiden Eilverfahren entspricht dem Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 50 Abs. 2 GKG, der einer Herabsetzung des Streitwerts in Eilverfahren auf einen Bruchteil der Hauptsache entgegensteht (Senat, Beschluss vom 8.4.2010, Verg W 2/10, JurBüro 2010, 426, zitiert nach Juris).