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Entscheidung 7 U 195/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 23.11.2011
Aktenzeichen 7 U 195/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam vom 15. September 2010 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage der Klägerin zu 3. wird abgewiesen.

Auf die Widerklage der Beklagten wird festgestellt, dass der Beklagten ein Recht zum Besitz an der Fahrsiloanlage auf dem Flurstück 316, Flur 14, Gemarkung R…, (Standort: W…) zusteht.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1. und 2. den in der Fahrsiloanlage, Standort: W…, Gemarkung R…, Flur 14, Flurstück 316, gelagerten Silomais (ca. 10.000 t) herauszugeben.

Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 3. hat ihre eigenen Kosten sowie 20 % der Gerichtskosten und 20 % der Kosten der Beklagten zu tragen.

Die Beklagte hat die Kosten der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie 80 % der Gerichtskosten und 80 % ihrer eigenen Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin zu 3. darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerinnen zu 1. und 2. hinsichtlich der Herausgabe der Silage durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 355.000,00, ansonsten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zu 1. und 2. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin zu 3. beansprucht die Herausgabe einer Fahrsiloanlage in R…. Die Klägerinnen zu 1. und 2. erheben Anspruch auf Herausgabe der darin gelagerten Maissilage. Die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage die Herausgabe von beidem an sich.

Die Klägerinnen gehören zu der sogenannten S…gruppe, die Beklagte zu der Li…gruppe. Beide befassen sich mit dem Betrieb von Biogasanlagen. Der frühere Geschäftsführer der Beklagten, Herr B… Q…, war zugleich Geschäftsführer der Klägerin zu 3.

Die Klägerin zu 1. betreibt in R… und Re… Biogasanlagen, für die sie eine Silage aus Mais, Ganzpflanzensilage und Roggen benötigte. Für den Anbau der Rohstoffe kaufte und pachtete sie landwirtschaftliche Flächen. Die Klägerin zu 1. schloss mit der Beklagten am 9. August 2005 (Bl. 53 ff. d.A.) und die Klägerin zu 2. am 16. August 2005 einen Unterpacht- und Nutzungsvertrag über Ackerland sowie Lohnarbeitsvertrag zur Produktion von Silomais, Ganzpflanzensilage und Roggen (Bl. 47 ff. d.A.).

In den Lohnarbeitsverträgen heißt es

§ 1 Gegenstand der Zusammenarbeit

1.

Der Auftraggeber (die Klägerinnen zu 1. und 2.) kann zwischen den oben aufgeführten Fruchtarten seinen Anbau frei bestimmen; angestrebt wird ein Anbauverhältnis ab dem 1.10.2007 von ca. 50 % Mais, ca. 25 % Ganzpflanzensilage und ca. 25 % Roggen. Der Anbau von Mais wird auf maximal 50 % der Gesamtfläche pro Jahr begrenzt. …

Beide Parteien sind sich einig, dass die Lohnarbeiten im Sinne der Flächenrotation auch auf vom Auftragnehmer (der Beklagten) zum Tausch angebotenen Flächen stattfinden dürfen und in die Fruchtfolgerotation der L… GmbH eingegliedert werden. …

§ 3 Arbeitsausführung

Der Auftragnehmer führt die Tätigkeit mit eigenen landwirtschaftlichen Maschinen und eigenem Personal nach der schriftlichen Anweisung des Auftraggebers durch.

In dem Lohnarbeitsvertrag mit der Klägerin zu 1. ist ferner festgelegt (Bl. 54 d.A.):

Die Lagerung der geernteten Früchte ist in diesem Lohnarbeitvertrag nicht enthalten und obliegt dem Auftraggeber.

und in dem Lohnarbeitsvertrag mit der Klägerin zu 2. heißt es (Bl. 48 d.A.):

Die Lagerung der geernteten Früchte erfolgt neben der Lagerung in im Eigentum des Bewirtschaftungsgebers stehenden Siloanlagen auch in 4 Getreidelagerhallen der L… mit einer Gesamtkapazität von 15.000 Tonnen. Diese Lagerhallen mietet der Bewirtschaftungsgeber zu einem Mietpreis in Höhe von 0,80 €/Tonne und Monat ebenfalls ab dem 1.10.2007.

Die Klägerinnen zu 1. und 2. streiten mit der Beklagten vor dem Landgericht Erfurt (2 HKO 145/09) über die Wirksamkeit der Lohnarbeits- und Pachtverträge sowie die Höhe der Entgeltansprüche der Beklagten.

Um die Transportwege für die Silage kurz zu halten, errichtete die Klägerin zu 3. im Einverständnis mit der Beklagten auf deren Grundstück in R… (Gemarkung R…, Flur 14, Flurstück 316) eine Fahrsiloanlage. Die Fahrsiloanlage ist ca. 4.138 qm groß und benötigt ein festes Fundament, während die Seiten aus Fertigbauteilen hergestellt sind (Baugenehmigung Bl. 24 ff. d.A., Prospekt Bl. 43 d.A., Fotos B1, Produktbeschreibung Bl. 397 d.A.). Die Parteien hatten dabei die Vorstellung, dass die Klägerin zu 3. den Teil des Grundstücks, auf dem das Fahrsilo errichtet wurde, später erwirbt.

Die Beklagte brachte die Maissilage in das Fahrsilo und von dort aus zu den Biogasanlagen. Ende Oktober 2009 umzäunte sie jedoch das Gelände, untersagte den Zutritt (Bl. 65 d.A.) und teilte den Klägerinnen mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 (Bl. 63 d.A.) mit, ihr stehe wegen der rückständigen Forderungen aus den Verträgen ein Pfandrecht zu, aus dem sie ein Zurückbehaltungsrecht herleite. In dem Fahrsilo lagern derzeit ca. 10.000 t Silomais. Mit der Klageerwiderung forderte die Beklagte die Klägerin zu 3. zur Herausgabe des Grundstücks auf (Bl. 336 d.A.).

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die Klägerin zu 3. sei nach wie vor Eigentümerin des Fahrsilos. Dieses sei auf Grund des Nutzungsverhältnisses lediglich zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück der Beklagten verbunden worden und damit Scheinbestandteil. Der Beklagten stehe kein Recht zum Besitz zur Seite.

Die Klägerinnen zu 1. und 2. seien Eigentümerinnen des Silomaises, an dem der Beklagten kein Recht zum Besitz zustehe.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilten,

an die Klägerin zu 3. die Fahrsiloanlage, Standort: W…, Gemarkung R…, Flur 14, Flurstück 316, sowie

an die Klägerinnen zu 1. und 2. den in der Fahrsiloanlage, Standort: W…, Gemarkung R…, Flur 14, Flurstück 316, gelagerten Silomais (ca. 10.000 t)

herauszugeben.

Hilfsweise haben die Klägerinnen beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen das Betreten der im Besitz der Beklagten stehenden Fahrsiloanlage auf dem Grundstück W…, Gemarkung R…, Flur 14, Flurstück 316, zum Zwecke der Entnahme des in der Fahrsiloanlage gelagerten Silomaises (ca. 10.000 t) zu gestatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

1. die Klägerin zu 3. zu verurteilen, die auf dem Flurstück 316, Flur 14, Gemarkung R…, (Standort: W…) befindliche Fahrsiloanlage an die Beklagte herauszugeben;

2. die Klägerinnen zu verurteilen, den in der Fahrsiloanlage zu 1. eingelagerten Silomais (ca. 10.000 t) an die Beklagte herauszugeben.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, durch die Verbindung der Fahrsiloanlage mit ihrem Grundstück sei diese als wesentlicher Bestandteil in ihr Eigentum übergegangen und nicht nur Scheinbestandteil, da die Fahrsiloanlage nicht nur für einen vorübergehenden Zweck errichtet worden sei.

Die Klägerin zu 2. sei nicht aktivlegitimiert, da sie ihre Pacht- und Lohnarbeitsverträge mit der Beklagten auf die Klägerin zu 1. übertragen habe.

Die Klägerin zu 1. habe kein Eigentum an der Maissilage erlangt, nachdem sich die Klägerinnen in dem Verfahren vor dem Landgericht Erfurt und die Unwirksamkeit der Verträge beriefen. Im Übrigen stehe ihr ein Recht zum Besitz sowohl aus ihrem Verpächterpfandrecht als auch einem Zurückbehaltungsrecht wegen der ausstehenden Entgeltansprüche zu. Sie regt an, den Rechtsstreit nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung in dem Verfahren vor dem Landgericht Erfurt auszusetzen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 15. September 2010 der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Herausgabe nach § 985 BGB sowie §§ 861, 858 BGB verurteilt. Die Beklagte sei nicht zum Besitz berechtigt. Insbesondere sei ihr Verpächterpfandrecht mit der Entfernung des Maises von dem jeweiligen Grundstück erloschen. Mit der Einfriedung des Fahrsilos habe sie sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht verschafft.

Gegen das am 21. September 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Oktober Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 20. Dezember 2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

hilfsweise widerklagend,

1. die Klägerin zu 3. zu verurteilen, die auf dem Flurstück 316, Flur 14, Gemarkung R…, (Standort: W…) befindliche Fahrsiloanlage an die Beklagte herauszugeben;

2. die Klägerinnen zu 1. bis 3. zu verurteilen, den in der Fahrsiloanlage zu 1. eingelagerten Silomais (ca. 10.000 t) an die Beklagte herauszugeben;

weiter hilfsweise

3. die Klägerin zu 3. zu verurteilen, das Grundstück Flurstück 316, Flur 14, Gemarkung R…, (Standort: W…) an die Beklagte herauszugeben.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt die Klägerin zu 3.,

die Beklagte zu verurteilen, an sie den unmittelbaren Besitz an der Fahrsiloanlage, Standort W…, Gemarkung R…, Flur 14, Flurstück 316, wieder einzuräumen und den Zugang hierzu zu gewähren.

Die Klägerin zu 3. verdeutlicht, dass sie das Fahrsilo nicht von dem Grundstück ausbauen, sondern eine Beseitigung der Besitzstörung erreichen möchte. Der Zaun um das Grundstück soll entfernt werden und sie möchte das Grundstück einschließlich des Fahrsilos für ca. weitere 20 Jahre nutzen. Das Nutzungsverhältnis sei nicht wirksam gekündigt. Dazu hätte es entsprechend den Regelungen über die Landpacht einer schriftlichen Kündigung bedurft.

Nach der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2011 haben die Beklagte und die Klägerin zu 3. einen Kaufvertrag geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtet, ein noch zu vermessendes Teilstück ihres Grundstücks, auf dem das Fahrsilo steht, auf die Klägerin zu 3. zu übertragen. Der Besitz an der Teilfläche soll mit Zahlung des Kaufpreises auf die Klägerin zu 3. übergehen. Derzeit sind allerdings weder die Teilfläche vermessen noch der Kaufpreis gezahlt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

1.

Die Klägerin zu 3. kann von der Beklagten nicht die Herausgabe des Fahrsilos verlangen.

Die Widerklage der Beklagten auf Herausgabe des Fahrsilos ist unbegründet, auf ihren weiter hilfsweise geltend gemachter Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks war ihr Recht zum Besitz an dem Grundstück festzustellen.

Im Einzelnen:

a)

Die Klägerin zu 3. kann nicht von der Beklagten gemäß § 985 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Fahrsilos beanspruchen.

aa)

Sie ist zwar weiterhin Eigentümerin des Fahrsilos. Die Beklagte ist nicht gemäß §§ 946, 93 BGB durch Verbindung des Fahrsilos mit ihrem Grundstück Eigentümerin des Fahrsilos geworden. Das Fahrsilo wurde lediglich Scheinbestandteil des Grundstücks und verblieb daher im Eigentum der Klägerin zu 3.

Gebäude werden nach § 95 Abs. 1 BGB dann nicht zu Bestandteilen des Grundstücks, wenn sie in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind. Verbindet ein Mieter, Pächter oder in ähnlicher Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach feststehender Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht. Diese Vermutung ist nicht schon bei einer massiven Bauart des Bauwerks oder bei langer Dauer des Vertrages entkräftet. Von einem auf Dauer mit dem Grundstück verbundenen Bauwerk ist in diesen Fällen vielmehr nur dann auszugehen, wenn sich aus den Vereinbarungen der Parteien oder aus den sonstigen Umständen ergibt, dass der Erbauer bei der Errichtung des Baus den Willen hat, das Bauwerk bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in das Eigentum seines Vertragspartners übergehen zu lassen. Daran fehlt es im Zweifel auch, wenn die massive Bauart zur Folge hat, dass der schuldrechtlich Berechtigte das Gebäude nicht entfernen kann, ohne es zu zerstören. Auch dann will er sich im Regelfall vorbehalten, über die von ihm getätigte Investition während oder nach Ablauf der Nutzungszeit auf eigene Rechnung zu disponieren (vgl. BGH vom 15.05.1998, V ZR 83/97, Juris Rn. 14; BGHZ 8, 1, 5 f.).

Davon ist vorliegend auszugehen. Anzeichen dafür, dass die Klägerin zu 3. das Fahrsilo der Beklagten übereignen wollte, sind nicht ersichtlich. Die Regelungen in den Lohnarbeitsverträgen sprechen eher dafür, dass die Beklagte zu 3.9 das Fahrsilo im Interesse der Klägerinnen zu 1. und 2. errichtet hat.

bb)

Der Beklagten steht jedoch ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 Abs. 2 BGB zu Seite, nachdem sie den Leihvertrag in der Klageerwiderung gekündigt hat und daher das Grundstück nach § 604 Abs. 1 und 3 BGB zurückverlangen kann.

Zwischen den Parteien ist in Bezug auf das Grundstück ein Leihvertrag zustande gekommen. Beide Parteien haben keine Einzelheiten zu dem Vertragsschluss vorgetragen. Der Abschluss eines Leihvertrages ergibt sich aber aus dem konkludenten Verhalten der Parteien. Ein Leihvertrag kann auch stillschweigend dadurch zustande kommen, dass – wie hier - die Nutzung eines Grundstücks über längere Zeit hinweg widerspruchslos geduldet wird (vgl. OLG Naumburg vom 21.12.2006, 2 U 99/08, Juris Rn. 21).

Die Klägerin zu 3. macht zwar - entgegen dem Vortrag der Beklagten (Bl. 336 d.A.) - geltend (Bl. 363, 887 d.A.), die Parteien hätten einen entgeltlichen Landpachtvertrag vereinbart. Sie hat jedoch nicht substantiiert vortragen, wann, zwischen wem, unter und zu welchen Bedingungen eine Landpacht vereinbart wurde. Als Entgelt für die Grundstücksnutzung will die Klägerin zu 3. ein Gebäude der Beklagten zurückgebaut haben. Eine Vereinbarung hierzu sowie den dafür zu bemessenden Geldwert, trägt sie aber nicht substantiiert vor. Soweit die Klägerin zu 3. für die Lagerung in dem Fahrsilo der Beklagten einen Gegenwert von „ca. 800.000,00 Euro“ geltend macht, ist bereits der Ca.-Wert ungewöhnlich. Ihre Berechnung legt die Klägerin zu 3. ebenfalls nicht offen. Zudem ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Lagerung in dem Fahrsilo der Beklagten zu Gute komme und sie wirtschaftlich um € 800.000,00 entlastet. Nach den Lohnarbeitsverträgen mussten die Klägerinnen zu 1. und 2. die Kosten für die Lagerung der Silage übernehmen.

Nach Beendigung des Leihvertrages kann die Beklagte nach § 604 Abs. 1 und 3 BGB die Herausgabe des Grundstücks und damit dessen Besitz beanspruchen.

b)

Allerdings kann die Klägerin zu 3. bis zur rechtskräftigen Feststellung des Besitzrechts der Beklagten gemäß §§ 861 Abs. 1, 858 BGB wegen verbotener Eigenmacht die Wiedereinräumung des Besitzes an dem Grundstück einschließlich des darauf befindlichen Fahrsilos verlangen.

Die Beklagte hat den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt, indem sie der Klägerin zu 3. ohne deren Willen den Besitz entzogen hat. Die Klägerin war Nutzungsberechtigte an dem Grundstück und dadurch unmittelbare Besitzerin. Die Beklagte war zwar Eigentümerin und auf Grund der Lohnarbeitsverträge mit den Klägerinnen zu 1. und 2. auf dem Gelände tätig, um für diese das Fahrsilo nutzten. Sie erlangte dadurch jedoch keinen unmittelbaren Besitzer, da sie auf Grund der Weisungsabhängigkeit lediglich deren Besitzdienerin im Sinne des § 855 BGB war. Als die Beklagte das Grundstück umzäunte und der Klägerin zu 3. den Zugang verweigert, hat sie in verbotener Eigenmacht ihren Besitz begründet.

Verbotene Eigenmacht liegt vor unabhängig davon, ob das Nutzungsverhältnis in Bezug auf das Grundstück beendet ist. Auch bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses ist die Beklagte nicht berechtigt, das Grundstück mit dem Fahrsilo eigenmächtig in Besitz zu nehmen. Verweigert die Klägerin zu 3. die Herausgabe, so ist sie gehalten, den Klageweg zu beschreiten und ggf. die Zwangsvollstreckung zu betreiben, kann aber nicht eigenmächtig die Klägerin zu 3. von dem Besitz ausschließen.

c)

Ein Anspruch der Klägerin zu 3. auf Verschaffung des Besitzes an dem Grundstück einschließlich des Fahrsilos aus dem Grundstückskaufvertrag mit der Beklagten ist derzeit – noch – nicht fällig. Die mündliche Verhandlung war daher im Hinblick auf den ergänzenden Vortrag der Parteien nicht wiederzueröffnen.

d)

Da der Herausgabeanspruch der Klägerin zu 3. aus § 861 Abs. 1 BGB grundsätzlich begründet ist, war über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch der Beklagten auf Herausgabe des Fahrsilos an sich zu entscheiden.

Der hilfsweise geltend gemacht Anspruch der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte kann nicht von der Klägerin zu 3. aus § 985 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Fahrsilos verlangen, da sie – wie dargetan – nicht Eigentümerin des Fahrsilos geworden ist.

e)

Nachdem der hilfsweise geltend gemachte Anspruch der Beklagten auf Herausgabe des Fahrsilos abzuweisen war, ist über den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch der Beklagten auf Herausgabe des Grundstücks zu entscheiden.

Diesen Anspruch macht die Beklagte erstmals in zweiter Instanz geltend. Ihre hilfsweise Erweiterung der Widerklage ist nach §§ 533, 33 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Herausgabeanspruch der der Klägerin zu 3. aus § 861 BGB steht und sich auf dieselben Tatsachen stützt. Beide Parteien beanspruchen den Besitz an dem Grundstück und dem Fahrsilo.

Nach Beendigung des Leihvertrages besteht grundsätzlich aus § 604 Abs. 1 und 3 BGB ein Anspruch auf Rückgabe der Leihsache. Allerdings ist der diesbezügliche Antrag der Beklagten „überschießend“, da sie den Besitz bereits durch ihre verbotene Eigenmacht erlangt hat. In ihrem Antrag ist aber als Minus ein Antrag auf Feststellung ihres Rechts zum Besitz an dem Grundstück enthalten.
Ein Feststellungsinteresse der Beklagten im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben, obwohl ihr Besitzrecht im Rahmen des Anspruchs der Klägerin zu 3. aus § 985 Abs. 1 BGB bereits festgestellt wurde, da erst mit rechtskräftiger Entscheidung über das Recht zum Besitz der Beklagten nach § 864 Abs. 1 BGB der Herausgabeanspruch der Klägerin zu 3. aus § 861 Abs. 1 BGB erlischt.
Streitig ist, wie zu verfahren ist, wenn gleichzeitig über den Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB und das Besitzrecht des in verbotener Eigenmacht Besitzenden zu entscheiden ist. Der Senat schließt sich der Meinung an, wonach auch in diesem Fall in entsprechender Anwendung des § 864 Abs. 2 BGB der auf das petitorische Recht gestützten Widerklage der Vorrang vor der Besitzschutzlage zu geben ist (vgl. BGH vom 21.02.1979, VIII ZR 124/78, Juris Rn. 12 f., und vom 23.02.1979, V ZR 133/76, Juris Rn. 8 f.; zum Überblick über dem Meinungsstand vgl. Fritzsche in Beckscher Online-Kommentar, § 864 BGB, Rn. 11 f., MüKom.-Joost, BGB, 5. Aufl., § 863, Rn. 9 ff.). Ansonsten müssten beiden Klagen stattgegeben werden und widerstreitende Entscheidungen ergehen. Der Streit würde dadurch nach Rechtskraft des Urteils in die Vollstreckung verlagert.

Das Recht zum Besitz der Beklagten an dem Grundstück bezieht sich grundsätzlich auch auf das Fahrsilo. Die Beklagte ist jedoch nach § 601 Abs. 2 S. 2 BGB gehalten, den Abbau des Fahrsilos zu dulden. Der Entleiher ist berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die geliehene Sache versehen hat, wegzunehmen und zwar unabhängig davon, ob die Einrichtung durch die Verbindung zum wesentlichen Bestandteil der geliehenen Sache wurde oder nicht (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., § 601 Rn. 3 i.V.m. § 539 Rn. 9).

2.

Die Klägerinnen zu 1. und 2. können von der Beklagten die Herausgabe der Maissilage verlangen.

Die Klägerin zu 2. ist aktivlegitimiert. Die Beklagte macht zwar geltend, die Klägerin zu 2. habe ihre Pacht- und Lohnarbeitsverträge mit der Beklagten auf die Klägerin zu 1. übertragen. Ihr diesbezüglicher Vortrag (Bl. 511, 304, 321 d.A.) ist jedoch nicht hinreichend substantiiert. Die Verträge hätten nur durch einen dreiseitigen Vertrag unter Beteiligung der Beklagten übertragen werden können. Dazu müsste die Beklagte vortragen, wann, wo, zwischen wem und unter welchen Umständen eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wurde.

a)

Den Klägerinnen zu 1. und 2. steht ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu.

aa)

Sie sind Eigentümerinnen des geernteten Maises und damit der Maissilage. Soweit der Mais auf Eigentum der Klägerinnen geerntet wurde, blieben sie auch nach der Trennung nach § 953 BGB Eigentümerinnen der Früchte. Soweit der Mais von Ackerflächen stammt, die sie von der Beklagten gepachtet haben, erfolgte der Eigentumserwerb nach § 956 BGB, nach § 956 Abs. 1 BGB, soweit die Beklagte Eigentümerin der verpachteten Flächen ist und nach § 956 Abs. 2 BGB, soweit die Klägerinnen von der Beklagten gepachtete Flächen untergepachtet haben.

Die Klägerinnen haben den für den Eigentumserwerb notwendigen Besitz erlangt. Sie wurden mit der Ernte unmittelbare Besitzerinnen. Die Beklagte war deren Besitzdienerin und hatte keinen eigenen Besitz. Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Erwerbsgeschäft aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nach § 855 BGB nur der andere Besitzer.

Davon ist vorliegend auszugehen. Bei der Beklagten ist zwischen ihrer Stellung als Verpächterin und ihrer Funktion nach dem Lohnarbeitsvertrag zu unterscheiden. Als Verpächterin hat sie den unmittelbaren Besitz an den gepachteten Flächen an die Klägerinnen übertragen. Im Rahmen der Lohnarbeit übt sie die tatsächliche Gewalt über das Ackerland wie die Früchte für die Klägerinnen zu 1. und 2. aus und unterliegt insoweit nach § 3 der Lohnarbeitsverträge (Bl. 48, 54 d.A.) deren Weisungen.

Die Klägerinnen zu 1. und 2. haben losgelöst von der Wirksamkeit der Pachtverträge das Eigentum an den Früchten erlangt. Unabhängig davon, ob man der Übertragungstheorie mit einem antizipierter Eigentumserwerb an den Früchten nach §§ 929 ff. BGB oder der Erwerbs- bzw. Aneignungstheorie, nach der das dingliche Fruchtziehungsrecht übertragen wird, (Übersicht bei MüKo-Oechsler, BGB, 5. Aufl., § 956 Rn. 2 ff.; Staudinger/Gursky, 2004, § 956 BGB, Rn. 7 ff.; offen lassen BGH NJW-RR 2005, 1718,1719) folgt, handelt es sich bei dem Fruchterwerb nach § 956 BGB jedenfalls um ein dingliches Verfügungsgeschäft, das nach dem Abstraktionsprinzip grundsätzlich losgelöst von der Wirksamkeit des Grundgeschäftes zu betrachten ist (vgl. MüKo-Oechsler, BGB, 5. Aufl., § 956 Rn. 4; Staudinger/Gursky, 2004, § 956 BGB, Rn. 14).

Allerdings gilt für das Verfügungsgeschäft der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz, so dass ein entsprechender Mangel des Grundgeschäfts auch der Gestattung anhaften kann (vgl. Gursky a.a.O.). Zwar enthalten die Pachtverträge keine genaue Auflistung der verpachteten Flächen und die Lohnarbeitsverträge lassen eine Bewirtschaftung der Flächen der Klägerinnen mit nicht gepachteten Flächen der Beklagten zu. Die Parteien sind sich jedoch einig, dass die in dem Fahrsilo lagernde Maissilage unter die Verträge fällt und grundsätzlich den Klägerinnen gebührt. Wenn sich die Parteien aber über die Zuordnung einig sind, so muss dies auch für die Herausgabeklage genügen.

bb)

Die Beklagte ist Besitzerin der Maissilage. Ein Besitzdiener erlangt den unmittelbaren Besitz, wenn er durch tatsächliche Handlungen zu erkennen gibt, die tatsächliche Gewalt nicht mehr für den Besitzherrn auszuüben, indem er sich die Sache zueignet (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 855, Rn. 6). Dies hat die Beklagte getan, als sie ihr Grundstück mit dem Fahrsilo und der Maissilage umzäunt und den Klägerinnen den Zutritt untersagt hat.

cc)

Der Beklagten steht kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 Abs. 1 S. 1 BGB zu.

Ein Verpächterpfandrecht der Beklagten an den Früchten aus § 592 BGB, das sie nach § 562 b BGB zur Inbesitznahme berechtigt hätte, ist nach § 562 a S. 1 BGB erloschen, nachdem die Beklagte selbst die Früchte von den gepachteten Flächen entfernt hat. An auf den Flächen der Klägerinnen zu 1. und 2. geernteten Früchten bestand von vorne herein kein Pfandrecht.

Auch aus § 475 b Abs. 1 HGB kann die Beklagte kein Pfandrecht ableiten. Ein Lagerhalter hat danach wegen aller durch den Lagervertrag begründeten Forderungen sowie wegen unbestrittener Forderungen aus anderen mit dem Einlagerer abgeschlossenen Lager-, Fracht- und Speditionsverträgen ein Pfandrecht an dem Gut. Zum einen lagert die Beklagte die Maissilage aber nicht selbst ein, sondern die Klägerin zu 3. als Errichterin der Anlage oder die Klägerinnen zu 1. und 2., soweit sie von der Klägerin zu 3. eine Nutzungsbefugnis erhalten haben. Zum anderen gilt die Regelung nach § 467 Abs. 3 HGB nur, soweit die Lagerung und Aufbewahrung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört, was bei der Beklagten nicht der Fall ist.

Ebenso wenig steht der Beklagten aus § 369 HGB ein Zurückbehaltungsrecht an der Maissilage zu. Zwar steht einem Kaufmann nach § 369 Abs. 1 HGB wegen fälliger Forderungen aus einem beiseitigen Handelsgeschäft ein Zurückbehaltungsrecht an den beweglichen Sachen des Schuldner zu, welche mit dessen Willen auf Grund von Handelsgeschäften in seinen Besitz gelangt sind. Mit Willen der Klägerinnen hat die Beklagte jedoch den Besitz an der Maissilage nicht erlangt, sondern durch verbotene Eigenmacht. Setzt sich ein Besitzdiener ohne Willen oder Vollmacht des Besitzherrn in den Besitz, so entzieht er diesem den Besitz durch verbotene Eigenmacht (vgl. Palandt/Bassenge, 70. Aufl., § 855, Rn. 6) und besitzt nach § 858 Abs. 2 S. 1 BGB fehlerhaft. Ein Zurückbehaltungsrecht ist zudem nach § 369 Abs. 3 HGB ausgeschlossen, wenn die Zurückbehaltung des Gegenstandes der von dem Schuldner vor oder bei der Übergabe erteilten Anweisung oder der von dem Gläubiger übernommenen Verpflichtung in einer bestimmten Weise mit dem Gegenstand zu verfahren, widerstreitet. Auch davon ist vorliegend auszugehen.

Schließlich steht der Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zu. Der Schuldner kann nach § 273 Abs. 1 BGB die geschuldete Leistung verweigern, wenn er aus demselben rechtlichen Verhältnis gegen den Gläubiger einen fälligen Anspruch hat. Die Beklagte verweigert jedoch nicht ihre Arbeitsleistung aus den Lohnarbeitsverträgen, sondern behält die Früchte ihrer Arbeit ein. Ferner kann, wer zur Herausgabe eines Gegenstandes verpflichtet ist, nach § 273 Abs. 2 BGB lediglich ein Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines durch ihn verursachten Schadens geltend machen und dies auch nur, wenn er den Gegenstand nicht durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung erlangt hat. Keine der Voraussetzungen liegt vor und die Inbesitznahme durch verbotene Eigenmacht ist zugleich eine vorsätzliche deliktische Handlung. § 858 BGB ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 858 Rn. 1). Auf die Frage, ob ein Zurückbehaltungsrecht nach § 986 Abs. 1 BGB zum Besitz berechtigt, kommt es mithin nicht an.

b)

Daneben können die Klägerinnen zu 1. und 2. die Herausgabe nach §§ 858 Abs. 1, 861 BGB beanspruchen, da die Beklagte den Besitz – wie dargetan – durch verbotene Eigenmacht erlangt hat. Der Anspruch ist nicht nach § 861 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, da der vorherige Besitz der Klägerinnen nicht fehlerhaft war.

3.

Die hilfsweise Widerklage der Beklagten auf Herausgabe des Silomaises war entsprechend abzuweisen. Die Beklagte hat an der Silage weder Eigentum erlangt noch steht ihr ein Recht zum Besitz zu.

4.

Der Rechtsstreit ist nicht nach § 148 ZPO auszusetzen. Das Verfahren vor dem Landgericht Erfurt ist nicht vorgreiflich, da der vorliegende Rechtsstreit entschieden werden kann, unabhängig davon, ob die Pacht- und Lohnarbeitsverträge zwischen den Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der Beklagten wirksam sind.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

6.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

7.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird gemäß §§ 47, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO wie folgt festgesetzt:

Herausgabe des Fahrsilos

        

€ 50.000,00

Herausgabe der Silage

        

€ 350,000,00

Da sich die Klage und Widerklage auf denselben Streitgegenstand beziehen, war der Streitwert nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nicht zu erhöhen.