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Beschwerde; Prozesskostenhilfe; Klageverfahren; hinreichende Erfolgsaussichten (bejaht); sonderpädagogischer Förderbedarf; Feststellungsverfahren; Förderschwerpunkt geistige Entwicklung; sonderpädagogisches Gutachten; starke Leistungsschwankungen; Ergebnisse nicht sicher zu interpretieren; weiterer Ermittlungsbedarf; Förderschwerpunkte Lernen; Sprache; (keine) Erforderlichkeit gesonderter Anträge


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 17.08.2012
Aktenzeichen OVG 3 M 70.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 36 SchulG BB, § 31 Abs 6 S 1 SondPädV BE, § 31 Abs 7 SondPädV BE, § 32 Abs 1 SondPädV BE, § 32 Abs 3 SondPädV BE

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Juli 2012 wird geändert. Den Klägern wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und ihnen Rechtsanwalt C... St..., B..., beigeordnet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

Gründe

Die Beschwerde der Kläger ist begründet. Die Kläger haben nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 und § 121 ZPO einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Verfahren.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet im Verfahren der ersten Instanz hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Die Kläger sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

Die Bejahung hinreichender Erfolgsaussichten setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Es genügt vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die jedenfalls dann gegeben ist, wenn der Ausgang des Verfahrens offen ist und ein Obsiegen ebenso in Betracht kommt wie ein Unterliegen (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., 2012, § 166 Rn. 8 m.w.N.). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaat erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen. Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347, zit. nach juris, Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, juris, Rn. 20).

Hieran gemessen stellt sich der Ausgang des vorliegenden Klageverfahrens, mit dem die Kläger die Verpflichtung des Beklagten erstreben, für ihre Tochter L... sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ festzustellen, als offen dar. Zwar ist aus den im Beschluss des Senats vom heutigen Tage in dem Beschwerdeverfahren der Kläger gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das von ihnen beabsichtigte vorläufige Rechtsschutzverfahren (OVG 3 M 69.12) im Einzelnen ausgeführten Gründen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs im Eilverfahren gegeben, da das vom Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten einer Sonderpädagogin beim zuständigen sonderpädagogischen Förderzentrum nachvollziehbar und von den Klägern auch mit dem Beschwerdevorbringen nicht erfolgreich in Frage gestellt zu dem Ergebnis gekommen ist, dass aufgrund der Ergebnisse der durchgeführten Tests nicht empfohlen werde, den Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ auszusprechen. Im Hinblick auf die in diesem Gutachten - wie auch in dem dort berücksichtigten Gutachten der Kinder- und Jugendambulanz T.../SPZ vom 11. Oktober 2011 - hervorgehobene Inhomogenität der Testergebnisse, die aufgrund der enormen Leistungsschwankungen und Leistungsunterschiede nicht sicher zu interpretieren seien, besteht indessen für das vorliegende Klageverfahren weiterer Aufklärungsbedarf - etwa durch Anhörung der Gutachterin oder ggf. Einholung weiterer Gutachten -, der zur Bejahung hinreichender Erfolgsaussichten nach dem oben dargestellten Maßstab führt. Entsprechendes gilt, soweit eine Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten „Lernen“ und „Sprache“ den Gegenstand des vorliegenden Klageverfahren bildet; auch insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen in dem Beschluss des Senats im Verfahren OVG 3 M 69.12 Bezug genommen. Soweit mit dem Bescheid des Beklagten vom 26. März 2012 über den von den Klägern a. 29. November 2011 gestellten Antrag auf Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs hinsichtlich der genannten Förderschwerpunkte nicht entschieden worden ist, dürfte die Klage jedenfalls als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulässig sein.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).