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Asylrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 5. Kammer Entscheidungsdatum 27.02.2020
Aktenzeichen 5 K 119/19.A ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0227.5K119.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Einer mehrköpfigen Familie mit internationalen Schutz droht in Bulgarien keine Verletzung von Art. 3 EMRK

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger sind syrische Staatsangehörige. Sie bilden einen Familienverband, der aus Eltern/Ehegatten und 3 minderjährigen Kindern im Alter zwischen 7 und 9 Jahren besteht. Zum Familienverband gehört ferner ein in Deutschland im April 2016 nachgeborene Kind, welches unter dem Aktenzeichen VG 5 K 104/19.A vor dem erkennenden Gericht ein eigenes Asylverfahren betreibt.

Ausweislich Mitteilungen der bulgarischen Dublin-Einheit vom 22. April 2016 und 4. Juli 2016 genießen die Kläger zu 1. und 2. in Bulgarien seit dem 5. Februar 2014 internationalen (subsidiären) Schutz.

Am 19. Februar 2016 stellten die Kläger in Deutschland Asylanträge.

Bei ihrer Anhörung gaben sie an, dass die Lebensbedingungen in Bulgarien sehr schlecht gewesen seien. Sie hätte u.a. zusammen mit anderen Geflüchteten im Keller einer alten Schule unter unzulänglichen hygienischen und sonstigen Bedingungen leben müssen. Sie hätten keine Leistungen, kein Essen und keine medizinische Behandlung erhalten und von ihren Ersparnissen aus Syrien leben müssen.

Die Beklagte lehnte die Asylanträge mit Bescheid vom 16. Januar 2019 mit Blick auf die Schutzgewährung in Bulgarien als unzulässig ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten. Außerdem drohte sie den Klägern die Abschiebung nach Bulgarien an und setzte für den Fall einer Klageerhebung eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 30 Tagen ab dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Ein Einreise-und Aufenthaltsverbot befristete die Beklagte auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Gegen den Bescheid haben die Kläger Klage erhoben.

Sie machen geltend, dass ihre Abschiebung nach Bulgarien gegen Art. 3 EMRK verstoße. Hierzu berufen sie sich zunächst auf ihre Vorerlebnisse in Bulgarien und machen geltend, dort keinen Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitssystem gehabt zu haben. Die Kläger führen zudem an, dass anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien Obdachlosigkeit drohe. Es gebe nach Schutzzuerkennung und Rückkehr aus dem Ausland keine Möglichkeit mehr, in Flüchtlingsunterkünften zu leben. Anspruch auf Sozialwohnungen oder Wohnbeihilfen bestehe nicht. Ob Schutzberechtigte in Obdachlosenunterkünften leben könnten, sei ungewiss. Einer privaten Anmietung von Wohnraum stünden finanzielle Hürden sowie das Fehlen gültiger Ausweispapiere, deren Erhalt gerade an das Innehaben einer Meldeanschrift geknüpft sei, entgegen. Schutzberechtigte müssten Krankenversicherungsbeiträge selbst leisten und für eine Aufnahme in das System eine Einmalzahlung entrichten. Qualität und Umfang der medizinischen Versorgung seien beschränkt. Das gelte insbesondere für psychische Erkrankungen. In Bulgarien existierten keine Integrationsprogramme. Der Zugang zur Aus- und Weiterbildung sowie zum Arbeitsmarkt sei wegen Sprachbarrieren und Schwierigkeiten beim Nachweis vorhandener Qualifikationen beschränkt. Sozialleistungen seien praktisch nicht zu erlangen. Die Klägerin zu 2. und der Kläger zu 3. seien krank und behandlungsbedürftig.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2019 aufzuheben,

hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ziffern 2., 3. und 4. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2019 zu verpflichten festzustellen, dass in der Person der Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Asylanträge der Kläger sind unzulässig. Für die Kläger zu 1. und 2. folgt dies aufgrund der Schutzgewährung in Bulgarien aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Auf die Asylanträge der minderjährigen Kläger zu 3.-5., denen – soweit ersichtlich – in Bulgarien kein internationaler Schutz gewährt wurde, sind § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG oder § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG analog anzuwenden. Ein solches Rechtsverständnis entspricht der nahezu einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung, der die erkennende Kammer folgt (vgl. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 29. November 2019 – 2 A 283/19 –, Rn. 10, juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 05. August 2019 – 5 A 593/19.A –, Rn. 4, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein – 4. Senat -, Beschluss vom 27. März 2019 – 4 LA 74/19 – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 10 LA 218/18 –, Rn. 9 - 10, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2018 - 21 ZB 18.32867 -, juris Rn. 17 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2018 - A 4 S 544/18 -, juris Rn. 9 ff.; anders nur Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein – 1. Senat -, Urteil vom 07. November 2019 – 1 LB 5/19 –, Rn. 17, juris). Wendet man § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG analog an, bedarf es in entsprechender Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Verordnung Nr. 604/2013 (Entbehrlichkeit eines eigenen Zuständigkeitsverfahrens für Kinder) auch keines fristgerechten Übernahmeersuchens Deutschlands an Bulgarien. Erst Recht muss dies bei analoger Anwendung gelten, wenn aufgrund der bereits erfolgten Schutzgewährung für die Eltern mit dem schutzgewährenden Staat zugleich auch der für das Kind zuständige Mitgliedstaat feststeht und es schon deshalb denklogisch keines Zuständigkeitsverfahrens nach der Verordnung Nr. 604/2013 mehr bedarf. Sollten etwa – wofür aber auch schon tatsächliche Anhaltspunkte fehlen - die bulgarischen Behörden wegen des Fehlens eines eigenen Zuständigkeitsverfahrens einem Kind die Einreise verweigern, stellte dies einen inlandsbezogenen Aspekt dar, der nicht Gegenstand der vorliegenden zielstaatsbezogenen Betrachtung ist, sondern von der für den Vollzug der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde zu berücksichtigen wäre. Schließlich liegen auch keine Erkenntnisse dazu vor, dass in Konstellationen wie der vorliegenden die bulgarischen Behörde dem (eingereisten) Kind eines anerkannt Schutzberechtigten eine Sachprüfung dessen eigenen Asylantrags verweigerten. Dagegen streitet auch der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens, da die Mitgliedstaaten zur Sachprüfung aufgrund der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sind (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a -, Rn. 98 ff.). Aber selbst wenn die bulgarischen Behörden eine Sachprüfung verweigerten, hindert dies nicht, den in Deutschland gestellten Asylantrag des Kindes als unzulässig abzulehnen (vgl. EuGH a.a.O., Rn. 100). Um Rechtsschutz gegen eine Weigerung der bulgarischen Behörden, eine Sachprüfung vorzunehmen, muss vor den bulgarischen Gerichten nachgesucht werden.

Die Unzulässigkeitsentscheidung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil den Klägern in Bulgarien etwa die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen die Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta droht (vgl. EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 – C-540/17 u.a. – und Urteile vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. – und 19. März 2019 – C-163/17 -). Eine solche Gefahr kann mit Blick auf den fundamentalen Grundsatz gegenseitigen Vertrauens bei gleichzeitiger Würdigung der europäischen Schutzstandards und Grundrechte nur angenommen werden, wenn für sie objektive, zuverlässige, genaue und hinreichend aktualisierte Angaben vorliegen (EuGH a.a.O.). Auch reichen bloß einzelfallbezogene Verstöße nicht aus; vielmehr müssen sich systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen ausmachen lassen (EuGH a.a.O). Geht es um die Lebensbedingungen, die den Antragsteller in dem Mitgliedstaat der Schutzgewährung erwarten, unterfallen mit Blick auf den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens Schwachstellen der o.g. Art nur dann Art. 4 EU-GR-Charta, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH a.a.O.).

Die individuellen Erlebnisse eines Betroffenen sind in diesem Zusammenhang keine Grundlage für die Widerlegung der Vermutung. Sie stellen schon keine objektiven Angaben im oben genannten Sinne dar. Ferner kommt ihnen, zumal wenn sie wie hier mehrere Jahre zurückliegen, nur in begrenztem Umfang Erkenntniswert zu, keinesfalls führen sie zur einer Beweislastumkehr (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – 11 A 228/15.A – Juris, Rn. 52 f.).

Zur Widerlegung der unionsrechtlichen Vermutung scheidet die Stellungnahme des UNHCR aus dem Jahr 2014 ebenso aus, weil sie nicht (mehr) auf gebührend aktualisierten Erkenntnissen beruht, zumal der Hohe Flüchtlingskommissar seine im Januar 2014 erhobene Forderung nach einem generellen Abschiebestopp bereits im April 2014 aufgegeben hat.

Unabhängig davon, dass dem Gericht keine objektiven, zuverlässigen, genauen und gebührend aktualisierten Angaben vorliegen, die die unionsrechtliche Vermutung entkräften, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Falle der Kläger nicht zu besorgen ist, dass sie extremer materieller Not anheimfielen, die es ihnen verwehrte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, sie also gezwungen sein würden, ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen oder Nahrungsmitteln auf der Straße zu leben. Denn extreme Not begründet nur dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK, wenn der Betroffene ihr unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen ausgesetzt ist (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90).

Es steht nicht zu besorgen, dass die Kläger einer Situation extremer materieller Not anheimfallen, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Die Wohnsituation für international Schutzberechtigte ist in Bulgarien inzwischen nicht mehr bedenklich (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – 11 A 228/15.A – Juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2019 – A 4 S 1329/19 – Rn. 20, Juris; VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 12. März 2019 – A 5 K 1829/16 – Rn. 31, Juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2018 – A 13 K 3922/18 – Rn. 32, Juris). Dass es nach einer Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung aufgrund überwiegend bestehenden Wohneigentums der Einheimischen kaum obdachlose bulgarische Staatsangehörige gibt, hat keine Aussagekraft für die Wohnsituation von anerkannt Schutzberechtigten, zumal die mit Wohneigentum versehenen Einheimischen keine Konkurrenz auf dem Mietermarkt darstellen. Zudem gibt es laut Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Potsdam vom 16. Januar 2019 in Bulgarien kaum obdachlose Flüchtlinge. Den Berichten der zuständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland kommt neben den Berichten internationaler Organisationen, insbesondere dem UNHCR, im vorliegenden Zusammenhang besonderes Gewicht zu (vgl. BVerfGE 94, 115/143 zur Bestimmung sicherer Drittstaaten). Es bestehen auch keine entsprechenden Erkenntnisse, dass anerkannte Schutzbedürftige im Allgemeinen obdachlos oder insoweit besonders gefährdet sind (zuletzt: Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Niedersachsen vom 18. Juli 2017). Wegen des Zugangs zu Wohnungsmarkt und sonstigen Leistungen, die das Innehaben von Ausweis- bzw. Identitätspapieren voraussetzen, sind die Kläger auf ihre syrischen Personalpapiere zu verweisen. Dass diese nicht ausreichen und zwingend nur in Bulgarien ausgestellte Dokumente erfolgversprechend sind, ergibt sich auch nicht aus den – auch von den Klägern vorgelegten – Erkenntnismitteln; dort (aida und Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 30. August 2019) ist vielmehr nur die Rede von gültigen Ausweispapieren bzw. valid (identity) documents, ohne dass dabei zugleich die Eignung auch solcher Papiere des Herkunftsstaates ausgeschlossen wird. Sofern der Nachweis eines Aufenthaltstitels erforderlich sein sollte, wird auf Art. 24 Abs. 2 der RL 2011/95/EU Bezug genommen, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, den subsidiär Schutzberechtigten einen Aufenthaltstitel auszustellen. Anhaltspunkte dafür, dass die bulgarischen Stellen dem entgegen der unionsrechtlichen Vermutung nicht nachkommen, fehlen und werden auch von den Klägern nicht aufgezeigt, die ansonsten auch auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Bulgarien zu verweisen sind (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 17. März 2016 – C-695/15 – Rn. 62 für Rechtsschutz gegen Überstellung an ein als sicherer Drittstaat eingestuftes Land; EuGH, Urteil vom 05. April 2016 – C-404/15 und C-659/15 PPU, C-404/15, C-659/15 PPU – Rn. 103 für Rechtsschutz gegen Überstellung auf Grund Haftbefehls). Die Zeit bis zur Ausstellung eines neuen Aufenthaltstitels können die Kläger - wie nachstehend dargestellt - in einem Aufnahmezentrum für Asylbewerber überbrücken.

Es ist auch nicht zu besorgen, dass die Kläger in der Übergangsphase unmittelbar nach Ankunft und noch vor Aufnahme eigener Erwerbstätigkeit einer Situation extremer materieller Not anheimfielen, die es ihnen nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Bei freien Kapazitäten gewähren die Aufnahmezentren für Asylbewerber auch anerkannten Schutzberechtigten für sechs Monate Unterkunft. Das ergibt sich aus verschiedenen Erkenntnismitteln, die aus voneinander unabhängigen Quellen stammen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – 11 A 228/15.A – Juris, Rn. 62 f.; Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Bulgarien vom 13. Dezember 2017, S. 19; Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Trier vom 26. April 2018; AIDA, Country Report: Bulgaria, Update 2018, Stand 31.Dezember 2018, S. 76 zit. nach VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2019 a.a.O.). Auf die Aufnahme in einem Aufnahmezentrum besteht zwar kein Rechtsanspruch. Allerdings verfügen die Aufnahmezentren nach übereinstimmender Auskunft der vorgenannten Erkenntnismittel mittlerweile über deutliche Überkapazitäten, die anerkannten Schutzberechtigten zur Verfügung gestellt werden. Zum 1. April 2018 sind die staatlichen Flüchtlingsunterkünfte nur zu 17% ausgelastet gewesen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 26. April 2018). Des Weiteren gibt es landesweit zwölf „Zentren für temporäre Unterbringung“, die laut Bundesamt für maximal drei Monate im Jahr unterkunftsbedürftigen anerkannten Schutzberechtigten bis zu 607 Plätze (BAMF, Länderinformation: Bulgarien vom 01. April 2018, S. 9) zur Verfügung stellen. Schließlich werden anerkannte Schutzberechtigte durch bulgarische wie internationale Nichtregierungsorganisationen (Bulgarisches Rotes Kreuz, Caritas, UNHCR) im Rahmen vielfältiger Programme u.a. auch bei der Wohnungssuche unterstützt (Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Thüringen vom 18. Juli 2018). Diese Erkenntnisse zur Unterbringungssituation anerkannter Flüchtlinge werden in den neuesten Auskünften des Auswärtigen Amtes vom Januar und vom März 2019 erneut bestätigt. Danach sorgt die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen – gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen – dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt (Auswärtiges, Auskunft an VG Potsdam vom 16. Januar 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2019). Nach Bulgarien zurückkehrende Familien können sich an das Bulgarische Rote Kreuz, die Caritas, den Rat der Flüchtlingsfrauen sowie an die hiesige Vertretung der International Organisation für Migration wenden, um in Programme aufgenommen zu wenden, die Familien bei Arbeits- und Wohnungssuche sowie der Beantragung von Sozialleistungen unterstützen. Bei der Unterstützung von Flüchtlingen legen Staat und NROs ein besonderes Augenmerk auf vulnerable Personen, zu denen auch Kleinkinder und ihre Familien gehören. Das Bulgarische Rote Kreuz erklärte, durchaus in mehr Fällen von Rückführungen als bisher die Rückkehrer unterstützen zu können (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Thüringer OVG vom 18. Juli 2018).

Dass die anerkannt Schutzberechtigten aufgrund sehr hoher Anforderungen faktisch keinen Zugang zu Sozialhilfeleistungen haben (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018), steht dem nicht entgegen, da extreme Not nur dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellt, wenn der Betroffene ihr unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen ausgesetzt ist (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Rn. 90, Juris). Demgegenüber haben Rückkehrer in Bulgarien die Möglichkeit, extreme Not durch eigene Erwerbstätigkeit abzuwenden, sei es auch als ungelernte Arbeitskräfte. In der Auskunft der Botschaft Sofia an das Auswärtige Amt vom 1. März 2018 zur bulgarischen Integrationsverordnung heißt es nämlich, dass auf dem Land häufig Mitarbeiter für einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft und Gastronomie, auch ohne besondere Ausbildung und bulgarische Sprachkenntnisse, gesucht würden, auf der anderen Seite aber kaum Bereitschaft der Betroffenen bestehe, sich in der Provinz niederzulassen. Auch infolge des Rückgangs der Bevölkerung in der bulgarischen Provinz erkundigten sich Unternehmen bei der Flüchtlingsagentur, wie sie auf Grund der mittlerweile geschaffenen Integrationsverordnung Flüchtlinge vor Ort aufnehmen könnten (Botschaft Sofia, Auskunft an das Auswärtige Amt vom 1. März 2018). Auch das Auswärtige Amt berichtet davon, dass sich Unternehmer in der jüngsten Vergangenheit zunehmend danach erkundigten, wie sie Flüchtlinge beschäftigen könnten, wobei auch Unterkunftsmöglichkeiten, insbesondere auf dem Land, angeboten würden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Allerdings sei die Bereitschaft in die bulgarische Provinz zu ziehen, nicht ausgeprägt vorhanden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist das mit einigen dieser Tätigkeiten erzielte Einkommen auskömmlich, um den Lebensbedarf und eine Unterkunft zu finanzieren (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Eine feste Meldeanschrift spielt für die Arbeitsaufnahme keine entscheidende Rolle (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018).

Nach dem Vorstehenden ist es den erwachsenen Klägern zu 1. und 2. möglich, eine Arbeit zu finden und damit den Unterhalt für die 6-köpfige Familie zu erwirtschaften, die wegen der reduzierten Fixkosten pro Person auch weniger Einkommen benötigt, als es isoliert bei Alleinstehenden der Fall ist.

Eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zu 2. lässt sich aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste nicht feststellen, weil die Atteste inhaltlich nicht tragfähig sind. Die Atteste des Arztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie K...(Atteste vom 13. November 2019, 8. März 2017 und 20. Mai 2016) lassen entgegen § 60a Abs. 2c S. 2 AufenthG nicht die tatsächlichen Umstände erkennen, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört bei – wie hier - psychischen Erkrankungen die Mitteilung der tatsächlichen Beurteilungsgrundlage zu den essentiellen Mindestanforderungen (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 17.07 -). Die Befundtatsachen müssen nachvollziehbar dargelegt werden (OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2014 – OVG 12 S 30.04 -; BayVGH, Beschluss vom 13. Mai 2019 – 10 CE 19.811 – juris, Rn. 11). Nachvollziehbar müssen auf ihrer Grundlage auch die Diagnose und sonstige ärztlichen Schlussfolgerungen sein (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. September 2015 – OVG 12 S 53.15 -; Sächsisches OVG, Beschluss vom 22. August 2019 – 3 B 394/18 – juris, Rn. 13; BayVGH a.a.O.). Daran fehlt es vorliegend. Denn die fraglichen Atteste verweisen lediglich pauschal auf „Explorationen, Fremdexplorationen“ und „Ergebnisse testpsychologischer Untersuchungen“, lassen aber deren konkreten Inhalt und Gegenstand im Dunkeln. Damit sind aber die gestellten Diagnosen und weiteren ärztlichen Schlussfolgerungen in den Attesten nicht nachvollziehbar. Soweit zumindest im Attest vom 20. Mai 2016 jedenfalls stichpunktartig Geschehnisse aufgeführt werden, die zu einer Traumatisierung geführt haben sollen, reicht dies nicht aus, weil schon unklar bleibt, aus welcher Quelle diese Angaben stammen und es an einer Glaubhaftigkeitsprüfung der Angaben fehlt (vgl. zu diesem Erfordernis OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 20. März 2018 – OVG 12 S 10.18 -, 30. März 2017 – OVG 12 S 16.17 -, 2. Juni 2014 – OVG 12 S 30.14 -). Zudem ist eine schlüssige und glaubhafte Schilderung eines traumatisierenden Lebenssachverhalts unter Angabe gerade von Einzelheiten erforderlich (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss 7. März 2016 – OVG 2 S 67.15 -). Dem werden die bloß stichpunktartigen Angaben in dem fraglichen Attest ebenfalls nicht gerecht.

Zugleich entbehren die Atteste entgegen § 60a Abs. 2c S. 2 AufenthG Angaben zu den Methoden der Befunderhebung, wozu hinsichtlich einer PTBS-Diagnose etwa gehören kann, ob ein PTBS-spezifisches strukturiertes klinisches Interview erfolgt ist oder auf psychometrische Tests zurückgegriffen wurde (vgl. hierzu S 3- Leitlinie PTBS). Gerade wenn es – wie maßgeblich hier – um psychischen Erkrankungen geht, ist wegen der Unschärfen des Krankheitsbildes die Methodenwahl von besonderer Bedeutung.

Auch die Fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Kinder und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie M... vom 2. Mai 2016 zu einer PTBS-Erkrankung der Klägerin zu 2. ist nicht tragfähig. Das gilt schon deshalb, weil die vor mehr als 3, 5 Jahre erstellte Bescheinigung veraltet ist. Zudem entbehrt die Bescheinigung auch schon Angaben zum Schweregrad der diagnostizierten Erkrankung. Auch werden (wiederum) keine Angaben zu den Methoden der Befunderhebung gemacht und es fehlen außerdem Ausführungen zu den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Psychische Erkrankungen führen nicht grundsätzlich zu einem Abschiebungshindernis. Dies gilt insbesondere in den Fällen einer posttraumatischen Belastungsstörung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 12 S 83.16), die hier gerade behauptet wird.

Ohne tragfähige ärztliche Atteste lässt sich auch nicht die tatsächliche Gefahr eines krankheitsbedingten Verstoßes gegen Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta feststellen.

Im Übrigen entspricht auch die den Kläger zu 3. betreffende Fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Kinder und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie M... (Bescheinigung vom 21. April 2016) nicht den Anforderungen des 60a Abs. 2c S. 2 AufenthG, was aber schon deshalb keiner weiteren Begründung bedarf, weil auch diese Bescheinigung veraltet ist. Eine (übrigens ebenfalls veraltete) Bescheinigung vom 25. April 2017, auf die die Kläger Bezug nehmen, ist nicht aktenkundig. Eine Erkrankung des Klägers zu 3. haben die Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr thematisiert.

Im Übrigen ist in Bulgarien der Zugang zum Gesundheitssystem sichergestellt (vgl. Bericht D..., S. 10 f.). Die Versicherung im nationalen Gesundheitssystem ist grundsätzlich auch für international Schutzberechtigte zugänglich. Voraussetzung ist - wie bei bulgarischen Staatsangehörigen - die Zahlung eines monatlichen Beitrags. Für Arbeitslose beträgt die Mindestgebühr 10,46 € (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bulgarien Aktuelle Situation für Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus, Stand: 30. August 2019, S. 22, Fn. 102). Eine medizinische Notfallversorgung ist in jedem Fall gegeben (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 26. April 2018). Aufgrund des Grundsatzes gegenseitigen Vertrauens ist ferner davon auszugehen, dass die gebotene medizinischer Versorgung auch angemessen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017, C-578/16 PPU -, Rn. 70). Soweit von Beschränkungen bei Qualität und Umfang der Behandlungsmethoden berichtet wird (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 30. August 2019), ist jedenfalls nicht erkennbar, dass diese ein den Gewährleistungen des Art. 4 GR-Charta widersprechendes Maß erreichen. Solches ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern vorgelegten Bericht vom 9. September 2018, der zudem nur die Situation von Krankenhäusern für psychische Erkrankungen betrifft.

Die Kläger zu 1. und 2. sind auch nicht wegen Kinderbetreuung an einer Erwerbstätigkeit durchgreifend gehindert. In Bulgarien besteht vielmehr für Kinder vom 6. bis zum 16. Lebensjahr Schulpflicht. Ab dem vollendeten 5. Lebensjahr ist der Besuch einer Vorschule zwingend. Kinder bis zum vollendeten 3. Lebensjahr können Krippen besuchen. Für Kinder ab dem vollendeten 3. Lebensjahr bis zur Vorschule gibt es staatliche, kommunale und private Kindertagesstätten. Staatliche und kommunale Kindertagesstätten werden aus dem Staatshaushalt bzw. aus den Haushalten der Kommunen finanziert. Die Eltern zahlen nur eine Gebühr, die von Gemeinde zu Gemeinde verschieden ist. Die letzten zwei Jahre vor der Einschulung – nicht jedoch vor dem 5. Lebensjahr – muss jedes Kind entweder eine Vorbereitungsgruppe in einer Kindertagesstätte oder die Vorschule besuchen (https://ec.europa.eu/eures/main.jsp?catId=8790&acro=living&lang=de&parentId=7803&countryId=BG&living=, zuletzt abgerufen am 20. Juni 2019).

Soweit mangelnde Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/05/EU) zur Begründung einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch den bulgarischen Staat angeführt wird (vgl. z.B., VGH Kassel, Urteil vom 04.11.2016 – 3 A 1292/16.A -: VG Göttingen, Beschluss vom 03.11.2016 – 2 B 361/16 -, jeweils nach Juris), geht dies fehl. Ob der Betroffene eine Situation vorfindet, die auch den sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts entspricht, insbesondere ihn dort Integrationsprogramme erwarten, ist rechtlich irrelevant. Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und damit etwa gegen Art. 27 (Zugang zu Bildung) oder Art. 34 (Zugang zu Integrationsmaßnahmen) der Anerkennungsrichtlinie, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 der Charta führen, hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie eingeräumte Befugnis auszuüben (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 92; vgl. zur Abschiebung auf Grund der VO (EU) Nr. 604/2013 BVerwG, Beschluss vom 20. September 2018 – 1 B 69/18, 1 PKH 58/18 – Juris Rn. 3).

Erweist sich nach alledem das Unzulässigkeitsverdikt als rechtmäßig, gilt Anderes auch nicht für die Verneinung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Weder sind im Rahmen der Abschiebungsverbote Aspekte zu berücksichtigen, die nicht bereits Gegenstand der Erörterung zur Unzulässigkeit der Asylanträge waren noch ergeben sich andere Wertungen.

Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 35 AsylG. Dass die Beklagte die Frist zur freiwilligen Ausreise rechtswidrig zu lang bemessen hat, belastet die Kläger nicht (BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 – 1 C 51.18 – juris, Rn. 21).

Das konkludent mit der Befristungsentscheidung ausgesprochene Einreise- und Aufenthaltsverbot beruht auf § 11 Abs. 1 AufenthG. Die festgelegte Fristlänge ist nicht zu beanstanden. Auch die Kläger erheben insoweit keine Einwendungen.

Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage ist unbegründet, da Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.