Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 31. Senat | Entscheidungsdatum | 01.07.2010 | |
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Aktenzeichen | L 31 U 506/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Nr 4104 BKV |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung [Asbestose], in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren) sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. streitig.
Bei dem im Jahre 1935 geborenen Kläger wurde 1999 ein Bronchialkarzinom diagnostiziert, im September 1999 wurde eine Oberlappenresektion rechts durchgeführt.
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) leitete daraufhin Ermittlungen zum Vorliegen einer BK Nr. 4104 ein.
Der mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Prof. Dr. F (Direktor des Instituts für Pathologie, Ukrankenhaus B) führte in seinem Gutachten vom 19. Juli 2000 unter anderem aus, da histologisch in den zur Untersuchung überlassenen Gewebeproben aus dem rechten Lungenoberlappen kein Befund einer Staublungenerkrankung vom Typ der Asbestose habe nachgewiesen werden können, würden die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 4104 nicht vorliegen.
Der aufgrund der Empfehlung des Prof. Dr. F mit der Durchführung ergänzender staubanalytischer Untersuchungen beauftragte Prof. Dr. M führte in seinem Gutachten vom 31. August 2000 unter anderem aus, auf der Grundlage ihm zur Verfügung gestellter drei Paraffinblöcke mit 0,75 g Lungengewebe hätten bei der sorgfältigen Auswertung der Filter typische Asbestkörper nicht nachgewiesen werden können.
Die Technischen Aufsichtsdienste (TAD) der jeweils betroffenen Berufsgenossenschaften stellten daraufhin Ermittlungen zur Asbestexposition an den folgenden Arbeitsplätzen des Klägers an:
(1) 1. April 1951 bis 31. Juli 1952: Firma W.
Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur (Zuständigkeit der Bau BG)
(2) 1. August 1952 bis 5. März 1955: Firma H. N.
Abschluss der Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur (Zuständigkeit der Bau BG)
(3) 5. April 1955 bis 27. Mai 1955: Firma St.
Tätigkeit als Installateur (Zuständigkeit der Bau BG)
(4) 31. Mai 1955 bis 19. Juni 1957: Firma R. Glasdachbau
Tätigkeit als Stahlbaumonteur und Klempner (Zuständigkeit der Bau BG)
(5) 24. Juni 1957 bis 24. August 1957: Firma V. (Betrieb der Sanitärinstallation)
Tätigkeit als Heizungs- und Sanitärinstallateur (Zuständigkeit der Bau BG)
(6) 26. August 1957 bis 25. April 1958: Eisenwerk B.
Zuständigkeit der BG für Maschinenbau und Metallverarbeitung
(7) 12. Mai 1958 bis 6. Mai 1963: K. W. Tankanlagenbau
Tätigkeit als Installateur und Heizungsbauer
(Zuständigkeit der BG für Maschinenbau und Metallverarbeitung)
(8) 6. Mai 1963 bis 31. Dezember 1964: Firma F. M.
Tätigkeit als Sanitärinstallateur (Zuständigkeit der BG für Feinmechanik und Elektrotechnik)
(9) 1. Januar 1965 bis 28. Februar 1966: Firma K.
Tätigkeit als Heizungsbauer (Zuständigkeit der Bau BG)
(10) 01. März 1966 bis 30. Juni 1971: Firma H. M.
Tätigkeit als Sanitär- und Heizungsinstallateur, Ausbildung zum Meister
(Zuständigkeit der Bau BG)
(11) 1. Juli 1971 bis 30. Juli 1988: Firma C. M.
Tätigkeit als Installateurmeister (Zuständigkeit der Bau BG)
(12) 3. Oktober 1988 bis 14. Januar 1991: Firma K. B. (Zeitarbeitsvermittlung)
Tätigkeit als Installateur in einem Heizungsbau-Unternehmen
(Zuständigkeit der Bau BG)
(13) 1. Februar 1989 bis 30. September 1989: Sanitärtechnik G.
Tätigkeit als Installateurmeister (Zuständigkeit der Bau BG)
(14) 1. März 1990 bis 30. September 1998: I. B.
Tätigkeit als Ausbilder (Zuständigkeit der BGW - keine Asbestexposition)
Unter Bezugnahme auf die durchgeführten Ermittlungen, die keine Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von mindestens 25 Jahren ergeben hätten, lehnte die BGW mit Bescheid vom 25. April 2002 die Anerkennung einer BK Nr. 4104 in vorläufiger Zuständigkeit ab. Anhaltspunkte für eine Asbestose oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura lägen bei dem Kläger nach dem Gutachten des Prof. Dr. F, Ukrankenhaus B, vom 19. Juli 2000 nicht vor. Auch das Zusatzgutachten von Prof. Dr. M vom 31. August 2000 habe im Ergebnis der dort durchgeführten Lungenstaubanalyse keine Hinweise auf Asbestkörper ergeben.
Hiergegen legte der Kläger am 6. Mai 2002 zur Niederschrift Widerspruch ein. Diesen begründete er im Folgenden durch umfangreiche Bezugnahmen auf die bei seinen früheren Arbeitgebern bzw. Arbeitsplätzen angefallenen staubgefährdeten Arbeiten, die bei der Berechnung der Faserjahre nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Zudem benannte er mehrere Zeugen, die seine Angaben bestätigen könnten. Eine kumulative Asbestfaserstaub-Dosis von 25 Jahren liege sehr wohl vor.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hörte die BGW erneut die Technischen Aufsichtsdienste der für die jeweiligen Arbeitsplätze des Klägers zuständigen Berufsgenossenschaften. Trotz der Angaben des Klägers, er habe während seiner Selbständigkeit zwischen 45 und 50 Prozent der Gesamtarbeitszeit Umgang mit asbesthaltigen Stoffen gehabt, blieb die Beklagte bei ihrer ursprünglichen Einschätzung, wonach es sich bei einer Expositionszeit von 35 Prozent der Arbeitszeit bereits um eine „worst-case“-Betrachtung handele. Auch die Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft und Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft blieb bei ihrer Beurteilung und bestätigte, dass für das gesamte Berufsleben des Klägers aufgrund der dort vorliegenden Erfahrung bei der Anfertigung von Faserjahrberechnungen eine kumulative Asbestfaserstaub-Dosis von weniger als 25 Asbestfaserjahren wahrscheinlich gemacht werden könne. Zudem hörte die BGW zur Klärung des Umfangs der Asbestexposition des Klägers von diesem benannte Zeugen an.
In einer weiteren fachpathologischen ergänzenden Stellungnahme vom 8. Dezember 2003 führte Prof. Dr. M unter anderem aus, bei dem Kläger bestehe zweifelsfrei ein Lungenkarzinom. Das vorliegend repräsentierte tumorfreie Lungenparenchym zeige eine teilweise fortgeschrittene Fibrosierung, partiell mit Einlagerungen von anthrakotischem Staub mit staubanalytisch nur vereinzelt nachweisbaren doppelbrechenden Kristallen. Ein Fibrosierungsmuster wie bei einer Asbest-assoziierten Fibrose finde sich nicht. In der seinerzeit durchgeführten lichtmikroskopischen staubanalytischen Untersuchung hätten sich keine Asbestkörper gefunden. Sollten überhaupt Asbestkörper vorhanden gewesen sein, müsse ihre Anzahl unter 13 pro Gramm gelegen haben, eine vergleichsweise vermehrte Asbestbelastung des Lungenparenchyms sei seinerzeit nicht nachweisbar gewesen. Die jetzt durchgeführte elektronenmikroskopische Faseranalytik habe ebenfalls keine Hinweise für eine vergleichsweise erhöhte Asbestbelastung des Lungengewebes ergeben. Zusammenfassend sei eine Lungenfibrosierung im Sinne einer Asbestose definitiv auszuschließen. Hinweise auf pleurale Brückenbefunde fänden sich nach den vorliegenden Unterlagen ebenfalls nicht. Eine BK Nr. 4104 sei nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit abzuleiten.
Am 20. August 2004 zeigte die Beklagte gegenüber der BGW an, dass sie nunmehr die weitere Bearbeitung des Verfahrens zur Prüfung der fraglichen Berufskrankheit übernehme, da die letzte gefährdende Tätigkeit in ihrem Zuständigkeitsbereich liege.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. September 2004 zurück. Zur Begründung stützte sie sich dabei auf die Ergebnisse der ergänzenden fachpathologischen Stellungnahme des Prof. Dr. M vom 8. Dezember 2003 sowie auf weitere umfangreiche Ermittlungen zur Feststellung asbestgefährdender Tätigkeiten, die eine Asbestfaserjahresexposition von 16,3 Faserjahren und damit deutlich weniger als die zur Anerkennung einer BK Nr. 4104 geforderten 25 Faserjahre ergeben hätten.
Hiergegen erhob der Kläger am 1. November 2004 Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Zur Begründung bezog er sich zum einen auf sein Vorbringen im Vorverfahren. Zudem führte er aus, es ergebe sich bei der Berücksichtigung von elf der dreizehn Betriebe, in denen er tätig gewesen sei, insgesamt eine Anzahl von 23,2 Faserjahren. Eine Einbeziehung der Firmen R und B liege nicht vor. Bei der Firma R sei er für die Verarbeitung asbesthaltiger Schnüre und die Montage von Asbestzementplatten zuständig gewesen, einschließlich der Abriss- und Zuschneidearbeiten. Bei der Firma B habe er in der Zeit vom 3. Oktober 1988 bis 14. Januar 1989 Tätigkeiten ausgeführt, die mit denjenigen bei der Firma M vergleichbar seien; beispielsweise habe er Asbestzementplatten für Hitzeschutz und Asbestzementrohre verarbeitet und asbesthaltige Isolierungen, Schnüre und Platten entfernt. Auch bestimmte Arbeiten bei der Firma Gin der Zeit vom 1. Februar 1989 bis 30. September 1989 seien nicht berücksichtigt worden, obwohl er auch dort rund fünf Stunden täglich Kontakt mit asbesthaltigen Materialien gehabt habe. Ebenso fehlten bei der Berechnung der Faserjahre durch die Beklagte Arbeiten bei der Firma S vom 5. April 1955 bis 27. Mai 1955. Diese Arbeiten seien mit denjenigen bei der Firma N vergleichbar. Eine hohe Asbestbelastung habe sich auch bei seinem Einsatz auf der Baustelle des I B ergeben. Dort seien asbesthaltige Zementplatten und Leitungsrohre verarbeitet worden. Schließlich habe Prof. Dr. F für seine gutachterliche Stellungnahme lediglich drei Paraffinblöcke erhalten, was zu einer substantiierten Begutachtung nicht ausreichend sei.
Die Beklagte hielt dem entgegen, dass ihr TAD nach umfangreichen weiteren Ermittlungen und der Befragung weiterer Zeugen und Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen sei, dass für den Bereich der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) eine Asbestfeinstaubexposition von 9,7 Faserjahren vorgelegen habe. Zusammen mit den Ermittlungsergebnissen der BG Feinmechanik und Elektrotechnik (3,5 Faserjahre) sowie der BG Maschinenbau und Metall (3,2 Faserjahre) ergebe sich eine Gesamtbelastung von 16,4 Faserjahren.
Nach Vernehmung der sachverständigen Zeugen H und W in der mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 04. Juni 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, bei dem Kläger liege weder eine Asbestose noch eine andere durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura im Sinne der BK Nr. 4104 vor. Dies ergebe sich aus den vorliegenden aktenkundigen Gutachten von Prof. Dr. F und der fachpathologischen Zusatzbegutachtung durch Prof. Dr. M. Zwar könne eine BK Nr. 4104 auch bei Lungenkrebs gegeben sein, wenn gleichzeitig die Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren gegeben sei. Jedoch seien 25 Asbestfaserjahre nicht nachgewiesen. Ausgehend von den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten, in deren Mitgliedsbetrieben der Kläger gearbeitet habe (9,7 Faserjahre), den Ermittlungsergebnissen der Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik (3,5 Faserjahre) und der Berufsgenossenschaft Maschinenbau und Metall (3,2 Faserjahre) könne nur von einer Gesamtbelastung von 16,4 Faserjahren ausgegangen werden. In diese Berechnungen seien Beschäftigungszeiten bei den Firmen Rund B und entgegen der Annahme des Klägers auch bei der Firma S eingeflossen. Hinsichtlich der Asbestbelastung in den in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallenden Betriebe halte die Kammer die Berechnung der sachverständigen Zeugin Frau W vom 10. August 2004, in der sie zu einem Wert von 9,6 Faserjahre komme, für nachvollziehbar, nicht indes die Berechnung des sachverständigen Zeugen H vom 21. Mai 2004, in der er allein für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten und ohne Einbeziehung der Firmen R, B und S zu einem Wert von 16,5 Faserjahren gelangt sei. Der sachverständige Zeuge H habe sich im Termin selbst von seiner eigenen Berechnung distanziert. Er habe angegeben, subjektive Angaben des Klägers zwar anhand ihm bekannter objektiver Erfahrungswerte korrigiert zu haben. Jedoch habe er in seiner Berechnung vom 21. Mai 2004 nicht berücksichtigt, dass seit dem Jahr 1984 seitens der Firma E keine asbesthaltigen Abflussrohre mehr hergestellt worden seien und bis zum Verbot am 01. Mai 1990 auch kaum noch Verwendung gefunden hätten. Seine Berechnung sei zudem auf der Grundlage des Faserjahrreports 1/1997 erfolgt, in dem das Berufsbild des Heizungsbauers bzw. des Installateurs nicht explizit aufgeführt gewesen sei. Er habe seine Berechnung daher unter Bezugnahme auf andere Berufsgruppen mit vergleichbaren Tätigkeiten vornehmen müssen, wodurch diese allerdings erheblichen Ungenauigkeiten ausgesetzt gewesen sei. Die sachverständige Zeugin W habe erläutert, dass die subjektiven Angaben des Klägers zu seiner Asbestbelastung aufgrund erheblicher Widersprüche zu allgemeinen Erfahrungswerten deutlicher Korrekturen bedurft hätten. In ihrer Berechnung, die sie in der mündlichen Verhandlung eingehend erläutert habe, habe sie die individuellen Besonderheiten der Asbestfaserstaubeinwirkungen auf den Kläger mittels einer gründlichen, sachverständigen und lückenlosen Arbeitsplatz- und Berufsanalyse in Erfahrung gebracht. Die Zeugin W habe differenziert zwischen der Tätigkeit des Klägers als Heizungsbauer und als Installateur, die sie von ihrem zeitlichen Umfang her jeweils hälftig veranschlagte. Ihre Berechnung der Asbestexposition für die Tätigkeit des Klägers als Installateur habe sie auf der Grundlage des Faserjahrreports 1/1997 vorgenommen. Dabei sei es zu erheblichen Korrekturen im Vergleich zu den Berechnungen durch den Zeugen H gekommen. Dies sei im Einzelnen ausgeführt worden. Für die Tätigkeit des Klägers als Heizungsbauer habe die Zeugin W den Faserreport 1/1997 zugrunde gelegt und ergänzend einen partiellen Vorentwurf für den Faserreport 10/2004 herangezogen, in dem das Berufsbild des Heizungsbauers erstmals ausdrücklich im Hinblick auf mögliche Asbestbelastungen erfasst worden sei. Die Kammer habe keine Einwände gegen die partielle Einbeziehung des damaligen Vorentwurfs für die Faserjahrberechnung durch die Zeugin W gehabt. Dem Faserjahrreport komme der Charakter einer Richtlinie für die gleichmäßige und an aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen orientierte Anwendung in der Praxis zu, nicht jedoch der einer Rechtsnorm. Die für den Bereich Heizungsbau von dem Kläger angegebenen Arbeiten mit Asbestmaterial seien in diesem Umfang bei üblichen Heizungsanlagen nicht angefallen. Isolierarbeiten seien lediglich an Großkesselanlagen in Industrieobjekten bzw. Kraftwerken erfolgt und seien Aufgabe von Isolierbetrieben gewesen. Großkesselanlagen seien von Spezialfirmen des Feuerungsbaus erstellt worden und nicht von Klein- und Mittelbetrieben der Installateurbranche, wobei für die Heizungsbauertätigkeiten die Verwendung von Asbestschnüren sowie in Form von Dichtungen und Klappen im Ofenbereich einzuräumen sei. Dabei handele es sich jedoch um sehr kurzzeitige Arbeitsvorgänge, die gesamtbewertet den vom Kläger angegebenen Umfang nicht erreicht hätten. Soweit der Kläger beanstande, dass die Faserjahrberechnungen des TAD der Beklagten auf Schätzungen beruhten, die seine eigenen Angaben nur unzureichend berücksichtigen würden, habe dieses Vorbringen bereits deshalb keinen Erfolg, weil der TAD der Beklagten seiner Berechnung größtenteils die ungünstigen in Betracht kommenden Arbeitsverhältnisse zugrunde gelegt habe. Für die Zeit der Selbständigkeit des Klägers in den Jahren 1971 bis 1988 habe die Beklagte in ihrer Faserjahr-Ermittlung eine Expositionszeit von bis zu 35 Prozent und damit einen täglichen Umgang mit asbesthaltigen Stoffen von zwei Stunden und 48 Minuten zugrunde gelegt. Nachvollziehbar erkenne sie darin die denkbar ungünstigsten Arbeitsverhältnisse an, zumal Unternehmer mit sechs Beschäftigten auch zeitintensivere Tätigkeiten wie Beratung, Kundenbetreuung, Aufmass und allgemeine Büroarbeiten auszuführen hätten. So habe der Kläger gegenüber der Beklagten selbst angegeben, während der Zeit seiner Selbständigkeit hauptsächlich im Servicebereich tätig gewesen zu sein. In der Berechnung der sachverständigen Zeugin W vom 10. August 2004 seien auch Arbeitszeiten bei den Firmen R und Beinbezogen worden. Für die Beschäftigungszeit bei der Firma R (24,5 Monate) seien 20 % der Gesamtarbeitszeit für Arbeiten mit Asbestmaterial in Ansatz gebracht worden. Ein höherer Ansatz komme nicht in Betracht. Das Zerschneiden asbesthaltiger Rohre mit der Flex sei in den 50er Jahren aus den oben genannten Gründen noch nicht vorgekommen. Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit für die Firma R Fassaden verkleidet habe und dabei asbesthaltigen Stoffen ausgesetzt gewesen wäre. Eine entsprechende Tätigkeit entspreche nicht dem Berufsbild des Stahlbaumonteurs; als solcher sei der Kläger bei der Firma R aber beschäftig gewesen. Schließlich berücksichtige die Berechnung der sachverständigen Zeugin W vom 10. August 2004 auch den Zeitraum der Tätigkeit bei der Firma S vom 5. April 1955 bis 31. Mai 1955, habe diesen jedoch - wie die Zeugin W in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - versehentlich bei der Firma R Glasdachbau integriert. Auch die Arbeiten des Klägers bei der Firma B hätten in der Berechnung der Zeugin W Berücksichtigung gefunden, allerdings zu Recht nicht in dem von dem Kläger begehrten Umfang. Die Arbeiten bei der Firma B in den Jahren 1988 bis 1991 seien hinsichtlich des Umfangs mit asbesthaltigen Materialien entgegen dem Klägervorbringen nicht mit denjenigen bei der Firma M in dem Zeitraum 1966 bis 1971 vergleichbar. In der Installateurbranche hätten sich im Verlaufe der fast 20 Jahre Arbeitsvorgänge, Technologien und vor allem Materialien dermaßen verändert, dass hier keine Vergleichbarkeit bestehe. Eternitrohre seien ab 1984 asbestfrei produziert und vermarktet worden und Abflussrohrverlegungen erfolgten hauptsächlich mit Kunststoffrohren, so dass die Beklagte diesbezüglich ihren Berechnungen nachvollziehbar lediglich 2 % der Gesamtarbeitszeit für den Umgang mit asbesthaltigen Materialien zugrunde gelegt habe. Diese 2 % der Gesamtarbeitszeit entfielen auf Rückbauarbeiten von asbesthaltigen Schnüren, Dichtungen, Brandschutzvorrichtungen und weiteren Materialien. Auch für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma Gsei entgegen seinem Vorbringen von einer weitaus geringeren Asbestbelastung als fünf Stunden täglich auszugehen. Eternitrohre für Entwässerungsleitungen seien von der Firma E seit dem Jahr 1984 asbestfrei hergestellt worden. Zudem sei es nicht branchenüblich, dass von einem Installateurmeister Asbestzementrohre mit der Flex auf Maß geschnitten würden. Hinsichtlich des Einsatzes des Klägers bei Arbeiten am I B habe die Beklagte nach Rücksprache mit dem langjährig in dieser Funktion tätigen technischen Leiter des Objekts feststellen können, dass zwar in der Bauzeit des I in den Jahren 1976 bis 1979 asbesthaltige Brandschutzplattenverkleidungen Verwendung gefunden hätten. Ab 1981 indes seien bei baulichen Veränderungen, Reparaturen (auch in Heizungs- und Sanitärbereichen) und Anbauten keine asbesthaltigen Materialien mehr zugelassen gewesen, so dass eine Exposition für den Einsatz des Klägers im Bereich des I im Jahr 1989 nicht in Betracht komme. Die Asbestbelastung für die Tätigkeit des Klägers bei der K Tankanlagenbau und des Eisenwerk B habe die zuständige Berufsgenossenschaft für Maschinenbau und Metallverarbeitung ebenfalls auf der Grundlage einer worst-case Betrachtung berechnet und sei so zu einem Wert von 3,2 Faserjahren gelangt. Die für die Ermittlung der Asbestbelastung während der Tätigkeit bei der Firma M zuständige Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik habe ihren Berechnungen bereits großzügig eine Asbestbelastung von 41 % zuzüglich 10 % Bystanderbelastung zugrunde gelegt und sei so zu einem Wert von 3,5 Faserjahren gekommen. Die Berechnungen der Berufsgenossenschaft für Maschinenbau und Metallverarbeitung sowie der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik seien im Übrigen durch den Kläger auch nicht weiter gerügt worden. Die Kammer habe auch keine Veranlassung, an ihrer jeweiligen Richtigkeit zu zweifeln, gesehen. Insgesamt ergebe sich daher unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Faserjahrwerte und der durch die Beklagte errechneten 9,6 Faserjahre lediglich ein Wert von 16,3 Faserjahren. Der für eine Anerkennung einer BK Nr. 4104 zu fordernde Wert von 25 Faserjahren werde somit deutlich unterschritten.
Gegen das ihm am 13. Juni 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 04. Juli 2007 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger unter anderem vor, der technische Sachverständige Diplom-Ingenieur Fr habe aufgrund eines bereits statistisch erfassbaren Verbrauchs in den Jahren 1951 bis 1989 25 Faserjahre zubilligt, ohne die Zeit des Klägers als Ausbilder beim IB zu berücksichtigen. Er wendet sich erneut gegen die Berechnungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten und begehrt die Überprüfung durch einen unabhängigen technischen Sachverständigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung eine Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. zu gewähren,
hilfsweise ein arbeitstechnisches Gutachten eines Präventionsdienstes einer anderen Berufsgenossenschaft, vorzugsweise der BGW, zum Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung von 25 Faserjahren einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung. Ergänzend hat sie Auszüge aus dem BK-Report 1/2007 Faserjahre übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK Nr. 4104 und dementsprechend keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.
Die BK Nr. 4104 der Anlage zur BKV erfasst Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren.
Das Bronchialkarzinom des Klägers gehört zu den Erkrankungen, wie es die BK Nr. 4104 grundsätzlich erfordert. Es ist jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Kläger an einer Asbeststaublungenerkrankung (Lungenasbestose) oder einer Erkrankung der Pleura (Brustfell) leidet, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einer Belastung mit Asbeststaub beruht (Pleuraasbestose), denn die von der Beklagten beauftragten Gutachter Prof. Dr. F und Prof. Dr. M konnten diese gerade nicht bestätigen. Es ist auch nicht bewiesen, dass der Kläger an seinen Arbeitsplätzen einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von mindestes 25 Faserjahren ausgesetzt gewesen ist.
Der Kläger war zur Überzeugung des Senates während seines Berufslebens unterhalb des Schwellenwertes von 25 Faserjahren asbestbelastet, weil er nur einer maximalen Lebensarbeitszeitdosis von 16,3 Faserjahren, ausgesetzt gewesen ist. Dies haben die umfangreichen arbeitstechnischen Ermittlungen ergeben, mit denen sich das Sozialgericht bereits umfassend und inhaltlich zutreffend auseinandergesetzt hat. Der Senat nimmt zunächst Bezug auf diese Begründung des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, denn er weist die Berufung aus den sehr ausführlich dargestellten, alle rechtlichen und technischen Aspekte diskutierenden und sich mit den Aussagen der sachverständigen Zeugen sehr ausführlich auseinandersetzenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die von der Beklagten veranlassten und von den zuständigen Technischen Aufsichtsdiensten durchgeführten Berechnungen für den Senat schlüssig und anhand des BK-Reports Faserjahre (1/2007; Herausgeber: Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften [HVBG], März 2007) nachvollziehbar sind. Der BK-Report Faserjahre 1/2007, der im Internet unter der Adresse „www.hvbg.de“ allgemein zugänglich ist, gibt den Technischen Aufsichtsdiensten und Fachabteilungen der Berufsgenossenschaften Hilfestellung, um auf möglichst einheitlicher Grundlage die Ermittlungen im BK-Verfahren durchzuführen. Dieser ist zwar kein Gesetz und auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Es handelt sich jedoch bei ihm um eine auf besonderer technischer Sachkunde beruhende Ausarbeitung, die eine möglichst einheitliche Verwaltungspraxis und Rechtsanwendung im gesamten Bundesgebiet zum Ziel hat. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in dem eine Vielzahl der zu beurteilenden Arbeitsplätze aus dem langen Berufsleben des Klägers von April 1951 bis September 1998 nicht mehr vorhanden und die damaligen Arbeitsbedingungen auch nur schwer zu simulieren sind, eignet sich eine Zusammenstellung wie der BK-Report Faserjahre dazu, der Überprüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen, wie sie vom Technischen Aufsichtsdienst ermittelt worden sind, zugrunde gelegt zu werden, denn er enthält eine an aktuellen Erkenntnissen ausgerichtete Zusammenfassung der technischen Erkenntnisse.Es ist vorliegend auch - entgegen dem Vorbringen des Klägers - nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bzw. der von ihr eingeschaltete Technische Aufsichtsdienst den aktuellen BK-Report zugrunde gelegt hat, denn selbstverständlich ist der Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der jeweils aktuelle Stand der Wissenschaft und Forschung zugrunde zu legen, der in dem aktuellen BK-Report 1/2007 dargelegt ist.
Der Kläger kann auch mit seinem Vortrag keinen Erfolg haben, die Ergebnisse des BK-Report 1/2007 Faserjahre seien schon deshalb anzuzweifeln, weil sie von den mutmaßlich betroffenen Berufsgenossenschaften erarbeitet worden seien und deshalb als Parteivortrag einer neutralen Gerichtsentscheidung nicht zugrunde gelegt werden könnten. Der Senat hat in Auswertung des Reports unter Berücksichtigung der umfangreichen Literaturliste und der Qualifikation der Autoren keine Bedenken, dass die Ausarbeitung wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Ist aber davon auszugehen, dass wissenschaftlichen Ansprüchen Genüge getan ist, spielt es zunächst keine Rolle, welcher Beteiligte die wissenschaftliche Ausarbeitung vorgelegt hat. Etwas anderes mag gelten, wenn der Kläger konkret und nachvollziehbar darlegt, dass Zweifel an der Richtigkeit der erarbeiteten Ergebnisse angebracht sind. Hierfür reicht der pauschale Hinweis auf die Urheberschaft des Werkes aber nicht aus (in diesem Sinne zum Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell bei der BK 2108, BSG Urteil vom 18. November 2008, B 2 U 14/08 R, zitiert nach Juris dort Rn. 27).
Soweit der Kläger geltend macht, der Dipl.-Ing. Fr habe in seiner arbeitstechnischen Stellungnahme vom 20. Juli 2001 ausgeführt, dass aus seiner Sicht angesichts der 38-jährigen Tätigkeit und der Staubbelastung der der Kläger ausgesetzt gewesen sei, mindestens 25 Faserjahre einer kumulativen Asbeststoffdosis vorlägen, überzeugt dies den Senat nicht. Der Dipl.-Ing. F hat sich anders als die in der mündlichen Verhandlung vernommene sachverständige Zeugin W nicht mit den einzelnen konkreten Tätigkeiten die der Kläger in seinem gesamten Berufsleben von 1951 bis 1989 bzw. 1999 ausgeübt hat, auseinandergesetzt, sondern lediglich aus einer Gegenüberstellung einer Statistik über den Verbrauch von Rohasbest und einer solchen über die Zahl der BK-Fälle in den Jahren 1950 bis 1996 seine These, der Kläger erfülle die Voraussetzung einer Einwirkungszeit von 25 Faserjahren, erhoben. Deutlich wird dies auch daran, dass er auf Seite 1 seiner Stellungnahme den Zeitraum von 1951 bis 1989 als einheitlichen Zeitraum betrachtet, ohne die von der Zeugin W gemachten und zur Überzeugung des Senates notwendigen Differenzierungen hinsichtlich der konkreten Tätigkeiten des Klägers und den auch im Laufe der Zeit unterschiedlichen verwandten Materialien vorzunehmen. Gerade die von ihm zitierte Statistik des Verbrauchs von Rohasbest hätte hierzu jedoch Anlass gegeben, denn in dieser sieht man deutlich, dass nach einer Steigerung des Rohasbestverbrauches zwischen 1950 und 1981 dieser bis 1990 stark abnahm und schließlich im Jahr 1990/1991 bei 0 To/Jahr lag.
Der Senat schließt sich damit dem Urteil des Sozialgerichts und den dortigen Ausführungen zur Nachvollziehbarkeit der Aussagen der sachverständigen Zeugen an. Soweit der Kläger ausführt, die Aussagen würden dem Faserreport 1/1997 widersprechen, kommt es hierauf nicht an, denn zutreffend ist bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs-/Leistungsklage auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, d. h. der Berechnung der Faserjahre ist nunmehr – wie bereits begründet - der Faserreport 1/2007 zugrunde zu legen, der insoweit mit dem von der sachverständigen Zeugin W bereits zugrunde gelegten Entwurf 10/ 2004 übereinstimmt.
Der Vortrag, die Angaben der Zeugen seien abgesprochen gewesen, wurde pauschal erhoben und in keiner Weise substantiiert begründet, so dass der Senat dem nicht weiter nachzugehen brauchte. In diesem Zusammenhang musste der Senat auch nicht der Beweisanregung des Klägers, ein arbeitstechnisches Gutachten eines Präventionsdienstes einer anderen Berufsgenossenschaft, vorzugsweise der BGW, zum Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen von 25 Faserjahren einzuholen, nachkommen, denn dieser Antrag ist unzureichend konkretisiert und stellt daher einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag dar.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.