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Altersvorsorgezulage


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 06.03.2014
Aktenzeichen 10 K 14034/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30. September 2011 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2012 verpflichtet, der von der Klägerin beantragten Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages zuzustimmen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Voraussetzungen für die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages vorliegen.

Die Klägerin, mit 98 % Gesellschaftsanteil, und ihr Ehemann, mit 2 % Gesellschaftsanteil, sind Gesellschafter der B… GbR. Die B… GbR erwarb das Hausgrundstück C…-straße in D…. Die Auflassung erfolgte am 8. Dezember 2008, die Eintragung ins Grundbuch am 9. Dezember 2008, wobei die Klägerin und ihr Ehemann dort als Gesellschafter der B… GbR eingetragen wurden. In dem Anwesen befindet sich unter der Adresse Ca…-straße die Hauptwohnung der Klägerin und ihres Ehemannes. Unter der Adresse C…-straße betreibt der Ehemann der Klägerin im Anwesen seine Anwaltskanzlei. Eine Teilungserklärung bezüglich der Immobilie existiert nicht.

Die Klägerin schloss einen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) zertifizierten Altersvorsorgevertrag bei der E… GmbH – Anbieter – ab. Gemäß Mitteilung der Beklagten vom 30. Juli 2012 belief sich das geförderte Altersvorsorgevermögen zu diesem Zeitpunkt auf 7.852,33 € zuzüglich der Erträge.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2011, eingegangen bei der Beklagten am 6. Juli 2011, beantragte die Klägerin die vollständige Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages. Beigefügt war diesem Schreiben eine „Erklärung zur wohnungswirtschaftlichen Verwendung und zur Hauptwohnung bzw. Lebensmittelpunkt“. Darin erklärte die Klägerin, unter der Anschrift „D…, Ca…-straße“ eine Wohnung für die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken käuflich erwerben oder selbst herstellen zu wollen oder herstellen zu lassen, wobei diese Wohnung ihre Hauptwohnung oder den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen darstelle.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. September 2011 ab, wogegen die Klägerin fristgerecht Einspruch einlegte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung vertrat sie die Ansicht, die Klägerin sei nicht Eigentümerin der Immobilie, da im Grundbuch die B… GbR als Eigentümerin eingetragen sei. Deshalb sei auch die B… GbR alleinige Eigentümerin. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Klägerin neben der B… GbR als Gesellschafterin im Grundbuch eingetragen sei. Eigentümerin bleibe stets die B… GbR. Da gesetzlich nur eine eigene Wohnung im Sinne von § 39 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) begünstigt sei, müsse es bei der im Bescheid vom 30. September getroffenen Entscheidung bleiben.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Auszahlung des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages seien hinsichtlich der selbstgenutzten Wohnung in der Ca…-straße erfüllt. Insbesondere sei kein Alleineigentum an der Immobilie erforderlich. Rechtlich sei sie, die Klägerin, Eigentümerin, zumindest aber im Hinblick auf ihren Anteil von 98 % an der B… GbR wirtschaftliche Eigentümerin der Wohnung. Hätten sie, die Klägerin und ihr Ehemann, die Wohnung jeweils als Miteigentümer erworben, wäre unzweifelhaft davon auszugehen, dass die Klägerin Eigentümerin sei und die Voraussetzungen des § 92a Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt seien. Ein einleuchtender Grund, weshalb dies bei einer aus Eheleuten bestehenden B… GbR anders sein solle, sei nicht ersichtlich.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. September 2011 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2012 zu verurteilen, der von der Klägerin beantragten Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages zu-zustimmen und dem Anbieter des Altersvorsorgevertrages, der E… GmbH, F…, nach § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG mitzuteilen, dass der Altersvorsorge-Eigenheimbetrag an die Klägerin ausgezahlt werden kann.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Maßgeblich für die Eigentumszuordnung sei § 39 AO. Die Klägerin sei jedoch weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der Immobilie.

Der Zweck der B… GbR sei, soweit die bekannten Umstände diesbezüglich einen Schluss darauf zuließen, nicht die Anschaffung und Förderung von selbst genutztem Wohneigentum als Altersvorsorge. Vielmehr deute die Verteilung der Gesellschaftsanteile nebst dem Umstand, dass der Ehemann der Klägerin auf demselben Grundstück seine Anwaltskanzlei betreibe, darauf hin, dass die B… GbR zum Zweck der Vermietung von Gewerberäumen bestehe. Zudem deute der Umstand, dass sich der Sitz der B… GbR nicht in der C…-straße befinde, sondern in G…, H…-straße, auf weitere Aktivitäten der B… GbR hin. Auffällig sei jedenfalls, dass der Anteil des Ehemannes an der B… GbR bei weitem nicht seinem Anteil an der Nutzung der streitigen Immobilie entspreche. Ein Erwerb der Immobilie zum Zwecke der Altersvorsorge hätte im Übrigen nicht der Konstruktion über eine B… GbR bedurft. Auch widerspreche die umfassende Haftung der Klägerin aufgrund ihrer Gesellschafterstellung dem Zweck des Gesetzes, möglichst langfristig Altersvorsorgevermögen in Form einer Wohnung bzw. eines Hausgrundstücks zu schaffen.

Schließlich sei zu beachten, dass die Aufwendungen der Klägerin für den Erwerb der Immobilie ausschließlich aus den Einlagen für die B… GbR bestünden, § 706 BGB, die sie laut Gesellschaftsvertrag zu zahlen verpflichtet gewesen sei. Dies allein seien ihre unmittelbaren Aufwendungen, für die jedoch eine Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin wird durch die Ablehnung des Erlasses des beantragten Bescheides auf Mitteilung des förderunschädlich aus dem Altersvorsorgevermögen auszahlbaren Betrages in ihren Rechten verletzt, da der angefochtene ablehnende Bescheid rechtswidrig ist, § 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Beklagte geht rechtsirrig davon aus, dass die Voraussetzungen für eine förderunschädliche Entnahme des Altersvorsorgevermögens nicht vorliegen. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine förderunschädliche Auszahlung des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages, indem sie das angesparte Kapital nebst Zulagen für die Errichtung der von ihr als Hauptwohnsitz genutzten Wohnung auf dem Grundstück Ca…-straße in D… verwenden will.

Die Voraussetzungen, unter denen Altersvorsorgevermögen in Form des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages förderunschädlich verwendet werden kann, finden sich in § 92a Abs. 1 EStG. Danach kann die Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG über diesen Abschnitt geförderte Kapital bis zu 75 Prozent oder zu 100 Prozent als so genannten Altersvorsorge-Eigenheimbetrag unter anderem verwenden für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung. Nach § 92a Abs. 1 Satz 2 und 4 EStG ist eine Wohnung im Sinne des vorhergehenden Satzes

1. eine Wohnung in einem eigenen Haus oder

2. eine eigene Eigentumswohnung oder

3. eine Genossenschaftswohnung einer eingetragenen Genossenschaft oder

4. ein eigentumsähnliches oder lebenslanges Dauerwohnrecht nach § 33 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), soweit Vereinbarungen nach § 39 des WEG getroffen sind.

Vorliegend erfüllt die Klägerin jedenfalls die Voraussetzung der Verwendung des Altersvorsorgevermögens für eine Wohnung in einem eigenen Haus, nämlich in der Ca…-straße in D….

Was unter „eigen“ im Sinne von § 92a Abs. 1 Satz 2 EStG zu verstehen ist, definiert die Vorschrift nicht. Insoweit ist die Regelung des § 39 AO heranzuziehen, da gemäß § 96 Abs. 1 EStG sowohl auf die Zulagen wie auf die Rückzahlungsbeträge die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechende Anwendung finden. Da nach § 1 Abs. 1 AO die AO zudem für alle Steuern einschließlich Steuervergütungen gilt, folgt daraus, dass alle Vorschriften der AO auf die §§ 79 ff EStG Anwendung finden, soweit nicht Sonderregelungen vorgehen (vgl. Lindberg in Blümich, Kommentar zum EStG, 121. Auflage 2014, § 96 EStG Rz 1).

Nach § 39 Abs. 1 AO werden Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zugerechnet.

Nach § 39 Abs. 2 AO greift eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Abweichend von § 39 Abs. 1 AO wird ein Wirtschaftsgut nicht dem Eigentümer zugerechnet, sondern einem Dritten, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Beteiligten jedoch anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.

Im Streitfall spricht zwar viel dafür, dass der Klägerin die Wohnung in dem unter Ca…-straße errichteten Wohnhaus nicht im Sinne von § 39 Abs. 1 AO als Eigentümerin gehörte, da hier mit „Eigentümer“ der zivilrechtliche Eigentümer als zivilrechtlich Berechtigter mit absoluter Herrschaftsmacht über den Vermögensgegenstand gemeint ist (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, Dokumentenstand 06.2012, § 39 AO Rz 3, 4; Klein/Ratschow, Kommentar zur AO, 11. Auflage 2012, § 39 AO Rz 14; Koenig in Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO, 2. Auflage 2009, § 39 AO Rz 10; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO, Dokumentenstand: 03.2013, § 39 AO Rz 7), das Eigentum an dem Wirtschaftsgut Wohnhaus mit der darin befindlichen Wohnung jedoch gemäß § 94 Abs. 1 BGB dem Eigentum am Grundstück folgt und Eigentümerin des Grundstücks mit Eintragung ins Grundbuch, § 873 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die B… GbR geworden war. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Klägerin mit ins Grundbuch eingetragen wurde, allerdings gemäß dem vorliegenden einfachen Grundbuchauszug „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung B… GbR“. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass dann, wenn im Grundbuch die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zusatz „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ als Eigentümer eingetragen sind, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst Eigentümerin des Grundstücks ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2006 II ZR 218/05, NJW 2006, 3716). Der Senat sieht keine rechtserheblichen Gründe, sich dieser Rechtsansicht nicht anzuschließen.

Jedoch ist die Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, zumindest als Miteigentümerin des Wohnhauses und der darin befindlichen Wohnung anzusehen. Dies genügt.

§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist, bezogen auf die in § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG angeordnete Anwendung auf die Regelungen über die Altersvorsorge, so zu lesen, dass eine anteilige Zurechnung von Wirtschaftsgütern, hier der Wohnung, für die die Auszahlung des Altersvorsorgevermögens begehrt wird, dann erfolgt, soweit eine getrennte Zurechnung für die Verwendung des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages erforderlich ist. Eine derartige Erforderlichkeit hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Recht der Eigenheimzulage für Objekte, die sich im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft befinden, angesichts einer mit § 96 Abs. 1 Satz EStG wortgleichen Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) und des Umstandes, dass für die Eigenheimzulage anspruchsberechtigt lediglich natürliche Personen waren, bejaht (vgl. BFH, Urteil vom 24. Juni 2004 III R 69/03, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2005, 128). Diese Wertung ist in den Bereich des Altersvorsorgevermögens übertragbar, da auch hier nach dem Gesetzeswortlaut in den §§ 10a Abs.1, 79, 92a Abs. 1 EStG lediglich natürliche Personen begünstigt sind.

Den ergänzend von der Beklagten angestellten Überlegungen, die gegen eine Auszahlung des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages an die Gesellschafterin einer die Wohnung errichtenden Gesamthandsgesellschaft sprechen sollen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Die Wohnung kommt der Klägerin erkennbar zu Gute, auch wenn die zivilrechtliche Eigentumslage sich abweichend gestaltet. Das Risiko der Haftung des mit der Wohnung errichteten Gebäudes bestünde ebenfalls, wenn die Klägerin und ihr Ehemann Bruchteilseigentümer wären. Schließlich wäre auch bei einer Volleigentümerstellung der Klägerin nicht gewährleistet, dass das mit dem Altersvorsorge-Eigenheimbetrag geschaffene Wohneigentum der Klägerin auch auf Dauer zur Verfügung stünde, insbesondere also keine Veräußerung erfolgte.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass formal die Klägerin für die Errichtung des Wohngebäudes keine Aufwendungen gehabt habe, weil diese bei der B… GbR entstanden seien, ist dem zwar zuzustimmen. Angesichts der nur aus der Klägerin und ihrem Ehemann bestehenden B… GbR ist jedenfalls im Streitfall aber davon auszugehen, dass wirtschaftlich die Baukosten letzten Endes doch von der Klägerin (mit)getragen wurden, die Aufwendungen für die Errichtung des Wohngebäudes also (auch) bei ihr mit anfielen. Die Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist nach Auffassung des Senates zwingende Konsequenz aus der Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Dem Senat ist bekannt, dass noch weitere gleichgelagerte Fälle zur Entscheidung anstehen.