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BK 1201; Erkrankungen durch Kohlenmonoxid; arbeitstechnische Voraussetzungen; Nachweis einer Kohlenmonoxidexposition; hirnorganisches Psychosyndrom; kognitive Defizite; Ursachenzusammenhang


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 13.01.2010
Aktenzeichen L 3 U 257/06 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 9 SGB 7

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. August 2006 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zur erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer hirnorganisch bedingten Leistungseinschränkung als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1201 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Erkrankungen durch Kohlenmonoxid –.

Der 1939 geborene Kläger war seit 1993 bis zum 31. Mai 2001 bei der Firma SF GmbH als Schrotteinkäufer versicherungspflichtig beschäftigt. In dieser Eigenschaft war er seit 1994 täglich mit einem firmeneigenen, personengebundenen Pkw VW Passat (Baujahr 1993) unterwegs. Nach seinen Schilderungen verspürte er am 20. November 2000 bei einer Dienstfahrt Übelkeit und Schwindel und sah Doppelbilder. Der Kläger begab sich noch am gleichen Tag in die ärztliche Behandlung bei seiner Hausärztin, der Allgemeinmedizinerin Dr. P, wo er über unklare grippeähnliche Symptome und Kopfschmerzen klagte. Ihre Untersuchung ergab einen unauffälligen Befund, Infektzeichen konnten nicht objektiviert werden, wegen glaubhafter Kopf- und Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit stellte sie jedoch Arbeitsunfähigkeit ab dem 20. November 2000 fest.

Am 22. November 2000 erteilte der Kläger der Autohaus N GmbH F einen Auftrag zur Reparatur seines Dienstwagens. Der von ihm unterzeichnete Reparaturauftrag lautete wie folgt:

„Auspuffanlage inst.

Temperatur (70 hC) geht nicht höher – inst.“.

Nachdem der Kläger den Dienstwagen am 24. November 2000 nach erfolgter Reparatur zurückerhalten hatte, erteilte er am 27. November 2000 der Autohaus N GmbH F einen weiteren Reparaturauftrag wie folgt: „Kühlsystem inst.“.

Bei seiner Vorstellung bei Frau Dr. P am 27. November 2000 berichtete der Kläger über eine mögliche Kohlenmonoxidinhalation, jedoch nicht von einem defekten Fahrzeug, so dass diese eine CO-Hämoglobin(Hb)-Untersuchung veranlasste, bei der sich jedoch normale Werte ergaben. Wegen der in der Folgezeit geklagten Thoraxbeschwerden, Arthralgien und Cephalgien erfolgten Vorstellungen sowohl beim Augenarzt Dr. E (Bericht vom 18. Dezember 2000: keine pathologischen Veränderungen, Veränderung im Sinne eines Fundus hypertonicus 1. Grades, Nahbrillenkorrektur erforderlich) als auch bei der Nervenärztin Dr. M (neurologischer Untersuchungsbefund am 25. Januar 2001 unauffällig; deutliche hirnorganisch bedingte Leistungseinschränkungen im psychologischen Leistungstest vom Februar 2001) sowie eine CT-Untersuchung des Kopfes vom 23. Januar 2001 (unauffälliger Befund). Am 26. Januar 2001 erfolgte eine Vorstellung bei dem Durchgangsarzt (DA) Dr. G. Hierbei gab der Kläger an, aufgrund eines Defektes am Auspuffkrümmer seines Dienstfahrzeuges wiederholt Auspuffgase inhaliert zu haben. Des Weiteren klagte er über Schlafstörungen, rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, Kraftlosigkeit in beiden Beinen und Druckgefühl im rechten frontalen Schädelbereich sowie über wiederholte Nervosität. Die körperliche Untersuchung ergab keinen krankhaften Befund. Dr. G diagnostizierte eine chronische Kohlenmonoxidintoxikation und hielt den Kläger bis zum 11. März 2001 für arbeitsunfähig. Eine zwischenzeitlich sonografisch durchgeführte Untersuchung des Abdomens ergab eine inhomogene Leberstruktur bei Steatosis hepatis ohne eindeutige Darstellung fokaler Läsionen (DA-Berichte vom 15. Februar 2001 und 09. März 2001). Bei der Vorstellung des Klägers in der DA-Sprechstunde im Unfallkrankenhaus Berlin am 27. Juni 2001 fanden sich keine Auffälligkeiten, die Kommunikation mit dem Kläger war normal und ungestört. Der Kläger äußerte die gleichen Klagen wie gegenüber dem DA Dr. G.

Auf die Anzeige von Dr. G veranlasste die Beklagte eine Untersuchung sowohl als Folge eines Ereignisses vom 20. November 2000 (Arbeitsunfall) als auch als BK Nr. 1201. Sie holte Krankheitsberichte von Frau Dr. P vom 20. März 2001 und Frau Dr. M vom 17. Mai 2001, ein Vorerkrankungsverzeichnis der Barmer Ersatzkasse (BEK), welches Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Kreislaufdysregulationen in den Jahren 1994 und 1995 und wegen einer chronischen ischämischen Herzkrankheit vom 03. bis zum 11. Juli 2000 enthielt, sowie einen Unfalluntersuchungsbericht des Technischen Aufsichtsbeamten H vom 17. Juli 2001 ein.

Des Weiteren begutachtete die Nervenärztin Dr. M im Auftrage der Beklagten den Kläger. Sie kam in ihrem Gutachten vom 27. Februar 2002 zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine chronische subakute Kohlenmonoxidvergiftung durch aus einem defekten Auspuffkrümmer in den Fahrgastraum eindringende Abgase vor. Die Zeitdauer der Exposition sei unbestimmt, müsse aber nach dem Ausmaß der Schädigung mit mindestens einem halben Jahr angenommen werden. Beim Kläger bestehe ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom nach chronischer subakuter Kohlenmonoxidvergiftung. Dies ergebe sich auch aus den Testbefunden des Dipl.-Psych. M vom 09. Februar 2001 sowie den von ihr selbst durchgeführten Testungen vom 29. Mai 2001 und 31. August 2001. In beiden Fällen hätte der Demtec-Test (Demenztest) noch Werte unter der Altersnorm aufgewiesen, wobei beim zweiten Test eine leichte Besserung zu verzeichnen gewesen sei. Auch seien die Leber- und Thoraxschmerzen zurückgegangen, während Kopfschmerzen und Schlafstörungen noch in erheblichem Maße im Sommer 2001 sowie Gedächtnisausfälle, Wortfindungsstörungen und erhöhte Reizbarkeit bestanden hätten. Die Nachuntersuchung mit dem Demtec-Test habe eine leichte Verbesserung (Übungseffekt?) gezeigt, ein am 21. Februar 2002 durchgeführter c. I.-Test zum Erkennen von Frühanzeichen einer Demenz habe auf eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Hirnschädigung hingewiesen. Weiter führte sie aus, es liege eindeutig eine arbeitstechnische Störung vor (Riss im Auspuffkrümmer, Einatmen von CO-Gasen über die Heizung/Belüftung im Fahrgastraum über einen unbekannten Zeitraum). Der Kläger verfüge über eine besonders robuste Konstitution. Neben dem Psychodefizit bestünden auch organische Schäden. Aufgrund der körperlichen, seelischen und geistigen Defizite durch die chronische Kohlenmonoxidvergiftung sei die MdE in den ersten Monaten nach November 2000 mit 90 v. H., ab Sommer 2001 mit 80 v. H. und seit 2002 mit ca. 70 v. H. anzusetzen.

Anschließend holte die Beklagte eine Stellungnahme des Arbeits-, Sozial- und Umweltmediziners Dr. P vom 29. April 2002 ein, der zunächst weitere Ermittlungen zur haftungsbegründenden Kausalität und insbesondere auch eine Untersuchung zur außerberuflichen Ursache des Leidens für erforderlich hielt.

Die Beklagte veranlasste daraufhin weitere Ermittlungen durch ihre Abteilung Prävention bei der Nachfolgefirma des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers, der B Schrott-Verwertung GmbH sowie der Autohaus N F GmbH. Die Abteilung Prävention kam in ihrer Stellungnahme vom 31. Juli 2002, die sich wegen des zwischenzeitlichen Verkaufes des Pkw allein auf die Unterlagen über die im Jahre 2000 erfolgten Inspektionen bzw. Reparaturen stützte, zu dem Ergebnis, dass ein Ansaugen von Motorabgasen aus dem Motorraum in den Fahrgastraum bei einem defekten Abgaskrümmer nicht möglich sei. Zudem würden bei einem Defekt des Auspuffkrümmers im Motorraum in einer Größenordnung, die ein Austreten von Auspuffgasen zur Folge habe, Motorgeräusche auftreten, die einen Weiterbetrieb des Fahrzeuges nicht ermöglichten.

Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme lehnte die Beklagte die Anerkennung der beim Kläger bestehenden Beschwerden als BK Nr. 1201 durch Bescheid vom 25. Oktober 2002, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2002, ab und verneinte Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Kohlenmonoxidexposition während der beruflichen Tätigkeit des Klägers, die geeignet gewesen wäre, die genannten Beschwerden zu verursachen, habe nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit und jeden vernünftigen Zweifel ausschließend (Vollbeweis) nachgewiesen werden können.

Zuvor hatte die Beklagte bereits durch Bescheid vom 01. Oktober 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2002 die Anerkennung des Ereignisses vom 20. November 2000 als Arbeitsunfall abgelehnt, seine hiergegen vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen S 3 U 173/02 erhobene Klage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2006 zurückgenommen.

Mit der vorliegenden Klage vor dem SG Frankfurt (Oder) hat der Kläger sein Begehren auf Anerkennung des bei ihm bestehenden hirnorganischen Psychosyndromes als BK Nr. 1201 weiterverfolgt. Zur Begründung hat er ausgeführt, bereits drei oder vier Monate vor dem Ereignis im November 2000 bei Nutzung des Dienstwagens eine Geruchsbelästigung in Form eines Gasgeruches bemerkt zu haben. In den Sommermonaten sei er jedoch häufig mit offenem Fenster gefahren und habe sich wahrscheinlich auch langsam an diese Belästigung gewöhnt. Mitfahrer hätten ihn immer wieder auf diesen Geruch aufmerksam gemacht. Seine Ehefrau habe sich schon Monate vor November 2000 über einen Abgasgeruch/-gestank beschwert, ebenso sein Arbeitskollege G, der sogar die Mitfahrt verweigert habe. Bei der Abgabe des Fahrzeuges zur Reparatur im Autohaus N im November 2000 habe er dem Kundenberater W geschildert, dass es im Fahrzeug nach Abgasen rieche. Der Kundenberater W habe daraufhin das Auto gestartet und gesagt, wenn er sich nicht vergiften wolle, solle er das Fahrzeug dort lassen. Im Zuge der Reparatur sei dann auch der Zylinderkopf gewechselt worden.

Das SG hat zunächst das Arbeitsbuch sowie den Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (SVA) vom Kläger angefordert und hiervon Kopien zur Akte genommen. Sodann hat es eine Auskunft der Autohaus N GmbH vom 04. Juni 2003 zu den im Mai, Juli und November 2000 durchgeführten Inspektionen bzw. Reparaturen des Dienstwagens des Klägers eingeholt und die jeweiligen Aufträge und Rechnungen hierzu beigezogen. Nach Auskunft der Autohaus N GmbH sei bei Erteilung der Reparaturaufträge zu keinem Zeitpunkt ein Abgasgeruch im Innenraum des Pkw erwähnt worden. Des Weiteren hat das SG im Erörterungstermin vom 10. August 2004 sowohl den Kläger zur Geruchsbelästigung und deren Zeitdauer sowie zu den Details der Auftragserteilung im Rahmen der durchgeführten Reparaturen am Pkw angehört, als auch die Ehefrau des Klägers sowie dessen ehemaligen Kollegen H-J G (G.) als Zeugen zum Auftreten von Geruchsbelästigungen im Inneren des Pkw vernommen. Zudem hat es den Kundenberater der Autohaus N GmbH F D W(W.) als Zeugen zum Umfang des Reparaturauftrages aus November 2000 und der daraufhin durchgeführten Reparaturen sowie zu seinen Wahrnehmungen hinsichtlich einer behaupteten Geruchsbelästigung im Innenraum bei Auftragsannahme vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Angaben des Klägers sowie der Bekundungen der Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift des SG Frankfurt (Oder) vom 10. August 2004 verwiesen.

Anschließend hat das SG ein Gutachten des Kfz-Sachverständigen bei der DEKRA Automobil GmbH Niederlassung F (O) Dipl.-Ing. S vom 01. Juni 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 17. Februar 2006 zur Frage des Eindringens von Abgasen in den Innenraum des Dienstwagens des Klägers eingeholt. Der Sachverständige ist in Auswertung der Reparaturunterlagen ab Mai 2000 im Wesentlichen zu der Beurteilung gelangt, dass ein Austritt von Abgasen infolge eines Verschleißes an den Dichtungen zwischen Zylinderkopf und Auspuffkrümmer möglich sei. Dies gehe aber mit einem Anstieg der Geräuschwerte im Bereich der undichten Stellen einher. Eine eindeutige Aussage zu einem unzulässigen Austritt von Abgasen könne ohne die Begutachtung der in Betracht kommenden Teile des Auspuffkrümmers, der Dichtungen sowie des Zylinderkopfes nicht getroffen werden. Der von der Gutachterin Frau Dr. M angenommene Riss im Auspuffkrümmer könne jedenfalls ausgeschlossen werden, da der Auspuffkrümmer im Rahmen der vorgenommenen Reparaturarbeiten nicht ausgewechselt worden sei. Durch den Austausch verschlissener Teile der Abgasanlage sowie des Zylinderkopfes werde ein unzulässiger Austritt von Abgasen, aber auch von Kühlflüssigkeit und Motoröl verhindert. Eine Abgasanlage, die sich in der Regel relativ niedrig am Fahrzeugboden befinde, könne auch durch mechanische Vorgänge (Hindernisse während des Fahrvorganges) Schaden nehmen, was ebenfalls durch Auswechseln der beschädigten Teile behoben werde. Aus technischer Sicht sei es möglich, dass durch eine verschlissene Dichtung Abgase in den Motorraum und sodann in den Fahrgastraum eingeleitet würden. Bei relativ geringfügigen Beschädigungen träten in der Regel noch keine erhöhten Geräusche auf.

Durch Urteil vom 22. August 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es habe sich zur Überzeugung der Kammer eine Einwirkung von Kohlenmonoxid auf den Kläger weder im Sinne einer akuten Vergiftung noch im Sinne einer wiederholten leichten Angiftung feststellen lassen. Das Vorbringen des Klägers, dass es in seinem Dienstfahrzeug seit etwa Juli/August 2000 häufig unangenehm gerochen habe, was im Übrigen auch von der Ehefrau des Klägers und dem Zeugen G. im Wesentlichen bestätigt werde, lasse nicht ohne weiteres auf das Eindringen von Kohlenmonoxid in den Fahrgastraum schließen. Weder dem Kläger noch den Zeugen sei eine konkrete Beschreibung des bemerkten Geruches gelungen. Allein die Bekundungen, dass es durchaus ein Abgasgeruch gewesen sein könne, genügten nicht den Beweisanforderungen. Zudem bleibe hier die Frage offen, weshalb niemand sich veranlasst gesehen habe, hinsichtlich des vermuteten Abgasgeruches Abhilfe schaffen zu lassen. Auch aus den Reparaturunterlagen lasse sich nicht entnehmen, dass der Kläger einen regelmäßigen Abgasgeruch im Innenraum des Fahrzeugs tatsächlich angezeigt habe. Zudem habe der Zeuge W., der als Kundenbetreuer der Autohaus N GmbH F die beiden Reparaturaufträge des Klägers im November 2000 jeweils entgegengenommen habe, die Behauptung des Klägers, er habe den regelmäßigen Abgasgeruch am 22. November 2000 dem Zeugen W. mitgeteilt, woraufhin dieser den Pkw gestartet und den Kläger veranlasst habe, den Pkw dort zur Reparatur zu lassen, nicht bestätigt. Der Zeuge habe ein Gespräch diesen Inhaltes zwischen dem Kläger und ihm nicht definitiv ausgeschlossen. Eine Bestätigung habe er jedoch nicht abzugeben vermocht. Auch nach den weiteren nachvollziehbaren Bekundungen des Zeugen W. müsse die am 27. November 2000 durchgeführte erneute Reparatur mit Auswechseln des Zylinderkopfes einschließlich der Zylinderkopfdichtung unabhängig von den am 22. November 2000 in Auftrag gegebenen Auswechseln der Auspuffanlage gesehen werden. Die zweite Reparatur sei nach Auffassung des Zeugen, der das Gericht sich anschließe, vielmehr im Zusammenhang mit der vom Kläger ebenfalls bemängelten zu niedrigen Motortemperatur zu sehen. Dass im Rahmen der am 22. November 2000 in Auftrag gegebenen Reparatur tatsächlich die Auspuffanlage ausgewechselt worden sei, biete zwar einen Anhalt dafür, dass der Kläger tatsächlich einen Defekt an der Abgasanlage bemerkt und angezeigt habe. Jedoch lasse dies nicht zwingend den Schluss zu, dass zuvor über einen Zeitraum von mehreren Monaten Abgase in den Fahrgastraum des Dienstfahrzeuges geleitet worden seien. Wie der Sachverständige Dipl.-Ing. S in seinem Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme dargelegt habe, unterliege die Abgasanlage eines Pkw einschließlich der Dichtungen infolge thermischer Belastungen einem erheblichen Verschleiß, auch könne eine Beschädigung durch mechanische Überbelastung durch Hindernisse während des Fahrvorganges erfolgen. Die hierbei entstehenden Defekte würden jeweils durch Austausch der verschlissenen bzw. beschädigten Teile behoben. Auch sei es denkbar, dass es im Falle des Verschleißes an den Dichtungen zwischen Zylinderkopf und Auspuffkrümmer zu Undichtheiten mit Austritt von Abgasen kommen könne. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass mit Zunahme der Undichtheit und des Austrittes von Abgasen die Geräuschemission in diesem Bereich stark anwachse. Nur wenn die Beschädigungen relativ geringfügig ausgeprägt seien, träten noch keine erhöhten Geräusche auf. Ob im vorliegenden Fall ein normaler Verschleiß oder eine mechanische Beschädigung der Abgasanlage Anlass der durchgeführten Reparatur gewesen sei, habe der Sachverständige aufgrund der fehlenden Angaben im Reparaturauftrag und der nicht mehr möglichen Begutachtung der ausgewechselten Teile nicht beurteilen können. Die Kammer entnehme den Ausführungen des Sachverständigen, dass es keineswegs wahrscheinlich sei und erst recht nicht mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad davon auszugehen sei, dass tatsächlich Abgase in den Fahrgastraum des Dienstfahrzeuges gelangt seien. Wären tatsächlich über den von dem Kläger behaupteten Zeitraum von mehreren Monaten Abgase in den Pkw geleitet worden, so hätte dies zur Überzeugung der Kammer mit einer erhöhten Geräuschemission einhergehen müssen. Diese sei aber weder vom Kläger noch dessen Ehefrau und auch nicht vom Zeugen G. behauptet worden. Da sich bereits das Eintreten von Abgasen und somit von Kohlenmonoxid in den Fahrgastraum des Dienstfahrzeuges nicht habe beweisen lassen, komme es auf die Frage der Kausalität zwischen der behaupteten Kohlenmonoxidvergiftung und dem beim Kläger festgestellten hirnorganischen Psychosyndrom nicht mehr an.

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das SG habe hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen die Beweisanforderungen überspannt und eine medizinische Sachverhaltsaufklärung unterlassen. Die Beklagte habe keinen Alternativsachverhalt vorgetragen, der zu seiner Erkrankung führen könne. Der Kläger hat Auszüge betreffend die BK Nr. 1201 aus dem Handbuch der Arbeitsmedizin sowie des Merkblattes zur Berufskrankheit vorgelegt und sich auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Nervenärztin M bezogen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. August 2006 und den Bescheid vom 25. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2002 aufzuheben und festzustellen, dass die bei ihm bestehende hirnorganisch bedingte Leistungseinschränkung Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 1201 der Anlage zu BKV ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, nach dem Ergebnis der technischen und medizinischen Ermittlungen sei weder eine Kohlenmonoxidexposition noch eine Kohlenmonoxidvergiftung erwiesen.

Der Senat hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. B mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens sowie die Neuropsychologin Prof. Dr. CW mit einem entsprechenden neuro-psychologischen Zusatzgutachten beauftragt. Hierbei ist den Sachverständigen aufgegeben worden, das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 1201 (Kohlenmonoxidexposition) zu unterstellen. Dr. B ist in seinem Gutachten vom 29. Dezember 2008 nach Untersuchung des Klägers am 23. September 2008 und unter Berücksichtigung des neuropsychologischen Gutachtens von Frau Prof. Dr. W vom 17. November 2008 zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger liege neben einem leichten kognitiven Defizit ein leicht bis mittelgradig ausgeprägtes depressives Syndrom vor. Das depressive Syndrom sei i. S. einer Verbitterungsstörung infolge der langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung zu sehen, da die von den behandelnden Ärzten gestellte Diagnose einer Kohlenmonoxidvergiftung keine sozialrechtliche Anerkennung gefunden habe. Eine wesentliche Rolle spiele hier sicher der schwierige Lebensweg des Klägers mit Verbannung, Entbehrung und bis zum Ende der DDR-Zeit auch oft erlebter ungerechter Behandlung. Die Auseinandersetzungen um die Anerkennung seiner Beschwerden als Berufserkrankung hätten zu einer letztendlich anhaltenden Störung eigener psychischer Kompensationsmechanismen geführt. Eine quantitative Definition der kognitiven Defizite sei aufgrund der Beeinflussung der Leistungen des Klägers während der neuropsychologischen Testung durch reaktive psychische Mechanismen auf die Untersuchungssituation, eigene Erwartungen an seine Leistungsfähigkeit, seinen Umgang mit Misserfolgen etc. nicht sicher möglich. Bei der Gesamtbeurteilung sei dieses Defizit aber qualitativ insgesamt als leicht einzuschätzen. Die von ihm durchgeführte Elektroenzephalografie(EEG)-Untersuchung habe eine gering ausgeprägte bitemporale Hirnfunktionsstörung gezeigt. Hierbei handele es sich um einen unspezifischen Befund, der nur ein allgemeines zerebrales Irritationsphänomen anzeige, welches in dieser Altersgruppe z. B. aufgrund zerebraler Durchblutungsstörungen wie nach länger bestehendem Hypertonus gelegentlich festzustellen sei. Der Befund sage nichts über den zugrunde liegenden pathophysiologischen Prozess aus. Eine ätiologische Zuordnung des leichten kognitiven Defizites sei nicht sicher möglich. Hier könnten der langjährige latente Hypertonus i. S. einer leichten hypertonen Encephalopathie, aber auch leichte degenerative Veränderungen im Rahmen des Seniums und nicht zuletzt psychische Mechanismen im Rahmen der depressiven bzw. Verbitterungsstörung eine Rolle spielen. Entsprechend dem Verlauf der Beschwerden seit dem geschilderten Akutereignis im November 2000, den Ergebnissen der damaligen Diagnostik (u. a. normaler CO-Hb-Wert), der ausführlichen aktuellen neuropsychologischen Testung und der ausführlichen Würdigung der aktuellen Literatur durch Frau Prof. Dr. W lasse sich eine Verursachung der Symptomatik durch eine Kohlenmonoxidintoxikation nicht nachweisen. Eine Kohlenmonoxidintoxikation im November 2000 könne wegen des Fehlens von CO-Hb-Messwerten und einer differenzierten neuropsychologischen Diagnostik zum damaligen Zeitpunkt nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Ursache der im November 2000 beschriebenen Symptomatik mit Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen könne jedoch auch ein plötzliches Auftreten hoher Blutdruckwerte (hypertensive Krise) bei labilem Hypertonus sein. Möglich sei zudem ein virusbedingter Infekt bzw. eine Kombination aus beidem. So sei von der Hausärztin Dr. P bei der Erstvorstellung ein „grippaler“ Infekt angenommen worden. Eine Arbeitsunfähigkeit sei wegen unklarer Thoraxschmerzen, Arthralgien sowie Cephalgien festgestellt worden. Auch werde in den Vorbefunden über eine Bluthochdruckerkrankung des Klägers berichtet. Bereits in der augenärztlichen Untersuchung vom 18. Dezember 2000 sei ein Fundus hypertonicus 1. Grades beschrieben worden. Eine solche Veränderung des Augenhintergrundes sei eine Folgeerscheinung eines schon länger vorbestehenden Hypertonus. Dieser habe sich mit Sicherheit nicht erst nach November 2000 entwickelt. Die beim Kläger bestehende depressive Symptomatik habe einen wesentlichen Einfluss auf das aktuelle Gesamtbefinden und insbesondere die aktuelle psychische Gesamtbelastbarkeit. Der Auffassung von Frau Dr. M, die in ihrem Gutachten vom Februar 2002 ein so genanntes organisches Psychosyndrom und ein zentralvegetatives Syndrom sowie eine unspezifische Allgemeinsymptomatik beschrieben und dies als „geradezu klassische“ Symptomatik einer Kohlenmonoxidintoxikation bezeichnet habe, könne nicht gefolgt werden. So kämen für das zentralvegetative Syndrom alle Krankheitsprozesse und Noxen in Betracht, die das Nervensystem direkt oder indirekt träfen und dabei vegetative Zentren, Bahnen oder periphere Strukturen einbezögen. Organische Psychosyndrome seien unabhängig von ihrer speziellen Ätiologie durch gemeinsame und einheitliche psychopathologische Syndrome und Symptome gekennzeichnet, sie seien unspezifische Reaktionstypen und zwar unspezifisch in Bezug auf die Ätiologie bzw. die Grunderkrankung. Es handele sich also insgesamt um eine unspezifische Symptomatik, die einer Vielzahl von Krankheitserscheinungen zuzuordnen sei. Um eine Krankheit oder Noxe als ursächlich beweisend für eine Symptomatik angeben zu können, sei der unmittelbare Nachweis der Krankheit oder die direkte bzw. indirekte Bestimmung der Noxe erforderlich. Deshalb werde in der arbeitsmedizinischen Literatur zum Nachweis einer Kohlenmonoxid-Intoxikation wiederholt der Bestimmung des CO-Hb-Gehaltes des Blutes eine besondere Bedeutung zugemessen. Im Übrigen basiere das Gutachten von Frau Dr. M auf einer unzureichenden neuropsychologischen Diagnostik des organischen Psychosyndroms, wie von Frau Prof. Dr. W ausführlich dargelegt werde.

Frau Prof. Dr. W hat nach einer Anamneseerhebung am 06. Oktober 2008 und ausführlicher Testdiagnostik am 10. Oktober 2008 zusammenfassend ausgeführt, die neuropsychologische Funktionsfähigkeit variiere beim Kläger in Abhängigkeit vom jeweiligen Funktionsbereich zwischen unauffälligen bis stark unterdurchschnittlichen Leistungen. Die größten Schwierigkeiten hätten sich in den Bereichen Teilung der Aufmerksamkeit, Konsolidierung von Gedächtnisinhalten sowie Handlungsplanung und Kontrolle (Teilbereiche von Exekutivfunktionen) gezeigt. Weiterhin habe sich die psychische Gesamtbelastung als stark ausgeprägt gezeigt. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die dokumentierten Testergebnisse eine leichte Unterschätzung des tatsächlichen Leistungsvermögens repräsentierten. Der Kläger sei zwar motiviert und kooperativ gewesen, habe jedoch nicht durchgängig eine konstante hohe Anstrengungsbereitschaft gezeigt, wie sich aus zwischendurch durchgeführten Kontrolluntersuchungen ergebe. Auch in dem zweistündigen Anamnesegespräch habe sich der Kläger anstrengen müssen und sich im Vergleich zur Testsituation deutlich belastbarer gezeigt. Die von Frau Dr. M bzw. dem von ihr beauftragten Dipl.-Psych. M eingesetzten Diagnostikverfahren seien nicht ausreichend bzw. nicht geeignet gewesen, um neuropsychologische Funktionsbeeinträchtigungen nach erworbenen Hirnschädigungen zu objektivieren. Nach dem aktuellen Wissensstand müssten zur Abklärung der Frage nach neuropsychologischen Funktionsbeeinträchtigungen differenziertere Untersuchungen mit sensitiveren Testinstrumenten durchgeführt werden. Insbesondere der Demtec-Test und der c.I.-Test seien so genannte Screeningverfahren, die zur ersten Grobabschätzung des Vorliegens von demenziellen Erkrankungen zum Einsatz kämen, hierbei handele es sich nicht um normierte Testverfahren im engeren Sinne. Insgesamt sei die von Frau Dr. M durchgeführte neuropsychologische Diagnostik als völlig unzureichend und unspezifisch anzusehen. Sie habe in keiner Weise den Anforderungen genügt, um damit neuropsychologische Beeinträchtigungen objektivieren zu können. Von daher entfalle eine Vergleichsmöglichkeit mit den aktuellen Untersuchungsergebnissen. Des Weiteren hat Frau Prof. Dr. W ausgeführt, nach ihrem Wissen und Durchsicht der Fachliteratur würden keine Studien existieren, die neuropsychologische Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit chronischen/lang anhaltenden/subakuten CO-Intoxikationen systematisch untersucht hätten. Zusammenfassend sei aus neuropsychologischer Sicht festzustellen, dass zwar nicht mit letzter Sicherheit ausgeräumt werden könne, dass die berichteten Symptome auf das Vorliegen einer „Intoxikation lente“ hindeuteten, dass es andererseits jedoch (vor dem Hintergrund einer leider unausgereiften Studienlage) keine starken neuropsychologischen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer CO-Intoxikation gebe.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2002 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2002 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat – wie das Sozialgericht schon zutreffend festgestellt hat - keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 1201, da eine Erkrankung durch Kohlenmonoxid bei ihm nicht vorliegt.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Streitgegenstand ist allein die Anerkennung einer BK Nr. 1201, denn in dem angefochtenen Bescheid vom 25. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2002 ist die Anerkennung einer BK Nr. 1201 abgelehnt worden. Über das noch im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachte Begehren auf Gewährung von Verletztenrente, welches der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt, könnte der Senat nicht in zulässiger Weise entscheiden, denn die Ablehnung einer Verletztenrente ist mit dem angefochtenen Bescheid nicht erfolgt. Vielmehr hat die Beklagte lediglich unbestimmte Entschädigungsleistungen abgelehnt.

Als entschädigungspflichtiger Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) auch eine BK. Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).

Nach Nr. 1201 der Anlage zur BKV sind Erkrankungen durch Kohlenmonoxid als BK anzusehen. Nach dem Tatbestand der BK Nr. 1201 muss also der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit der Einwirkung von Kohlenmonoxid (in einem gesundheitsschädlichen Umfang) ausgesetzt gewesen sein (Kohlenmonoxidexposition). Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine entsprechende Erkrankung entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 1201 nicht vor und ist nicht anzuerkennen.

Zwar ist nach den vorliegenden medizinischen Befunden davon auszugehen, dass beim Kläger eine Erkrankung in Form eines leichten kognitiven Defizites sowie eines leicht- bis mittelgradig ausgeprägten depressiven Syndromes vorliegt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Erkrankung durch Kohlenmonoxid im Sinne der BK Nr. 1201.

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme, bei der alle denkbaren Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden, steht bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger während seiner Berufstätigkeit als Schrotteinkäufer auf seinen Dienstfahrten in dem ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Pkw VW Passat (in einem die Gesundheit gefährdenden Ausmaß) einer Kohlenmonoxideinwirkung ausgesetzt war. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage den Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil vom 22. August 2006 auf Seite 7 bis 9 an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Allein die Möglichkeit, dass in den Fahrgastraum des vom Kläger bis November 2000 genutzten Dienstwagens Kohlenmonoxid durch einen – dazu auch geeigneten - Defekt an der Auspuffanlage hat eindringen können, reicht für den Nachweis einer Kohlenmonoxideinwirkung nicht aus.

Selbst bei Unterstellung einer Kohlenmonoxideinwirkung auf den Kläger während der Nutzung des Dienstwagens bei seiner Tätigkeit als Schrotteinkäufer in dem Zeitraum von August 2000 (so die Angaben des Klägers zur „Geruchsbelästigung“) bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 20. November 2000 ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass diese zu dem beim Kläger bestehenden kognitiven Defizit (nebst depressivem Syndrom) geführt hat.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. B vom 29. Dezember 2008 und dem Zusatzgutachten der Neuropsychologin Prof. Dr. W vom 17. November 2008.

Danach liegt eine Erkrankung durch Kohlenmonoxid nicht vor. Die Gifteinwirkung des Kohlenmonoxids beruht auf seiner starken Affinität zum Hämoglobin. Es resultiert eine Störung des Sauerstofftransports, die bis zur inneren Erstickung führen kann. Die Symptome der Vergiftung richten sich weitgehend nach dem jeweiligen Ausmaß des Sauerstoffmangels und werden in erster Linie durch eine Beeinflussung des Gehirns und des Herzmuskels hervorgerufen. Von plötzlicher Bewusstlosigkeit und rasch eintretendem Tod bei hochakuter Erkrankung auf Grund der Einwirkung besonders hoher Kohlenmonoxid (CO)-Dosen bis zu uncharakteristischen zentralen Erscheinungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Reizbarkeit u. Ä. bei chronischer Exposition („Intoxikation lente“) gibt es vielgestaltige Krankheitsbilder. Dazu gehören insbesondere: Epilepsie, Geruchsstörung, Zeugungsunfähigkeit, Augenerkrankung, Hör- und Gleichgewichtsstörung, Herzerkrankung, Diabetes mellitus und Schilddrüsenunter- und -überfunktion (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2009, Anmerkung 21.4; Erkrankungen durch Kohlenmonoxid Merkblatt zur BK Nr. 11 der Anlage 1 zur 7. BKVO, Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit vom 28. Oktober 1963 in BArbBl. 1963, 282 f, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Kommentar, Stand Oktober 2009 <im Folgenden zitiert: Merkblatt zur BK 1201>).

Vorliegend kann nach den Schilderungen des Klägers hinsichtlich der Art und Dauer der (unterstellten) Intoxikation allenfalls von einer chronischen Exposition mit niedrigen Dosen („Intoxikation lente“) ausgegangen werden. Die Klassifizierung in der arbeitsmedizinischen Literatur ist nicht ganz einheitlich. Das Merkblatt zur BK 1201 unterscheidet zwischen einer kürzer- oder längerfristigen Einwirkung besonders hoher (>50%) oder hoher Dosen (20-50%) und einer „Intoxkation lente“, bei der über längere Zeiträume kleinere CO-Mengen eingeatmet werden (es wird von einer subakuten Vergiftung infolge wiederholter leichter „Angiftung“ ausgegangen). In den Arbeitsmedizinischen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (2006) wird zwischen akuten, subakuten und chronischen Intoxikationen unterschieden. Nach Darlegung des Sachverständigen Dr. B sind im Falle des Klägers weder Symptome wie bei einer hohen Dosis Kohlenmonoxid, d. h. Bewusstlosigkeit oder Krämpfe¸ noch wie bei mittleren Dosen, d. h. Versagen der Muskelkraft, Gefühls- und Bewegungsstörungen, bekannt geworden. Sowohl die Neuropsychologin Frau Prof. Dr. W als auch die Nervenärztin Dr. M gehen auf Grund der Schilderungen des Klägers eher von einer chronischen Einwirkung, d.h. einer „Intoxikation lente“ aus. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar seine „Symptome“ zum Teil auf einen Zeitraum von drei bis vier Monaten vor dem 20. November 2000 zurück bezieht, jedoch nach den vorgelegten Reparatur- und Wartungsunterlagen für die Zeit vor November 2000 (Inspektion im Mai 2000, Wechsel des Drehstromgenerators im Juli 2000) nicht der geringste Anhaltspunkt für einen Defekt am Dienstwagen, der zu einer irgendwie gearteten Kohlenmonoxidexposition im Innenraum führen könnte, vorhanden ist.

Für die Feststellung einer Kohlenmonoxid-Erkrankung ist wegen der unspezifischen Symptome der quantitative Nachweis von Kohlenmonoxid im Blut besonders wichtig (vgl. Merkblatt zur BK 2101; Handbuch der Arbeitsmedizin, hrsg. von J. Konietzko und H. Dupuis, Stand 1996, IV – 2.4.10.2 Kohlenmonoxid S. 23). An einem solchen fehlt es hier. Die von Frau D am 27. November 2000 einmalig veranlasste CO-Hämoglobin-Untersuchung des Blutes hat einen unauffälligen Befund ergeben. Zwar kann deswegen eine Kohlenmonoxiderkrankung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, weil sich der CO-Hämoglobin-Wert nach Beendigung der Kohlenmonoxid-Exposition und vermehrter Sauerstoffaufnahme schnell wieder normalisiert (vgl. Merkblatt zur BK 1201). Die sonstigen Umstände sprechen jedoch mehr gegen als für das Vorliegen einer Kohlenmonoxiderkrankung.

Zunächst lassen sich die vom Kläger bezogen auf ein Akutereignis am 20. November 2000 unmittelbar gegenüber seiner Hausärztin Dr. P und seiner Nervenärztin Frau Dr. M geklagten Erstbeschwerden in Form von Übelkeit, Schwindel und Doppelbilder sowie der unmittelbar folgenden Beschwerden wie Gliederschmerzen (Arthralgien), unklare Thoraxschmerzen und Abgeschlagenheit und die danach noch andauernden Kopfschmerzen – wie von dem Sachverständigen B an Hand der in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen dargelegt - sehr wohl auch auf eine akute Bluthochdruckkrise oder auf einen akuten Infekt bzw. eine Kombination von beidem zurückführen. Dass der Kläger Herz-Kreislauf-Probleme hatte, ergibt sich schon aus dem von der Beklagten eingeholten Vorerkrankungsverzeichnis sowie den Eintragungen im SVA. Diesen ist zu entnehmen, dass Arbeitsunfähigkeit wegen einer essentiellen Hypertonie (= Schlüssel Nr. 401, gemäß dem ab 1979 bis 1997 im Beitrittsgebiet geltenden ICD-9 Diagnoseschlüssel) vom 23. Juli bis zum 17. August 1990, wegen Kreislaufdysregulationen sowohl im März 1994 als auch im Januar/Februar 1995 und wegen einer chronisch ischämischen Herzkrankheit vom 03. bis zum 11. Juli 2000 bestanden hatte. Zu Recht weist der Sachverständige Dr. B darauf hin, dass der im Dezember 2000 augenärztlich festgestellte Fundus hypertonicus I. Grades Folge einer über einen längeren Zeitraum bestehenden (unbehandelten) Bluthochdruckerkrankung ist und nicht erst durch einen auf Grund einer Kohlenmonoxidexposition im Herbst 2000 initiierten Bluthochdruck entstanden sein kann. Die von dem zum damaligen Zeitpunkt 61jährigen Kläger geklagten Sehbeschwerden haben sich nach Verordnung einer neuen Nahbrille durch den Augenarzt Dr. E im Dezember 2000 gebessert.

Abgesehen davon haben die zeitnah durchgeführten neurologischen und körperlichen Untersuchungen von Frau Dr. P(ausführlicher Krankheitsbericht vom 20. Juli 2001), Frau Dr. M und dem DA Dr. G wie auch die craniale Computertomographie vom 23. Januar 2001 unauffällige Befunde ergeben (vgl. DA-Bericht vom 15. Februar 2001: Grobneurologisch und vital stabiler, psychisch unauffälliger Versicherter, unauffälliges Gangbild, freie Beweglichkeit in allen Gelenken, Abdomen und Leber ohne Druckschmerzhaftigkeit; DA-Bericht vom 21. Juni 2001: Bei der grobneurologischen Untersuchung des Versicherten wurden keine pathologischen Befunde festgestellt; Ärztl. Mitteilung der Frau Dr. M an Frau Dr. P vom 25. Januar 2001: „Neurol. o. B.“). Bei einer sonographischen und computertomographischen Untersuchung der Leber hat sich zwar eine inhomogene Leberstruktur bei Steatosis hepatis jedoch ohne Raumforderung und ohne eindeutige Darstellung fokaler Läsionen gezeigt (DA-Bericht vom 15. Februar 2001), so dass es am Nachweis einer CO-bedingten Leberschädigung in Form von Lebervergrößerung mit Hyperämie und Hämorrhagien bzw. von Leberläppchennekrosen mit zentraler Lokalisation fehlt (vgl. Handbuch der Arbeitsmedizin, a. a. O., S. 19). Auch die klinische Untersuchung im Unfallkrankenhaus am 27. Juni 2001 hat keine Auffälligkeiten ergeben, eine Gangunsicherheit hat sich beim Kläger nicht gezeigt, die Kommunikation ist normal und ungestört gewesen. Frau Dr. M hat im Rahmen ihrer Begutachtung im Februar 2002 offensichtlich keine pathologischen neurologischen Befunde erhoben. Ebenso ist der von Dr. B im September 2008 erhobene körperliche und neurologische Befund weitestgehend unauffällig gewesen. Soweit sich bei der von ihm durchgeführten EEG-Untersuchung des zum damaligen Zeitpunkt 69jährigen Klägers eine gering ausgeprägte bitemporale Hirnfunktionsstörung gezeigt hat, handelt es sich nach der fachärztlichen Einschätzung des Sachverständigen um einen unspezifischen Befund, der nur ein allgemeines zerebrales Irritationsphänomen anzeigt, welches in dieser Altersgruppe z. B. aufgrund zerebraler Durchblutungsstörungen wie nach länger bestehendem Hypertonus gelegentlich festzustellen sei. Der Befund sagt nichts über den zugrunde liegenden pathophysiologischen Prozess aus.

Letztlich bleiben nur die vom Kläger als fortbestehend geklagten subjektiven Beschwerden (Kopfschmerzen, anfangs i. V. m. rezidivierenden Gesichtsschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Rechenschwäche, eingeschränkte Merkfähigkeit, Unruhe bzw. Nervosität). Hierbei handelt es sich um unspezifische neurologisch-psychische Symptome, die - wie von Dr. Bund Frau Prof. Dr. W für den Senat überzeugend dargelegt – einer Vielzahl von Grunderkrankungen zugeordnet werden können. Zudem haben sie sich nur zum Teil - bezogen auf die kognitiven Defizite - durch qualifizierte neuropsychologische Testverfahren objektivieren lassen. Eine ätiologische Zuordnung des leichten kognitiven Defizites ist nach Auffassung des Sachverständigen nicht sicher möglich. Hierbei können der langjährige latente Hypertonus i. S. einer leichten hypertonen Encephalopathie, aber auch leichte degenerative Veränderungen im Rahmen des Seniums (Alters) und nicht zuletzt psychische Mechanismen im Rahmen der depressiven bzw. Verbitterungsstörung eine Rolle spielen.

Dagegen vermochte der Senat nicht dem von der Nervenärztin Frau Dr. M erstellten Gutachten vom 18. Februar 2002 zu folgen. Abgesehen davon, dass Frau Dr. M ihrer Beurteilung einen - nach den überzeugenden Darlegungen des KfZ-Sachverständigen Dipl. Ing. S auszuschließenden - Riss im Auspuffkrümmer als Quelle einer Kohlenmonoxideinwirkung auf den Kläger zu Grunde gelegt hat, lässt ihr Gutachten jegliche nachvollziehbare Befunderhebung vermissen. Das Gutachten enthält weder eine Anamnese noch Befunde einer körperlichen einschließlich einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung. Zudem hat die Gutachterin ihre Diagnose eines schweren hirnorganischen Psychosyndromes auf eine völlig unzureichende bzw. ungeeignete neuropsychologische Testung gestützt, wie die Neuropsychologin Frau Prof. Dr. W in ihrem Zusatzgutachten für den Senat überzeugend im Einzelnen dargelegt hat.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.